Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien entscheidet durch sein Mitglied Dr. Osinger über die Berufung von Herrn Nandor R, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 2, vom 31.10.2003, GZ. MBA 2 ? S 10551/03, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs 1 Z 9 Güterbeförderungsgesetz 1995 iVm Artikel 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 idF Verordnung (EG) Nr. 484/2002:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben, das Verfahren jedoch nicht eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Berufungskostenbeitrag zu bezahlen.
Der Berufungswerber ist als organschaftlicher Vertreter des Transportunternehmens R-GmbH mit Sitz in M vor dem Hintergrund der Bestimmung des Artikel 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 idF Verordnung (EG) Nr. 484/2002 dafür bestraft worden, dass er einem näher angeführten ungarischen Fahrzeuglenker bei Durchführung einer gewerbsmäßigen Güterbeförderung von Ungarn nach Wien keine Fahrerbescheinigung zur Verfügung gestellt habe, sodass der betreffende Fahrer bei der Kontrolle an einem näher angeführten Ort in Wien keine Fahrerbescheinigung habe vorweisen können.
Der Spruch des Straferkenntnisses lautet wie folgt:
?Sie sind als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der R-GMBH mit Sitz in M (eingetragen im Handelsgericht des Amtsgerichtes M unter HRB 134280) dafür verantwortlich, dass diese GmbH als Inhaberin der Gemeinschaftslizenz unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt hat, indem dem Fahrer Herrn S Zsolt als Staatsangehöriger eines Drittstaates (Ungarn) bei der gewerbsmäßigen Güterbeförderung von 33 Paletten Waschmittel mit 19.749 kg von der Firma H-M in Ungarn K, V, zur Firma H nach Wien, E-straße, keine Fahrerbescheinigung zur Verfügung gestellt worden ist, sodass Herr S Zsolt am 6.8.2003 um 10:00 Uhr in Wien, bei der Spedition B, F-straße, keine Fahrerbescheinigung vorweisen konnte.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 23 Abs 1 Ziffer 9 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593/1995, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2002 in Verbindung mit Artikel 6 Abs 4 der Verordnung (EG) Nr. 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 (Abl. L 76 vom 19.3.2002) Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 840,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen gemäß § 23 Abs 1 Ziffer 9 GütbefG.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
EUR 84,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 924,--."
In der aufgetragenen Berufungsergänzung ist ausgeführt worden, der angeführte Fahrer sei ?Gesellschafter/Geschäftsführer" des Transportunternehmens R-GmbH. Als solcher sei das Mitführen einer Fahrerbescheinigung für ihn nicht notwendig gewesen, da dies nur für Personen gelte, die in einem Beschäftigungsverhältnis stünden, während der Fahrer als Gesellschafter des Unternehmens selber selbständiger Unternehmer sei. Nach Anberaumung der Verhandlung hat der Rechtsmittelwerber mit ergänzendem Schriftsatz vom 18.2.2004 bekannt gegeben, dass eine nicht strafbare Auslandstat vorliege. Der Sitz der Unternehmensleitung befinde sich in Deutschland. Die Tat falle auch nicht unter die in § 23 Abs 3 1. Satz GütbefG aufgezählten Tatbestände, für die ein inländischer Tatort fingiert werde.
Daraufhin ist die Verhandlung abberaumt worden.
Für die Aufhebung des Straferkenntnisses waren folgende Gründe
maßgebend:
Aus der verfahrenseinleitenden Anzeige des Hauptzollamtes Wien vom 6.8.2003 geht hervor, dass durch ein Organ dieser Behörde am 6.8.2003, 10.00 Uhr, anlässlich einer Zollkontrolle im Gelände der Spedition B in Wien, F-straße, durch den dabei kontrollierten ungarischen Lenker des deutschen Lkw M-SM Zsolt S keine Genehmigung gemäß § 7 GütbefG vorgelegt worden sei. Nach Durchsicht der Wagenpapiere sei festgestellt worden, dass der Lenker in Ungarn für die Firma H Austria in Wien Waschmittel geladen gehabt habe. Das Transportunternehmen (zugleich Zulassungsbesitzer des betreffenden LKW) R-GmbH, Th-Straße, M, habe zu verantworten, dass dem Lenker keine Fahrerbescheinigung nach dem Muster der Verordnung (EG) 484/2002 ausgefolgt worden sei. Der Lenker selbst habe zu verantworten, dass keine Fahrerbescheinigung mitgeführt worden sei. Beim Lenker sei eine vorläufige Sicherheit gemäß § 37a Abs 2 Z 2 VStG eingehoben worden. Gleiches habe beim Unternehmen nicht erfolgen können, da es sich um ein deutsches Unternehmen handle und mit der Bundesrepublik Deutschland ein Amtshilfeabkommen bestehe. Aus in Kopie beigelegten Frachtpapieren geht hervor, dass der Frachtführer R-GmbH eine Ladung Waschmittel von der Firma H Ungarn zur Firma H Austria GmbH in Wien durchgeführt und auf dieser Fahrt am 6.8.2003 nach Österreich eingefahren ist.
