TE UVS Tirol 2004/03/19 2003/20/183-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alfred Stöbich über die Berufung der Frau M. T., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Z. & Dr. M., XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 14.07.2003, Zahl VK-6540-2003, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 21.04.2003 um 17.40 Uhr in Kundl auf der A12 bei Kilometer 24,00 in Fahrtrichtung Innsbruck das Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY an diesem gesetzlichen Feiertag später als 2 Stunden nach Beginn des zitierten Verbotes gelenkt, obwohl an gesetzlichen Feiertagen von 0.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen verboten sei und das verwendete Fahrzeug bzw die durchgeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen sei. Dadurch habe die Berufungswerberin eine Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs 2 StVO begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs 2a StVO über sie eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) unter gleichzeitiger Bestimmung eines Verfahrenskostensanteiles verhängt wurde.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt die Berufungswerberin die Übertretung mit der Verantwortung, dass das Straferkenntnis rechtlich verfehlt sei. Es sei zwar richtig, dass sie das angeführte Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der angeführten Straßenstelle gelenkt habe. Allerdings sei der von ihr gelenkte Sattelauflieger mit Tiefkühlware der Firma D. T. GmbH, A. beladen gewesen für die Firma S. L. in H. in Tirol. Bei der Tiefkühlware habe es sich um leicht verderbliche Lebensmittel gehandelt. Darunter seien jene Lebensmittel zu verstehen, deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen und dergleichen leicht beeinträchtigt werden kann (zB Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Wild, frische Schlachtnebenprodukte, Brot- und Backwaren, Milcherzeugnisse, Butter, tiefgefrorene Lebensmittel, Wein, Most und Sturm in Gebinden oder Tankfahrzeugen). Nach Messiner, StVO, Manzsche große Gesetzesausgabe, 10. überarbeitete und aktualisierte Auflage, zu § 42 StVO, Seite 729 unter Ziffer 7, sei der Transport tiefgefrorener Lebensmittel gemäß § 42 Abs 3 StVO vom LKW-Wochenendfahrverbot ausgenommen. Es werde daher beantragt, der gegenständlichen Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 14. Juli 2003 aufzuheben, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen.

 

Mit Schreiben der Berufungsbehörde vom 20.11.2003 wurde die Berufungswerberin aufgefordert bekannt zu geben, ob die gesamte tatgegenständliche Ladung aus Tiefkühlprodukten bestanden hat, weiters den Ort und den Zeitpunkt der Beladung, die Art und das Ablaufdatum der beförderten Tiefkühlprodukte im Einzelnen.

 

Im Antwortschreiben vom 11.12.2003 führte die Berufungswerberin aus, dass die gesamte tatgegenständliche Ladung aus Tiefkühlprodukten bestanden habe. Es werde täglich von Sonntag bis Freitag, auch Samstag, ab D. A. (Tiefkühllogistik) zu den einzelnen Stützpunkten, die sich in jedem Bundesland befinden würden, gefahren. Die Anlieferung bei den Stützpunkten erfolge in der Zeit zwischen 21.00 Uhr und 1.00 Uhr früh. Die Ware werde dort auf Klein-LKW umgeschlagen uns am Morgen in der Feinverteilung zugestellt. Es bekomme daher jeder Einzelhandelsmarkt die Tiefkühlprodukte noch im Laufe des Vormittags. Im gegenständlichen Fall sei am Samstag (mitten im Ostergeschäft) kommissioniert und verladen worden, damit am Dienstag früh (1. Einkaufstag nach Ostern) wieder Ware in den Läden sei. Die Ware habe dabei ca um 21 Uhr in H. eintreffen müssen, wo sie auf kleine Zustell-LKWs umgeladen und nochmals durchgekühlt und dann frühmorgens in die diversen Geschäfte bzw Gastro-Betriebe zugestellt werde. Es handle sich hiebei um Tiefkühlprodukte aller Art, wobei das Ablaufdatum dem Transporteur grundsätzlich nicht bekannt sein müsse. Eine Ware, die zum Versand gehe, habe auf alle Fälle eine durchschnittliche Mindesthaltbarkeitsdauer von einigen Monaten bzw Jahren. Man müsse aber hier bedenken, dass all diese Tiefkühlwaren ständig bei Minus 28 Grad Celsius transportiert werden müssen.

