Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn M. P., vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei U. G. und Partner, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 09.12.2003, Zl VK-15523-2003, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51 e Verwaltungsstrafgesetz (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der festgesetzten Strafe, das sind Euro 30,80, zu bezahlen.
Mit dem erstinstanzlichen Strafverfahren wurde vom Berufungswerber spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 09.04.2003 um 14.00 Uhr
Tatort: Heiterwang, auf der Bundesstraße B 179, bei km 28.800,
Fahrzeug: Kombinationskraftwagen, XY
1. Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden war.
2. Sie haben ein Fahrzeug überholt, obwohl nicht einwandfrei erkennbar war, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.?
Dem Beschuldigten wurde zu Spruchpunkt 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs 1 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und zu Spruchpunkt 2. eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs 1 lit c StVO zur Last gelegt und über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO zu Punkt 1. und 2. eine Geldstrafe von jeweils Euro 72,00, insgesamt sohin Euro 154,00 (jeweils 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) sowie ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren verhängt.
In seiner fristgerecht erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass der Anzeiger in seiner Niederschrift vom 14.11.2003 widersprüchliche Angaben mache. Zuerst führe er aus, dass der Gegenverkehr bei Beginn des Überholmanövers nicht ohne Gefährdung oder Behinderung erkennbar und möglich gewesen wäre. In weiterer Folge erkläre er, dass er nicht erkennen habe können, ob der Gegenverkehr abbremsen musste oder nicht. Daher könne von einer Gefährdung oder Behinderung keine Rede sein und wäre die Erstbehörde sohin von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Auch der Vorwurf in Spruchpunkt 2 sei nicht gerechtfertigt, zumal es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass für den Beschuldigten nach dem Überholmanöver die Erkennbarkeit der Wiedereinordnung in den Verkehr nicht gegeben gewesen wäre. Daher könne die dem Beschuldigten vorgeworfenen Übertretung nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der Strafbemessung sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei Übertretungen nach der StVO nicht um ein Vorsatzdelikt handle, wie von der Erstbehörde angenommen. Auch könne von keinem gravierenden Unrechtsgehalt ausgegangen werden.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel die Einstellung des Verfahrens in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:
Aus der Anzeige des Gendamerieposten Vils vom 29.04.2003, GZ A1/0000000570/01/2003 geht hervor, dass der Anzeiger GI S. am 18.04.2003 mit seinem Privatfahrzeug auf der Fernpassstraße in Richtung Innsbruck hinter einem Sattelkraftfahrzeug fuhr. Dabei war der Gegenverkehr bereits deutlich sichtbar. Der Beschuldigte P. M. hob in diesem Augenblick zum Überholmanöver an, musste dies jedoch wegen eines möglichen Zusammenstoßes mit dem Gegenverkehr abbrechen und fuhr unmittelbar vor dem Fahrzeug des Anzeigers wieder nach rechts. Dabei war dieser zu einer starken Bremsung gezwungen, um dem Beschuldigten ein gefahrloses Einordnen zu ermöglichen. Am 7.7.2003 brachte der Beschuldigte einen Einspruch gegen die Strafverfügung ein. In dieser führte er aus, dass er sich an keinen derartigen Vorfall erinnern könne.
Am 14.11.2003 wurde der Anzeiger im Rahmen der Rechtshilfe von der Bezirkshauptmannschaft Reutte einvernommen. In dieser verwies er auf die Angaben in der Anzeige. Ergänzend brachte er dar, dass er nicht erkennen konnte, ob der Gegenverkehr abbremsen musste.
In rechtlicher Hinsicht folgt:
Gemäß § 16 Abs 1 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn
lit a) andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist;
lit c) er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.
Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol gelingt es dem Berufungswerber nicht, eine Widersprüchlichkeit in den Angaben des Anzeigers und des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuzeigen. Der Gegenverkehr war deutlich sichtbar, auch wenn zur Entfernung keine nähere Eingrenzung möglich ist. Der Berufungswerber hob zu seinem längeren Überholvorgang an und musste diesen nach dem PKW des Anzeigers abbrechen, zumal ihm klar war, dass er jetzt den Sattelzug nicht auch noch überholen könne. Es geht nicht an, eine korrekte Aussage des Anzeigers als widersprüchlich abzutun. Praxisnah konnte dieser Bremslichter beim ersten Fahrzeug im Gegenverkehr nicht sehen. Ohne ständige Beobachtung auf dieses Auto ist es daher auch zu viel verlangt, den Anzeiger die Beurteilung abzuverlangen, ob der Entgegenkommende jetzt schon bremsen musste oder nicht. Doch ist daraus für den Berufungswerber nichts gewonnen. Indem er den Überholvorgang abrupt nach dem Anzeiger abbrach, ist ersichtlich, dass sich nicht auch ein Überholen des Sattelzuges ausgegangen wäre. Aus den Angaben des Anzeigers geht ein schnelles Überholen hervor und dass der Berufungswerber sodann nach rechts herein schnitt. Dies konnte nur relativ knapp vor dem Anzeiger erfolgen, weil der Berufungswerber einen Teil des Tiefenabstandes für seine Geschwindigkeitsreduktion benötigte. Es besteht keine Frage, dass der Anzeiger dadurch auch einen akuten Bremsanlass hatte, weil er nicht darauf vertrauen konnte, dass der Berufungswerber nicht weiter als auf die Fahrgeschwindigkeit des Sattelzuges und des Anzeigers reduzieren werde.
Für das Verhalten des Berufungswerbers ist es gleichgültig, ob er ursprünglich nur den Anzeiger oder vielleicht auch den Sattelzug überholen wollte. Sein Manöver war risikobehaftet, weil er schneidend und stark abbremsend vor dem Anzeiger wieder hineinfuhr und ihn zu einer Bremsung nötigte. Dies weil ihm Fahrzeuge entgegen kamen. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol ist dadurch nicht nur Spruchpunkt 2, sondern auch die Gefährdung des Gegenverkehrs nach Spruchpunkt 1 verwirklicht.
Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht unerheblich ist, zumal das Verhalten geeignet ist besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Beim Verschuldensgrad ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen.
Es lagen weder mildernde noch erschwerende Umstände vor. Eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 3 lit. a StVO begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2 , 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungskriterien sowie unter Berücksichtigung des im gegenständlichen Fall zur Verfügung stehenden obgenannten Strafrahmens ergibt sich, dass die über den Berufungswerber verhängten Geldstrafen in Höhe von jeweils Euro 72,00 dies den unteren Bereich darstellt. Insoferne ist die Geldstrafe schuld- und tatangemessen und auch bei ungünstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen keinesfalls überhöht. Außerdem erscheint es dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol aus spezialpräventiven Gründen notwendig, um den Berufungswerber künftig von derartigen Übertretungen abzuhalten. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.