TE UVS Burgenland 2004/11/10 059/02/04001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2004
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Grauszer über die Berufung des Herrn *** (in der Folge als Berufungswerber kurz ?BW? genannt), geboren am ***, ***, vom 02 04 2004, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung (BH) vom 31 03 2004, Zl 300-1327-2003, mit dem sein Antrag vom 4 12 2003 auf 1) rechtswirksame Zustellung der Strafverfügung der BH vom 6 2 2003 und 2) Rückerstattung des seiner Meinung nach unrechtmäßig einkassierten Strafbetrages von 72 Euro und der von ihm unverschuldet aufgewandten Kosten von 28 Euro abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung

zu 1) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Zustellungsantrages ersatzlos behoben, und

zu 2) keine Folge gegeben und der Rückerstattungsantrag zurückgewiesen.

Text

Mit Strafverfügung vom 6 2 2003 wurde Herrn *** eine Übertretung des Meldegesetzes zur Last gelegt und eine Geldstrafe von 72 Euro festgesetzt. Die BH verfügte eine RSa-Zustellung dieses Bescheides an der Adresse 1030 Wien, ***gasse **. Laut Rückschein wurde die Zustellung am 10 02 und 11 02 2003 versucht und am zweitgenannten Tag die Postsendung hinterlegt und eine diesbezügliche Verständigung in das Hausbrieffach eingelegt. Der hinterlegte Brief wurde der BH nach dem 3 3 2003 mit dem Postvermerk ?Nicht behoben? rückgemittelt.

 

Ein an dieselbe Wiener Adresse gerichtetes Schreiben der BH vom 12 3 2003 betreffend die Klärung der Frage der Ortsabwesenheit von der dortigen Wohnung erlitt dasselbe Schicksal wie die Strafverfügung.

 

Die BH veranlasste  Erhebungen zwecks Feststellung der Abwesenheit des BW von obiger Wohnung. Die BPD Wien teilte der BH mit Schreiben vom 20 05 2003 mit, dass sich Herr *** weder auf eine einfache Ladung noch eine hinterlegte Benachrichtigung anlässlich der am 13 5 2003 durchgeführten Hauserhebung (gemeint zwecks Feststellung seiner  Wohnung in der ***gasse ** und seiner in Frage stehenden Ortsanwesenheit durch das Bezirkspolizeikommissariat Landstraße) gemeldet habe. Dort habe der BW laut Hausverwaltung eine Eigentumswohnung. Eine namentlich nicht genannte Nachbarin habe telefonisch mitgeteilt, dass in dieser Wohnung niemand wohne, weil ?da niemand gesehn wird.? Ob der BW zum Hinterlegungszeitpunkt ortsanwesend / ortsabwesend gewesen wäre, hätte nicht in Erfahrung gebracht werden können. Aktenkundig ist ein an obgenanntes Kommissariat gerichtetes Schreiben des BW vom 19 5 2003, in dem er Bezug auf die Überprüfung seines Wohnsitzes nimmt und ausführt, dass er an seiner einzigen Meldeadresse in *** N*, , den am häufigsten benutzten Wohnsitz habe. Die Wohnung in der ***gasse benutze er nur sporadisch und diene sie als Vermögensanlage. An Wochenenden sei er üblicherweise bei seiner Ehegattin *** in Graz, mit der er eine ?Wochenendehe? führe, wo er deshalb nicht gemeldet sei. In Wien halte er sich gelegentlich für einzelne Tage in der Wohnung seiner Eltern in 1120, ***, auf, wo er aber nur ab und zu nächtige und nicht gemeldet sei. Mit Schreiben vom 17 6 2003 teilte dasselbe Kommissariat über neuerliche Anfrage der BH mit, dass Herr *** laut eigenen Angaben am 10 2 03 nach dem Büro von Wien nach Eisenstadt und nach N*** gefahren sei, um dort zu nächtigen. Am 11 2 2003 sei er von N*** nach Wien zur Arbeit und wieder zurück gefahren. Das Datum der Anwesenheit in der (gemeint: Wohnung in der) ***gasse habe er nicht bekannt geben können. Ihm sei auch keine Postbenachrichtigung (gemeint wohl: betreffend die Hinterlegung von Briefen der BH) erinnerlich. Der BW ersuchte um Postzustellung an seine Büroanschrift. Über Auftr

ag der BH berichtete der Gendarmerieposten N*** am 6 7 2003, dass die Tochter des BW (***) angegeben habe, dass der BW am 10 oder 11 02 2003 nicht in N***. in der ***gasse **genächtigt habe. Dort sei er in den letzten zwei Jahren nur gelegentlich zu Kurzbesuchen gewesen. Mit diesem Ermittlungsergebnis wurde der BW in erster Instanz nicht konfrontiert.

