Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 7.9.2004 aufgrund der Berufung von Herrn Gerhard S gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat F, vom 30.6.2003, GZ: S 66.915-Fd/03, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960 entschieden wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung hinsichtlich Spruch 3) des Straferkenntnisses keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt bestätigt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte 1), 2) und 4) insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafen auf je 40 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 12 Stunden herabgesetzt werden.
Hinsichtlich Spruchpunkt 5) wird die Strafe in Anwendung des § 20 VStG auf 650 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 8 Tage herabgesetzt.
Dementsprechend wird der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag hinsichtlich der Spruchpunkte 1), 2), 4) und 5) gemäß § 64 Abs 2 VStG auf insgesamt 77 Euro herabgesetzt, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe. Im Übrigen wird das Straferkenntnis bestätigt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG zu Spruchpunkt 3) des Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 6 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Der Berufungswerber ist als Lenker eines Fahrrades wegen mehrerer am 13.4.2003, 21.25 Uhr begangener Verstöße gegen Straßenverkehrsvorschriften sowie wegen der anschließender Verweigerung einer Alkomatuntersuchung bestraft worden.
Der Spruch des Straferkenntnisses lautet:
"Sie haben am 13.4.03 ein Fahrrad gelenkt und um 21.25 Uhr in Wien, P-Str. 1.) sind nicht am äußerst rechten Fahrbahnrand, sondern sind mitten auf der Fahrbahn der P-Str. in Schlangenlinien gefahren, 2.) die durch ein Organ der Straßenaufsicht deutlich sichtbar gegebenen Zeichen (durch das geöffnete Fenster mittels Stabtaschenlampe mit rotem Lichtkegel) zum Anhalten zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle nicht beachtet, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt wurde. 3.) mit dem Fahrrad außerhalb einer geregelten Kreuzung umgekehrt, obwohl Sie sich auf einer Vorrangstraße befanden, 4.) trotz Dunkelheit die Beleuchtung des Fahrrades nicht eingeschaltet,
5.) am 13.4.03 um 21.38 Uhr in Wien, P-Str. sich als Lenker eines Fahrrades geweigert, Ihre Atemluft mit einem Gerät das den Alkoholgehalt der Atemluft misst und entsprechend anzeigt, von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt untersuchen zulassen, obwohl vermutet werden konnte, dass Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befanden Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.) § 7/1 StVO, 2.) § 97/5 StVO, 3.) § 14/2 lit d StVO, 4.) § 60/3 StVO, 5.) § 5/2 StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von 1.) ? 70,00, 2.) ? 100,00 3.) ? 30,00, 4.) ? 50,00,
5.)
? 1.800,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
1.) 24 Stunden, 2.) 30 Stunden, 3.) 12 Stunden, 4.) 14 Stunden, 5.) 24 Tage, gemäß 1.) § 99/3 lit a StVO 2.) § 99/3 lit a StVO,
3.) § 99/3 lit a StVO, 4.) § 99/3 lit a StVO, 5.) 99(1)b StVO (ges. ? 2.050,00)
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
205,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich ? 15,- angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 2.255,00 Euro. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Mit Berufung wird eingewendet, der Berufungswerber sei krank und habe ab und zu depressive Schübe. Vielleicht sei er deswegen in Schlangenlinien gefahren. Das rote Licht der Taschenlampe der Polizisten habe er gar nicht wahr genommen. Auch das Umkehren könne er sich nur im Zusammenhang mit dem Mix von
Medikamenten, den er zuvor eingenommen habe, erklären. Das Fahrrad sei deswegen nicht beleuchtet gewesen, weil der Dynamo ca. 10 Minuten vor der Anhaltung kaputt gegangen sei. Das Fahrrad habe er deswegen nicht geschoben, weil durch den Medikamentenmix sein klares Denken ausgesetzt habe. Die Alkomatuntersuchung habe er keinesfalls verweigert. Er habe erklärt, an Asthma zu leiden, jedoch vergessen zu erwähnen, dass er rechtsseitig eine Gesichtslähmung habe und auch aus diesem Grund nicht blasen könne. Eingenommen habe er vor der Fahrt vier Stück Remeron, dazu 2 oder 3 schmerzstillende Tabletten, welche wisse er jetzt nicht auswendig. Außerdem nehme wegen seiner HIV-Erkrankung noch eine Dreierkombination anderer
Medikamente, welche wisse er jetzt nicht.
In der öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung vom 19.3.2004 hat der Berufungswerber als Partei vernommen folgendes angegeben:
?Ich kann mich an die Amtshandlung noch bruchstückhaft erinnern. Ich kann mich noch erinnern, dass die Alkomatuntersuchung nicht geklappt hat.
Ich war am damaligen Abend auf dem Weg nach Hause.
Den Tag hatte ich in der Wohnung meiner Freundin in Wien, F-gasse verbracht. Sie war arbeiten und ich allein in der Wohnung. Am Vortag hatte ich erheblich Alkohol konsumiert und einen Rest noch in mir, als die Freundin gegen 16.00 Uhr in die Wohnung gekommen ist. Vielleicht kam es zwischen uns deswegen zum Streit.
Daraufhin habe ich Medikamente eingenommen. Es waren 5 Tabletten Remeron. Außerdem habe ich noch schmerzstillende Tabletten genommen, deren Namen ich nicht angeben kann. Ich nehme außerdem regelmäßig Medikamente gegen HIV und war es eine Kombinationstherapie von 3 Medikamenten, nämlich Videx, Retrovir und Stocrin. Schließlich habe ich auch noch gegen meine Atemwegserkrankung COPD Seritide und Sultanol (das erste ein Pulver zur Inhalation, das zweite ein Spray) genommen.