Dieser Anzeige beigeschlossen war eine Kopie einer Fahrtengenehmigung des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom 3.6.2003, Nr. 6248/2003, ausgestellt auf die R-GmbH, Th-Straße, M. Die genannte GmbH sei berechtigt, eine Fahrt mit dem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Kfz M-SM zwischen der Republik Österreich und einem Drittstaat, der nicht EU-Staat oder ein anderer Vertragsstaat des EWR sei, durchzuführen.
Beigelegt war weiters eine kopierte EU-Gemeinschaftslizenz, Nr. D259/BY-M1, für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr im Zeitraum vom 6.12.2000 bis 5.12.2005, ausgestellt am 6.12.2000 auf die R-GmbH.
Der Anzeige weiters angeschlossen war die Kopie einer beglaubigten Abschrift einer ?Geschäftsanteilsabtretung" der R-GmbH mit dem Sitz in M vom 3.9.2002. Daraus geht hervor, dass der Berufungswerber an den Erwerber Zsolt S einen Geschäftsanteil in Höhe von 1.150 Euro abgetreten hat. Diese Abtretung ist durch den Erwerber am 21.9.2002 genehmigt worden und damit in Kraft getreten.
Der Anzeige war schließlich noch beigeschlossen ein kopiertes Fax des Hauptzollamtes Ro an das Hauptzollamt Wien vom 7.8.2003, worin mitgeteilt wird, dass dem Verantwortlichen der R-GmbH im Rahmen durch das Hauptzollamt Ro geführter staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zur Last gelegt werde, Inhaber von ca. 15 EU-Gemeinschaftslizenzen und ebensovieler LKW zu sein. Letztere würden ausschließlich von nicht in der EU aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen gelenkt. Die Fahrer seien als Teilhaber in die GmbH aufgenommen worden, um ein entsprechendes Gesellschaftsverhältnis innerhalb der Firma vorzuspiegeln. Tatsächlich seien die Teilhaber ausschließlich als LKW-Lenker in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerverhältnis beschäftigt. Die dafür Verantwortlichen würden daher beschuldigt, in mindestens 15 tatmehrheitlichen Fällen Ausländer in das (deutsche) Bundesgebiet eingeschleust zu haben, um sie hier als Billigarbeitskräfte zu beschäftigen und für diese weder Sozialabgaben noch Lohnsteuern zu entrichten. Die vorwiegend ungarischen Fahrer seien außerdem noch illegal aufhältig.
Soweit im hier gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren in der Sache selbst eingewendet worden ist, die Fahrer wären Gesellschafter, trifft dies auf den hier gegenständlichen Fahrer Zsolt S zwar offenbar zu. Ob er deswegen schon als ?selbständiger Unternehmer" anzusehen ist, brauchte im hiesigen Verfahren aus folgenden Gründen nicht geklärt werden.
Hier wird bloß als unstrittig festgestellt, dass die R-GmbH, Th-Straße, M, Inhaberin einer EU-Gemeinschaftslizenz der Landeshauptstadt M für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr Nr. D/259/BY-M1 vom 6.12.2000, bis 5.12.2005 und einer österreichischen Genehmigung für eine Fahrt im "Dreiländerverkehr" zwischen der Republik Österreich und einem Drittstaat, der nicht EU-Staat oder Vertragsstaat des EWR ist (Nr. 6248/2003 vom 3.6.2003), am 6.8.2003 mit der in Deutschland auf die R-GmbH zugelassenen Sattelzugmaschine (Kennzeichen M-SM), gelenkt vom ungarischen Staatsangehörigen Zsolt S, geboren 27.6.1966, welcher offenbar seit 21.9.2002 Gesellschafter der R-GmbH ist, einen gewerblichen Güterkraftverkehr über die Grenze von Ungarn nach Österreich durchgeführt hat, wobei der Fahrer bei der am 6.8.2003, 10.00 Uhr, auf dem Gelände der Spedition B in Wien, F-straße durchgeführten Zollkontrolle einem Organ des Hauptzollamtes Wien trotz entsprechenden Verlangens keine ?Fahrerbescheinigung" vorlegen konnte.
Irgendwelche sonstigen, oben nicht erwähnte inländische Anknüpfungspunkte, etwa eine von der R-GmbH im Zuge einer inländischen Niederlassung ausgeübte inländische Erwerbstätigkeit, haben sich nicht ergeben.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus folgendes:
Gemäß § 23 Abs 1 Z 9 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Gemäß § 23 Abs 3 GütbefG ist strafbar nach Abs 1 Z 3 oder 6 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgte. Gemäß Artikel 6 Abs 4 der Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen. Unstrittig hat der Verkehrsunternehmer (R-GmbH) dem Lenker des im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr eingesetzten Fahrzeuges keine Fahrerbescheinigung zur Verfügung gestellt, sodass dieser sie den österreichischen Kontrollberechtigten auf Verlangen auch nicht vorzeigen konnte.
Das österreichische Güterbeförderungsgesetz verweist auf die zuletzt genannte europarechtliche Bestimmung und erklärt deren Übertretung zur innerstaatlich zu ahndenden Verwaltungsübertretung, ohne dass den europarechtlichen Tatbestandsmerkmalen weitere hinzugefügt würden. Eine Übertretung dieser europarechtlichen Bestimmung ist somit in Österreich nicht anders strafbar als in anderen Mitgliedsstaaten der EU, soweit diese die betreffende Bestimmung ebenso (verwaltungs-) strafrechtlich umgesetzt haben. Schon aus diesem Grunde ergibt sich keine zwingende Notwendigkeit, als Tatort einer Übertretung der betreffenden europarechtlichen Vorschrift den Ort der momentanen Beförderung dann zu wählen, wenn sich die Strafdrohung nicht gegen den Lenker, sondern gegen den von einem ausländischen Tatort aus handelnden Unternehmer richtet.
Diesbezüglich bestimmt innerstaatlich das VStG Folgendes:
Gemäß § 2 Abs 2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.
Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Wenn eine Unterlassung im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgt, fällt der als Tatort anzusehende Ort, wo der Beschuldigte hätte handeln sollen, im Zweifel mit dem Sitz des Unternehmens zusammen (etwa VwGH vom 19.11.1990, 90/19/0413).
Beim Berufungswerber kam als dem organschaftlichen Vertreter eines Verkehrsunternehmens mit Sitz in M als Tatort somit in erster Linie der Sitz des Unternehmens M in Betracht. Eine inländische Zuständigkeit zur Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens war somit ausgeschlossen, es sei denn, dass es sich bei dem gegenständlichen Delikt um ein ?Erfolgsdelikt" gehandelt hätte und der ?zum Tatbestand gehörende Erfolg" im Inland (Wien) eingetreten wäre.
Der bloße Umstand, dass ein Gebot oder Verbot einen bestimmten Zweck verfolgt, macht diesen noch nicht zum Tatbestandsmerkmal und damit dessen Vereitelung noch nicht zum Erfolg im Sinne des § 2 Abs 2 VStG. Beim Erfolg im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich vielmehr um die durch ein Verhalten herbeigeführte ? kausale ? Folge, die in einer Verletzung oder Gefährdung des geschützten Rechtsgutes bestehen kann und Teil des Tatbestandes ist (etwa VwGH vom 11.12.1996, 96/03/0251).
Artikel 6 Abs 4 1. Satz der Verordnung (EWG) 881/1992 idF (EG) 484/2002, wonach der Verkehrsunternehmer dem Fahrer die Fahrerbescheinigung zur Verfügung stellt, wenn dieser ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt, regelt bloß eine notwendige Voraussetzung für das (im Text überhaupt nicht eigens erwähnte) ?Mitführen" bzw. das (im Text nur an anderer Stelle erwähnte) ?Vorzeigen" der Fahrerbescheinigung durch den Fahrer. Daraus ergibt sich noch keine einheitliche Verpflichtung des Verkehrsunternehmers, dem Fahrer die Fahrerbescheinigung zur Verfügung zu stellen und diese dann (durch den Fahrer) den Kontrollberechtigten vorzuzeigen. Zwei verschiedene Personen betreffende Umstände werden nicht allein dadurch schon zu Tatbestandselementen einer einzigen Verpflichtung, dass sie in einem Kausalverhältnis zueinander stehen. Es fehlt ein als ?rechtliche Einheit" zu wertendes Gesamtgeschehen, das teils im Inland, teils im Ausland begangen wird, welches die inländische Bestrafung im Ausland gelegener Delikts (Teil-) Handlungen ermöglichen würde (vgl. dazu etwa VwGH vom 18.9.1992, 91/12/0159).
Hier ist somit im Sprengel der Erstbehörde weder die Tathandlung begangen worden noch ein zum Tatbestand gehörender Erfolg eingetreten. Die Erstbehörde war somit örtlich unzuständig. Diese Unzuständigkeit war im Berufungsverfahren aufzugreifen und somit das Straferkenntnis als unzulässig aufzuheben. Die Verfahrenseinstellung war hingegen nicht zu verfügen, da allenfalls eine Bestrafung wegen des Deliktes durch die zuständigen deutschen Behörden in Frage kommt.