TE UVS Niederösterreich 2004/03/12 Senat-BN-03-1051

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Veröffentlicht am 12.03.2004
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl Nr 51 ? AVG, Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben.

 

Gemäß §45 Abs1 Z 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl Nr 52 ? VStG, wird die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Text

Die Bezirkshauptmannschaft  X erkannte den Rechtsmittelwerber mit Straferkenntnis vom 24.03.2003, Zl 3-*****-02, einer Übertretung gemäß §9 Abs 2 iVm §99 Abs 3 lit a StVO 1960 für schuldig und verhängte über den Genannten eine Geldstrafe von ? 36,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden.

 

Gemäß §64 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes wurde der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren mit ? 3,60 bestimmt.

 

Dagegen erhob der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung und führte aus, dass der angebliche Tatbestand nicht stimme.

 

Die Bezirkshauptmannschaft  X übermittelte mit Schreiben vom 11.04.2003 die gegenständliche Berufung unter Anschluss des Strafaktes und teilte mit, von ihrem Recht auf Berufungsvorentscheidung keinen Gebrauch zu machen.

 

Zunächst ist festzustellen, dass gemäß §51e Abs2 Z 1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen konnte, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat nachstehenden Sachverhalt als erwiesen angenommen und dieser Entscheidung zugrunde gelegt:

 

In der, dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden, Anzeige des GP E*********** vom 27.11.2002, GZ-P: A1/****/01/2002, führt der Meldungsleger RI G***** B********* an, der Lenker des PKWs der Marke Toyota, Farbe rot, mit dem behördlichen Kennzeichen W-***PZ habe am 27.11.2002 um 16.22 Uhr in U*************** im Ortsgebiet auf der L *** im Bereich von Strkm 0,140 einem Fußgänger, der erkennbar einen Schutzweg benutzen wollte, das ungehinderte ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht. Weitere Angaben sind dieser Anzeige nicht zu entnehmen.

 

Nach Durchführung einer Lenkeranfrage verhängte die Bezirkshauptmannschaft  X gegen den nunmehrigen Rechtsmittelwerber mit Strafverfügung vom 19.12.2002 gemäß §9 Abs2 iVm §99 Abs3 lit a StVO 1960 eine Geldstrafe von ? 36,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, wobei sie diesem zur Last legte, als Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug gewesen sei, einem Fußgänger, der erkennbar den Schutzweg benützen wollte, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht zu haben. Als Tatort und Tatzeit wurden die Angaben der Anzeige übernommen.

 

Mit Schreiben vom 30.12.2002 erhob der Beschuldigte gegen diese Strafverfügung rechtzeitig Einspruch und führte aus, an der angegebenen Stelle auf der LH *** bei Strkm 0,14 gäbe es keinen Schutzweg. Als er sich an diesem Tag zu dieser Zeit mit seinem Fahrzeug und dem im Kindersitz sitzenden 3 ½-jährigen Enkel dieser besagten Stelle genähert habe, habe er auf der Richtung U*************** führenden Fahrbahn, wo sich die Abzweigung in die P*********/K********* befinde, einige Fahrzeuge stehen gesehen. Er habe abgebremst und sei mit einer der Situation gemäßen langsamen Geschwindigkeit vorbeigefahren. Dabei habe er gesehen, dass es sich um einen Auffahrunfall mit ca drei Fahrzeugen gehandelt habe. Seitlich am Straßenrand seien zwei Gendarmen und am 1,5 Meter breiten Fußweg einige weitere Personen gestanden. Dabei habe sich niemand erkennbar zur Fahrbahn bewegt. Er betrachte die angeblich begangene Verwaltungsübertretung als Irrtum der anwesenden Gendarmen. Gleichzeitig legte der Beschuldigte eine selbst angefertigte Skizze über die besagte Stelle vor.

 

Im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens wurde RI G***** B********* am 04.02.2003 bei der Bezirkshauptmannschaft X als Zeuge einvernommen und führte aus, im Zuge einer Außendienststreife eindeutig wahrgenommen zu haben, dass der Lenker des Fahrzeuges W-***PZ sein Fahrzeug auf der L *** bei Strkm 0,140 nicht angehalten habe, um einem Fußgänger das Überqueren des dortigen Schutzweges zu ermöglichen. Besagter Schutzweg befinde sich in unmittelbarer Nähe der Recycling-Stelle in U***************. Auf Befragung führte der Zeuge weiters aus, dass die im Einspruch gemachten Angaben des Beschuldigten zum Tatort bzw. die Darstellungen in der Skizze sich nicht auf den tatsächlichen Tatort beziehen würden, sondern auf die LH ***.

 

Am 13.03.2003 wurde bei der Bezirkshauptmannschaft  X RI W******* T*** als Zeuge einvernommen und führte aus, als Beifahrer im Gendarmeriefahrzeug mitgefahren zu sein, als sie vor dem Zebrastreifen der LH *** bei Strkm 0,140 auf das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-***PZ aufgeschlossen hätten. Er habe eindeutig die in der Anzeige gemachte Verwaltungsübertretung wahrnehmen können. Zum Tatort führte dieser Zeuge aus, dass die vom Beschuldigten angefertigte Skizze zwar stimme, aber nicht den tatsächlichen Tatort zeige.

 

Aus einer vom Zeugen RI W******* T*** angefertigten Handskizze ist der Verlauf der LH *** sowie der Verlauf der LH *** ersichtlich. In dieser Skizze sind weiters das Beschuldigtenfahrzeug sowie das unmittelbar dahinter fahrende Gendarmeriefahrzeug in Fahrtrichtung M******** eingezeichnet. Aus einem weiters eingezeichneten Pfeil ist ersichtlich, dass ein Fußgänger die LH *** im Bereich des gegenständlichen Schutzweges vermutlich aus der Sicht der beiden Fahrzeuge von links überqueren wollte.

 

Nach schriftlicher Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 13.03.2003 teilte der nunmehrige Rechtsmittelwerber mit Schreiben vom 23.03.2003 mit, zum Unterschied der Beweisaufnahme der beiden Gendarmen zu besagter Zeit mit seinem Fahrzeug allein durch U*************** gefahren zu sein. Angefangen vom Einbiegen in den Kreisverkehr in U***************, dem Verlassen in die W***** Straße und Abbiegen in die E************* Straße sei ihm kein Auto oder Gendarmeriefahrzeug gefolgt oder habe ein solches aufgeschlossen. Es habe sich auch niemand am Rande des Schutzweges befunden, den er hätte behindern können. Da er ein rücksichtsvoller und verantwortungsvoller Fahrer sei, wäre es ungeschickt gewesen, mit der Gendarmerie im Rückspiegel Personen am Schutzweg zu gefährden. Wäre die Wahrheitserinnerung der beiden Gendarmeriebeamten richtig, so wäre es ein leichtes Spiel gewesen, ihn an Ort und Stelle der Verwaltungsübertretung zu überführen.

 

In weiterer Folge verhängte die Bezirkshauptmannschaft  X das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht ist hiezu nachstehendes auszuführen:

 

Gemäß §9 Abs2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg immer nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und hat er, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

 

Gemäß §31 Abs1 VStG 1991 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§32 Abs2 VStG) vorgenommen worden ist.

 

Gemäß §31 Abs2 VStG 1991 ist eine den oben angeführten Merkmalen entsprechende Verfolgungshandlung binnen sechs Monaten zu setzen, wobei die Frist von dem Zeitpunkt an zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist.

 

Das Nichtermöglichen des ungehinderten und ungefährdeten Überquerens gegenüber einem Fußgänger stellt ein wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Übertretung gemäß §9 Abs2 StVO 1960 dar. Das bedeutet, dass ein Fahrzeuglenker weiterfahren darf, wenn sein Abstand vom bevorrangten Fußgänger so groß ist, dass er diesen beim Überqueren des Schutzweges weder gefährdet noch behindert. Der Lenker eines Fahrzeuges hat nur solche Fußgänger auf einem Schutzweg zu berücksichtigen, die den in seiner Fahrtrichtung liegenden Straßenteil benützen wollen oder sich ihm nähern. Eine Behinderung eines Fußgängers ist jedenfalls anzunehmen, wenn dieser ausweichen oder stehen bleiben muss.

 

Die konkrete Behinderung oder Gefährdung eines Fußgängers durch das Verhalten des Fahrzeuglenkers, somit die Darstellung des als Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers gewerteten Sachverhaltes (beispielsweise die Verminderung der Gehgeschwindigkeit des Fußgängers, das veranlasste Ausweichen, Stehenbleiben oder Zurückspringen) ist somit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal des §9 Abs2 StVO 1960. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes ohne Konkretisierung der in Rede stehenden Tatbestandsmerkmale (Behinderung, Gefährdung) entspricht nicht den Anforderungen einer Verfolgungshandlung im Sinne des §32 Abs2 VStG 1991.

 

Da aus dem gesamten erstinstanzlichen Strafakt, weder aus der Anzeige des GP E*********** vom 27.11.2002 noch aus den beiden zeugenschaftlichen Ausführungen der Gendarmeriebeamten ersichtlich ist, worin die konkrete Behinderung bzw. Gefährdung des Fußgängers (bspw Ob sich der Fußgänger bereits auf dem Schutzweg befunden hat oder nicht, ob dieser den Schutzweg von links oder recht überqueren wollte, Fahrgeschwindigkeit des Rechtsmittelwerbers etc) gelegen sein soll und somit gerade diese Tatbestandsmerkmale nicht zum Gegenstand einer Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß §31 Abs1 VStG gemacht wurden, war schon allein aus diesem Grund das angefochtene Straferkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, womit sich ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen erübrigte und mit Einstellung vorzugehen war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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