TE UVS Tirol 2004/11/04 2004/23/201-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Berufung des Herrn J. B., XY, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 14.9.2004, Zl SI-230-2004, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4.11.2004 wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Text

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe es am 21.3.2004 gegen 12.00 Uhr im Gemeindegebiet von Hippach, Bereich Schwendberg HNr. 390, unterlassen, sein Tier (Mischlingshund) derart zu beaufsichtigen oder zu verwahren, sodass dadurch Dritte nicht über das zumutbare Maß hinaus belästigt oder gefährdet würden. Durch diesen Umstand war es dem freilaufenden Tier möglich, ein Kind (D. M.) zu attackieren und durch einen Biss im Gesicht zu verletzen.

 

Dadurch habe der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung gemäß § 6 Abs 1 Tiroler Landespolizeigesetz begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 80,00, Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden, gemäß § 8 Abs 1 lit a Tiroler Landespolizeigesetz verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben.

 

In dieser Berufung bringt der Beschuldigte vor, dass nicht der Hund dem Kind nachgelaufen sei, sondern dass sich das Kind dem Hund genähert habe und der Hund unmittelbar im Eingangsbereich des Hauses unter Aufsicht seines Bruders und seiner Mutter gesessen sei.

 

Aufgrund dieses Berufungsvorbringens fand am 4.11.2004 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Zuge dieser öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde auch der Bruder des Beschuldigten als Zeuge vernommen und machte dieser dabei folgende Angaben:

 

?Ich kann mich an den 21.3. dieses Jahres noch erinnern. Ich bin damals gemeinsam mit meiner Mutter und der Tochter des Beschuldigten vor dem Haus gesessen. Ca. 2 bis 3 m entfernt von mir saß der Hund meines Bruders im Gras. Während die Nachbarskinder spielten, kam M. D. her und ging zum Hund hin. Er hat mir dann den Rücken zugewandt, allerdings glaube ich, dass er dem Hund dann direkt ins Gesicht gegriffen hat. Als Reaktion darauf hat dann der Hund nach ihm geschnappt. Ich habe dies allerdings erst gemerkt, als M. D. vom Hund wegging, sich umdrehte und zu schreien begann.

 

Ich persönlich schließe es aus, dass sich der Hund dem Kind genähert hat.?

 

Gemäß § 6 Abs 1 Tiroler Landespolizeigesetz sind Tiere sind so zu beaufsichtigen oder zu verwahren, dass durch sie Dritte nicht gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

 

Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines "Ungehorsamsdeliktes" - als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt - tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Da die Erstbehörde zu Recht von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ausgegangen ist, wäre es Sache des Berufungswerbers gewesen, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere dass er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl ua das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02. April 1990, Zl 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde (vgl ua das Erkenntnis des VwGH vom 19.09.1989, Zl 89/08/0221).

 

Für das Verwaltungsstrafrecht gilt das Schuldprinzip. Das heißt, eine Bestrafung ist nur bei Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens möglich (VwGH vom 13.5.1987, Zl 85/18/0067).

 

Die für eine Bestrafung notwendige Fahrlässigkeit definiert der Gesetzgeber im § 6 StGB. Im Falle der unbewussten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, dass er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen könnte.

 

Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass der hierfür geltende Maßstab ein objektiv normativer ist (VwGH vom 28.10.1980, Slg. 9710A). Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, dem er sich in die Lage des Täters versetzt, zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH vom 12.6.1989, Slg. 12947A).

 

Die objektiven Sorgfaltspflichten legen immer nur das Mindestmaß der anzuwendenden Sorgfalt fest. In atypischen Situationen wird von einem einsichtigen und besonnenen Menschen in der Lage des Täters ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangt. Andererseits muss man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Bei der Wertung eines Verhaltens nach dem Gesichtspunkt des Verschuldens darf die Frage der Zumutbarkeit nicht außer Acht gelassen werden (VwGH vom 6.6.1966, Zl. 1137/65).

 

Auf den gegenständlichen Sachverhalt bezogen bedeutet dies für den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol, dass der Beschuldigte das ihm vorgeworfene Delikt in subjektiver Hinsicht nicht zu verantworten hat.

 

Zum damaligen Zeitpunkt befand sich der Hund unter Aufsicht der Mutter des Beschuldigten und des Bruders des Beschuldigten. Diese befanden sich mit dem Hund vor dem Haus im Garten. Beide Personen befanden sich in einer Entfernung von ca. 2 Metern zum ruhig sitzenden Hund. Als sich der minderjährige M. D. dem Hund näherte, verleitete er ihn durch einen Griff ins Gesicht dazu, nach ihm zu schnappen.

 

Hierbei handelt es sich jedoch um einen Handlungsablauf, für den kein Verschulden hinsichtlich einer nicht ordnungemäßen Verwahrung feststellbar ist. Auch unter Zugrundelegung einer strengen Sorgfaltspflicht kann im vorliegenden Sachverhalt kein Verschulden erblickt werden.

 

Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Das fehlende Verschulden erweist sich im vorliegenden Fall als Strafausschließungsgrund.

 

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
zum, damaligen, Zeitpunkt, befand, sich, Hund, unter Aufsicht, Mutter, des, Beschuldigten, Bruders, des Beschuldigten, befanden, sich, mit, dem Hund, Garten, einer, Entfernung, von, ca. 2 Metern, zum ruhig, sitzenden, Hund, als, sich, minderjährige, näherte, verleitete, ihn, durch Griff, ins Gesicht, dazu, nach ihm zu schnappen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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