 

Offenbar ausgehend von der Rechtskraft der obgenannten Strafverfügung beantragte die BH mit Eingabe vom 19 11 2003 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Fahrnis- und Gehaltsexekution, welche von diesem Gericht auch mit Beschluss vom 2 12 2003 zur Zahl *** bewilligt wurde (Kapitalforderung von 72 Euro und Kosten des Exekutionsantrages von 28 Euro).

 

Wegen dieser Gehaltsexekution richtete der BW seine Eingabe vom 4 12 2003 an die BH und beantragte, ihm den bezüglichen Strafbescheid vom 6 2 2003 rechtswirksam zuzustellen, weil dies bisher nicht geschehen sei. Er vermute, dass die Zustellung in den Wohnungen in N*** und Wien versucht worden sei. Dort sei jedoch wegen seiner vorübergehenden Abwesenheit (er verfüge über mehrere Wohnsitze, die er abwechselnd benutze und sei auch für längere Zeit oft beruflich im Ausland) eine Hinterlegung unzulässig. Er habe nur zur Schadensbegrenzung bezahlt und halte fest, dass die Strafverfügung nie wirksam zugestellt worden sei. Er beantragte weiters die Rückerstattung des unrechtmäßig inkassierten Strafbetrages von 72 Euro samt Kosten von 28 Euro.

 

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, dessen Spruch lautet:

?Ihr Antrag vom 4 12 2003 auf rechtswirksame Zustellung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt ? Umgebung vom 6 2 2003 und Rückerstattung des Ihrer Meinung nach unrechtmäßig einkassierten Strafbetrages von 72 Euro und der Ihrerseits unverschuldet aufgewandten Kosten von 28 Euro wird infolge bereits erfolgter vorschriftsmäßiger Zustellung der genannten Strafverfügung, rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens und vorschriftsmäßig durchgeführtem Vollstreckungsverfahren abgewiesen?.

 

Begründend führte die BH aus, dass wegen der unbedenklichen Angaben der Tochter,  dass ihm in der ***gasse allein eine Eigentumswohnung gehöre und er in Wien arbeite, der Schluss gerechtfertigt sei, dass er die genannte Wohnung in Wien nicht bloß sporadisch benütze. Die Ortsabwesenheit von dieser Wohnung zum Zeitpunkt der Hinterlegung habe er nicht belegen können, ein Zustellfehler des Postbediensteten (gemeint wohl: Unterlassen der Hinterlegungsanzeige im richtigen Postbrieffach) sei nicht aktenkundig. Deshalb habe diese Hinterlegung die Zustellung der Strafverfügung bewirkt. Mangels Einspruches sei die Strafe rechtkräftig geworden. Ihre Einbringung im Vollstreckungsverfahren sei deshalb rechtens erfolgt.

 

Diese Entscheidung bekämpft der BW, indem er die Beweiswürdigung der BH betreffend seinen Aufenthalt in der Wohnung in der ***gasse rügt und mangelhaftes Ermittlungsverfahren (keine Befragung seiner Tochter als Zeugin im Verfahren) geltend macht. Er sei auch nie von der BH zur Glaubhaftmachung seiner Ortsabwesenheit angehalten worden. Der BW hält die Anträge auf Bescheidzustellung und Rückerstattung von 100 Euro aufrecht und verlangt die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

 

Über Aufforderung des Verwaltungssenats gab der BW mit Schreiben vom 19 7 2004 bekannt, üblicherweise (wenn er sich in Wien aufhalte) in der Wohnung seiner Eltern am ***weg zu nächtigen. Die in dem Haus ***weg sonst noch wohnende Mieterin sei meistens abwesend und begegne ihm nur selten. Seine Eltern, die zumeist in ihrem Haus in *** wohnen würden, könnten sich nicht mehr erinnern, wo er sich zur fraglichen Zeit (der Postzustellung der Strafverfügung) aufgehalten habe. Die Wohnung in der ***gasse habe er bis zu seiner Wiederverheiratung am 22 5 2002 häufiger (jedoch zusammenhängend nur für einige Tage), danach nur mehr selten, insbesondere an den wenigen Wochenenden, an welchen seine Gattin nach Wien gekommen sei oder wenn deren erwachsene Kinder eine Unterkunft benötigt hätten, benutzt.

