Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien entscheidet durch sein Mitglied Dr. Osinger über die Berufung des Herrn Michael G, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 5.5.2003, MBA 19 - S 719/03, wegen Übertretung der Gewerbeordnung, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Der Magistrat der Stadt Wien erließ gegen den Berufungswerber ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
?Sie haben es als persönlich haftender Gesellschafter und somit als gemäß § 9 Abs 1 VStG 1991 nach außen Berufener der G-KEG mit Sitz in Wien, B-straße, zu verantworten, dass diese Gesellschaft in der Zeit von 28.6.2002 bis 21.1.2003 in Wien, B-straße, eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung geändert und nach der Änderung betrieben hat (§ 81), indem folgende genehmigungspflichtige Änderungen vorgenommen wurden: ?Die ehemalige Kochnische wurde vergrößert und es ist nunmehr eine Küche eingerichtet mit einem 4-flammigen Gasherd sowie einer Dunstabzugshaube, jedoch wurde keine mechanische Zuluft ausgeführt. Weiters wurde im Anschluss an die Küche ein Lagerraum hinzugenommen, sowie der Gastraum um ca. 15 Verabreichungsplätze vergrößert. Weiters wurde im Anschluss an den Gastraum ein Arbeitnehmer-WC, welches ehemals ein Gang-WC war, sowie ein Personalgarderoberaum hinzugenommen. Außerdem soll nach Angabe des Betreibers, Herrn Michael G, die am Gangende gelegene Privatwohnung in den Betrieb
eingegliedert werden und in weiterer Folge eine Dienstwohnung darstellen."; (dies laut Verhandlungsprotokoll vom 28.6.2002) und obwohl diese Änderungen geeignet sind, berechtigte Interessen des Gewerbetreibenden sowie der Arbeitnehmer, Nachbarn und Kunden zu beeinträchtigen (§ 74 Abs 2 GewO 1994).
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 366 Abs 1 Z 3 iVm § 81 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der geltenden Fassung.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 175,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag 6 Stunden gemäß § 366 Abs 1 Z 3 iVm § 81 Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994 in der geltenden Fassung.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
EUR 17,50 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 192,50. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Dagegen hat der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung erhoben.
Ohne auf die Berufungsausführungen einzugehen, ergibt sich rechtlich Folgendes:
Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Um den Erfordernissen der zuletzt zitierten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was das zweitgenannte Erfordernis anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat), muss erstens im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und zweitens der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes - jeweils eines verstärkten Senates - vom 13.6.1984, Verwaltungssammlung 11.466/A und vom 3. Oktober 1985, Verwaltungssammlung 11.894/A).
Gemäß § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81). Gemäß § 81 Abs 1 leg cit bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002, dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub,
Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist. Ein Schuldspruch nach § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1973 [nunmehr § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994] muss, um das Erfordernis des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatbestände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die im § 74 Abs 2 GewO 1973 genannten Interessen zu
beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (VwGH vom 22.12.1992, 91/04/0199, Hinweis E 25.6.1991, 90/04/0216).
Nichts anderes kann für den gleichgelagerten Tatbestand des § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 gelten.
Bei der Frage der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage ist nicht lediglich auf deren abstrakte, sondern auf die KONKRETE Eignung, die im § 74 Abs 2 GewO 1973 näher umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen, abzustellen. Es ist daher nicht nur auf das Emissionsverhalten der Anlage, sondern auch auf die konkrete Umwelt, in der sie sich befindet, abzustellen. Eine Genehmigungspflicht nach § 74 Abs 2 Z 5 GewO 1973 und ? im Falle des Betreibens der Anlage ohne gewerbebehördliche Genehmigung - ein Straftatbestand iSd § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1973 ist daher nicht gegeben, wenn aufgrund der konkreten Beschaffenheit sowohl der Anlage wie ihrer Umwelt eine nachteilige Einwirkung [im seinerzeit entschiedenen Fall:] auf die Beschaffenheit der Gewässer überhaupt nicht möglich ist (VwGH vom 20.12.1994, 92/04/0276).
Dies gilt auch für die Frage der Genehmigungspflicht der Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage.
Ein Schuldspruch nach § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 muss daher, um das Erfordernis des § 44a Z 1 VStG zu erfüllen, jene Tatbestände enthalten, die unter Berücksichtigung der konkreten Beschaffenheit sowohl der Anlage wie auch ihrer Umwelt eine Beurteilung dahin zulassen, ob Auswirkungen der vorliegenden Änderung der genehmigten Betriebsanlage konkret geeignet sind, die im § 74 Abs 2 GewO 1994 genannten Interessen zu beeinträchtigen. Die bloße Aufzählung von Änderungen einer genehmigten Betriebsanlage unter Hinzufügung, es wären dadurch ?berechtigte" Interessen der angeführten Personenkreise beeinträchtigt worden, ist keine den Erfordernissen des § 44 a Z 1 VStG entsprechende Verfolgungshandlung.
Eine solche Verfolgungshandlung wurde innerhalb der im § 31 Abs 2 VStG genannten Frist gegen den Berufungswerber nicht vorgenommen. Der Berufung war daher Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis wegen des Eintrittes der Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.