Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Christoph Purtscher über die Berufung des R. E., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D. B., XY-Straße, I., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29.03.2004, Zahl S-1257/04, betreffend eine Übertretung nach dem KFG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Nach § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 70,00, zu bezahlen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 29.03.2004 wurde R. E. zur Last gelegt, er habe als das gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der zulassungsbesitzenden Firma E. S. KG des PKW mit dem Kennzeichen XY trotz behördlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (zugestellt am 25.11.2003) binnen der gesetzlichen Frist von zwei Wochen keine Auskunft darüber erteilt, wer dieses Kraftfahrzeuges am 02.11.2003 um 17.21 Uhr auf der Inntalautobahn A 12 auf Höhe km 91.915 im Gemeindegebiet Inzing in Fahrtrichtung Osten gelenkt hat.
Dadurch habe der Beschuldigte gegen § 103 Abs 2 KFG verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 350,00 (Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen) verhängt wurde.
Gegen diese Entscheidung hat der rechtsfreundliche vertretene R. E. fristgerecht Berufung erhoben und ausgeführt, dass er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe. Eine Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe sei dem Beschuldigten nicht zugegangen bzw entspreche eine solche auch nicht den gesetzlichen Vorschriften. Es liege Verfolgungsverjährung vor. Der Beschuldigte beantrage seine Einvernahme und die seiner Ehegattin und stelle im Übrigen den Antrag, der UVS wolle nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung Folge geben, den angefochtenen Bescheid beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 14.11.2003, Zahl VK-26070-2003, hat die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck an die Firma E. S. KG, XY, I., folgende Anfrage gerichtet:
?Geschäftszahl: VK-26070-2003
Betreff: Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr
Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie werden gemäß
(X) § 103 Abs 2 KFG
(...) § 103a Abs 1 Z 3 KFG iVm § 103 Abs 2 KFG
(...) § 2 Abs 2 Tiroler Parkabgabegesetz 1997
(X) als (verantwortlicher) Zulassungsbesitzer
( ) als eine zur Vertretung nach außen berufene Person gem § 9 VStG
( ) als vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachte(r)
Auskunftspflichtige(r)
( ) als namhaft gemachter Mieter
aufgefordert, der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Land binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine Auskunft zu erteilen, wer ihr Fahrzeug mit dem Kennzeichen XY
am 02.11.2003, 17.21 Uhr, im Gemeindegebiet von Inzing, auf der A12 bei km 91.915 in Richtung Osten
(X) gelenkt hat. ( ) zuletzt dort gehalten/geparkt hat.
Hinweis:
Sie machen sich im Sinne obiger Bestimmungen strafbar, wenn Sie die verlangte Auskunft nicht, unrichtig oder nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Schreibens geben.
Für den Bezirkshauptmann:
P. M.?
Dieses Schreiben wurde der E. S. KG nachweislich am 25.11.2003 zugestellt.
Grund für die betreffende Anfrage war eine mittels Lasermessgerät festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung. Demnach wurde am 02.11.2003 um 17.21 Uhr mit dem PKW, Kennzeichen XY, auf der Inntalautobahn A 12 auf Höhe km 91.915 im Gemeindegebiet Inzing in Fahrtrichtung Osten die dort zulässige Geschwindigkeit von 130 km/h (ohne Berücksichtigung der Messtoleranz) um 64 km/h überschritten. Eine Auskunftserteilung ist nicht erfolgt.
Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges bzw der Fahrzeuge mit dem Kennzeichen XY ist die E. S. KG mit dem Sitz in Innsbruck. R. E. ist bzw war zum Tatzeitpunkt persönlich haftender Gesellschafter der E. S. KG und vertritt die Gesellschaft selbständig.
Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich unzweifelhaft aus dem erstinstanzlichen Akt. Die Gesellschafts- und Vertretungsverhältnisse der E. S. KG ergeben sich aus dem eingeholten Firmenbuchauszug.
Rechtliche Beurteilung:
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 lauten wie folgt:
?§ 103
?
2) Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
?
§ 134
(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl Nr L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1 sowie der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl Nr L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr 3572/90, ABl Nr L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 2.180,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. ... .
Weiters sind nachfolgende Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 117/2002, beachtlich:
?§ 5
(1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
...
§ 19
(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.?
Schuldspruch:
Anknüpfend an den festgestellten Sachverhalt steht außer Zweifel, dass der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung verwirklicht hat.
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat mit Schreiben vom 14.11.2003 eine ordnungsgemäße Lenkeranfrage an die E. S. KG als Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen XY gerichtet; der Berufungswerber ist der zur Vertretung berufene Gesellschafter der E. S. KG. Eine Auskunft wurde in weiterer Folge nicht erteilt.
