Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Margit Pomaroli über die Berufung des Herrn T.M.K., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 16.03.2004, Zl. VK-26495-2003, nach der am 28.10.2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der gegenständlichen Berufung hinsichtlich des Punktes 1. Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Hinsichtlich des Punktes 2. wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens mit 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 14,40, festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe am 26.10.2003 um 18.05 Uhr am Tatort A, Autobahnzubringer M., von M. kommend in Richtung I. fahrend, mit dem Personenkraftwagen XY
1. als Lenker eines Fahrzeuges ein anderes Fahrzeug verbotenerweise rechts überholt und
2. als Lenker eines Fahrzeuges, ohne dass es die Verkehrssicherheit erforderte, sein Fahrzeug jäh und für den Lenker eines nachkommenden Fahrzeuges überraschend abgebremst, so dass andere Straßenbenützer dadurch gefährdet bzw. behindert wurden.
Der Beschuldigte habe dadurch
zu 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs 1 und § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 und
zu 2. eine Verwaltungsübertretung nach § 21 Abs 1 und § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 begangen
und wurde über ihn zu 1. und 2. gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 jeweils eine Geldstrafe im Betrag von Euro 72,00 (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 24 Stunden) verhängt und der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz vorgeschrieben.
Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, dass der Berufungswerber den Anzeiger nicht rechts überholt habe. Die Situation habe sich so dargestellt: Bei der Autobahnauffahrt M. hielt der Anzeiger sein Fahrzeug aufgrund einer Stopp-Tafel an. Er fuhr an, und blieb nach ca. 40 - 50 Metern auf der Beschleunigungsspur, welche aufgrund einer Baustelle der rechte Fahrstreifen war, stehen. Aufgrund des Bremsmanövers des Anzeigers habe der Berufungswerber das Fahrzeug links überholt und war anschließend wieder auf den rechten Fahrstreifen gefahren und wollte die Fahrt fortsetzen. Der Anzeiger sei hinter ihm hergefahren und habe mehrfach aufgeblendet. Der Berufungswerber habe ein Geräusch gehört und habe daher die Geschwindigkeit verringert. Er könne nicht mehr angeben, wie stark er abgebremst habe. Ich habe auch angenommen, dass der Anzeiger den Sicherheitsabstand eingehalten habe.
Aufgrund dieses Vorbringens wurde am 28.10.2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, im Zuge derer der Berufungswerber zum gegenständlichen Sachverhalt befragt wurde sowie die Zeugen A.M. und M.G. einvernommen wurden.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:
Im Bereich des Autobahnzubringers M., und zwar von M. kommend in Richtung I., befand sich am 26.10.2003 in Richtungsspur Norden eine Baustelle. Der Verkehr im gegenständlichen Bereich war zweispurig und mit 80-km/h-Beschränkung geregelt. Wegen der Baustelle wurde die Auffahrt zur Einmündung in die Fahrspuren nach Norden mit einer Stopp-Tafel und einer Haltelinie abgewertet. Der Zeuge M. hielt seinen Pkw an der Stopp-Tafel mit Haltelinie an, konnte aber das Kraftfahrzeug wegen des zum Zeitpunkt herrschenden Verkehrsaufkommens nicht gleich in den Fließverkehr einordnen, sodass er einen zweiten Anhaltevorgang nach der Stopp-Tafel durchführen musste, da ein Einordnen für ihn unmöglich war. Als er anfuhr scherte hinter ihm ein Pkw-Lenker aus und fuhr links an ihm vorbei und musste der Zeuge M. eine Vollbremsung durchführen, da er aufgrund des Verhaltens des anderen Pkw-Lenkers sich nicht mehr in die Autobahn einordnen konnte, da auch rechts zu wenig Platz war. Anschließend hat der Zeuge M. den Pkw-Lenker, nachdem dieser vor ihm fuhr, aufgrund seines Verhaltens angeblinkt. Hierauf führte der Berufungswerber eine starke Bremsung durch. Auch die Zeugin G. stellte ein Rechtsüberholen durch den Berufungswerber in Abrede.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens konnte dem Berufungswerber eine Übertretung nach § 15 Abs 1 StVO 1960, nämlich ein verbotenerweises Rechtsüberholen eines Fahrzeuges, nicht mehr mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Es war daher hinsichtlich des Punktes 1. das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Hinsichtlich des Punktes 2., nämlich des jähen und überraschenden Abbremsens des Fahrzeuges durch den Berufungswerber, ohne dass es die Verkehrssicherheit erforderte, so dass andere Straßenbenützer gefährdet bzw behindert wurden, hat der Berufungswerber sich wechselnd verantwortet. Einmal hat er behauptet, er habe an seinem Fahrzeug ein Geräusch wahrgenommen. In der Berufungsverhandlung führte er aus, er sei von dem hinter ihm fahrenden Fahrzeuglenker geblendet worden. Er behauptete im Berufungsverfahren, dass der hinter ihm fahrende Fahrzeuglenker mit Fernlicht gefahren sei. Aus den Aussagen des Zeugen M. und der Zeugin G. ergibt sich jedoch, dass der hinter ihm fahrende Fahrzeuglenker nur kurz das Fernlicht betätigt bzw. ihn angeblinkt hat.
Gemäß § 21 Abs 1 StVO 1960 darf der Lenker das Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenützer dadurch gefährdet oder behindert werden, es sei denn, dass es die Verkehrssicherheit erfordert.
Dadurch, dass der Berufungswerber im Gegenstandsfall sein Fahrzeug jäh und für den Lenker des nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abgebremst hat, ohne dass es die Verkehrssicherheit erforderte, wodurch der andere Straßenbenützer gefährdet bzw. behindert wurde, hat er die ihm zu Punkt 2. vorgeworfene Übertretung begangen.
Nach § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
Zur Strafbemessung wird ausgeführt, dass nach § 19 Abs 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch das Verhalten des Berufungswerbers wurde die Verkehrssicherheit beeinträchtigt, sodass der Unrechtsgehalt einer derartigen Übertretung nicht unbeträchtlich ist. Beim Verschulden ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Der Milderungsgrund der bisherigen Straffreiheit fehlt beim Berufungswerber, Erschwerungsgründe sind keine hervorgekommen. Der Berufungswerber bringt monatlich Euro 1.600,00 ins Verdienen, ist für ein Kind sorgepflichtig und besitzt mit seiner Lebensgefährtin ein Haus. Im Hinblick auf den Strafrahmen von bis zu Euro 726,00 wurde die Strafe im Gegenstandsfall im untersten Bereich desselben bemessen. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.