TE UVS Niederösterreich 2004/10/28 Senat-SW-03-0067

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Veröffentlicht am 28.10.2004
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit §24 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als

 

I. hinsichtlich Spruchpunkt 1 das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 VStG 1991 in diesem Punkt eingestellt wird,

II. hinsichtlich Spruchpunkt 2 die verhängte Geldstrafe von ? 100,-- auf ? 75,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden auf 13 Stunden herabgesetzt wird und III. hinsichtlich Spruchpunkt 3 von der Verhängung einer Strafe abgesehen und dem Berufungswerber unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt wird.

 

Gemäß § 59 Abs. 2 AVG 1991 sind die Geldstrafe zu Spruchpunkt 2 und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit ? 7,50 neu festgesetzt werden, binnen zwei Wochen zu bezahlen.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion X vom 9.7.2003 wurde dem Berufungswerber folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Sie haben am 10.03.2003, um 14,25 Uhr, in 2*** S********, D******straße, in Höhe ONr 21-25, als Lenker des Sattelzugfahrzeuges mit dem Kennzeichen **-***AK und des Sattelanhängers mit dem Kennzeichen **-**SE eine Beförderungseinheit gelenkt, mit der gefährliche Güter UN 1977, STICKSTOFF, TIEFGEKÜHLT, FLÜSSIG, 2 ADR (7530 kg) befördert wurden, obwohl Sie 1) kein dem ADR entsprechendes Beförderungspapier mitführten, welches den Vorschriften nach Abschnitt 5.4.1 ADR entsprach, da im mitgeführten Beförderungspapier die offizielle Benennung des Stoffes nicht in Großbuchstaben geschrieben war, 2) sich nicht davon überzeugten, dass die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprach, obwohl dies zumutbar gewesen wäre, da der Tankcontainer am Ende nicht mit einem Großzettel (Placard) nach Muster Nr 2.2 gekennzeichnet war und 3) sich nicht davon überzeugten, dass die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprach, obwohl dies zumutbar gewesen wäre, da die Vorschriften über die Kennzeichnung mit orangefarbenen Warntafeln nicht eingehalten worden sind, weil an der Vorder- und Rückseite sowie an beiden Längsseiten der Beförderungseinheit jeweils eine orangefarbene Warntafel mit der Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr und der UN-Nummer angebracht waren.?

 

Als verletzte Rechtsvorschriften wurden angeführt:

 

1)

Abschnitt 5.4.1 ADR iVm §13 Abs3 GGBG iVm §27 Abs2 Z 9 GGBG

2)

Unterabschnitt 5.3.1.2 ADR iVm §13 Abs2 Z 3 GGBG iVm §27 Abs2 Z 9 GGBG

3)

Abschnitt 5.3.2 ADR iVm §13 Abs2 Z 3 GGBG iVm §27 Abs2 Z 9 GGBG

 

Zu Spruchpunkt 1 wurde gemäß §21 Abs1 VStG eine Ermahnung erteilt, zu Spruchpunkten 2 und 3 wurde jeweils eine Geldstrafe in Höhe von ? 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 17 Stunden) verhängt. Der erstinstanzliche Kostenbeitrag (10 %) wurde mit ? 20,-- festgesetzt.

 

Das Straferkenntnis stützte sich auf die Anzeige der Bundespolizeidirektion X vom 25.3.2003 und das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens.

 

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Berufung beantragte der Berufungswerber die Aufhebung des zur Gänze angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu Absehen von der Strafe gemäß §21 VStG oder Strafmilderung, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Erstbehörde sei unzuständig, da der Berufungswerber die vorgeworfenen Unterlassungen nur am Firmensitz, nicht jedoch im Sprengel der Erstbehörde, ausführen hätte können. Die offizielle Benennung des transportierten Gefahrgutes im Beförderungspapier in Schreibschrift stelle keinen Verstoß gegen das GGBG dar. Auch bei Schreibschrift könne erkannt werden, dass es sich um eine Gefahrenquelle handle. Weiters sei kein Tankcontainer, sondern ein Aufsetztank beanstandet worden, welcher ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen wäre. Was die orangefarbenen Warntafeln betreffe, sei eine Überkennzeichnung vorgelegen. Weiters wurde ausgeführt, dass die ADR-Bestimmungen zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht gehörig kundgemacht gewesen seien und demnach dem Berufungswerber der aktuelle Stand des ADR ohne sein Verschulden nicht bekannt gewesen sei.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat am 20.9.2004 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, in der der Berufungswerber Folgendes ausgesagt hat:

 

?Ich bin Kraftfahrer bei der Firma N******* und führe ständig Transporte für die L**** Gas GmbH durch. Das Beförderungspapier habe ich so von der L**** Gas GmbH erhalten. Es war dies meine erste Beanstandung, weil das Gefahrgut nicht in Blockbuchstaben bezeichnet war.

 

Bei dem auf den Fotos im Akt ersichtlichen Tank handelte es sich um einen Aufsetztank, welcher im Unterschied zu einem Tankcontainer oben keine Versteifung aufweist und daher nicht einfach mit einem Stapler weggeladen werden und gestapelt werden kann. Man sieht auf einem Foto, dass dahinter ein Tankcontainer befördert wurde. Der Aufsetztank hat Füße, die ich ausklappen muss. Ich fahre dann mit dem Zugfahrzeug nach vorne weg.

 

Um den Container, der leer war, ist es gar nicht gegangen. Der Herr RI hat mir erklärt, dass der Aufsetztank auch hinten mit einem Großzettel zu versehen gewesen wäre. Ich war anderer Meinung und er hat mich ständig gefragt, ob ich ihn belehren wolle. An beiden Seiten des Aufsetztanks war der richtige Großzettel angebracht.

 

Wie auf den Fotos ersichtlich, waren an allen vier Seiten orange Warntafeln mit Ziffern. Ich hatte geglaubt, vorne und hinten vorschriftsmäßig keine Ziffern zu haben.

 

Vom Hersteller des Aufsetztanks ist hinten keine Fläche vorgesehen, auf der man einen Großzettel anbringen könnte, schon aber an beiden Seiten. Das sieht man auf einem Foto sehr schön. Hinten am Fahrzeug war nur die orange Warntafel mit den Nummern, jedoch kein Großzettel. Der hinten beförderte Verdampfer-Container war leer.?

 

Die als Zeugin vernommene Anzeigelegerin RI G***** konnte aus ihrer Erinnerung keine Angaben zu dieser Anzeige machen. Es habe sich ihrer Ansicht nach um einen Tankcontainer gehandelt, weil seitlich Beschläge vorhanden gewesen seien. Zudem habe sich das aus der Größe ergeben. Sie wisse auch nicht mehr aus ihrer Erinnerung, welche Tafeln angebracht gewesen seien. Sie verwies auf die der Anzeige beigeschlossenen Fotos.

 

Nach der Berufungsverhandlung hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ das Beweisverfahren wieder eröffnet und ein kfz-technisches Gutachten, ob die auf den genannten Fotos abgebildete Beförderungseinheit der ADR-Definition eines Tankcontainers oder eines Aufsetztanks entspricht, eingeholt. Darin führt der Sachverständige Ing S****** im Wesentlichen aus, dass auf den Lichtbildern ersichtlich ist, dass der ?Tank? mit der Aufschrift ?L****? mittels Containerverschlüssen am Fahrzeugrahmen bzw Hilfsrahmen befestigt ist. Der Trägerrahmen muss für die Beförderung so ausgelegt sein, dass er sämtlichen im Betrieb auftretenden Kräften standhält. Die vom Berufungswerber beschriebenen Füße zum Abstellen des ?Tanks? sind ein Teil des Trägerrahmens. Da der Trägerrahmen den hohen dynamischen Beanspruchungen durch den gefüllten Tank während der Beförderung standhält, hält er auch den niedrigeren statischen Beanspruchungen durch den gefüllten Tank beim Absetzen stand. Da der ?Tank? im befüllten Zustand abgesetzt werden kann, mit Containerverschlüssen am Fahrzeug befestigt ist, nicht stapelbar ist und von Fahrzeugen mit bordeigenen Mitteln auf Stützbeinen abgesetzt und wieder aufgenommen werden kann, handelt es sich nach Ansicht des Sachverständigen um einen Wechselaufbau, welcher im Sinne des ADR als Container zu werten ist.

 

In seiner schriftlichen Stellungnahme dazu brachte der Berufungswerber vor, dass der Tank aufgrund der begrenzten Tragfähigkeit der Stützfüße nur im Leerzustand abgestellt werden kann, und dies auch nur dann, wenn der Boden entsprechend der Belastung tragfähig ist. Zudem sei bei gegenständlichem Tank keine Pumpe vorhanden, die einen Umschlag ermöglichen würde. Aus der Bedienungsanleitung, die gleichzeitig vorgelegt wurde, ergäbe sich, dass kein Container, sondern ein Aufsetztank vorliege. Er stellte den Antrag, die Bedienungsanleitung dem Sachverständigen vorzulegen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat dazu wie folgt erwogen:

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers war die Zuständigkeit der Erstbehörde sehr wohl gegeben, da der Tatort in deren Sprengel liegt. Den Erfordernissen des §44a Z 1 VStG 1991 ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem §44a Z 1 VStG 1991 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatortangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtsmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an die Tatortumschreibung zu stellende Erfordernis ist nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Falle ein verschiedenes, weil es an verschiedenen Rechtsschutzüberlegungen zu messen ist. Nach Ansicht der Berufungsbehörde kommt bei mangelhafter Bezettelung eines Gefahrguttransportes durch den Lenker nicht der Firmensitz als Tatort in Betracht. Gerade die unterlassenen Vorsorgehandlungen werden vom Lenker keineswegs regelmäßig von diesem Ort aus zu treffen sein, weil die Bezettelungsmängel auch erst später zustande kommen können, zB am Verladeort, der nicht mit dem Firmensitz übereinstimmen muss. Damit wäre aber auch eine zielführende Verfolgung der in Rede stehenden Tat oft mit unüberwindlichen, den staatlichen Strafanspruch beseitigenden Schwierigkeiten verbunden, was gerade auch durch den Umstand erhellt wird, dass die damit verbundene Tatzeit in vielen Fällen überhaupt nicht festgestellt werden könnte. Wie gleich dargestellt werden wird, stellt §13 Abs2 Z 3 GGBG auf das ?Lenken? ab, und auch deshalb richtet sich Tatort und Tatzeit nach dem Zeitpunkt und Ort der Anhaltung des Lenkers. Aus all diesen Gründen war die Erstbehörde, die dem Berufungswerber auch das ?Lenken? ohne die genannten Maßnahmen vorgeworfen hat, zur Erlassung des bekämpften Straferkenntnisses sehr wohl zuständig.

 

Gemäß §13 Abs2 Z 3 GGBG darf der Lenker eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, nur in Betrieb nehmen oder lenken, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass die Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, sowie die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen und die Aufschriften, Gefahrzettel, Großzettel, Tafeln und sonstigen Informationen über die gefährlichen Güter und über das Fahrzeug vorschriftsmäßig angebracht sind.

 

Gemäß §13 Abs3 GGBG hat der Lenker bei der Beförderung die im §7 Abs2 Z 7 angeführten Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände mitzuführen. Gemäß Abschnitt 5.4.0 ADR sind bei jeder durch das ADR geregelten Beförderung von Gütern die in diesem Kapitel jeweils vorgeschriebenen Dokumente mitzuführen, es sei denn, in den Unterabschnitten 1.1.3.1 bis 1.1.3.5 ist eine Freistellung vorgesehen. Zu diesen vorgeschriebenen Dokumenten zählt auch das Beförderungspapier, hinsichtlich dessen der Abschnitt 5.4.1 ADR nähere Rechtsvorschriften enthält.

 

In Abschnitt 1.2.1 ADR finden sich unter anderem folgende Begriffsbestimmungen:

 

Container: Ein Beförderungsgerät (Rahmenkonstruktion oder ähnliches Gerät),

-

das von dauerhafter Beschaffenheit und deshalb genügend widerstandsfähig ist, um wiederholt verwendet werden zu können,

-

das besonders dafür gebaut ist, um die Beförderung von Gütern durch einen oder mehrere Verkehrsträger ohne Veränderung der Ladung zu erleichtern,

-

das mit Vorrichtungen versehen ist, welche die Befestigung und die Handhabung insbesondere beim Übergang von einem Beförderungsmittel auf ein anderes erleichtern,

-

das so gebaut ist, dass die Befüllung und Entleerung erleichtert wird.

 

 

Ein Wechselaufbau (Wechselbehälter) ist ein Container, der laut der europäischen Norm EN 283 (Fassung 1991) folgende Besonderheiten aufweist:

-

er ist hinsichtlich der mechanischen Festigkeit ausschließlich für die Beförderung mit Wagen oder Fahrzeugen im Land- und Fährverkehr ausgelegt,

-

er ist nicht stapelbar,

-

er kann von Fahrzeugen mit bordeigenen Mitteln auf Stützbeinen abgesetzt und wieder aufgenommen werden.

 

Tank: Ein Tankköper mit seiner Bedienungsausrüstung und baulichen Ausrüstung. Wenn der Begriff allein verwendet wird, umfasst er die in diesem Abschnitt definierten Tankcontainer, ortsbeweglichen Tanks, Aufsetztanks und festverbundenen Tanks sowie die Tanks als Elemente von Batterie-Fahrzeugen oder MEGC.

 

Tankcontainer: Ein Beförderungsgerät, das der Begriffsbestimmung für Container entspricht, das aus einem Tankkörper und den Ausrüstungsteilen besteht, einschließlich der Einrichtungen, die das Umsetzten des Tankcontainers ohne wesentliche Veränderung der Gleichgewichtslage erlauben, das für die Beförderung von gasförmigen, flüssigen pulverförmigen oder körnigen Stoffen verwendet wird und das einen Fassungsraum von mehr als 0,45 m3 (450 Liter) hat.

 

Tankwechselaufbau (Tankwechselbehälter): Ein Tankwechselaufbau (Tankwechselbehälter) gilt als Tankcontainer.

 

Aufsetztank: Ein Tank ? ausgenommen festverbundener Tank, ortsbeweglicher Tank, Tankcontainer und Element eines Batterie-Fahrzeuges oder eines MEGC ? mit einem Fassungsraum von mehr als 450 Litern, der durch seine Bauart nicht dazu bestimmt ist, Güter ohne Umschlag zu befördern, und der gewöhnlich nur in leerem Zustand abgenommen werden kann.

 

Gemäß Unterabschnitt 5.3.1.2 ADR sind Großzettel (Placards) an beiden Längsseiten und an jedem Ende des Containers, MEGC, Tankcontainers oder ortsbeweglichen Tanks anzubringen.

 

In Unterabschnitt 5.3.2.1 ADR finden sich allgemeine Vorschriften für die orangefarbene Kennzeichnung. Demnach müssen Beförderungseinheiten, in denen gefährliche Güter befördert werden, mit zwei rechteckigen, rückstrahlenden, senkrecht angebrachten orangefarbenen Tafeln nach Absatz 5.3.2.2.1 versehen sein. Sie sind vorn und hinten an der Beförderungseinheit senkrecht zu deren Längsachse anzubringen und müssen deutlich sichtbar bleiben. Wenn in Kapitel 3.2 Tabelle A Spalte 20 eine Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr angegeben ist (Anmerkung: ist bei UN 1977 der Fall), müssen bei Beförderungseinheiten mit einem oder mehreren Tanks, in denen gefährliche Güter befördert werden, außerdem an den Seiten jedes Tanks parallel zur Längsachse des Fahrzeugs orangefarbene Tafeln deutlich sichtbar angebracht sein, die mit den nach Absatz 5.3.2.1.1 vorgeschriebenen übereinstimmen. Diese Tafeln müssen jedoch mit der Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr und der UN-Nummer versehen sein. An den Beförderungseinheiten, die nur einen Stoff befördern, sind die in Absatz 5.3.2.1.2 vorgeschriebenen orangefarbenen Tafeln nicht erforderlich, wenn die vorn und hinten gemäß Absatz 5.3.2.1.1 angebrachten Tafeln mit der vorgeschriebenen Nummer zur Kennzeichnung der Gefahr und UN-Nummer versehen sind.

 

Die Berufungsbehörde kann im Übrigen nicht finden, dass die ADR im Vorfallszeitpunkt nicht gehörig kundgemacht gewesen seien. Gemäß §2 Abs1 lit a GGBG galten im Tatzeitpunkt für die Beförderung gefährlicher Güter die Anlagen A und B des ADR in der Fassung der Änderung BGBl III Nr 96/2001, worin aufgrund des §2 Abs6 BGBlG verordnet wird, dass die Kundmachung des ADR dadurch zu erfolgen hat, dass deren authentischer Wortlaut in französischer Sprache sowie die Übersetzung ins Deutsche zur öffentlichen Einsichtnahme beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie aufgelegt werden.

 

Gemäß §27 Abs2 Z 9 GGBG ist eine Übertretung dieser Bestimmungen mit Geldstrafe von ? 72,-- bis ? 3.633,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Zu Spruchpunkt 1:

 

Nach der oben zitierten Bestimmung des §13 Abs3 GGBG hat der Lenker bei der Beförderung die vorgeschriebenen Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände mitzuführen. Dem Berufungswerber wird jedoch zur Last gelegt, dass das mitgeführte Beförderungspapier inhaltlich nicht entsprochen habe. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.1998, Zl 95/03/0213, wurde ausgeführt (betreffend mangelhaften Inhalt einer mitgeführten schriftlichen Weisung), dass aus der Verpflichtung des Mitführens einer Ausfertigung dieser Weisung kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass der Lenker, dem eine mangelhafte schriftliche Weisung übergeben worden ist, für deren mangelhaften Inhalt verwaltungsstrafrechtlich belangt werden kann. Es wurde vom Höchstgericht als sachgerecht angesehen, wenn der Normgeber dem Lenker nicht eine materienbezogene, schwierige inhaltliche (Fach) Prüfung unter verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion überbürdet hat. Die erkennende Behörde sieht daher in Anlehnung an die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in nunmehr ständiger Rechtsprechung in der Verpflichtung des Lenkers, ein Beförderungspapier mitzuführen, ebenfalls keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit wegen eines eventuell mangelhaften Inhaltes des Beförderungspapiers. Der Berufungswerber hat jedenfalls ein Beförderungspapier für die betreffende Klasse und Ziffer des ADR mitgeführt. Es waren sämtliche in Absatz 5.4.1.1.1 ADR vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die bloße Anführung der offiziellen Bennennung des Gefahrgutes in Schreibschrift anstatt in Großbuchstaben vermag im Lichte der genannten Judikatur eine Strafbarkeit des Lenkers nicht nach sich zu ziehen, weshalb der Berufung zu Spruchpunkt 1 Folge zu geben und das Verfahren spruchgemäß in diesem Punkt einzustellen war.

 

Zu Spruchpunkt 2:

 

Aus dem schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Sachverständigengutachten ergibt sich im Zusammenhalt mit den der Anzeige beigeschlossenen Fotos und der Aussage des Berufungswerbers in der Berufungsverhandlung, dass gegenständliche Beförderungseinheit ein Tankcontainer und kein Aufsetztank ist. In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, dass der Berufungswerber selbst angegeben hat, den ?Tank? abnehmen zu können, indem er die Füße ausklappt und mit dem Zugfahrzeug nach vorne wegfährt. Er hat nicht differenziert, ob sich der ?Tank? in vollem oder leerem Zustand befindet. Er hat jedenfalls nicht angegeben, dass der ?Tank? nur in leerem Zustand auf- und abgesetzt werden könne. Von einer Umfüllung des Gutes war auch überhaupt nicht die Rede.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat Einsicht in die vom Berufungswerber vorgelegte Bedienungsanleitung genommen. Dass diese tatsächlich für die verwendete Beförderungseinheit Geltung findet, ergibt sich aus der Übereinstimmung der Daten in der Bedienungsanleitung mit den Daten, die auf dem der Anzeige beigeschlossenen Foto, welches das Tankschild zeigt, ersichtlich sind (insbesondere Tanktyp und Fabrik-Nummer). Die Bedienungsanleitung selbst verwendet weder den Begriff Aufsetztank noch die Begriffe Tankcontainer oder Tankwechselaufbau, sondern ausschließlich den Begriff ?Wechsel-Transporttank?. Im Kapitel 2.3 mit der Überschrift ?Heben, Abstellen und Aufnehmen des Wechsel-Transporttank? finden sich folgende Bestimmungen:

2.3.1 Heben an dem Greifkanten

Im gefüllten Zustand darf der Tank nur über die Greifkanten mit dem entsprechenden Hebegeschirr (Containerverladung) gehoben und umgeladen werden.

 

2.3.2 Heben an den Eckbeschlägen

Der Tank kann im gefüllten Zustand mit entsprechenden Traversen und Hebemitteln über die Eckbeschläge gehoben und umgeladen werden.

 

2.3.3 Abstellen über die Stützfüße

Wegen der Begrenzung der Tragfähigkeit der Stützfüße auf 16 000 kg ist der Wechsel-Transporttank nur im leeren Zustand abzustellen.

 

Achtung: Abstellen über die Stützfüße nur bei leerem Tank!

 

Der Boden muss eben und entsprechend der Belastung (siehe Pkt. 1.2) tragfähig sein.

 

Einerseits findet sich in diesen Bestimmungen explizit, dass es sich um eine Container-Verladung handelt, und andererseits fehlt klar eine Voraussetzung für das Vorliegen eines Aufsetztanks, nämlich dass der Tank ?nur in leerem Zustand abgenommen werden kann?, denn es finden sich zwei Möglichkeiten, den Tank sehr wohl in gefülltem Zustand abzunehmen. Die Definition des Aufsetztanks im ADR stellt auf ein Abnehmen im leerem Zustand, nicht jedoch auf ein Abstellen ab; diese zwei Vorgänge werden in der Bedienungsanleitung klar unterschieden. Wenn in dieser normiert ist, dass ein Abstellen über die Stützfüße nur bei leerem Tank zulässig ist, spricht das somit nicht gegen das Vorliegen eines Containers. Schließlich ergibt sich aus der Bedienungsanleitung, dass gegenständliches Beförderungsgerät mit Vorrichtungen versehen ist, welche die Handhabung insbesondere beim Übergang von einem Beförderungsmittel auf ein anderes erleichtern, nämlich Greifkanten und Eckbeschläge. Zudem kann er auf Stützbeinen abgesetzt und wieder aufgenommen werden. Da das beanstandete Beförderungsgerät auch aufgrund seiner Bedienungsanleitung sämtlichen Definitionen eines Tankwechselaufbaus und somit eines Tankcontainers entspricht, jedoch ein wesentliches Merkmal eines Aufsetztanks eindeutig fehlt (weil der Tank sehr wohl in gefülltem Zustand gehoben und umgeladen werden kann), war eine Gutachtensergänzung durch den Sachverständigen nicht mehr erforderlich und dem diesbezüglichen Antrag des Berufungswerbers keine Folge zu geben.

 

Somit ist der Tatvorwurf, dass am Ende des Tankcontainers ein Großzettel fehlte, berechtigt. Der Tatbestand ist somit in objektiver Hinsicht erfüllt. Das Verschulden des Berufungswerbers kann auch nicht als unerheblich bezeichnet werden. Es wäre ihm sehr wohl zumutbar gewesen, sich davon zu überzeugen, dass die Beförderungseinheit richtig bezettelt ist. Für die Strafbarkeit genügt Fahrlässigkeit, denn es handelt sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des §5 Abs1 VStG 1991. Der Berufungswerber konnte aber nicht glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft.

 

Gemäß §19 VStG 1991 ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Durch die fehlende Bezettelung des Tankcontainers am Ende hätte es passieren können, dass im Ernstfall nicht die richtigen Maßnahmen getroffen werden. Andererseits erachtet die Berufungsbehörde unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers, insbesondere der Sorgepflichten, eine Geldstrafe an der Untergrenze des oben zitierten Strafrahmens als durchaus tat- und schuldangemessen und auch geeignet, den Berufungswerber künftig von Verstößen gegen die Gefahrgutvorschriften abzuhalten, zumal die Erstbehörde die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers auch noch nicht berücksichtigt hat. Die verhängte Geldstrafe war somit spruchgemäß auf ? 75,-- und die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 13 Stunden herabzusetzen. Die Voraussetzungen für eine Ermahnung waren bei Spruchpunkt 2 nicht gegeben, weil das tatbildmäßige Verhalten des Berufungswerbers hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt nicht erheblich zurückblieb.

 

Zu Spruchpunkt 3:

 

Aus den oben zitierten Bestimmungen in Abschnitt 5.3.2 ADR ergibt sich, dass zwei Kennzeichnungsarten rechtmäßig gewesen wären, nämlich (1) vorne und hinten an der Beförderungseinheit Warntafeln mit Zahlen und seitlich keine Tafeln oder (2) vorne und hinten Warntafeln ohne Zahlen und an beiden Längsseiten Warntafeln mit Zahlen. Im gegenständlichen Fall war jedoch eine unzulässige Kennzeichnungsart gewählt worden, nämlich Warntafeln mit Zahlen an allen vier Seiten. Es liegt somit ein Verstoß gegen die ADR-Kennzeichnungsbestimmungen eindeutig vor. Auch hier konnte der Berufungswerber nicht glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft. Ein Rechtsirrtum kommt dem geschulten Gefahrgutlenker auch nicht zugute. Sein Verschulden kann hinsichtlich Spruchpunkt 3 jedoch noch als gering eingestuft werden, da keine Tafeln gefehlt haben, sondern entweder zwei Tafeln zuviel oder einige Zahlen zuviel vorhanden waren. Auch die Folgen sind unbedeutend geblieben.

 

Gemäß §21 Abs1 VStG 1991 kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Es war daher hinsichtlich Spruchpunkt 3 spruchgemäß eine Ermahnung zu erteilen.

 

Gemäß §65 VStG 1991 fallen dem Berufungswerber keine Kosten für das Berufungsverfahren zur Last. Hinsichtlich Spruchpunkt 2 war der 10-%ige Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren analog zur Herabsetzung der Geldstrafe nach unten zu korrigieren.

Zuletzt aktualisiert am
07.01.2009
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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