Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Peter Schurl über die Berufung der M M, S, vertreten durch E H, Rechtsanwaltssozietät, G, gegen Spruchabschnitt II des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28.5.2004, GZ.: FA 13A 38.10 65-04/290, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) wird der Berufung Folge gegeben und Spruchabschnitt II. ersatzlos behoben.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28.5.2004, GZ.: FA 13A 38.10 65-04/290, wurde mit Spruchabschnitt I. gemäß § 62 Abs 3 AWG 2002 verfügt, den Anlagenteil Raffination der Abfallbehandlungsanlage der Fa. M S bis zur Durchführung von 2 gleichzeitig vorgeschriebener Maßnahmen stillzulegen. Die Ergebnisse von Fichtennadel-Untersuchungen hätten eine eklatante Überschreitung von Grenzwerten durch Blei und Cadmium ergeben und seien diese Immissionen dem Unternehmen der Berufungswerberin zuzurechnen. Unter Spruchabschnitt II. wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt, da Gefahr im Verzug bestehe.
In ihrer rechtzeitigen Berufung wird von der M und M hinsichtlich des Spruchabschnittes II. ? nur dieser ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ? vorgebracht, dass Gefahr im Verzug nicht vorliege und daher die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung zu Unrecht erfolgt sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu Nachfolgendes fest:
Die Firma M und M S betreibt in S eine Abfallbehandlungsanlage, welche ursprünglich lediglich gewerbe-, nicht jedoch auch abfallrechtlich behandelt wurde. Im Juli 2003 stellte der Landeshauptmann von Steiermark als Abfallbehörde fest, dass auf Grund der Übergangsbestimmungen des AWG 2002 die Anlage in das Abfallregime zu überführen sei.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 31. März 2004, GZ.: FA13A-38.10 65-04/130, wurden die Anzeige von 3 Anlagenteilen genehmigend zur Kenntnis genommen, eine wasser- und baubehördliche Bewilligung erteilt sowie festgestellt, dass unter Anderem Änderungen bei den Raffinationskesseln einer Bewilligungspflicht nach § 37 Abs 1 AWG 2002 unterliegen. Dieser Bescheid ist auf Grund von Berufungen nicht in Rechtskraft erwachsen. Mit Anordnung vom 24. Mai 2004 hat der Landeshauptmannes von Steiermark die Stilllegung des Umkehrflammofens im Betrieb der Berufungswerberin verfügt. Gegen diesen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hat die Berufungswerberin bei der erkennenden Behörde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG Beschwerde erhoben. Gemäß § 64 Abs 1 AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Diese kann gemäß Abs 2 die Behörde ausschließen, wenn die sofortige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach ständiger Rechtsprechung von Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung höchst restriktiv und nur dann zu verfügen, wenn die sofortige Vollstreckung für eine akute Gefahrenabwehr unerlässlich ist. Gefahr im Verzug liegt nach Lehre und Rechtsprechung dann vor, wenn der Eintritt eines unmittelbaren Schadens bei Unterlassung der Maßnahme wahrscheinlich ist. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung ausschließlich auf das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen, der darlegt, dass durch Immissionen, die von der Betriebsanlage der Berufungswerberin ausgehen, erhöhte Blei- und Cadmiumwerte in Boden- und Fichtennadeluntersuchungen nachgewiesen wurden. Vergiftungen seien jedoch nicht nachzuweisen. Blutuntersuchungen bei Kindern hätten nämlich keine erhöhten Werte an Blei und Cadmium ergeben. Die mögliche Bedrohung der Gesundheit durch Blei und Cadmium könne jedoch zu Angstzuständen führen, welche gesundheitsgefährdend sind. Hierzu ist festzustellen, dass es dem Gutachten an Schlüssigkeit fehlt. Der Gutachter stellt selbst fest, dass das Humanbiomontoring eine aktuelle konkrete Gesundheitsgefährdung ausschließe. Dass sich jedoch jemand durch eine mögliche Immission bedroht fühle und daher Angstzustände habe, welche gesundheitsgefährdend seien, ist rein subjektiv und nicht geeignet, einen objektiven Tatbestand für einen schwerwiegenden Eingriff in ein bestehendes Recht darzustellen. Dazu kommt, dass der maschinenbautechnische ASV nicht schlüssig nachvollziehen kann, von welchem Anlagenteil überhaupt die Blei- und Cadmiumemissionen ausgehen. Diesbezügliche Untersuchungen wurden nämlich offensichtlich nicht durchgeführt. Der Sachverständige führt im Gegenteil in seinem Gutachten aus, dass bei konsensgemäßen Betrieb der Raffinationsanlage mit erhöhten Emissionen nicht zu rechnen sei. Ob tatsächlich eine Bedrohung durch den Betrieb der Raffinationsanlage vorliegt, wird im Zuge der Entscheidung über die Berufung gegen Spruchabschnitt I. zu klären sein. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung, welche durch den Betrieb der Raffinationsanlage ausgeht, wurde vom ärztlichen Amtssachverständigen somit nicht schlüssig nachgewiesen, sodass auch keine Gefahr im Verzug vorliegt. Der Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, ist daher rechtswidrig und war Spruchabschnitt II ersatzlos zu beheben.