TE UVS Burgenland 2004/11/04 002/10/04182

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Eder über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vom 10 09 2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 12 08 2004, Zl 300-3302-2004, wegen Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 51 Abs 1 VStG wird die Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Dem Berufungswerber wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 12 08 2004, Zl 300-3302-2004, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung an seine Wohnadresse nach Ungarn nachgesendet. In der gegen dieses Straferkenntnis gerichteten Berufung bestritt der Berufungswerber, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat erwogen:

 

Der Berufungswerber wurde mit Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für das Burgenland, Verkehrsabteilung - Außenstelle Parndorf, vom 31 03 2004 wegen eines nach der Straßenverkehrsordnung verwaltungsstrafrechtlich zu ahnenden Verhaltens zur Anzeige gebracht.

 

Aufgrund dieser Anzeige leitete die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren ein. Der Berufungswerber, der deutscher Staatsangehöriger ist, war zu dieser Zeit in Deutschland wohnhaft. In weiterer Folge wurde der Berufungswerber von der in Österreich ansässigen *** Rechtsanwälte OEG rechtsfreundlich vertreten. Noch vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens gab diese OEG mit Schriftsatz vom 06 08 2004 bekannt, dass das mit dem Berufungswerber bestehende Vollmachtverhältnis aufgelöst wurde.

 

Am 12 08 2004 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ein Straferkenntnis in deutscher Sprache ausgefertigt. In diesem Straferkenntnis wurde als Zustelladresse die der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See bislang allein bekannte Wohnadresse des Berufungswerbers in D *** verfügt. Das Straferkenntnis wurde am 19 08 2004 der Österreichischen Post AG zur Beförderung übergeben, wobei dieser Postsendung ein internationaler Rückschein beigelegt wurde. Eine Übersetzung des Straferkenntnisses in die ungarische Sprache war dem Straferkenntnis nicht beigelegt. Das Straferkenntnis vom 12 08 2004 wurde am 30 08 2004 in Deutschland der leserlichen Unterschrift am Rückschein zufolge von Herrn DP übernommen. Der Berufungswerber wohnte zu dieser Zeit allerdings nicht mehr in Deutschland, weil er sich aus beruflichen Gründen ab Anfang August 2004 ununterbrochen in Ungarn aufhielt und an der Adresse H *** erreichbar war. Herr DP schickte das Straferkenntnis in weiterer Folge dem Berufungswerber per Post an seine neue Adresse in Ungarn, der diese Postsendung am 01 09 2004 erhielt.

 

Am 10 09 2004 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See per E-Mail die am selben Tag verfasste und in deutscher Sprache gehaltene Berufung gegen das Straferkenntnis vom 12 08 2004 ein.

 

Zu diesen Feststellungen gelangte der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland aufgrund des unbedenklichen Inhaltes des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes. Es handelte sich dabei um die Wiedergabe des aus diesem Akt zweifelsfrei ersichtlichen Verfahrensablaufes. Für die Annahme der Beifügung einer ungarischen Übersetzung des Straferkenntnisses durch die erstinstanzliche Behörde gab es im Strafakt keine Hinweise. Die Angaben des Berufungswerbers hinsichtlich seines Wohnortwechsels und die Zeit desselben stellten sich als glaubhaft und mit dem Akteninhalt übereinstimmend dar. Der Berufungswerber gab an, dass er das Straferkenntnis von Herrn P nach Ungarn nachgesendet erhielt. Dies konnte insofern mit dem im Akt erliegenden Rückschein in Übereinstimmung gebracht werden, als aus diesem zweifelsfrei hervorging, dass die Postsendung "Straferkenntnis" von DP entgegengenommen wurde. Weiters gab der Berufungswerber in seiner Berufung nicht nur seine neue Postadresse, sondern auch eine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse an, und ersuchte diese bekanntgegebenen (neuen) Adressen, um Zeitverlust zu vermeiden, zu verwenden. Daraus war ersichtlich, dass der Berufungswerber nicht falsche Daten angab, um sich dem weiteren Verfahren zu entziehen, zumal bei Verwendung einer E-Mail-Adresse von vornherein eine Ortsgebundenheit nicht in Betracht kommt, weil einlangende E-Mail im Regelfall mit den entsprechenden Zugangscodes von unterschiedlichen Orten aus abrufbar sind.

 

Rechtlich folgt aus den Feststellungen:

 

§ 51 Abs 1 VStG lautet:

?Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.?