 

Schließlich wurde für den 19.03.2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, bei welcher sich die Berufungswerberin durch ihren Rechtsfreund vertreten ließ. Dabei verwies der Rechtsvertreter auf eine Auskunftserteilung des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung vom 15.03.2004. Im Zusammenhang mit dem Ersuchen um Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom LKW-Wochenendfahrverbot aufgrund der im Bereich des Sprengels der Bezirkshauptmannschaft Kufstein erfolgten Beanstandungen wurde vom vorgenannten Amt mitgeteilt, dass der Transport von leicht verderblichen Lebensmitteln mit Lastkraftfahrzeugen mit Anhänger nicht unter das LKW-Wochenendfahrverbot fallen würde, daher auch mit diesen Fahrzeugen durchgeführte Transporte von tiefgefrorenen Lebensmitteln ausgenommen seien. Der Rechtsvertreter verwies auch auf das Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und den Umstand, dass in diesem tiefgekühlte Lebensmittel ausdrücklich angeführt sind. Schließlich machte der Rechtsvertreter geltend, dass die Berufungswerberin im Hinblick auf einen entsprechenden Fahrtauftrag seitens des Dienstgebers kein Verschulden treffen würde.

 

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt, insbesondere in den Frachtbrief, Nr XY, vom 21.04.2003 und der Auflistung der transportierten Waren auf den ?S.-Touren XY, XY, XY?.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:

 

§ 42 Abs 1 StVO lautet:

?An Samstagen von 15 Uhr bis 24 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 0 Uhr bis 22 Uhr ist das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhänger verboten, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens oder des Anhängers mehr als 3,5 t beträgt; ausgenommen sind die Beförderung von Milch sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Anhänger.?

 

§ 42 Abs 2 StVO lautet:

?In der im Abs 1 angeführten Zeit ist ferner das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten.?

 

§ 42 Abs 3 StVO lautet:

?Von dem im Abs 2 angeführten Verbot sind Fahrten ausgenommen, die ausschließlich der Beförderung von Schlacht- oder Stechvieh oder leicht verderblichen Lebensmitteln, der Getränkeversorgung in Ausflugsgebieten, unaufschiebbaren Reparaturen an Kühlanlagen, dem Abschleppdienst, der Pannenhilfe, dem Einsatz in Katastrophenfällen, dem Einsatz von Fahrzeugen des Straßenerhalters zur Aufrechterhaltung des Straßenverkehrs, dem Einsatz von Fahrzeugen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Müllabfuhr oder dem Einsatz von Fahrzeugen eines Linienverkehrsunternehmens zur Aufrechterhaltung des regelmäßigen Linienverkehrs dienen, sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres und mit selbstfahrenden landwirtschafltichen Arbeitsmaschinen und Fahrten im Ortsgebiet an den letzten beiden Samstagen vor dem 24. Dezember. Diese Ausnahme gilt jedoch nicht für die Beförderung von Großvieh auf Autobahnen.?

 

§ 99 Abs 2a StVO lautet:

?Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von Euro 218,00 bis Euro 2.180,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis sechs Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Fahrverbote des § 42 oder einer auf Grund des § 42 erlassenen Fahrverbotsverordnung verstößt.?

 

Die Berufungswerberin hat am 21.04.2003 um 17.40 Uhr in Kundl auf der A12 bei Kilometer 24,00 in Fahrtrichtung Innsbruck das Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY an diesem gesetzlichen Feiertag später als 2 Stunden nach Beginn des zitierten Verbotes gelenkt, wobei sie ausschließlich Tiefkühlprodukte befördert hat. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der vorliegenden Anzeige bzw aus den seitens der Berufungswerberin vorgelegten Unterlagen.

 

Bei den transportierten Tiefkühlprodukten handelte es sich unter anderem um Tiefkühlpizzen, Tiefkühlgemüse, Tiefkühltorten, Tiefkühlgebäck sowie um Tiefkühleis. Alle transportierten Tiefkühlprodukte wiesen eine Mindesthaltbarkeitsdauer von minimal 146 Tagen bis maximal 912 Tagen, dh von ca 4,5 Monaten bis 2,5 Jahren auf.

 

Gemäß § 42 Abs 1 StVO ist an Samstagen von 15 Uhr bis 24 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhänger verboten, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens oder des Anhängers mehr als 3,5 t beträgt; ausgenommen sind die Beförderung von Milch sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Anhänger. Gemäß Abs 2 leg cit. erstreckt sich dieses Fahrverbot auch auf Lastkraftwagen und Sattelkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen. Fahrten, die ausschließlich der Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel dienen, sind gemäß Abs 3 leg cit vom Verbot des Abs 2 ausgenommen.

 

?Leicht verderblich? sind Lebensmittel, wenn deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen und dergleichen leicht beeinträchtigt werden kann. Messiner führt in der Manzschen Große Gesetzesausgabe, StVO, 10. überarbeitete Auflage, als Beispiele Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch, Wild, frische Schlachtnebenprodukte, Brot- und Backwaren, Milcherzeugnisse, Butter, Most- und Sturm in Gebinden bzw Tankfahrzeugen sowie ?tiefgefrorene Lebensmittel? an.

 

In diesem Zusammenhang wird in der genannten Kommentarstelle auf die Anlagen 2 und 3 des Übereinkommens über internationale Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel, BGBl 1978/144 (Durchführungsgesetz BGBl 1991/82) verwiesen. Kapitel II des vorgenannten Übereinkommens betrifft die ?Verwendung besonderer Beförderungsmittel zur internationalen Beförderung bestimmter leicht verderblicher Lebensmittel?.

 

Gemäß Art 3 Abs 1 gilt der die Beförderungsmittel näher regelnde Art 4 für jede Beförderung, die ausschließlich ? vorbehaltlich des Abs 2 ? auf der Schiene oder auf der Straße oder in einer Kombination der beiden im gewerblichen Verkehr oder im Werkverkehr durchgeführt wird, - von tiefgefrorenen und gefrorenen Lebensmitteln, - von Lebensmitteln im Sinne der Anlage 3, auch wenn sie weder tiefgefroren noch gefroren sind, ? .

 

Die Anlage 2 des genannten Übereinkommens ist mit ?Temperaturbedingungen für die Beförderung von tiefgefrorenen und gefrorenen Lebensmitteln? überschrieben. Darin finden sich etwa die Temperaturbedingungen für ?Speiseeis und konzentrierte Fruchtsäfte, gefroren oder tiefgefroren? (-20 Grad C) sowie für ?alle anderen Lebensmittel, tiefgefroren? (-18 Grad C). In Anlage 3 finden sich ?Temperaturbedingungen für die Beförderung gewisser Lebensmittel, die weder tiefgefroren noch gefroren sind? (wie zB Milch, Butter und Fleisch).

 

Auf der Grundlage dieses Übereinkommens ergibt sich, dass zu leicht verderblichen Lebensmitteln eine (geringe) Anzahl weder tiefgefrorener noch gefrorener Lebensmittel zählt. Weiters gehören dazu tiefgefrorene und gefrorene Lebensmittel, wobei bezüglich der zuletzt erwähnten Produktgruppe nicht auf das Kriterium der allenfalls lange dauernden Mindesthaltbarkeitsfrist abgestellt wird.

 

Im gegenständlichen Fall wurden durchwegs nur tiefgefrorene Lebensmittel transportiert und ist daher in Anlehnung an den oben zitierten Kommentar von Messiner, (aber auch auf der Grundlage des Kommentars von Dittrich-Stolzlechner, § 42 Abs 3 StVO, in welchem ebenfalls auf das hier in Rede stehende Übereinkommen verwiesen wird) davon auszugehen, dass seitens der Berufungswerberin zum Tatzeitpunkt leicht verderbliche Lebensmittel transportiert wurden und die verfahrensgegenständliche Fahrt daher unter die Ausnahmebestimmung des § 42 Abs 3 StVO gefallen ist.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

 

Hinweis: Mit Erkenntnis des VwGH vom 17.12.2004, Zl 2004/02/0271-6 wies das Höchstgericht daraufhin, dass Tiefkühl-Lebensmittel nicht unter den Begriff der leicht verderblichen Lebensmittel fallen.

Schlagworte
leicht, verderblichen, Lebensmitteln, tiefgefrorene, Lebensmittel
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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