 

Der UVS veranlasste die zeugenschaftliche Einvernahme der Tochter des BW, ***. Sie gab am 11 8  und 14 9 2004 an, dass ihr Vater unmittelbar nach der Scheidung (2000 oder 2001) nach Wien verzogen sei und ihr damals mitgeteilt habe, dass er in seiner Wohnung in der ***gasse ** wohne. Sie habe mit ihm nur mehr telefonisch einmal im Jahr Kontakt. Da er ihr seither nichts anderes mitgeteilt hätte, sei sie (gemeint wohl: anlässlich der Gendarmeriebefragung) davon ausgegangen, dass er noch immer dort wohne.

 

Hierüber wurde erwogen:

 

Die BH nahm an, dass der BW in seine Wohnung nach 1030 Wien, ***gasse **, verzogen sei und seine vorherige Unterkunft in N*** aufgegeben habe. Die erforderliche meldepolizeiliche Abmeldung habe er im Zeitraum 1 1 2001 bis 29 1 2003 unterlassen. Die deswegen unter dem 6 2 2003 ausgestellte Strafverfügung wurde versucht, an die vorgenannte Wiener Adresse zuzustellen, weil die BH davon ausgegangen ist, dass er dort eine Abgabestelle (Wohnung) hatte. Dafür findet sich jedoch kein Beweis. Die BH stützt sich bei ihrer Sachverhaltsfeststellung nur (und unzulässigerweise) auf ?Hörensagen? (was die Gendarmerie über die ihr gegenüber gemachten Angaben der Tochter berichtete). Da sich die  Aussage der Tochter betreffend die vorgenannte Wiener Wohnung auf eine ihr gegenüber gemachte Angabe des BW aus der Zeit unmittelbar nach der Scheidung - und nicht den Zeitraum der Zustellung - bezieht, was bei ihrer Zeugeneinvernahme im Berufungsverfahren hervorkam, begründet sie keinen Beweis für die Annahme einer dortigen ständigen Unterkunft (Abgabestelle) des BW. Dadurch wird sein dagegen sprechendes Vorbringen (die Wohnung in der ***gasse diene im Wesentlichen als Wertanlage; seit seiner neuerlichen Heirat am 22 5 2002 habe er sie nur mehr selten an wenigen Wochenenden, wenn seine Gattin zu Besuch nach Wien komme oder ihre erwachsenen Kinder ein Quartier benötigten, benützt; er wohne unter der Woche meistens bei seinen Eltern am ***weg in 1120 Wien, am Wochenende bei seiner jetzigen Gattin in Graz) nicht entkräftet. Die Schlussfolgerung der BH, dass er die Wohnung ***gasse ?regelmäßig? benutze, weil er ihr alleiniger Eigentümer sei und in Wien arbeite, ist weder zwingend noch nahe liegend, weil der BW auf eine andere Wohnmöglichkeit in Wien ***weg (bei seinen Eltern) hinwies (wo er im übrigen seit 1956 polizeilich gemeldet ist), und werden viele Eigentumswohnungen nicht von den Eigentümern zum Wohnen benützt, weil sie vermietet sind oder ?leer? stehen, siehe hier ?Wertanlage?). Dazu kommt, dass der Polizeibericht vom 20 5 2003 indi

ziert, dass er in der Wohnung ***gasse keine ständige Unterkunft genommen hatte, jedenfalls ist daraus kein Argument für den Standpunkt der BH zu gewinnen.