Befragt, in welcher Dosierung ich das Remeron genommen habe:
Wie schon gesagt 5 Stück. Das ist ein Anti-Depressivum. Wenn ich eine größere Stückzahl Remeron nehme, werde ich schläfrig, besonders in Kombination mit Alkohol.
Befragt, warum ich die Remeron dann vor und nicht erst nach dem Nachhausefahren genommen habe: Aufgrund des Streits war ich außer mir und habe ich da darüber nicht nachgedacht. Danach bin ich mit dem Fahrrad von Wien 16 nach Wien 21 gefahren und bin ich kurz vor meiner Wohnung von den Polizisten aufgehalten worden.
Ich habe nicht bemerkt, dass ich Schlangenlinien gefahren bin. Befragt, warum ich trotz der von mir angestrebten Dämpfung durch die Remeron Tabletten auf das Fahrrad gestiegen bin: Ich wollte ursprünglich ja gar nicht nach Hause fahren, aber meine Freundin hat keine Ruhe gegeben und bin ich da einem Streit aus dem Weg gegangen und nach Hause gefahren. Ich bin mir auf dem Rad trotzdem sicher vorgekommen.
Den Streifenwagen habe ich zunächst überhaupt nicht bemerkt und kann ich mich auch nicht an das Anhaltezeichen mit der Taschenlampe erinnern. Befragt, warum ich dann plötzlich auf der P-Straße unmotiviert - laut eigenen Angaben rund 200 m vor meinem Wohnhaus - umgedreht und zurückgefahren bin, wenn dies nicht durch das sehr wohl wahrgenommene Anhaltesignal der Polizisten verursacht worden sein sollte: Ich kann nicht sagen, warum ich das damals gemacht habe.
Ich kann mich auch an das nachfolgende Angehaltenwerden an der Kreuzung P-Straße/G-gasse und das Gespräch mit den Polizisten nicht erinnern. Im Gedächtnis geblieben ist mir nur, dass der Polizist das Rad nach Hause geschoben hat.
Befragt, ob ich vor der Alkomatuntersuchung zur Wohnung gegangen bin, um dort einen Reisepass zwecks Legitimation einzuholen: Das nehme ich an.
Die Alkomatuntersuchung hat sich so abgespielt, dass ich zu blasen versucht habe, mir dies aber nicht möglich war, weil meine rechte Gesichtshälfte gelähmt ist.
Befragt, warum ich das damals nicht angegeben habe, wenn die letzten 4 Fehlversuche nur auf mein Verlangen durchgeführt worden sind und obwohl ich damals (andere) Gründe für das Fehlschlagen der Messungen sehr wohl angegeben habe: Ich kann mir das heute auch nicht erklären.
Befragt, wann die Gesichtslähmung eingetreten ist: Das war 1987 nach einer Operation.
Befragt, ob ich im Zusammenhang mit der COPD eine Lungenfunktionsanalyse problemlos durchführen konnte: Ja das war möglich, doch ist bei dem dortigen Gerät das Mundstück breiter als beim Alkomaten. Auch beim Lungenfunktionsmessgerät umschließt man ein kreisförmiges Rohr mit den Lippen, doch verbreitert sich dieses Rohr dann im Mundraum nach beiden Seiten. Wegen meiner Gesichtslähmung kann ich zwar auch das dortige Rohrmundstück nicht fest umschließen, doch macht das wegen der Verbreiterung im Mundraum nichts aus. Beim Alkomaten führte der fehlende Lippenschluss hingegen zu den fehlgeschlagenen Blasversuchen.
Befragt, wie ich dann einen korrekten ersten Blasversuch zu Stande gebracht habe: Das weiß ich nicht.
Den Sultanol-Spray verwende ich seit rund 5 Jahren. Die letzte Lungenuntersuchung war wohl vor 2-3 Jahren, auf der Baumgartner Höhe.
Mein Arzt weiß nichts von der Einnahme mehrerer Remeron-Tabletten. Ich mach das immer, wenn ich wegen Depression in einem ?Loch" bin.
Ich habe einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt und ist der noch im Laufen. Vom Bundessozialamt bin ich als 70 % erwerbsgemindert beurteilt worden."
Daraufhin ist der Anzeigeleger, RvI Werner T, Sicherheitswachebeamter in Wien F, als Zeuge einvernommen worden und hat folgendes ausgesagt:
?Ich habe mir meine Anzeige vor der Verhandlung durchgelesen. Der Bw ist uns aufgrund seiner Fahrweise mit dem Rad aufgefallen. Er ist zwischen rechtem Fahrbahnrand und dem in der Mitte gelegenen selbständigen Gleiskörper hin und her gependelt. Wir haben ihn dann links überholt.
Der Kollege am Beifahrersitz hat ihm mit Handzeichen gedeutet anzuhalten. Der Kollege hatte wohl eine Stabtaschenlampe mit kegelförmigem Aufsatz. Diese Taschenlampe hielt er aus dem Beifahrerfenster in Richtung Bw und waren wir da ungefähr auf selber Höhe.
Der Bw hat seine Geschwindigkeit abrupt vermindert und ist dann hinter uns über den Gleiskörper auf die Gegenfahrbahn und dort Richtung stadteinwärts gefahren.
Wir haben ihn Ecke G-gasse eingeholt und ist er dann von sich aus stehen geblieben. Ich kann mir nicht vorstellen, warum er dort stehen geblieben ist, wenn nicht wegen uns.
Er machte einen schwer alkoholisierten Eindruck, nämlich roch er stark nach Alkohol und hatte schwankenden Gang. Ausweis hatte er keinen.
Wir sind mit ihm zur Wohnadresse ein Stückchen weiter stadtauswärts in der P-Straße, und hat da mein Kollege sein Fahrrad geschoben, während ich mit dem Streifenwagen gefahren bin.
Ich bin mit ihm zur Wohnung hinauf gegangen und hat er eine Zeit gebraucht, um den Ausweis zu finden. Meiner Erinnerung nach hat er auch kurz mit einem Freund geplaudert.
Danach wurde er zum Alkomattest aufgefordert. Der Alkomat war hinten im Streifenwagen. Die Untersuchung habe ich geleitet. Die erste Messung war ganz normal. Das Messergebnis habe ich ihm nicht genannt.
Bei den weiteren Messversuchen hat es aber nicht geklappt. Der Bw hat den Mund nicht ganz um das Mundstück geschlossen und ging da sehr viel Atemluft vorbei.
Befragt, ob das beim ersten Messversuch anders war: Ich habe erst wegen der Fehlversuche näher darauf geachtet und kann ich über den ersten Versuch deswegen nichts sagen.
Befragt, ob der Bw Atemschwierigkeiten hatte: Er hat schon schwer geatmet. Ob wir vorher mit ihm zur Wohnung in ein höher gelegenes Stockwerk gehen mussten, weiß ich heute nicht mehr. Da der erste Blasversuch problemlos war, kann ich mir nicht vorstellen, dass die nachfolgenden Fehlversuche auf Atemnot zurückzuführen sind.
Befragt zur Messanzeige ?Atmung unkorrekt": Das bedeutet, dass der Proband den Atemstrom unterbricht und schließt das nicht aus, dass nicht unter Umständen auch das Blasvolumen zu klein ist. Es wird dann nur der erste Fehler angezeigt und war das in diesem Fall eben die Unterbrechung der Beatmung.
Nach 5 Versuchen wird normalerweise ein Alkomattest abgebrochen und hat der Bw ausdrücklich noch um weitere Versuche gebeten, er bekomme schlecht Luft. Außerdem hat er erwähnt, dass er HIV positiv ist.
Der Begriff Fazialisparese sagt mir nichts. Von einer Gesichtslähmung hat der Bw sicher nichts gesagt. Hätte er das gesagt, wäre er dem Amtsarzt vorgeführt worden.
Über Befragen des ASV: Die Gesichtszüge des Bw waren so wie heute, nämlich unauffällig, und hat man eine Lähmung nicht bemerkt, Auch die Aussprache war nicht so, dass man auf eine Lähmung schließen konnte."
Im Anschluss daran ist der Chefarztstellvertreter der Bundespolizeidirektion Wien Dr. Michael L als (allgemeiner) medizinischer Amtssachverständiger befragt worden und hat folgendes ausgesagt:
?Der Bw war offenbar in der Lage, im Rahmen der Amtshandlung sinnvoll zu handeln. So hat er den Reisepass in der Wohnung gefunden bzw. offenbar auch entsprechende Angaben gegenüber den Polizisten machen können.
Das Medikament Remeron führt bei ?Überdosierung" zu einer Sedierung.
Auch nach Rücksprache mit Psychiatern war nicht in Erfahrung zu bringen, dass (ausgenommen Fälle der Vergiftung mit Erbrechen usw., was hier aber nicht vorliegt) eine bloße Überdosierung zu einem Ausfall der Dispositionsfähigkeit führt. Wie gesagt bietet auch das Verhalten des Bw während der Amtshandlung keinen Anhaltspunkt dafür.
Befragt zur Beatmungsfähigkeit beim Alkomaten: Was die COPD betrifft, müsste ein Wegfall der Beatmungsfähigkeit auch für einen Laien (umso mehr für den geschulten Polizisten) erkennbar sein. Nach der Schilderung der Amtshandlung gibt es dafür keinen Hinweis. Auch liegen keine Lungenfunktionsmessungen vor, die Gegenteiliges belegen würden. Außerdem hat der erste Versuch zu einer Anzeige des Messergebnisses geführt.
Was die Fazialisparese anlangt, spricht gegen eine Beatmungsunfähigkeit der gelungene erste Versuch.
Befragt, ob beim Bw allenfalls eine raschere Ermüdung der Mundmuskulatur vorgelegen sein kann, sodass nur ein erster Versuch gelingen konnte: Das glaube ich nicht, weil beim Bw Lungenfunktionsmessungen mit vergleichbaren Messgeräten durchgeführt werden konnten. Auch bei diesen Geräten muss das Messrohr mit den Lippen fest umschlossen werden, um ein geschlossenes System zu ermöglichen. Ein Abschluss im Mundraum ist nicht möglich bzw. würde nicht ausreichen, um ein Messergebnis erzielen zu können.
Über Befragen des Bw, ob der Sachverständige weiß, wie das Mundstück eines Lungenfunktionsmessgerätes ausschaut, nämlich wie ein Babyschnuller: Ich kenne Lungenfunktionsgeräte und weiß, wie die Mundstücke ausschauen. Ich habe mir diese Geräte im Rahmen meiner Ausbildung zum Lungenfacharzt angeschaut. Diese Ausbildung habe ich im Jahre 1984 abgebrochen. Die ?babyschnullerartige" Endung heutiger auf der Baumgartner Höhe verwendeter Lungenmessgeräte kenne ich nicht im Detail."
In der fortgesetzten Berufungsverhandlung vom 27.5.2004 hat Herr Prim. Dr. Norbert V, Vorstand des Pulmologischen Zentrums der II. Interne des SMZ-Baumgartner Höhe, sein schriftliches Gutachten mündlich vorgetragen. Darin ist auf der Grundlage von insgesamt 5 mit dem Berufungswerber am 22.4.2004 durchgeführten exspiratorischen Vitalkapazitätsmanövern durch Alkomat-Mundstück ohne Nasenklemme festgestellt worden, dass sämtliche Messwerte (mind. 2,38 Liter, max. 2,85 Liter) in einem Bereich liegen, die eine ordnungsgemäße Beatmung des Alkomaten ?Dräger 7110A" garantieren. Eine leichte Verkühlung beeinträchtige die Beatmungsfähigkeit des Alkomaten nicht in einer Weise, dass die dafür erforderliche Vitalkapazität von 1,5 Liter in 5 Sekunden nicht erreicht werden könnte. Die Beeinflussung durch 5 Tabletten Remeron und zusätzlich schmerzstillende Tabletten können nur von einem psychiatrischen Sachverständigen beurteilt werden. Die antiretrovirale Therapie habe die korrekte Beatmungsfähigkeit des Alkomaten nicht beeinträchtigt. Bronchienerweiternde Medikamente würden zu einer Verbesserung der Vitalkapazität und somit der Beatmungsfähigkeit des Alkomaten führen.
Anschließend hat der pulmologische Amtssachverständige Prim. Dr. V in der Berufungsverhandlung vom 27.5.2004 folgende Aussage gemacht:
?Der Bw ist am 22.4.2004 in der 2. Internen Lungenabteilung ? Atemphysiologisches Labor des SMZ Baumgartner Höhe einer Lungenfunktionsmessung unterzogen worden. Es wurden insgesamt 5 Messvorgänge durchgeführt.
Auf das Lungenfunktionsmessgerät wurde an Stelle des sonst verwendeten Mundstückes das Mundstück eines Alkoholmessgerätes aufgesteckt.
Das Lungenfunktionsmessgerät misst die vom Probanden während einer bestimmten Zeitspanne abgegebene Luftmenge. Das Messergebnis ist vom jeweiligen Mundstück unabhängig, d.h. es kann jedes dafür in Frage kommende Mundstück für die Messung verwendet werden, ohne dass dadurch das Messergebnis beeinflusst wird.
Das Alkomatmundstück wurde seitens des ASV Dr. L zur Verfügung gestellt.
Das Alkomatmundstück unterscheidet sich der Form nach wesentlich von dem eines üblicherweise für Lungenfunktionsmessungen verwendeten. Das Alkomatmundstück hat einen kleineren Querschnitt u. es fehlt dort die ?babyschnullerartige Ausformung", sodass die Beatmung eines Alkomatmundstücks für einen Probanden mit Fazialisparese schwieriger ist. Deshalb wurde bei der Lungenfunktionsmessung vom 22.4.2004 das für den Bw schwerer zu beatmende Alkomatmundstück verwendet.
Ist ein Proband unter diesen Voraussetzungen in der Lage das Lungenfunktionsmessgerät zu beatmen u. wird dabei eine Vitalkapazität erreicht, die der für den Alkomaten erforderlichen Vitalkapazität entspricht, so liegt beim Probanden keine Unmöglichkeit der Alkomatuntersuchung vor, vorausgesetzt, dass sich sein gesundheitlicher Zustand bei der Kontrollmessung am 22.4.2004 mit jener der fehlgeschlagenen Alkomatversuche vom 13.4.2003 vergleichen lässt.
Bei der Kontrollmessung vom 22.4.2004 war es dem Bw möglich, trotz Verwendung des Alkomatmundstücks, einen ausreichenden Mundschluss um das Röhrchen zu bewirken, sodass eine gemessene Vitalkapazität von mind. 2,38 l u. max. 2,85 l, d.h. jedenfalls über dem für den Alkomaten erforderlichen Mindestwert von 1,5 l, erreicht wurde.
Befragt, ob die vom ASV nicht einschätzbare Auswirkung der Einnahme von 5 Tabl. Remeron in Kombination mit nicht näher bekannten schmerzstillenden Tabletten dazu führen kann, dass die an sich weit über 1,5 l gelegene Vitalkapazität diesen Wert unterschreitet, ganz unabhängig vom Zustand der Mundmuskulatur (d.h. der bei Einsatz entsprechender Messgeräte feststellbaren Vitalkapazität, die ja vom Mundschluss u. d.h. von der Mundmuskulatur abhängt): Ja das ist möglich.
Es sind Fälle bekannt, wo Patienten mit Lungenemphysem u. einer Kapazität von weniger als 1,5 l durchaus in der Lage sind, Rad zu fahren, Stiegen zu steigen, etc., wenn auch verlangsamt. Befragt, ob ein solches Lungenemphysem auch einem Laien auf Grund der angesprochenen Verlangsamung bzw. allfälliger Sprach- bzw. Atemprobleme sofort auffallen muss: Nein. Solche Personen haben zwar nur etwas mehr als 1/3 der normalen Vitalkapazität (rund 4 l), doch können die normalen Tätigkeiten auch mit dieser Restkapazität ohne äußerlich erkennbaren Schwierigkeiten absolviert werden.
Zusätzlich könnte, vom lungenfachärztlichen ASV nicht beantwortbar, eine Verschlechterung der Fazialisparese in Folge der Einnahme von Remeron plus schmerzstillenden Medikament eingetreten sein. Dadurch könnte der Mundschluss um das Mundstück des Alkomaten negativ beeinflusst worden sein, sodass die messbare Vitalkapazität weiter herabgesetzt worden sein könnte. Dies müsste ein Neurologe beurteilen."
Daraufhin wurde dem pulmologischen Amtssachverständigen der Auftrag erteilt, unter Zuhilfenahme ergänzender neurologischpsychiatrischer Untersuchungen sein Gutachten dahingehend zu ergänzen, ob durch die Einnahme von 5 Tabletten Remeron allein bzw. in Verbindung mit einem schmerzstillenden Medikament eine signifikante Verschlechterung der (absoluten oder relativen, d.h. beim Alkomaten verwertbaren) Vitalkapazität möglich ist. Der pulmologische Amtssachverständige Prim. Dr. V hat sein oben angeführtes Gutachten durch ein schriftliches Gutachten vom 20.6.2004 ergänzt. Darin teilte er dem Unabhängiger Verwaltungssenat Wien mit, dass er nach Befragung des Berufungswerbers und Zuziehung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Pf (ebenfalls SMZ-Baumgartner Höhe) ein abschließendes Gutachten erstellen konnte. Der Berufungswerber habe ihm mitgeteilt, dass er neben den 5 Tabletten Remeron in Stärke von 30 mg vor der Amtshandlung noch 3 Tabletten Tramal 50 mg eingenommen habe. Der psychiatrische Sachverständige habe ihm dazu mitgeteilt, dass die Einnahme dieser Medikamente, selbst wenn sie mit Alkohol gemeinsam genommen würden, keine Beeinträchtigung der Nervenfunktion bei Fazialisparese bedingen würden, unabhängig davon, ob es sich um eine zentrale oder periphere Fazialisparese handelt. Es könnte allenfalls zu einer hochgradigen Müdigkeit und Schläfrigkeit kommen. Der Berufungswerber sei daher zusammenfassend sehr wohl in der Lage gewesen, einen Alkomaten ?Dräger 7110A" ordnungsgemäß zu beatmen.
Dieses Gutachten ist dem Berufungswerber zusammen mit der Ladung für die fortgesetzte Verhandlung, welche aufgrund der Erkrankung des Berufungswerber am 7.9.2004 stattgefunden hat, übermittelt worden. Hiezu hat er weder bis zur Verhandlung noch in dieser selbst eine Stellungnahme abgegeben. Es wurde daraufhin das Beweisverfahren geschlossen und daran anschließend der Berufungsbescheid zunächst mündlich verkündet.
Aufgrund des Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:
Der am 25.12.1957 geborene, in Wien, P-Straße wohnende Gerhard S leidet an HIV, COPD (eine Lungenerkrankung), Gesichtslähmung, Depressionen bzw. depressivem Syndrom und war auch wegen Alkoholabhängigkeit in Behandlung (siehe Schreiben des SMZ-Baumgartner Höhe an den UVS Wien vom 18.2.2004). Gegen die Atemwegserkrankung COPD nimmt er Seretide und Sultanol, gegen die HIV-Erkrankung die Medikamente Videx, Retrovir und Stocrin, gegen die Depression Remerontabletten. Zusätzlich leidet er an Gesichtslähmung (Fazialisparese). Trotz dieser leichten Beeinträchtigung seiner Mundmuskulatur ist er in der Lage, das Mundstück eines Alkomaten ?Dräger 7110A" so fest zu umschließen, dass ein Atemvolumen von wesentlich mehr als 1,5 Liter Atemluft in 5 Sekunden (Gültigkeitsschwelle des oben angeführten Alkomaten) in das Gerät hineingelangt. Am 13.4.2003 war er kurz vor 21.30 Uhr auf dem Weg zu seiner Wohnung in Wien, P-Straße. Nicht mehr weit davon entfernt fiel er der Besatzung eines Funkstreifenwagens mit dem Anzeiger RvI Werner T als Lenker wegen seiner unsicheren Fahrweise auf. Er ?pendelte" ständig zwischen rechtem Fahrbahnrand und dem in der Mitte gelegenen selbstständigen Gleiskörper der P-Straße Richtung stadtauswärts. Der Anzeiger überholte den Berufungswerber links, sein am Beifahrersitz befindlicher Kollege deutete ihm mit einer Stabtaschenlampe mit kegelförmigem rotem Aufsatz am rechten Fahrbahnrand anzuhalten. Der Berufungswerber verminderte seine Geschwindigkeit zwar abrupt, fuhr dann aber über den in der Mitte gelegenen Gleiskörper auf die Gegenfahrbahn der P-Straße (Richtung stadteinwärts). Die Polizisten folgten ihm. Im Kreuzungsbereich P-Straße/G-gasse blieb er stehen. Auf den Anzeigeleger machte er einen schweralkoholisierten Eindruck, er schwankte. Da er keinen Ausweis bei sich hatte, fuhr der Meldungsleger im Funkstreifenwagen bzw. begleitete sein Kollege, der das Fahrrad des Berufungswerber schob, diesen zu dessen Wohnung in Wien, P-Straße. Der Berufungswerber suchte und fand dort seinen Reisepass und übergab ihn dem Polizisten. Der seit 1.6.1995 zur Durchführung von Alkomatuntersuchungen ermächtigte Anzeigeleger forderte den Berufungswerber nunmehr zur Durchführung einer Alkomatuntersuchung mit dem im Funkstreifenwagen befindlichen mobilen Alkomaten ?Dräger 7110A", Nr. AR LH?0091, Nacheichfrist bis 31.12.2004, auf. Laut Anzeige bzw. Messprotokoll des Alkomaten erreichte der Berufungswerber bei der ersten Messung ein ausreichendes Atemvolumen (1,8 Liter), um zusammen mit einer zweiten derartigen Messung ein verwertbares Messergebnis zu liefern. Eine weitere verwertbare Messung kam jedoch nicht mehr zustande. Bei den folgenden insgesamt 8 Fehlversuchen war 7 Mal das Blasvolumen zu klein, einmal wurde unkorrekte Atmung (Unterbrechung des Atemstroms) angezeigt. Schon nach dem 4. Fehlversuch wollte der Anzeigeleger die Messungen abbrechen, führte aber über ausdrückliches Ersuchen des Berufungswerber weitere 4, ebenfalls erfolglos bleibende Messungen durch. Nach dem 8. Fehlversuch wurde die Amtshandlung abgebrochen. Der Berufungswerber erwähnte lediglich eine leichte Verkühlung sowie seine HIV-Erkrankung, jedoch weder die Einnahme von Medikamenten noch seine Gesichtslähmung. Ein Verlangen nach Durchführung einer Bestimmung seines Blutalkoholwertes wurde nicht gestellt. Der Berufungswerber war im Rahmen der Amtshandlung in der Lage, situationsbedingt angepasst zu handeln. Trotz einer allfälligen geringgradigen Verschlechterung seiner Vitalkapazität, die allgemein rund ein Liter über der erforderlichen Mindestmenge gelegen ist, wäre ihm eine ordnungsgemäße Beatmung des Alkomaten möglich gewesen. Seine antiretrovirale Therapie (Videx, Retrovir, Stocrin) beeinträchtigte die Beatmungsfähigkeit nicht. Durch die Einnahme bronchienerweiternder Mittel (Seretide, Sultanol) verbessert sich die Beatmungsfähigkeit sogar. Die Einnahme eines Antidepressivums Remeron im Ausmaß von 5 Tabletten zu 30 mg sowie eines Schmerzmittels Tramal in Form von 3 Tabletten zu 50 mg hätte eine hochgradige Müdigkeit, jedoch weder eine solche Verschlechterung der Gesichtslähmung, dass ihm eine ordnungsgemäße Beatmung des Alkomaten nicht möglich war, noch eine dementsprechende Beeinträchtigung seiner Lungenfunktion nach sich gezogen.
Dieser Sachverhalt ergibt sich, was die Erkrankungen des Berufungswerber betrifft, aus seinen eigenen Angaben und der Mitteilung seines behandelnden Arztes im SMZ-Baumgartner Höhe vom 18.2.2004. Strittig war alleine, welche Auswirkungen die Erkrankung des Berufungswerbers in Verbindung mit den diesbezüglich eingenommen Medikamenten auf seine Beatmungsfähigkeit eines Alkomaten einerseits sowie auf seine Zurechnungsfähigkeit andererseits haben konnte. Soweit der Berufungswerber erst in der Berufung die Einnahme von 5 Tabletten Remeron in der Stärke von 30 mg sowie erst gegen Ende des Berufungsverfahrens zusätzlich die Einnahme von 3 Tabletten Tramal 50 mg behauptet hat, erscheint dieser Umstand eher unwahrscheinlich, wurde jedoch in der obigen Sachverhaltsfeststellung mitberücksichtigt, ohne dass sich dadurch aber etwas an der rechtlichen Beurteilung geändert hätte. Die Feststellung, dass der Berufungswerber trotz seiner diversen Erkrankungen und der von ihm behaupteten Medikation in der Lage war, den gegenständlichen Alkomaten ausreichend zu beatmen, beruht auf dem Gutachten der beiden zugezogenen medizinischen Amtssachverständigen, nämlich des Chefarztstellvertreters der Bundespolizeidirektion Wien, der zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers Stellung genommen und dies aufgrund seines situationsbedingt angepassten Handels sowie des Umstandes, dass er in der Lage war, Rad zu fahren, bejaht hat, und was die Frage der speziellen Beatmungsfähigkeit des Alkomaten trotz der Lungenerkrankung und der Gesichtslähmung des Berufungswerbers und der von ihm behaupteten Medikation betrifft, auf dem Gutachten des pulmologischen Amtssachverständigen Prim. Dr. V, der seinerseits einen psychiatrischen Sachverständigen (Prim. Dr. Pf, ebenfalls SMZ-Baumgartner Höhe) beigezogen hat.
Der Berufungswerber hat lediglich die allgemeine Erstannahme des medizinischen Amtssachverständigen Dr. L, er wäre
aufgrund der positiven Vornahme von Lungenfunktionsmessungen auch zur positiven Vornahme der Alkomatmessung befähigt gewesen, bestritten und wurden diesbezüglich ohnedies die oben erwähnten Gutachten des Prim. Dr. V vom 27.5.2004 und dessen Ergänzungsgutachten vom 20.6.2004 eingeholt, wonach der Berufungswerber unter Berücksichtigung sämtlicher von ihm gemachter Einwendungen sehr wohl zur ordnungsgemäßen Beatmung des Alkomaten ?Dräger 7110A" in der Lage war. Diesem abschließenden Gutachten des pulmologischen Amtssachverständigen ist der Berufungswerber ebenso wenig konkret entgegen getreten wie der Schlussfolgerung des allgemein medizinischen Amtssachverständigen Dr. L, wonach er im Tatzeitpunkt ausreichend zurechnungsfähig gewesen sei. Der Berufungswerber hat nicht einmal behauptet, dass die von ihm laufend eingenommenen antiretroviralen Medikamente, die von ihm laufend eingenommenen bronchienerweiternden Mittel sowie das ihm ständig verordnete Antidepressivum einzeln oder in Kombination zueinander seine mangelnde Zurechnungsfähigkeit bewirken, müsste dies beim Berufungswerber doch zu ständiger Unzurechnungsfähigkeit führen. Im Hinblick auf die Ausführungen des allgemein medizinischen Amtssachverständigen hat sich eine solche Beurteilung auch nicht etwa im Hinblick auf die behauptete ?Überdosierung" des Antidepressivums Remeron (5 Tabletten statt einer halben Tablette à 30 mg) oder im Hinblick auf die behauptete Einnahme des Schmerzmittels Tramal (3 Tabletten à 50 mg) ergeben. Dem unter Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen erstellten pulmologischen Ergänzungsgutachten Prim. Dr. V vom 20.6.2004 lässt sich entnehmen, dass es diesfalls bloß zu einer hochgradigen Müdigkeit und Schläfrigkeit kommt, die jedoch unstrittig weder geeignet war, den Berufungswerber an einer längeren Radfahrt von der Wohnung seiner Freundin in Wien, F-gasse nach Wien, P-Straße zu hindern noch sein situationsbedingt angepasstes Verhalten im Zuge der Polizeikontrolle (zielgerichtetes Handeln und Antworten) ausschloss.
Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass beim Berufungswerber neben der von ihm ständig eingehaltenen Medikation gegen HIV, COPD sowie seine Depression keine ins Gewicht fallenden andere Medikation vorlag. Sein Verhalten war offenbar auf jeweils konkrete Willensentscheidungen zurückzuführen, sei es beim Hineinnehmen einer hin- und herpendelnden Fahrweise sowie der mangelnden Beleuchtung seines Fahrzeuges, seien es die bewussten Willensentscheidungen, einer Polizeikontrolle aus dem Wege zu gehen bzw. keine Atemalkoholuntersuchung an sich vornehmen zu lassen. Dieses Verhalten wiederum deutet mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine tatsächlich bestandene Alkoholisierung des Berufungswerbers hin, was er insoweit zugegeben hat, als er am Vortag der Kontrolle erheblich Alkohol konsumiert habe. Es ist unwahrscheinlich, dass er nach einem Tag noch so alkoholisiert gewesen sein könnte, dass es deswegen zum Streit mit seiner Freundin gekommen sein könnte, wie er behauptet hat. Es ist eher davon auszugehen, dass der Berufungswerber nicht allzu lange Zeit vor Fahrtantritt bzw. dem Kontrollzeitpunkt Alkohol zu sich genommen hat und, ob berechtigt oder nicht, aufgrund der von ihm befürchteten Feststellung einer Alkoholisierung die Alkomatuntersuchung praktisch abgebrochen hat.
Es wurde erwogen:
Gemäß § 3 Abs 1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.
Ein Beschuldigter, der sich darauf beruft, durch die Einnahme von Medikamenten nicht in der Lage zu sein, die verletzten Verwaltungsvorschriften einzuhalten, beruft sich auf Bewusstseinsstörung im Sinne des § 3 Abs 1 VStG.
Mangelnde Zurechnungsfähigkeit einer Person im Sinne des § 3 Abs 1 VStG ist dem ersten Anschein nach dann zu verneinen, wenn sie in der Lage ist, eine längere Strecke auf dem Fahrrad ohne Unfall zurückzulegen, auf polizeiliches Befragen sinnvoll zu antworten und zielgerichtet zu handeln, etwa ihren Reisepass in ihrer Wohnung ohne große Schwierigkeiten zu finden. Leidet eine Person, deren Zurechnungsfähigkeit aufgrund ihres situationsbezogen angepassten Verhaltens grundsätzlich anzunehmen ist, an einer Mehrzahl, zum Teil schwerwiegender Erkrankungen (Depression, Atemwegserkrankung COPD, HIV-Erkrankung sowie Gesichtslähmung), wogegen sie eine Vielzahl von Medikamenten einnimmt und die Einnahme weiterer behauptet, ist ihre Zurechnungsfähigkeit durch das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, gegebenenfalls aus dem psychiatrischen Fach, festzustellen.
Dies ist im vorliegenden Fall erfolgt und hat sich kein Anhaltspunkt für eine mangelnde Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers aufgrund einer solchen Bewusstseinsstörung, dass er das Unerlaubte seiner Tat nicht einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln nicht in der Lage war, ergeben.
Andere, inhaltliche Einwendungen sind weder vorgebracht worden
noch haben sie sich im Verfahren ergeben.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 3 Abs 2 VStG ist, war die Fähigkeit [das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln] zur Zeit der Tat aus einem dieser [in § 3 Abs 1 angeführten] Gründe in hohem Grad vermindert, das als mildernder Umstand bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für Bewusstseinsstörungen, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen.
Im gegenständlichen Fall ist eine Bewusstseinsstörung eingewendet worden, die nach dem Verfahrensergebnis nicht zur Zurechnungsunfähigkeit des Berufungswerbers führte. Bei der Strafbemessung war aber zu beurteilen, ob beim Berufungswerber der spezielle Milderungsgrund des § 3 Abs 2 VStG zur Anwendung kam.
Gemäß § 19 Abs 2 3.Satz VStG sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß [bei der Strafbemessung] anzuwenden.
Gemäß § 35 StGB ist, hat der Täter in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand gehandelt, dies nur insoweit mildernd, als die dadurch bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuss oder Gebrauch des
berauschenden Mittels den Umständen nach begründet. Weder im Anwendungsbereich des § 3 VStG noch des § 35 StGB wird allein auf den Gebrauch von Alkohol, sondern allgemein auf ?Trunkenheit" bzw. ?berauschende Mittel" abgestellt. Eine auf den Gebrauch (Missbrauch) von Medikamenten zurückzuführende ?Bewusstseinsstörung" ist nach § 3 Abs 2 VStG im Zusammenhalt mit der gemäß § 19 Abs 2 VStG im Verwaltungsstrafverfahren anwendbaren Bestimmung des § 35 StGB zu beurteilen.
Im Verwaltungsstrafverfahren wird die Bestimmung des § 3 Abs 2 VStG durch § 35 StGB insoferne modifiziert, als die durch eine auf ?selbstverschuldete Trunkenheit" zurückzuführende Bewusstseinsstörung verminderte Zurechnungsfähigkeit eines Täters bei der Strafbemessung dann als mildernd zu berücksichtigen ist, wenn die dadurch bedingte Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit auch durch den Vorwurf der Verwendung des ?berauschenden Mittels" den Umständen nach nicht aufgewogen wird.
Eine auf ?selbstverschuldete Trunkenheit" im Sinne des § 3 Abs 2 VStG zurückzuführende Verminderung der Zurechnungsfähigkeit eines Täters wirkt dann nicht als mildernd, wenn der Vorwurf des vorangegangenen Genusses oder Gebrauchs des berauschenden Mittels die dadurch im Tatzeitpunkt bewirkte Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit auf- oder überwiegt.
Selbst wenn beim Berufungswerber in Folge der Einnahme von Medikamenten und/oder Alkoholgenuss eine ?im hohen Grad geminderte Zurechnungsfähigkeit" vorgelegen sein sollte, wird die dadurch gegebene Herabsetzung seiner Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf, sich in einem solchen Zustand als Radfahrer in den Straßenverkehr begeben zu haben, mehr als aufgewogen. Eine allfällige, die Zurechnungsfähigkeit jedenfalls nicht berührende
Bewusstseinsstörung war daher nicht als mildernd zu werten. Hinsichtlich der Spruchpunkte 1 bis 4 kam der Strafsatz des § 99 Abs 3 lita StVO 1960 (Geldstrafe bis zu 726,- Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest bis zu 2 Wochen), hinsichtlich Spruchpunkt 5 der Strafrahmen des § 99 Abs 1 lit b StVO 1960 (Geldstrafe von 1.162,- Euro bis 5.813,- Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest von 2 bis 6 Wochen) zur Anwendung. Über den Berufungswerber wurden zu den Spruchpunkten 1 bis 4 Geldstrafen im Ausmaß von mind. rund 4 % der Strafobergrenze (Spruchpunkt 3) bis maximal rund 15 % der Strafobergrenze (Spruchpunkt 2) verhängt. Die Strafen sind somit im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens angesiedelt. Der Berufungswerber ist nicht unbescholten, eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 StVO 1960 war zumindest hinsichtlich Spruchpunkt 5 als erschwerend zu werten. Das Fahrverhalten des Berufungswerbers war auffällig, auch wenn es zu keinem Unfall gekommen ist. Einer Kontrolle wollte er ebenso ausweichen wie der nachfolgenden Alkomatuntersuchung. Weder der Unrechts- noch der Schuldgehalt der betreffenden Übertretungen war gering. Zu berücksichtigen war allerdings ? wenn auch keinen speziellen Milderungsgrund bildend ? der allgemein schlechte Gesundheitszustand des Berufungswerbers, sowie seine ungünstigen finanziellen Verhältnisse (laut Angabe der letzten Verhandlung: Einkommen von 650,- Euro netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten).
Unter Berücksichtigung dieses Umstandes erschien es möglich, die Strafe hinsichtlich Spruchpunkt 5 unter Anwendung des § 20 VStG auf das spruchgemäße Ausmaß herabzusetzen.
Bei einem Bestraften, der unfallfrei lediglich ein Fahrrad gelenkt hat, wäre nicht nur der Unrechtsgehalt eines Lenkens des Fahrrades in alkoholisiertem Zustand, sondern ist auch der Unrechtsgehalt einer an die Stelle tretenden Verweigerung der Alkomatuntersuchung im Verhältnis zu vergleichbaren, im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges
begangenen Delikten allgemein herabgemindert, was im Ergebnis wie ein Milderungsgrund wirkt.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte hinsichtlich Spruchpunkt 5 doch von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber dem einzigen vorliegenden Erschwerungsgrund (eine einschlägige Vormerkung) gesprochen und somit die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.