TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/18 2000/06/0009

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2001
beobachten
merken

Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §61 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde von M, G und UH in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Dezember 1999, Zl. Ve1-550-2841/1-4, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. BM in G,

2. TM, ebendort, und 3. Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. September 1999 wurde der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juli 1999 keine Folge gegeben. Mit diesem, dem Vertreter der Beschwerdeführer am 10. September 1999 zugestellten Bescheid waren der erstangeführten und der zweitangeführten mitbeteiligten Partei im Instanzenzug die baubehördliche Genehmigung für den Umbau eines Wohnhauses/Doppelwohnhauses erteilt und die Einwendungen der Beschwerdeführer auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Er enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:

"RECHTSBEHELFSBELEHRUNG

Gegen diesen Bescheid kann binnen vierzehn Tagen nach Zustellung schriftlich, fernschriftlich, telegrafisch, per Telefax der Rechtsbehelf der Vorstellung an die Tiroler Landesregierung (§ 112 TGO 1996) erhoben werden.

Die Vorstellung hat einen begründeten Vorstellungsantrag zu enthalten und muss den Bescheid bezeichnen, gegen den sie sich wendet.

Der Vorstellung, welche mit S 180,-- Bundesstempelmarke (sowie S 50,-- pro Bogen bei Beilagen) zu vergebühren ist, kommt keine aufschiebende Wirkung zu."

Mit an das Amt der Tiroler Landesregierung adressiertem und am 22. September 1999 zur Post gegebenem Schriftsatz vom selben Tage erhoben die Beschwerdeführer dagegen Vorstellung. Diese Vorstellung langte am 28. September 1999 beim Amt der Tiroler Landesregierung ein und wurde von dort an die Gemeinde G, Gemeindeamt, weitergeleitet, wo sie am 1. Oktober 1999 einlangte.

Im Vorstellungsverfahren wurden die Beschwerdeführer nach erfolgter Vorlage der Vorstellung an die belangte Behörde zur Rechtzeitigkeit der Erhebung der Vorstellung befragt, und sie führten dazu aus, die Vorstellung sei deswegen rechtzeitig, weil sie genau entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung erhoben worden sei, sodass in jedem Fall von der Rechtzeitigkeit der Vorstellung auszugehen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 1999 wurde die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen und dies nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen damit begründet, dass eine Vorstellung gemäß § 112 Abs. 2 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 schriftlich oder telegrafisch binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung nach dieser, beim Gemeindeamt (Stadtamt) einzubringen sei. Die zweiwöchige Vorstellungsfrist, die mit der Zustellung des Bescheides am 10. September 1999 zu laufen begonnen habe, habe am 24. September 1999 geendet. Selbst wenn von der falschen Bezeichnung der Frist in der Rechtsmittelbelehrung, nämlich "14 Tage" an Stelle von zwei Wochen auszugehen sei, sei die Vorstellungsfrist - in diesem Falle beginnend mit 11. September 1999 - am 25. September 1999 abgelaufen.

Der Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides entspreche grundsätzlich der Bestimmung des § 112 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966, besage jedoch nichts über die vom Gesetzgeber vorgesehene Einbringungsstelle Gemeindeamt (Stadtamt). Darüber hinaus enthalte die Rechtsmittelbelehrung auch den Hinweis auf die entsprechende Bestimmung des § 112 Tiroler Gemeindeordnung 1966.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 112 Abs. 2 der im Beschwerdefall anzuwendenden Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4, lautet:

"Die Vorstellung ist schriftlich oder telegrafisch binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung nach dieser, beim Gemeindeamt (Stadtamt) einzubringen. Die Vorstellung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten."

§ 61 Abs. 4 des im Grunde der Art. II Abs. 2 lit. a Z. 1 EGVG und § 119 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 im Verfahren vor der belangten Behörde als Aufsichtsbehörde anzuwendenden AVG lautet:

"(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde."

Die Beschwerdeführer halten den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sie ihre Vorstellung genau entsprechend der "Rechtsbehelfsbelehrung" des Bescheides des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. September 1999 erhoben hätten. Die Formulierung, dass eine Vorstellung an die Tiroler Landesregierung erhoben werden kann, könne nicht anders verstanden werden, als dass die Vorstellung auch beim Amt der Tiroler Landesregierung einzubringen ist. Eine derartige unrichtige Rechtsmittelbelehrung könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführer gehen.

Die für den Beschwerdefall maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 61 Abs. 4 AVG wurde bereits im hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/06/0171, ausführlich dargestellt, weshalb im vorliegenden Fall auf dieses Erkenntnis gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann. Bereits in diesem Erkenntnis wird insbesondere auch auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 1952, Slg. Nr. 2446/A, und vom 6. Mai 1968, Zl. 463/67, Slg. Nr. 7354/A, hingewiesen, wonach die Rechtsmittelbelehrung, um der gesetzlichen Vorschrift zu genügen und als "richtig" angesehen werden zu können, so klar und eindeutig sein muss, dass sie auch von Parteien, die mit den Verfahrensvorschriften nicht vertraut sind, ohne weiters verstanden werden kann. Sie darf dem zuletzt angeführten Erkenntnis zufolge auch nicht so gefasst werden, dass die objektive Möglichkeit einer Irreführung gegeben ist. In diesem Sinne wurde die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen den Bescheid "das schriftlich oder telegrafisch einzubringende Rechtsmittel an das BM f. soz.V. im Wege des M.B.A. 6/7 gemäß § 63 AVG zulässig" sei, als nicht klar und eindeutig und somit als unrichtig im Sinne des § 61 Abs. 4 AVG beurteilt (siehe das zitierte hg. Erkenntnis Slg. Nr. 2446/A). Auch die Rechtsmittelbelehrung, gegen den Bescheid sei "gemäß § 73 Abs. 1 und 2 Gemeindeordnung 1959 ... Vorstellung an die Landesregierung, die bei diesem Amte binnen zwei Wochen, ..., einzubringen ist ..., zulässig", wurde als nicht klar und eindeutig in dem dargelegten Sinne angesehen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Slg. Nr. 7345/A). Eine diffizile Unterscheidung zwischen dem Wort diesem und jenem, mit der die Behörde ihre Auffassung zu verteidigen suche, liege nach hg. Auffassung in diesem Erkenntnis außerhalb des Bereiches jener Überlegungen, "die bei der Lektüre einer Rechtsmittelbelehrung anzustellen, von der Partei eines Verwaltungsverfahrens erwartet werden dürfen". Nach diesem Erkenntnis könne die Klarheit und Eindeutigkeit der Formulierung einer Rechtsmittelbelehrung auch nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, je nachdem, ob die durch diese Belehrung angesprochene Partei rechtsfreundlich vertreten sei oder nicht. Im angeführten Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 95/06/0171, wurde eine Rechtsmittelbelehrung, "dass beim Gemeindeamt R. Vorstellung beim Amt der Stmk. Landesregierung erhoben werden kann", als unrichtig gemäß § 61 Abs. 4 AVG qualifiziert, da auch aus dieser Rechtsmittelbelehrung nicht eindeutig und klar hervorgehe, dass die Vorstellung ausschließlich bei der Gemeinde einzubringen ist.

Auch im vorliegenden Fall gilt, wie bereits im angeführten hg. Erkenntnis Slg. Nr. 7345/A ausgeführt, dass für den Maßstab einer allfälligen Irreführung durch eine Rechtsmittelbelehrung entscheidend ist, ob sie sich für einen juristischen Laien bzw. eine mit den Verfahrensvorschriften nicht so vertraute Person als irreführend darstellt und zwar unabhängig davon, ob die Partei von einem Rechtsfreund vertreten ist oder nicht. Auch hier muss es als "diffizile Überlegung" bezeichnet werden, die Formulierung "Vorstellung an die Tiroler Landesregierung" sei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Vorstellung nicht auch bei der Tiroler Landesregierung eingebracht werden könne, eine solche Bedeutung lag "außerhalb des Bereiches jener Überlegungen, die bei der Lektüre einer Rechtsmittelbelehrung anzustellen, von der Partei eines Verwaltungsverfahrens erwartet werden dürfen".

Die Einbringung der Vorstellung durch die Beschwerdeführer beim Amt der Tiroler Landesregierung war daher als richtige Einbringung im Sinne des § 61 Abs. 4 AVG zu beurteilen. Da diese Einbringung (konkret die Aufgabe der Vorstellung bei der Post) innerhalb der Frist zur Erhebung der Vorstellung erfolgte, wurde diese auch rechtzeitig erhoben. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Verspätung der verfahrensgegenständlichen Vorstellung angenommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer in den in der angeführten Verordnung enthaltenen Pauschbeträgen bereits enthalten ist.

Wien, am 18. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000060009.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten