TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/18 2000/06/0003

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Veröffentlicht am 18.10.2001
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BauO Stmk 1968 §1 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der MK in K, vertreten durch Dr. S und Mag. S, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. November 1999, Zl. 03-12.10 P 55 - 99/14, betreffend Aussetzung eines Bauverfahrens gemäß § 38 AVG (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Mai 1998 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 1986 auf Erteilung der Widmungsbewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf einem Teil des Grundstückes 828/7, KG G (nunmehr das Grundstück 828/9, KG G) abgewiesen. Diese abweisende Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass im vorliegenden Fall die Sicherstellung zur Schaffung einer einwandfreien und ausreichenden Zufahrtsmöglichkeit auf Dauer nicht gegeben sei und somit die Grundvoraussetzungen für die Widmung eines Grundstückes als Bauplatz nicht vorlägen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 28. September 1999 wurde das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage hinsichtlich der Wegbreite des Grundstückes 828/2, EZ 22, KG G, durch das bereits angerufene Landesgericht für ZRS Graz ausgesetzt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Berufung vor allem darauf beziehe, dass der Aufschließungsweg entsprechend dem Widmungsbescheid vom 18. Juli 1968 und dem zugrundeliegenden Widmungsplan zum seinerzeitigen "Teilgrundstück 828/7" (nunmehr das Grundstück 828/9, KG G) eine Breite von 6 m aufzuweisen habe. Demgegenüber stehe der Umstand, dass im Bereich des vorliegenden Grundstückes 828/9, KG G, und auch im Bereich des davor liegenden Grundstückes 828/7, KG G, jeweils an der Nord-Ost-Seite dieser Grundstücke in der Natur lediglich ein 2 m breiter Grundstücksstreifen (Bestandteil des Grundstückes 828/2, KG G) bestehe, welcher einer ausreichenden Zufahrtsmöglichkeit zum Widmungsgrundstück gemäß den Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Stmk. BauO 1968 nicht entspreche. Hinsichtlich der Klärung der tatsächlichen Wegbreite sei dazu seitens der Beschwerdeführerin gegenüber den Anrainern zum Grundstück 828/2, KG G, ein Klagebegehren beim Landesgericht für ZRS Graz eingebracht worden. Da die "wesentliche Vorfrage zur Klärung einer der Wegbreite des Siedlungsweges im Bereich angrenzend an das vorliegende Widmungsgrundstück 828/9, KG G, durch das angerufene Gericht einer Klärung unterzogen" werde (das Gerichtsverfahren sei derzeit noch anhängig), der Klärung dieser Vorfrage eine entscheidende Bedeutung für die Entscheidung über die vorliegende Berufung zukomme, sei die Aussetzung beschlossen worden.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass für die Berufungsbehörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich sei. Daher sei die Anhängigkeit des Gerichtsverfahrens zur Klärung der gegenständlichen Grenzfrage zu beachten gewesen. Es lägen die formalen Voraussetzungen zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG vor. Auflage 7 des Widmungsbescheides vom 18. Juli 1968 sei nicht vollstreckbar, solange nicht eine entsprechende Aufforderung durch die mitbeteiligte Partei erfolge. Widmungsbewilligungen, die bis zum 1. März 1989 erteilt worden seien, würden gemäß § 119 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 am 1. März 1999 erlöschen. Es sei daher für die Frage, ob für das Grundstück gemäß § 1 Abs. 2 Stmk. BauO 1968 eine einwandfreie und ausreichende Zufahrtsmöglichkeit gegeben sei, die Klärung der tatsächlichen Wegbreite des Siedlungsweges im Bereich angrenzend an das verfahrensgegenständliche Widmungsgrundstück von ausschlaggebender Bedeutung. Da ein derartiges gerichtliches Verfahren anhängig sei, sei die vorliegende Aussetzung zu Recht erfolgt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin ist im Recht, wenn sie - wenn auch nicht näher begründet - meint, es liege keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG vor. Gemäß § 1 Abs. 2 Stmk. BauO 1968 setzt die Widmung zum Bauplatz u.A. voraus, dass eine geeignete Zufahrtsmöglichkeit von einer öffentlichen Verkehrsfläche gesichert ist. Von einer Zufahrtsmöglichkeit kann immer nur dann gesprochen werden, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung der Baubehörde in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gegeben ist. Da es bei der Widmung von Bauplätzen gemäß § 1 Stmk. BauO 1968 darum geht, die grundsätzliche Eignung eines Grundstückes zur Bebauung festzustellen, muss dieser Begriff der Zufahrtsmöglichkeit auch in faktischer Hinsicht dahin verstanden werden, dass eine solche geeignete Zufahrt besteht bzw. jederzeit hergestellt werden kann. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, ein Grundstück als Bauplatz auch dann widmen zu wollen, das faktisch keine oder nur eine ungeeignete Zufahrtsmöglichkeit aufweist, auch wenn die geeignete Zufahrtsmöglichkeit im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens letztlich auf Grund der gegebenen zivilrechtlichen Position eines Widmungswerbers in einer nicht abzuschätzenden Zeitspanne erstritten werden könnte. Wenn eine solche rechtliche und faktische Zufahrtsmöglichkeit gegeben ist, ist im Lichte des § 1 Abs. 2 leg. cit. weiters die Geeignetheit und die Gesichertheit (auf Dauer) dieser Zufahrt zu prüfen. Im vorliegenden Fall besteht die faktische Möglichkeit der Zufahrt zu dem verfahrensgegenständlichen Grundstück auf dem im Miteigentum der Beschwerdeführerin stehenden Weggrundstück unbestritten in einer Breite von 2 m. Es stellt somit keine Vorfrage des vorliegenden Verwaltungsverfahrens dar, wenn in einem gerichtlichen Verfahren um das Bestehen des fraglichen Weges in einer größeren Breite gekämpft wird. Die Berufungsbehörde hatte vielmehr die Frage zu klären, ob diese tatsächliche Zufahrtsmöglichkeit auch in rechtlicher Hinsicht besteht und ob sie geeignet und (auf Dauer) gesichert ist. Da die belangte Behörde es nicht als rechtswidrig erkannt hat, dass die Berufungsbehörde zu Unrecht das Vorliegen einer Vorfrage angenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Auf das übrige Beschwerdevorbringen in diesem Zusammenhang brauchte daher nicht mehr weiter eingegangen zu werden. Angemerkt wird allerdings, dass im Lichte des § 1 Abs. 2 leg. cit. immer nur eine tatsächlich eingeräumte Servitut in rechtlicher Hinsicht von Bedeutung sein könnte und dass Ermessensentscheidungen stets zu begründen sind (insbesondere im Hinblick auf die Ermessensübung im Sinne des Gesetzes gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1995, Zl. 93/12/0292) .

Im Übrigen ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei den Bescheid des Gemeinderates gemäß § 45 Abs. 2 Z. 1 Stmk. Gemeindeordnung lediglich durchgeführt hat. Der Bürgermeister hat an der Entscheidung des Gemeinderates nicht mitgewirkt. Wie sich aus dem Gemeinderatssitzungsprotokoll betreffend die Sitzung vom 6. Juli 1999 (mit Fortsetzung am 19. und 26. Juli 1999) ergibt, hat der Bürgermeister an der Beratung und der Beschlussfassung der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit nicht teilgenommen, vielmehr den Sitzungssaal verlassen und den Vorsitz dem Vizebürgermeister übergeben.

Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin wurde der angefochtene Bescheid von der belangten Behörde erlassen. Dem entspricht auch die Fertigungsklausel "Für die Steiermärkische Landesregierung". Es trifft nicht zu, dass der angefochtene Bescheid einem Mitglied der Landesregierung zuzurechnen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher aus dem näher dargelegten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000060003.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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