 

§ 11 Zustellgesetz lautet:

?§ 11 (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

(2) Zur Vornahme von Zustellungen an Ausländer oder internationale Organisationen, denen völkerrechtliche Privilegien und Immunitäten zustehen, ist unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder Sitz die Vermittlung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten in Anspruch zu nehmen.

(3) Zustellungen an Personen, die nach den Vorschriften des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl I Nr 38/1997, in das Ausland entsendet wurden, sind im Wege des zuständigen Bundesministers, sofern aber diese Personen anlässlich ihrer Entsendung zu einer Einheit oder zu mehreren Einheiten zusammengefasst wurden, im Wege des Vorgesetzten der Einheit vorzunehmen.?

 

Voraussetzung zur Erhebung einer Berufung ist somit, dass ein Bescheid erlassen wurde. Gemäß § 62 Abs 1 AVG in Verbindung mit § 24 VStG können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

 

Im Falle der schriftlichen Erlassung eines Bescheides ist eine Ausfertigung dieses Bescheides den Parteien zuzustellen. Zustellungen sind gemäß § 21 AVG in Verbindung mit § 24 VStG nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

 

Bei Zustellungen im Ausland ist § 11 Zustellgesetz zu beachten.

§ 11 Abs 1 Zustellgesetz legt fest, wie Zustellungen im Ausland zu erfolgen haben. Dementsprechend war zu überprüfen, ob das Straferkenntnis vom 12 08 2004 unter Beachtung des § 11 Abs 1 Zustellgesetz ordnungsgemäß zugestellt wurde, weil nur in diesem Fall von der Erlassung eines Bescheides gesprochen werden könnte (vgl VwGH 19 03 2003, 2001/03/0045).

 

Die Zustellung von Schriftstücken ? jeder Art ? unterliegt vorbehaltlich staatsvertraglicher Regelungen der Regelungskompetenz des Staates, auf dessen Gebiet die Zustellung erfolgen soll. Die Anwendung österreichischen Rechts im Ausland kommt daher bei der Zustellung von Schriftstücken im Ausland nicht in Frage. Die Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland ist als staatlicher Hoheitsakt nicht nur hinsichtlich ihrer Regelung, sondern ? völkerrechtlich ? auch hinsichtlich ihrer Bewerkstelligung grundsätzlich Sache des Auslandstaates. Bestehen im betreffenden Staat Rechtsvorschriften über die Zustellung von Schriftstücken ausländischer (im Besonderen österreichischer) Behörden, so sind ? vorbehaltlich internationaler Vereinbarungen ? ausschließlich diese maßgebend.

 

Wenn weder internationale Vereinbarungen noch nationale Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, bestehen, bestimmt sich Zulässigkeit und Form der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Behörden im Ausland nach der internationalen Übung (§ 11 Abs 1 Zustellgesetz), das heißt danach, ob und gegebenenfalls welche Form der Zustellung der betreffende ausländische Staat auf seinem Gebiet üblicherweise ohne Protest zulässt und damit stillschweigend seine Zustimmung zu diesem Vorgehen zum Ausdruck bringt.

 

Es bedurfte keiner weiteren näheren Erörterung, dass durch die Übernahme des Straferkenntnisses in Deutschland durch Herrn DP infolge ständiger Ortsanwesenheit des Berufungswerbers die Zustellung nach den in Deutschland geltenden Verwaltungszustellungsgesetzen, auf die nach den Bestimmungen des mit Deutschland abgeschlossenen Amts- und Rechtshilfevertrages abzustellen waren, nicht bewirkt wurde, weil durch diese Ortsabwesenheit (auch) nach deutschem Zustellrecht die in Deutschland gelegene Unterkunft des Berufungswerbers ihre Qualifikation als Abgabestelle verlor (vgl diesbezüglich auch VwGH 18 03 1998, 96/03/0030, wobei der VwGH in dieser Entscheidung das LVwZG des Landes Baden-Württemberg anzuwenden hatte; in diesem Punkt stellen sich aber das dt VwZG des Bundes, sowie jene deutschen landesrechtlichen Zustellgesetze, die nicht auf das VwZG des Bundes verweisen, sondern eigene Regelungen getroffen haben, als ident dar). Somit war zu beurteilen, ob durch die Weiterleitung des Straferkenntnisses durch Herrn P und die Übernahme desselben durch den Berufungswerber in Ungarn die Rechtswirkungen der Zustellung auslösen konnten.

Es existieren keine bilateralen oder multilateralen internationalen Verträge, welche die Rechtshilfe im Bereich der Verwaltungsstrafverfahren zwischen der Republik Ungarn und der Republik Österreich regeln. Insbesondere hat die Republik Ungarn das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland nicht unterzeichnet. Das Europäische Übereinkommen vom 20 April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen, dem Ungarn beigetreten ist, war nicht anwendbar, weil gemäß Art I dieses Abkommens Rechtshilfe nur für Verfahren wegen strafbarer Handlungen geleistet wird, zu deren Verfolgung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, die Justizbehörden des ersuchenden Staates zuständig sind. Da zur Verfolgung von Übertretungen der Straßenverkehrsordnung in Österreich die Verwaltungsbehörden und nicht die Justizbehörden berufen sind, konnte Rechtshilfe aufgrund des Europäischen Übereinkommens vom 20 April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen nicht begehrt werden.

 

Auch das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Ungarischen Volksrepublik (nunmehr: Republik Ungarn) über die kriminalpolizeiliche und verkehrspolizeiliche Zusammenarbeit (BGBl Nr 399/1980), worin Bestimmungen über die wechselseitige Amtshilfe enthalten sind, war im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil die verkehrspolizeiliche Amtshilfe nach Art 18 dieses Abkommens nicht auch Verwaltungsstrafverfahren umfasst, sondern lediglich Informationsverpflichtungen enthält.

 

Weiters sind keine verbindlichen Regelungen durch Organe der Europäischen Union für die Leistung von Rechtshilfe (namentlich für Zustellungen) in Verwaltungsstrafverfahren (ausgenommen Finanz- und Zollstrafverfahren) vorhanden, so dass auch die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zustellung nicht anhand solcher europarechtlicher Bestimmungen erfolgen konnte.

 

Zur Feststellung der nach § 11 Zustellgesetz sonst maßgeblichen Umstände ersuchte der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland daher die Österreichische Botschaft in Budapest (im Weiteren kurz: ÖB Budapest) sowie die Ungarische Botschaft in Wien um Rechtshilfe. Seitens der Ungarischen Botschaft in Wien wurde mitgeteilt, dass das Rechtshilfeersuchen zur Beurteilung nach Budapest weitergeleitet worden sei. Trotz mehrfacher Urgenzen langte seitens der Ungarischen Botschaft keine Antwort ein. Bei der weiteren Beurteilung stand daher nur das Erhebungsergebnis der ÖB Budapest zur Verfügung. Der von der ÖB Budapest vorgelegten auszugsweisen Übersetzung des ungarischen Gesetzes IV über die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahren zufolge existieren im ungarischen Recht zwar Vorschriften darüber, wie ungarische Behörden im Falle der Zustellung eines Schriftstückes außerhalb Ungarns vorgehen sollen; Vorschriften wie Zustellungen von Schriftstücken nicht-ungarischer Behörden in Ungarn vorzunehmen sind, sind allerdings nicht enthalten (in diesem Sinne auch Wessely, Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung ausländischer Täter, ZfV 2000/936, FN 52 auf Seite 397, wonach von ihm auch Ungarn als Staat angeführt wurde, dem ?eine Regelung der Zustellung ausländischer Schriftstücke fremd ist?).

 

Es war daher auf das von der ÖB Budapest übermittelte allgemein auf Rechtshilfe bezugnehmende Erhebungsergebnis hinsichtlich jener internationalen Übung abzustellen, nach welcher der ungarische Staat Zustellungen von Schriftstücken ausländischer Behörden auf seinem Hoheitsgebiet in Angelegenheiten der Verwaltungsstrafverfahren zulässt.

 

Aus der von der ÖB Budapest vorgelegten Stellungnahme konnte Folgendes entnommen werden:

 

?Zustellung ausländischer Dokumente mangels Rechtshilfe

25) Wenn das Rechtshilfeersuchen aus einem Staat gekommen ist, mit dem kein Rechtshilfeabkommen getroffen wurde und keine Gegenseitigkeit besteht, soll das Rechtshilfeersuchen an die Internationale Rechtsabteilung zur Stellungnahme übermittelt werden.?

 

?Zustellung eines ausländischen Dokumentes im Inland

56) Bei der Zustellung eines ausländischen Dokumentes im Inland sind die internationalen Verträge und die betreffenden Verordnungen der ungarischen Rechtsvorschriften maßgebend. Dem Rechtshilfeersuchen betreffend die Zustellung des Dokumentes soll im Allgemeinen durch Zustellung des Dokumentes am Postweg nachgekommen werden. Der Adressat kann das Dokument bei Gericht auch persönlich übernehmen, er kann aber vom Gericht nicht vorgeladen werden. Falls das Gericht betreffend der Zustellung auch die verbale Mitteilung für nötig hält, kann der Adressat vorgeladen werden.