Nach der ständigen Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sinn und Zweck der Regelung des § 103 Abs 2 KFG, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen, wobei die Erteilung einer unrichtigen oder unvollständigen Auskunft der Nichterteilung einer Auskunft gleichzuhalten ist (VwGH 22.04.1994, Zl 93/02/0255). Eine Verletzung der Auskunftspflicht des § 103 Abs 2 KFG liegt bereits dann vor, wenn der Zulassungsbesitzer der Behörde die Auskunft nicht erteilt hat, unabhängig von den Gründen, die ihn dazu bewogen haben. Das Auskunftsverlangen ist an den Zulassungsbesitzer selbst zu richten. Dies gilt auch, wenn Zulassungsbesitzer eine juristische Person oder Personengesellschaft ist (VwGH 07.09.1990, Zl 89/18/0180). Die Auskunftspflicht wiederum trifft bei OHG und KG die zur Vertretung berufenen Gesellschafter (§§ 125 und 170 HGB) und nicht den gemäß der Gewerbeordnung bestellten Geschäftsführer (VwSlg 7073; VwGH 17.12.1999, Zl 89/02/0384).
Die Individualisierung des KFZ erfolgt, selbst bei Vorliegen eines Wechselkennzeichens (dies ist gegenständlich der Fall), durch das amtlich zugewiesene Kennzeichen; auf die Angabe der KFZ-Type kommt es nicht an.
Soweit der Berufungswerber behauptet, er habe die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen, ist diese Verantwortung vor dem Hintergrund des aufgezeigten Sachverhaltes als Schutzbehauptung zu werten. Das Vorbringen des Berufungswerbers, er habe eine Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe nicht erhalten bzw entspreche eine solche auch nicht den gesetzlichen Vorschriften, trifft ebenfalls nicht zu. Die Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe wurde der E. S. KG nachweislich am 25.11.2003 zugestellt. Diese hat darüber hinaus den gesetzlichen Vorgaben entsprochen; vom Berufungswerber konnte auch in keinster Weise dargelegt werden, warum dies nicht der Fall sein sollte. Verfolgungsverjährung kann ebenfalls nicht eingetreten sein, zumal einerseits das Auskunftsbegehren wenige Tage nach der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt ist und zumal es sich zum anderen bei der wegen dieser Übertretung erfolgten Ermittlung des Lenkers nicht um ein Straf-, sondern vielmehr um ein Administrativverfahren handelt.
Damit hat sohin der Berufungswerber den objektiven Tatbestand des § 103 Abs 2 KFG erfüllt.
Der Berufungswerber muss sich aber auch ein Verschulden vorwerfen lassen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei der Nichterteilung der Lenkerauskunft um ein sogenanntes ?Ungehorsamsdelikt? im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG handelt, bei dem als Schuldform Fahrlässigkeit ausreicht. Nach dieser Bestimmung ist bei derartigen Delikten dann ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. ?Glaubhaftmachung? bedeutet dabei, dass die Richtigkeit einer Tatsache wahrscheinlich gemacht wird. Der Beschuldigte hat initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Er hat also insbesondere ein geeignetes Tatsachenvorbringen zu erstatten und Beweismittel zum Beleg desselben bekannt zu geben oder vorzulegen (vgl VwGH vom 24.05.1989, Zl 89/02/0017 ua).
Die Glaubhaftmachung fehlenden Verschuldens ist dem Berufungswerber allerdings nicht gelungen; insbesondere hat er keinerlei Vorbringen in diese Richtung erbracht. Damit muss sich der Berufungswerber auf jeden Fall fahrlässige Tatbegehung anlasten lassen.
Der Berufungswerber hat daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.
Zur Strafbemessung:
Der Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung ist durchaus erheblich, da die betreffende Bestimmung sicherstellen soll, dass der verantwortliche Lenker eines Fahrzeuges von den Behörden jederzeit, also ohne langwierige und aufwendige Erhebungen, festgestellt werden kann, um so einen effizienten Gesetzesvollzug zu ermöglichen. Durch die Nichtbeantwortung einer entsprechenden Lenkeranfrage wird dieser Gesetzeszweck unterlaufen. Die mit der betreffenden Verwaltungsnorm erfolgten Schutzinteressen wurden daher in einem beträchtlichen Ausmaß verletzt.
Hinsichtlich der Schuldform war von Fahrlässigkeit auszugehen. Erschwerend war zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber bereits einschlägig strafvorgemerkt ist. Milderungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Bezüglich seiner Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat der Beschuldigte trotz Aufforderung keine Angaben gemacht, weshalb insofern eine Einschätzung vorzunehmen war (VwGH 14.01.1981, Zl 3033/80 ua). Dabei war mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zumindest von durchschnittlichen Vermögensverhältnissen bzw einer durchschnittlichen Einkommens-situation des Berufungswerbers auszugehen.
Unter Berücksichtigung all dieser Strafzumessungskriterien ist die Behörde zur Auffassung gelangt, dass die durch die Erstinstanz bemessene Strafe keinesfalls überhöht ist, zumal mit der verhängten Geldstrafe der gesetzliche Strafrahmen nur zu rund 16 Prozent ausgeschöpft wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Festsetzung der Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die im Spruch angegebenen Gesetzesbestimmungen.