Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl Ruiner über die Berufung des Herrn D K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K, G, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 31.10.2003, GZ.: III/S-5085/03, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung hinsichtlich Punkt 1.) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Hinsichtlich Punkt 2.) wird die Berufung abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von ? 30,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Gemäß Abs 3 leg cit werden dem Berufungswerber der Ersatz der erwachsenen Barauslagen auferlegt, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des zu ersetzenden Betrages durch einen gesonderten Bescheid erfolgt.
Hiedurch vermindern sich die Kosten des Verfahrens erster Instanz auf ? 15,--. Dieser Betrag ist binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu entrichten.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurden dem Berufungswerber Übertretungen der §§ 4 Abs 2 und 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 4 StVO zur Last gelegt und hiefür gemäß § 99 Abs 2 lit a und 99 Abs 3 lit a StVO eine Gesamtgeldstrafe in der Höhe von ? 300,-- (insgesamt 6 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz ein Betrag von ? 30,-- vorgeschrieben.
In der rechtzeitigen Berufung brachte der Berufungswerber im Wesentlichen vor, dass er unmittelbar nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall die nächste Polizeidienststelle verständigt habe und seitens der an der Unfallstelle erschienenen Beamten alle notwendigen Erhebungen am Unfallsort veranlasst und vorgenommen worden seien. Aus der allenfalls verspäteten Mitteilung der Verletzung der Zeugin K sei jedoch eine Strafbarkeit im Sinne des § 4 Abs 2 StVO nicht ableitbar. Im Hinblick auf Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass allein die Besichtigung der Fahrzeuge zu Tage gebracht hätte, dass das Fahrzeug des Beschuldigten zum Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr in Bewegung gewesen sei und wurde diesbezüglich beantragt, einen Ortsaugenschein unter Beiziehung eines KFZ-technischen Sachverständigen durchzuführen. Aus diesem würde sich ergeben, dass der Beschuldigte sein Fahrzeug bereits angehalten gehabt habe und der Unfallsbeteiligte D eine ausreichende Durchfahrtslücke gehabt hätte, um unfallsfrei am Fahrzeug des Berufungswerbers vorbeifahren zu können. Es wurde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens wird nachstehender Sachverhalt festgestellt: Der Berufungswerber lenkte zum Tatzeitpunkt seinen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf der J in G in westliche Richtung und bog an der Kreuzung nach links in Richtung Süden in die C ein. An der gegenständlichen Kreuzung befindet sich auf der J das Vorschriftszeichen Vorrang geben und auf der Fahrbahn eine deutlich sichtbare Ordnungslinie. Im fraglichen Bereich verläuft die C annähernd Nord-Süd und ist auf einer Breite von ca. 15 m mit einer Asphaltdecke befestigt. In der Mitte der Fahrbahn befindet sich der Gleiskörper der GVB und beträgt die Breite der in Richtung Norden führenden Fahrbahn ca 5,4 m. Aus östlicher Richtung mündet annähernd rechtwinkelig die J, welche eine Breite von 5,4 m aufweist. Sowohl die C als auch die J verlaufen annähernd horizontal und eben, wobei es sich bei der C um eine Vorrangstraße mit einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h handelt. Die Ordnungslinie ist im Bereich der Verschneidungslinie der C mit der J gut sichtbar markiert. Beim Fahrzeug des Berufungswerbers handelt es sich um einen Chrysler Voyager mit einer Länge von 4,73 m, einer Breite von 1,95 m und einem Eigengewicht von ca 1.800 kg und wurde dieses durch den gegenständlichen Unfall im Bereich der linken hinteren Seitenwand so beschädigt, dass diese relativ gleichmäßig über die gesamte Länge bogenförmig verlaufend nach dem Radkasten eingedellt wurde. Beim unfallsbeteiligten Fahrzeug des Zeugen D handelt es sich um einen Renault Clio mit einer Länge von 3,71 m, einer Breite von 1,62 m und einem Eigengewicht von 925 kg und wurde dieses im Frontbereich entsprechend den objektivierbaren Unterlagen mit dem Schwerpunkt eher linksseitig derart beschädigt, dass der linke vordere Scheinwerfer zerbrach, die Motorhaube aufgefaltet und der linke vordere Kotflügel aufgestaucht wurde. Zum Unfallszeitpunkt herrschte Tageslicht und war die Fahrbahn nass. Der Berufungswerber, der nachdem er an der Kreuzung kurz anhielt und den Verkehr beobachtete, fuhr in der Folge in die Kreuzung ein, um nach links weiter zu fahren. Im Zuge der Anfahrt übersah er den sich auf der C der Kreuzung mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 50 km/h nähernden späteren Unfallsgegner. Dieser musste auf Grund des Einbiegemanövers des Berufungswerbers sein Fahrzeug voll abbremsen, kam er in der Folge auch auf Grund der nassen Fahrbahn leicht ins Schleudern und stieß schließlich gegen das Heck des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges. Am Fahrzeug des Unfallsbeteiligten D entstand Totalschaden. Unmittelbar nach dem Unfall verständigte der Berufungswerber die nächste Polizeidienststelle und wurde seitens des Verkehrsunfallskommando am 8.12.2002 gegen 13.35 Uhr an der Unfallstelle die Sachverhaltsaufnahme durchgeführt, der Berufungswerber, die Beifahrerin, sowie der Unfallsbeteiligte D vernommen. Der Verkehrsunfall an der Unfallstelle wurde von der motorisierten Verkehrsgruppe als Sachschadensunfall aufgenommen, weil die Beifahrerin des Berufungswerbers, Frau K zum Zeitpunkt der Unfallsaufnahme durch die Polizeibeamten nichts davon erwähnte, dass sie verletzt wäre bzw Schmerzen verspürte. Die Genannte wurde auf Grund etwa eine Stunde nach dem Unfall auftretender Schmerzen im Genick vom Berufungswerber in die Unfallschirurgie des LKH gebracht und dort ambulant behandelt. Der Unfallsgegner D sowie dessen Beifahrerin blieben unverletzt. Von einer Verletzung der Beifahrerin des Berufungswerbers erlangte der Unfallsgegner D erst Tage später Kenntnis. Aus dem vom kraftfahrtechnischen Sachverständigen DI Dr. Hermann Steffan erstatteten Gutachten geht Nachstehendes hervor: Zunächst ergibt sich, dass die beiden Fahrzeuge im Kollisionszeitpunkt um einen Winkel von ca 100 Grad verdreht gewesen sein müssen. Dies ergibt sich aus den Lichtbildern, darstellend den Schaden am Chrysler Voyager. Hinsichtlich der Kollisionsgeschwindigkeiten kann folgendes angegeben werden: So ergibt sich, dass aufgrund der Schadensbilder die Kollisionsgeschwindigkeit am Renault mit ca 20 km/h angegeben werden kann. Aufgrund des eher streifenden Schadens am Chrysler Voyager sowie der bei beiden übereinstimmend angegebenen Tatsache, dass nach der Kollision in der Endposition der Fahrkanal des Renault Clio bereits freigegeben war, ergibt sich unmittelbar, dass bei der Kollision der Chrysler eine Geschwindigkeit von ca 10 bis max. 15 km/h einhielt. Ein Stillstand des Chrysler kann aus technischer. Sicht ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Vorkollisionsbewegungen der beiden Fahrzeuge ergibt sich folgendes: Die Fahrtstrecke des Chrysler gelenkt vom BW kann von der Verschneidungslinie bzw Ordnungslinie bis zur Kollision mit ca 7 m objektiviert werden. Geht man davon aus, dass dieses Fahrzeug aus dem Stillstand heraus mit ca 1,5 m/s² auf eine Geschwindigkeit bis ca 12 km/h beschleunigt wurde und diese Geschwindigkeit bis zur Kollision konstant einhielt, so ergibt sich, dass dieses Fahrzeug zum Zurücklegen dieser Strecke 3,2 Sek. benötigte. Von diesen 3,2 Sek. waren hierbei ca 2,5 Sek. auffällig. Für das zweite beteiligte Fahrzeug, den Renault Clio, ergibt sich, dass dieses Fahrzeug von einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h bis zur Kollision auf ca 20 km/h abgebremst wurde. Unter Annahme einer Bremsverzögerung von ca 5 m/s² auf nasser Fahrbahn mit leichtem Schleudern ergibt sich hierbei, dass dieses Fahrzeug 2,6 Sek. benötigte, um die Geschwindigkeit aus ursprünglich 50 km/h bis auf 20 km/h zu verringern. Der Reaktionspunkt lag hierbei bei ca 28 m vor der späteren Kollision. 