Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Harald Ortner über die Berufung von Herrn H D gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 08.10.2003, GZ.: 15.1 7330/2003, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei als Eigentümer des Objektes H, Baufläche, KG S dafür verantwortlich, dass die derzeit praktizierte Abwasserentsorgung des Objektes H aus der Sicht des Gewässerschutzes einen unzulässigen Zustand darstelle, zumal im Bereich der Ausleitung eine Trinkwasserversorgungsleitung verlaufe und eine Beeinträchtigung dieser durch den vorliegenden Zustand nicht auszuschließen sei, da die im angrenzenden Waldstück auslaufenden Überwässer der Sammelgrube aufgrund ihrer zu geringen Größe vor ihrer Ausleitung keiner Reinigung zugeführt worden seien und demnach als ungereinigte häusliche Abwässer anzusehen wären. Er habe dadurch § 31 Abs 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (im Folgenden WRG) iVm § 137 Abs 2 Z 4 WRG verletzt und wurde über ihn gemäß letzterer Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von ? 2.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit vier Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte der Berufungswerber vor, dass die Abwasserentsorgung samt baulichen Anlagen seit Jahrzehnten unverändert sei und er sich seit 1998 um die Realisierung einer Kleinkläranlage bemühe. Er habe die Abwasseranlage vom Voreigentümer in gutem Glauben übernommen und die Abwässer würden kontinuierlich abgepumpt werden. Darüber hinaus habe der Bürgermeister der Gemeinde S eine Verbesserung des Zustandes jährlich aufs Neue mit Hinweis auf die Errichtung einer öffentlichen Kanalisation aufgeschoben. Auch entspreche die Entsorgung der gegenständlichen Abwässer dem Stand der Technik des Errichtungszeitpunktes und sehe es bis dato an zahlreichen Objekten gleichen Alters in der Region gleich aus. Der im Ermittlungsverfahren festgestellte Überlauf der Grube sei aus seiner Sicht ein einmaliges negatives Ereignis, welches sich auch durch eine verspätete Entleerung zu einem arbeitsreichen Zeitpunkt ergeben habe. Abgesehen davon sei die Strafe zu hoch und er ersuche um Berücksichtigung der gesamten, sehr langfristigen Situation, welche zum wesentlichen Teil außerhalb seines Einflusses liege. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen: Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine ? 2.000,00 übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben. Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige als Zeugen zu laden sind. Da der Berufungswerber den gesamten Inhalt des Straferkenntnisses in Berufung gezogen hat, war eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Diese hat am 16.12.2003 unter Teilnahme des Berufungswerbers sowie der Zeugin Dipl.-Ing. E L von der Baubezirksleitung B stattgefunden. Aufgrund des Ergebnisses dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung ergeben sich folgende Feststellungen: Aufgrund vorliegender Anzeigen der Gemeinde S, die erste Anzeige erfolgte mit Schreiben vom 01.09.1998, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur in Anwesenheit der Zeugin Dipl.-Ing. E L eine am 04.09.2003 Erhebung bei der Liegenschaft des Berufungswerbers H, Baufläche, KG S durchgeführt. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Einfamilienhaus, welches derzeit von drei Erwachsenen und vier Kindern bewohnt wird. Der Berufungswerber selbst wohnt nicht in diesem Haus. Die Abwässer des Hauses werden in eine Sammelgrube eingeleitet, die sich auf dem selben Grundstück gleich neben dem Wohnhaus an der Grenze zum Grundstück befindet. Die Überwässer dieser Sammelgrube werden über ein Rohr zu einem Graben im benachbarten Waldgrundstück S geführt. Aufgrund der großflächigen Versumpfung im anschließenden Waldgrundstück ist davon auszugehen, dass ein ständiger Überlauf der Sammelgrube erfolgt. Eine Entsorgung durch eine befugte Firma ist ein oder zwei Mal erfolgt, der Berufungswerber selbst hat die Sammelgrube mehrmals pro Jahr ausgepumpt und die entnommenen Wässer in die Jauchengrube seiner Landwirtschaft eingebracht. Im Bereich der Ausleitungsstelle des Überlaufes verläuft eine Trinkwasserleitung. Wie tief diese Trinkwasserleitung verläuft und aus welchen Materialien die Trinkwasserleitung besteht, konnte nicht festgestellt werden. Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund der Angaben des Berufungswerbers sowie der Zeugin Dipl.-Ing. E L. Rechtliche Erwägungen: Gemäß § 31 Abs 1 WRG hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, Instandzuhalten und zu Betreiben oder sich so zu Verhalten, dass eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwider läuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist. Gemäß § 137 Abs 2 Z 4 WRG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der durch außer Achtlassung der ihn gemäß § 31 Abs 1 WRG treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung bewirkt.
Gemäß § 44 a VStG ergibt sich unter anderem das gesetzliche Erfordernis, die dem Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretungen bereits im Spruch des Straferkenntnisses bezüglich aller maßgebenden Tatbestandselemente so zu konkretisieren, dass über Art, Zeit und Ort der Tat die der Bestrafung zugrunde liegt, kein Zweifel bestehen kann. Insbesondere sollte der Berufungswerber dem Spruch entnehmen können, wie er sich verhalten hätte sollen bzw. was zu unterlassen gewesen wäre. Diesem gesetzlichen Gebot wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses mehrfach nicht gerecht. Der Spruch enthält keine Aussage darüber, wo sich im Bereich des Anwesens die Sammelgrube und auf welchem Grundstück sich der Ableitungsgraben befindet bzw. auf welchem Grundstück die Ausleitung erfolgt. Der Tatort ist daher nicht hinreichend bestimmt.
Dem Spruch fehlt auch eine Aussage darüber, ob es in der Folge zu einer Versickerung oder Verrieselung der Abwässer ins Grundwasser oder zu einer Ableitung in ein Oberflächengewässer kommt. Weiters ist gemäß den zitierten Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes Tatbestandsmerkmal, dass durch Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeigeführt werden muss. Der Grundtatbestand zum Reinhaltungsgebot nach der geltenden Rechtslage (§ 137 Abs 2 Z 4 WRG) stellt kein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG dar, sondern ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand ist somit nicht erfüllt, wenn keine konkrete Gefahr für das Grundwasser oder ein Fließgewässer besteht, eine bloß abstrakte Gefährdung reicht nicht aus. Der Vorwurf im angefochtenen Straferkenntnis, dass eine Trinkwasserversorgungsleitung verläuft und eine Beeinträchtigung dieser durch den vorliegenden Zustand nicht auszuschließen ist, ist nicht geeignet, die Gefahr einer Gewässerverunreinigung darzustellen. Es handelt sich bei einer Trinkwasserleitung um eine geschlossene dichte Leitung, die unter Druck steht und ist im Regelfall nicht davon auszugehen, dass eine Trinkwasserleitung undicht ist. Eine derartige Gefährdung kann nur als äußerst abstrakt bezeichnet werden, da es so gut wie nie vorkommt, dass Abwässer in eine Trinkwasserleitung eindringen. Abgesehen davon handelt es sich um Wässer, die einer Trinkwasserleitung fließen, nicht um Gewässer im Sinne des Wasserrechtsgesetzes. Der diesbezügliche Tatvorwurf war somit nicht hinreichend, da bereits, wie erwähnt, der Eintritt einer konkreten Gefahr zum Tatbestand gehört. Da es der erkennenden Behörde verwehrt ist, den Tatvorwurf in entscheidender Art und Weise zu ergänzen, war der Berufung Folge zu geben und der Bescheid zu beheben.