Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 3.9.2004 über die Berufung der Frau Zsuzsa B gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 14.5.2003, MA 67-PA-712596/2/4, mit welchem über den ausschließlich gegen die Strafhöhe gerichteten Einspruch gegen die Strafverfügung zu selben Zahl abgesprochen worden ist, entschieden wie folgt:
Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Das angefochtene Straferkenntnis enthielt eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung und wurde laut Zustellnachweis RSb nach einem Zustellversuch vom 28.5.2003 postamtlich hinterlegt und ab dem 28.5.2003 zur Abholung bereitgehalten. Die vorliegende Berufung wurde am 9.7.2003 mündlich bei der Erstbehörde eingebracht. Anlässlich dieser Vorsprache wurde der Berufungswerberin die offensichtlich verspätete Einbringung der Berufung zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen. Die Berufungswerberin brachte vor, sie sei am 28.5.2003 gleich in der Früh gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Kindern nach Ungarn aufgebrochen. Am 30.5.2003 seien sie gemeinsam zurückgekommen. Einen Hinterlegungszettel habe sie mit Sicherheit nicht erhalten, da sie sich ansonsten gleich darum gekümmert hätte. Sie habe also von der Zustellung keine Kenntnis gehabt.
Zur Klärung des Sachverhaltes fand am 3.9.2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt. In dieser Verhandlung gab die Berufungswerberin unter anderem an, möglicherweise darauf vergessen zu haben, die gegenständliche Briefsendung beim Postamt zu beheben. Auch wenn sie gegenüber der Sachbearbeiterin der Erstbehörde angegeben habe, die mangelnde Behebung des Schriftstückes wäre auf das Fehlen der Hinterlegungsanzeige zurückzuführen, schließe das ihre jetzige Aussage nicht aus, ein Versehen ihrerseits könne dazu geführt haben, das Schriftstück nicht zu beheben.
Es wurde erwogen:
Gemäß § 63 Abs 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der
an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten. Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Gemäß § 17 Abs 4 ist die im Wege der Hinterlegung
vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs 2 oder die in § 21 Abs 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Die Berufungswerberin hat in der Verhandlung vom 3.9.2004 ihre anlässlich der Vorsprache bei der Erstbehörde gemachten Angaben, sie hätte eine Hinterlegungsanzeige mit Sicherheit nicht vorgefunden, in dieser Form nicht mehr aufrecht erhalten, sondern eingeräumt, dass die Nichtbehebung des Straferkenntnisses auch auf ein Versehen ihrerseits zurück zu führen sein könnte. Beim Postrückschein im Sinne des § 22 Zustellgesetz handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen.
Aus dem vorliegenden Akteninhalt und dem Vorbringen der Berufungswerberin ergibt sich kein ausreichender Hinweis darauf, dass der Postzusteller in das Hausbrieffach der Berufungswerberin entgegen seinen Angaben im Rückschein keine Hinterlegungsanzeige eingelegt hat.
Ob eine Hinterlegungsanzeige nach Einlegen in das Hausbrieffach nicht entnommen, nicht beachtet, nicht wieder erinnert oder der Bescheid daraufhin aus sonstigen Gründen nicht be- und eine Berufung dagegen nicht erhoben wird, hat auf die Wirksamkeit der Zustellung keinen Einfluss.
Unter Berücksichtigung der von der Berufungswerberin geltend gemachten Ortsabwesenheit von 28.5.2003 bis 30.5.2003 war die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses nicht bereits mit Beginn der Abholfrist, sondern erst mit dem auf ihre Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, an dem die Briefsendung behoben hätte werden können, dies war der 2.6.2003, rechtswirksam. Die Berufungsfrist begann sohin mit 2.6.2003 und endete mit 16.6.2003. Die vorliegende, am 9.7.2003 eingebrachte Berufung erweist sich daher als verspätet eingebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es im Falle der verspäteten Einbringung einer Berufung der erkennenden Behörde verwehrt, auf das Berufungsvorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (VwGH 27.3.1990, 89/08/0173).
Die Berufung war daher ohne Eingehen auf die Berufungsausführungen als verspätet zurückzuweisen.