57) Auf Anfrage der ausländischen Behörde soll das im Inland zuzustellende Dokument vom Gericht am Postweg eingeschrieben geschickt werden.

58) Dem Ansuchen betreffend Zustellung des ausländischen Dokumentes soll im Allgemeinen auch durch Zwangszustellung nachgekommen werden. Um dem Rechtshilfeersuchen betreffend die vom ausländischen Gericht eingebrachte Zustellung nachzukommen, soll das Gericht nicht nur das Dokument und den Zustellnachweis übermitteln, sondern auch amtlich bestätigen, dass die Zustellung laut den betreffenden ungarischen Rechtsvorschriften rechtskräftig ist. Die Zwangszustellung ist nicht zulässig, wenn die ausländische Behörde die beglaubigte ungarische Übersetzung dem Dokument nicht beilegt hat.?

 

?Verständigung der ausländischen Behörde von der Verrichtung des Rechtshilfeersuchens

65) Die ausländische Behörde soll von der Zustellung des Dokumentes verständigt werden, bzw warum das Dokument nicht zugestellt werden konnte. Die Verständigung wird in ungarischer Sprache übermittelt. Soll Österreich, die Tschechei, die Slowakei, Polen bzw. Rumänien verständigt werden, sollen die entsprechenden zweisprachigen Formulare ausgefüllt werden.?

 

Aufgrund dieser Ausführungen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der ungarische Staat in Verfahren wegen Verwaltungsstrafverfahren bislang Zustellungen von Schriftstücken mit hoheitlichem Charakter ausländischer Behörden ohne angeschlossener Übersetzung auf dem Postwege zuließ. Es war vielmehr davon auszugehen, dass nach jener internationalen Übung, nach der die Republik Ungarn Zustellungen in Verwaltungsstrafsachen zulässt, es erfordert, einer Verfahrensanordnung oder Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren eine Übersetzung in die ungarische Sprache beizufügen und den oben beschriebenen Weg des Ersuchens um Rechtshilfe zwecks Zustellung der behördlichen Schriftstücke einzuhalten. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland war für die Zustellungen von Schriftstücken in Verwaltungsstrafverfahren die oben angeführte Zustellart der "Zwangszustellung" maßgebend. Dies deshalb, weil gerade im Verwaltungsstrafverfahren Verfügungen und Entscheidungen der Strafbehörde auch gegen den Willen eines Beschuldigten Geltung erlangen sollen.

 

Die von Wessely in Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung ausländischer Täter, ZfV 2000/936, geäußerte Ansicht, wonach im Falle der Zustellung unter Einbindung der Posteinrichtungen davon auszugehen sei, dass seitens des betroffenen Staates die Duldung der Vornahme von Zustellungen von Schriftstücken eines anderen Staates mit hoheitlichem Charakter vorliege, weil es sich dabei zumeist um staatliche oder staatsnahe Einrichtungen handle, wird vom Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland nicht geteilt. Wie Wessely, aaO, selbst (zutreffend) ausführt, war bei der Schaffung des § 11 Zustellgesetz ausschlaggebend, dass die Zustellung österreichischer behördlicher Schriftstücke im Ausland einer völkerrechtskonforme Ausgestaltung zugeführt wurde. Ausschlaggebend war, dass ohne Zustimmung des jeweiligen Territorialstaates auf fremdem Staatsgebiet staatliche Hoheitsakte eines anderen Staates grundsätzlich nicht gesetzt werden dürfen. Zu diesen Hoheitsakten zählen nach herrschender Meinung nicht nur solche, die unmittelbare Auswirkungen im Territorialstaat entfalten, sondern auch etwa polizeiliche Erhebungen oder die Zustellung amtlicher Schreiben; insbesondere solcher, die für den Adressaten rechtserhebliche Wirkungen - wie hier die Pflicht Zahlung einer Geldstrafe bzw. Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe - auslösen.

 

Würde nun die Übermittlung auf dem Postweg ohne Weiteres als zulässige Art der Zustellung von Schriftstücken mit hoheitlichem Charakter angesehen werden, hätte dies zur Folge, dass seitens der Republik Österreich Zustellungen mit Hoheitscharakter ohne Weiteres in jedem Staat durchgeführt werden dürfen, der über ein funktionierendes Postsystem verfügt. Dadurch würde aber nicht nur die Anordnung des § 11 Zustellgesetz in weiten Bereichen überflüssig werden, sondern würde die Zielsetzung des § 11 Zustellgesetz geradezu ins Gegenteil verkehrt werden, weil jenen Staaten, die keine (inhaltliche) Postüberwachung vornehmen, die von Wessely, aaO, angeführte völkerrechtliche Beurteilung, ob der Hoheitsakt eines anderen Staates auf eigenem Staatsgebiet toleriert wird oder nicht, entzogen werden würde. Aus diesem Grund kann auch nicht von einer Heilung durch tatsächliches Zukommen des Schriftstückes auf fremdem Territorium im Sinne des § 7 Zustellgesetz ausgegangen werden, weil es keinen Unterschied machen würde, ob ein Schriftstück dem Empfänger nun auf dem Postwege oder auf anderen vom jeweiligen Staat nicht zugelassenen Wegen übergeben würde. Ob eine solche ?Heilung von Zustellmängeln? möglich wäre, kann wieder nur unter den Kriterien des § 11 Zustellgesetz, nämlich Abstellen auf internationale Verträge, nationale Rechtsvorschriften oder internationale Übung des Staates, in dem zugestellt werden soll, beurteilt werden. Würde die Heilung von Zustellmängeln nach § 7 Zustellgesetz auf fremdem Territorium zulässig sein, so wäre jedes weitere Auseinandersetzen mit den in § 11 Zustellgesetz genannten Voraussetzungen entbehrlich, weil jedenfalls mit tatsächlichem Zukommen die Zustellung bewirkt wäre. Dies wäre aber mit der oben angeführten Zielsetzung des § 11 Zustellgesetz, nämlich die Wahrung der Souveränität anderer Staaten, nicht vereinbar. Aus diesem Grund war auch den vereinzelt gebliebenen Judikaten des VwGH (VwGH 23 06 2003, 2002/17/0182), die, ohne auf diese Umstände Bedacht zu nehmen und auf rein formelle Aspekte der Einreihung des § 7 Zustellgesetz in Kapitel I des Zustellgesetzes abstellend, die Anwendbarkeit des § 7 Zustellgesetz auch auf Zustellungen im Ausland bejahten, nicht zu folgen.

 

Somit war im Ergebnis davon auszugehen, dass in Verwaltungsstrafverfahren eine bloße Übermittlung eines nur in Deutsch gehaltenen Straferkenntnisses auf dem Postwege unter Beifügung eines internationalen Rückscheines an einen in Ungarn aufhältigen Empfänger keine Zustellwirkungen entfaltet.

 

Im vorliegenden Fall wurde dem Berufungswerber erwiesenermaßen das Straferkenntnis vom 12 08 2004 lediglich in deutscher Sprache, ohne die oben beschriebene Vorgangsweise einzuhalten, übermittelt. Infolge des Fehlens einer Übersetzung in die ungarische Sprache und mangels Einhalten jenes Weges, den die internationale Übung für Zustellungen auf dem Gebiet der Republik Ungarn vorsieht, wurde die Zustellung des Straferkenntnisses in Ungarn nicht gültig bewirkt. Dass die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See ursprünglich die Postsendung nach Deutschland adressierte und sendete, vermochte an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

 

Nun mag es auf den ersten Blick als verwunderlich erscheinen, dass für die Gültigkeit der Zustellung an einen in Ungarn wohnhaften, aber der deutschen Sprache mächtigen Staatsangehörigen von Deutschland, die Beifügung einer Übersetzung in ungarische Sprache erforderlich ist, zumal es durchaus sein könnte, dass ein solcher Empfänger gar nicht in der Lage wäre, die ungarische Sprache zu verstehen. Dazu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verständlichkeit des Tatvorwurfes für den Empfänger aus dem Blickwinkel des Art 6 EMRK zu gewährleisten ist, jedoch die Notwendigkeit des Anschlusses einer Übersetzung in die ungarische Sprache die Konsequenz daraus ist, dass dem ungarischen Staat (bzw. seinen Repräsentanten) zur Wahrung seiner Souveränität die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Überprüfung vorzunehmen, ob dem Zustellersuchen der Republik Österreich nachgekommen werden wird, oder ein solches abgelehnt wird, so dass der Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes in diesem Fällen nicht nur dem "eigentlichen" Empfänger, sondern auch den Vertretern der Republik Ungarn dargebracht werden muss.

 

Da das Straferkenntnis bislang mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht erlassen wurde, konnte dagegen auch nicht Berufung erhoben werden. Die vorliegende Berufung war daher als unzulässig zurückzuweisen.

 

Da die Berufung zurückzuweisen war, war diese Entscheidung gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu fällen.

Schlagworte
Zustellung in Ungarn, Zustellung im Ausland, ungarisches Recht, internationale Übung, Zustellmangel, Ungarn, Zwangszustellung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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