 

Es kann nun dahin gestellt bleiben, ob der BW seine Unterkunft in N** aufgegeben hat und was er zu dortigen Anwesenheiten vorträgt. Ausschlaggebend ist hier nur, ob die BH im Ergebnis zu Recht (dh nach den Ergebnissen eines Beweisverfahrens und nicht aufgrund von Vermutungen) davon ausgehen konnte, dass die Wohnung in der ***gasse im Zeitpunkt der (versuchten) Zustellung eine Abgabestelle iSd § 4 Zustellgesetz idF BGBl 1990/357 war. Dies ist nicht der Fall. Beweise dafür, dass er dort im relevanten Zeitraum eine Abgabestelle hatte, hat die BH nicht erhoben und sind solche auch im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen. Die Aussage seiner Tochter steht seinen Angaben, dass er die erwähnte Wohnung damals nicht (mehr) regelmäßig sondern nur (mehr) fallweise am Wochenende benutzte oder benutzen ließ, jedenfalls nicht entgegen. Mangels Qualifikation dieser Wohnung als Abgabestelle durfte die Strafverfügung dort nicht mit der Post zugestellt werden und ist ihre Hinterlegung beim dortigen Postamt  unwirksam. Die Strafverfügung wurde mangels wirksamer Zustellung nie erlassen.

 

Da sie als erste Verfolgungshandlung aber gegen ihn gerichtet ist und die Sphäre der BH verlassen hat (zur Post gegeben wurde), ist der Wille der BH klar und der jetzige  BW als Beschuldigter in dem gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Meldegesetzes anzusehen. Damit hat er auch Parteistellung erlangt (siehe § 32 Abs 1 und 2 VStG), womit der Rechtsanspruch verbunden ist, dass ihm in diesem Verfahren zu erlassende Bescheide bekannt gegeben werden (siehe § 62 AVG). Daraus folgt, dass er ihre Zustellung begehren kann (mag er auch keinen Rechtsanspruch auf Bestrafung oder Bescheiderlassung iSd § 45 Abs 2 VStG  haben). Diesen Zustellanspruch hat die BH im Anlassfall zu Unrecht verneint, insoweit der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben war. Eine Anordnung des UVS an die BH, die Strafverfügung zuzustellen, kam nicht in Betracht, weil der Berufungsbehörde in diesem Verfahren eine solche Kompetenz fehlt. Durch diese Entscheidung wird aber ausreichend klar, dass die gegenständliche Strafverfügung unwirksam ist und damit auch keine Zahlungspflicht des BW auslöste.

 

Die BH hat auch zu Unrecht entschieden, dass der einkassierte Strafbetrag von 72 Euro samt Kosten von 28 Euro (gemeint sind Antragskosten im gerichtlichen Exekutionsverfahrens) nicht zurückbezahlt werden muss. Der diesbezügliche Antrag des BW stellt einen vermögensrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der exekutiv hereingebrachten Geldstrafe samt Rückzahlung gerichtlich bestimmter Exekutionskosten dar. Da die Strafverfügung unwirksam ist, fehlt der Vermögensverschiebung, die durch die exekutive Hereinbringung der Strafe eingetreten ist, die rechtliche Grundlage. Die Zahlung der Geldstrafe als Nichtschuld  unter dem Druck der Vollstreckung gewährt einen Rückforderungsanspruch. Nach Art 137 B-VG erkennt ?der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder,.... die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.? Soweit die durch die Zwangsvollstreckung bewirkte Vermögensverschiebung auf einem öffentlich-rechtlichen Titel (Strafverfügung mit verhängter Geldstrafe) beruht, ist für die Entscheidung über den Rückforderungsanspruch der VfGH und nicht die BH zuständig. Die Rückforderung der gerichtlich bestimmten Kosten (28 Euro) betrifft hingegen weder eine Zahlung ohne Rechtsgrundlage noch ist der Leistungsgrund weggefallen. Der Kostenbestimmungsbeschluss des Gerichts gehört aktenkundig noch immer dem Rechtsbestand an und steht deshalb einer Rückforderung im Wege des Art 137 B-VG entgegen (siehe zum Ganzen VfGH 6 6 1980, Slg 8812). Insoweit war die BH  zu keiner inhaltlichen Entscheidung über den Antrag  befugt. Er wäre zurückzuweisen und nicht abzuweisen gewesen. Im Ergebnis bleibt der Berufung in diesem Punkt der gewünschte Erfolg verwehrt.

Schlagworte
Abgabestelle, Hinterlegung, wirksame Zustellung, Zustellanspruch
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten