Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Klaus Dollenz über die Berufung des Herrn A. E., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. W. O., I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20.05.2003, Zl SI-999-2002, aufgrund der öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung hinsichtlich der Punkte 3 und 4 Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Im Übrigen wird die Berufung zu Punkt 1 und 2 als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als weitere Kosten einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind zu Punkt 1. Euro 8,00 und zu Punkt 2. Euro 8,00 - somit Euro 16,00 insgesamt, zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 21.10.2002 gegen 10.00 Uhr im Bereich Kinkstraße 15 in 6330 Kufstein anlässlich einer Verkehrskontrolle Herrn RI H. von der Stadtpolizei Kufstein mit "Arschloch" beschimpft, ihm unterstellt, dass er ihm auflauern würde, ihm unter anderem gesagt, dass er wüsste, wo er wohne und er noch sehen werde, was er davon habe, ihm mit Klagen gedroht und ihm gesagt, dass er seinen Job verlieren würde. Anlässlich dieser Verkehrskontrolle habe er so laut geschrieen, dass es weitum hörbar gewesen sei.
Er habe
1. durch dieses besonders rücksichtslose Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört;
2. durch dieses ungebührliche Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt, den öffentlichen Anstand verletzt;
3. durch das oben beschriebene Verhalten (lautes Herumschreien) ungebührlicherweise störenden Lärm erregt;
4. dadurch RI H. an der Ehre gekränkt.
Er habe dadurch zu 1. die Rechtsvorschrift des § 81 Abs 1 SPG, zu 2. die des § 11 Abs 1 TLPG, zu 3. die des § 1 Abs 1 TLPG und 4. die des § 20 des TLPG verletzt und wurde über ihn zu 1. gemäß § 81 Abs 1 SPG eine Geldstrafe von Euro 40,00 (Ersatzarrest 15 Stunden), zu 2. nach § 13 TLPG eine Geldstrafe in Höhe von Euro 40,00 (Ersatzarrest 15 Stunden), zu 3. gemäß § 4 Abs 1 TLPG eine solche von Euro 20,00 (Ersatzarrest 9 Stunden) und zu 4. nach § 21 TLPG eine solche von Euro 20,00 (Ersatzarrest 9 Stunden) verhängt.
Ferner wurde der Berufungswerber zum Ersatz der Kosten des Verfahrens I. Instanz von insgesamt Euro 12,00 verpflichtet.
Das Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zu Handen seines Rechtsvertreters am 23.05.2003 zugestellt.
Innerhalb offener Frist wurde eine Berufung erhoben. In dieser wurde ausgeführt, dass gemäß § 81 SPG die ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung durch besonders rücksichtsloses Verhalten pönalisiere. Die erste Instanz führe aus, dass dabei auf die Einschätzung durch unbeteiligte Dritte abzustellen sei. Da dritte Personen, die von den Sicherheitsorganen diesbezüglich angesprochen worden seien, bekannt gegeben haben, dass sie sich nicht gestört gefühlt hätten, könne nicht von der Behörde festgestellt werden, dass sich diese, entgegen deren Angaben, gestört gefühlt hätten.
Es sei völlig lebensfremd, dass sich Passanten, die von einem Sicherheitsorgan angesprochen werden, nicht als Zeugen zur Verfügung stellen, wenn es tatsächlich etwas zu bezeugen gegeben hätte. Vielmehr sei die Aussage des Sicherheitsorgans selbstsprechend, dass lediglich er als Beteiligter sich durch diese Auseinandersetzung erregte, nicht jedoch Dritte. Bei diesem Vorfall sei nicht geschrieen worden, es sei nicht ungebührlich gestikuliert worden und habe der Beschuldigte kein besonders rücksichtsloses Verhalten zu verantworten und sei die öffentliche Ordnung nicht gestört. Eine Subsumierung unter § 81 Abs 1 SPG sei daher ausgeschlossen.
Gemäß § 11 TLPG sei es verboten, den öffentlichen Anstand zu verletzen. Da sich der Beschuldigte - wie oben ausgeführt - nichts zuschulden kommen habe lassen und dies die Passanten bestätigt hätten, was sich durch die Aussage des anzeigenden Sicherheitsbeamten ergebe, sei auch eine Bestrafung gemäß § 11 iVm § 13 TLPG ausgeschlossen.
Gemäß § 1 Abs 1 TLPG sei es verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen. Gemäß § 4 Abs 1 leg cit begehe der dagegen Verstoßende dann eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift strafbar sei. Da eine Bestrafung des in § 1 Abs 1 TLPG verbotenen Verhaltens nur subsidär möglich wäre, dem Beschuldigten hier jedoch drei andere Verwaltungsstraftaten angelastet werden, scheide jedenfalls eine Bestrafung gemäß § 1 iVm § 4 TLPG aus.
Gemäß § 21 TLPG seien Ehrenkränkungen nur dann als Verwaltungsübertretung zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem er von der Übertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt habe, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag gestellt habe. Abgesehen von der Bestreitung des inkriminierenden Sachverhaltes sei der Beschuldigte somit schon allein deswegen nicht nach § 21 TLPG zu bestrafen, weil kein Strafantrag des Verletzten vorliege. Diesbezüglich sei nämlich klar zu differenzieren, ob eine Behörde gegen einen Vermeintlichen Täter vorgehe, oder ob der vermeintlich Gekränkte die Verfolgung wünsche. In gegenständlicher Angelegenheit habe die erste Instanz die Anzeige der Sicherheitsbehörde mit dem Strafantrag des Verletzten gleichgesetzt, wobei korrekterweise der Ehrengekränkte persönlich einen Strafantrag hätte stellen müssen, sofern es zu einer Bestrafung gemäß § 21 TLPG kommen sollte.
Davon abgesehen, dass der vermeintlich Gekränkte die Anzeige im Rahmen seines Dienstes, nicht persönlich gemacht habe, handle es sich lediglich um eine "Anzeige", nicht jedoch um einen Antrag auf Bestrafung. Eine Bestrafung gemäß § 21 TLPG sei daher ausgeschlossen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise der Beschuldigte im Übrigen auf seine Stellungnahme vom 16.01.2003 und 18.03.2003. Der Beschuldigte stelle daher durch seinen ausgewiesenen Vertreter höflich den Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen, in Stattgebung dieser Berufung das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 20.05.2003, SI-999-2002, aufheben und den Beschuldigten von den wider ihn erhobenen Vorwürfen freisprechen.
In Folge der erhobenen Berufung wurde am 17.03.2004 die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der als Zeuge RevInsp. J. H. sowie der Beschuldigte einvernommen wurden. Ferner wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Zl Si-999-2002, sowie in das Verhandlungsprotokoll des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 07.07.2003, 2003/16/062-2.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentliche Sachverhalt fest:
Am 21.10.2002 gegen 09.55 Uhr befand sich RevInsp. H. in einem Dienstfahrzeug auf Streifendienst. Er lenkte sein Fahrzeug auf der Kinkstraße stadtauswärts, als er bemerkte, wie ein PKW der Marke BMW stadteinwärts fuhr. RevInsp. H. fiel auf, dass dieses Fahrzeug einen Frontschaden aufwies und nahm er kein Kennzeichen am Fahrzeug vorne wahr. Im Bereich der Kreuzung Kinkstraße/Gilmstraße wendete er sein Fahrzeug und fuhr dem BWM nach, der in der Kinkstraße bei Hausnummer 15 eine freie Parkfläche im Bereich einer Bushaltestelle ansteuerte. Dort blieb das Fahrzeug stehen. RevInsp. H. stellte sich mit seinem Fahrzeug hinter diesem Fahrzeug ab und wollte eine Lenker- und Fahrzeugkontrolle durchführen. Bevor er den Lenker zur Fahrzeugkontrolle auffordern konnte, stieg auf der Beifahrerseite der Berufungswerber aus und begann, RevInsp. H. lautstark zu beschimpfen. Er bezeichnete ihn unter anderem als "Arschloch". Er führte lautstark aus, dass RevInsp. H. ihm auflauern würde und gab diesem zu verstehen, dass er wüsste, wo er wohne und dass er noch sehen werde, was er davon habe. Er drohte ihm damit, dass er eine Klage bekommen werde und dass er seinen Job verlieren würde. Der Berufungswerber und der Lenker des Fahrzeuges M. K. (Bruder des Berufungswerbers) waren so laut, dass Passanten, welche bei der Bushaltestelle in der Nähe auf einen Bus warteten, auf die Amtshandlung aufmerksam wurden. Die ganze Amtshandlung dauert in Folge des Verhaltens des Bruders des Berufungswerbers sowie des Beschuldigten 10 Minuten. Im Verlauf der Amtshandlung wurde der Berufungswerber mehrmals abgemahnt, stellte jedoch sein Verhalten nicht ein.
Das durchgeführte Beweisverfahren hat ergeben, dass die zu Punkt 1. und 2. erhobenen Schuldvorwürfe gerechtfertigt sind.
§ 81 Abs 1 SPG normiert, dass derjenige eine Verwaltungsübertretung und mit Geldstrafen bis zu Euro 218,00 zu bestrafen ist, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen, verhängt werden.
§ 11 Abs 1 TLPG ordnet an, dass es verboten ist, den öffentlichen Anstand zu verletzen. Nach Abs 2 leg cit gilt als Verletzung des öffentlichen Anstandes jedes Verhalten, das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit darstellt.
Wer den öffentlichen Anstand verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 13 leg cit mit einer Geldstrafe bis zu Euro 360,00 zu bestrafen.
In Folge des § 1 Abs 1 TLPG ist es verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen.
Laut § 4 Abs 1 TLPG begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 1.450,00 zu bestrafen, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, insbesondere einer Verordnung nach § 2 zuwiderhandelt.
Gemäß § 21 Abs 1 TLPG sind Ehrenkränkungen Verwaltungsübertretungen, die mit einer Geldstrafe bis zu Euro 215,00 zu bestrafen sind. Eine Ehrenkränkung gilt jedoch nicht als Verwaltungsübertretung, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Ferner sind Ehrenkränkungen nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen 6 Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Übertretung der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag gestellt hat.
Das Schimpfen und laut Schreien mit einem im Dienst befindlichen Straßenaufsichtsorgan erfüllt zweifelsohne den Tatbestand des § 81 Abs 1 SPG sowie des § 11 Abs 1 TLPG. Von der Erstbehörde wurden Geldstrafen im unteren Bereich verhängt, sodass diese nicht als überhöht betrachtet werden können. Als Schuldform ist von Vorsatz auszugehen, da es allgemein bekannt ist, dass Schreien und Schimpfen mit einem Polizisten von der Allgemeinheit nicht toleriert und akzeptiert wird und daher eine rücksichtslose Verletzung der öffentlichen Ordnung sowie eine Anstandsverletzung darstellt, da es sich an einem öffentlichen Ort abgespielt hat und auch andere Personen - und zwar mehr als 10 - dieses Verhalten wahrnehmen konnten.
Dazu ist auszuführen, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Einvernahme angegeben habe, dass die Passanten den Kopf geschüttelt haben. Das Kopfschütteln hat sich sicher auf das Verhalten des Berufungswerbers bzw dessen Bruder bezogen. RevInsp. H. hat keinen Grund gehabt, laut zu werden. Er wollte eine normale Fahrzeugkontrolle durchführen und wäre auch eine solche innerhalb von 1, 2 Minuten zum Abschluss zu bringen gewesen. Dass die Amtshandlung so lange gedauert hat, ist auf das Verhalten des Berufungswerbers bzw seines Bruders zurückzuführen. Anlässlich der Einvernahme hat RevInsp. H. einen ruhigen Eindruck vermittelt und immer wieder betont, dass er eine normale Amtshandlung durchführen wollte.
Die zu Punkt 1 und 2. erhobenen Schuldvorwürfe sind gerechtfertigt.
Was die Schuldvorwürfe zu Punkt 3. und 4. des Straferkenntnisses anlangt, so ist darauf zu verweisen, dass vom Rechtsvertreter zutreffend vorgebracht wird, dass eine Bestrafung nach § 1 dann nicht mehr strafbar ist, wenn die Tat nach einer anderen Rechtsvorschrift zu bestrafen ist.
Das Schreien mit RevInsp. H. stellt eine Anstandsverletzung sowie eine grobe Störung der öffentlichen Ordnung dar, sodass der Berufung bezüglich Lärmerregung Folge gegeben werden konnte. Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich, dass eine Anzeige erstattet wurde und erfolgte diese über den Leiter der Stadtpolizei Kufstein, AbtInsp. G., sodass nicht davon gesprochen werden kann, dass von RevInsp. H. im Sinne einer Ehrenkränkung ein Strafantrag gestellt wurde.
Der zu Punkt 4. erhobene Schuldvorwurf ist verfehlt. Ferner wäre darauf zu verweisen, dass die Amtshandlung von mehreren Personen wahrgenommen wurde, sodass in diesem Fall ein Gerichtsdelikt vorliegen würde und hätte man dieses beim zuständigen Bezirksgericht anzeigen müssen.
Aus vorgenannten Gründen konnte der Berufung teilweise stattgegeben werden und war spruchgemäß zu entscheiden.