3,2 Sek. vor der späteren Kollision befand sich hierbei der Renault Clio in einer Distanz von 37 m vor der späteren Kollisionsstelle. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse ergibt sich, dass die Sichtweite sowohl in nördlicher als auch in südlicher Richtung in jedem Fall mehr als 80 m betrug. Dies selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass so wie in den erliegenden Lichtbildern Fahrzeuge abgestellt waren und zwar am östlichen Fahrbahnrand der C. Somit ergibt sich aber auch, dass zu jenem Zeitpunkt, als der BW die Fahrbewegung in die C begann das Fahrzeug D bereits in unmittelbarem Sichtbereich und zwar knapp südlich der Tankstelle sich befand. Aus diesem schlüssigen Gutachten sowie auch im Wesentlichen aus den Angaben des Zeugen D ist der Schluss zu ziehen, dass die dem Berufungswerber zu Punkt
2.) zur Last gelegte Tat als erwiesen anzunehmen ist, wonach der Berufungswerber als Wartepflichtiger den Vorrangberechtigten durch Kreuzen bzw. Einbiegen in die C zu einem unvermittelten Bremsen und Ablenken seines Fahrzeuges nötigte, wobei es schließlich zu einem Verkehrsunfall letztlich mit Personenschaden kam. Hinsichtlich Punkt 1.) des angefochtenen Bescheides ist auszuführen, dass sich aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt, dass die Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall sehr wohl verständigt wurde und auch von den Beamten an der Unfallstelle im Beisein der Unfallsbeteiligten eine Unfallsaufnahme bzw. die im Akt erliegende Verkehrsunfallsanzeige aufgenommen wurde. Der Umstand, dass die Beifahrerin des Berufungswerbers in weiterer Folge, nachdem die Unfallsaufnahme an Ort und Stelle durchgeführt wurde, wegen Kopfschmerzen vom Berufungswerber ins LKH gebracht wurde und sich daraus eine Verletzung der Genannten ergab, wobei dieser Umstand vom Berufungswerber nicht mitgeteilt wurde, ist dem Berufungswerber nicht als Übertretung gemäß 4 Abs 2 StVO zweiter Satz anzulasten. Dies deshalb nicht, weil dem Zweck der Bestimmung - wie oben ausgeführt - ohnehin entsprochen worden war. Demnach wurden seitens der von den Unfallsbeteiligten verständigten Polizeibeamten an der Unfallstelle die wesentlichen Umstände aufgenommen bzw. von den Beamten festgehalten. Den Sachverhaltsverhaltsfeststellungen zufolge erübrigte es sich auf Grund des Umstandes, dass seitens der Beamten an der Unfallstelle sämtliche relevanten Daten ohnehin aufgenommen wurden, der Polizeidienststelle zusätzlich auch eine Meldung hinsichtlich der Verletzung der Gattin des Berufungswerbers zu erstatten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil keine weiteren Maßnahmen zu treffen gewesen waren und somit eine - nochmalige - Verständigung der nächsten Polizeidienststelle nach Ansicht der Behörde nicht zielführend und somit auch nicht verpflichtend gewesen wäre. Das Verfahren konnte daher diesbezüglich eingestellt werden. Zur Strafbemessung ist auszuführen: § 19 Abs 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Demnach ist bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzten Strafrahmens (hier ? 726,--) insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist ebenso bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Die Bestimmungen des § 19 StVO über den Vorrang dienen sowohl der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, als auch im besonderen Maße der Verkehrssicherheit, zumal die Verletzung des Vorranges zu den häufigsten Unfallursachen zu zählen ist. Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Das Verschulden ist als nicht geringfügig anzusehen. Erschwerungs- und Milderungsgründe liegen nicht vor. Auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen von ? 1.200,--, kein Vermögen, Sorgepflichten für Gattin und 3 Kinder) sind nicht geeignet, die Strafhöhe herabzusetzen, zumal sie sich ohnehin schon im unteren Bereich des Strafrahmens befindet und die Strafe grundsätzlich einen spürbaren Nachteil darstellen soll, um der neuerlichen Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorzubeugen. Auf Grund all dieser Erwägungen war daher, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden.