TE Vwgh Beschluss 2001/10/19 2001/02/0160

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Veröffentlicht am 19.10.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §33 Abs3;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §49 Abs1;
VwGG §26 Abs1 Z2;
VwGG §26;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/02/0215

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über den Antrag des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. März 2001, Zl. VwSen-102796/13/Ki/Ka, betreffend Übertretung der StVO und über die Beschwerde selbst (mitbeteiligte Partei: WZ, F), den Beschluss gefasst:

Spruch

1.

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

2.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. März 2001 wurde der Berufung des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn, mit welchem er einer Übertretung der StVO für schuldig befunden worden war, stattgegeben, der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Der angefochtene Bescheid wurde - wie sich aus dem Eingangsstempel des Bezugsaktes des beschwerdeführenden Bundesministers ergibt - diesem am 8. Juni 2001 bekannt.

Zur Rechtzeitigkeit führt der beschwerdeführende Bundesminister - dem hiezu vom Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit gegeben wurde - aus, dass die vorliegende Beschwerde an einem Freitag, dem 20. Juli 2001, unterfertigt und am selben Tag von der Kanzlei abgefertigt worden sei. Nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden Bestimmungen des AVG (gemeint offenbar: § 62 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 AVG) gelte die Frist des § 26 VwGG als gewahrt, wenn die Beschwerde am letzten Tag der Frist zur Post gegeben werde. Der Nachweis hiefür würde in der Regel durch den Poststempel erbracht. Auf ein Einlangen der Beschwerde bei der zuständigen Behörde komme es nicht an. Die Zustellung von Schriftstücken zwischen den Bundesministerien und den in Wien ansässigen Landesbehörden erfolge nicht auf dem Postwege, sondern mittels "Staatsämterabfertigung". Dabei würden die Schriftstücke gesammelt und durch Bedienstete des jeweiligen Ressorts direkt ein - bis zweimal täglich den jeweiligen Adressaten überbracht. Der Zeitpunkt, zu dem die mit der Durchführung der "Staatsämterabfertigung" betrauten Bediensteten das Ressort verließen, sei nicht genau festgelegt und werde nicht dokumentiert. Der "Postenlauf" beginne somit mit der Abfertigung des Schriftstückes durch die Kanzlei. Dieser Zeitpunkt werde durch einen Datumsstempel in dem betreffenden Akt unter Beisetzung der Paraphe des abfertigenden Kanzleibeamten dokumentiert.

Mit diesen Ausführungen ist der beschwerdeführende Bundesminister nicht im Recht:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in jenen Fällen, in denen sich die Behörde zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftstückes nicht der Post bedient (etwa beim Transport durch die so genannte "Staatsämterabfertigung"), ein von der Anrechnung auf die Frist auszuscheidender Postenlauf nicht anzunehmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 93/17/0342, uam).

Die beschwerdeführende Partei führte weiters aus, dass die von ihr erhobenen Beschwerden - stelle man nicht auf das Abfertigungsdatum ab -, bereits am letzten Tag der Frist beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sein müssten (was de facto eine Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen sechswöchigen Beschwerdefrist bedeuten würde) oder dass Beschwerden nur auf dem Postwege eingebracht werden könnten; § 26 VwGG erlaube aber keine Differenzierung zwischen Privatpersonen und Behörden. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach § 33Abs. 3 AVG die Einrechnung des Postenlaufes in die Frist nur bei Inanspruchnahme der Post als einer "ganz bestimmten Übermittlungsart" erfolgen kann (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2000, Zl. 2000/03/0152). Da es wohl keinem Zweifel unterliegen kann, dass diese Bestimmungen sowohl "Amtsparteien" als auch "Privatpersonen" betreffen, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine ungleiche Beurteilung der Rechtzeitigkeit fristgebundener Schriftsätze zu erkennen. Somit wurde die vorliegende, nicht im Postweg übermittelte Beschwerde nicht am 20. Juli 2001, sondern erst am 23. Juli 2001 (mit Einlangen beim Verwaltungsgerichtshof) erhoben.

Seinen (eventualiter gestellten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet der beschwerdeführende Bundesminister damit, dass die Kanzlei beauftragt worden sei, die Beschwerde per Boten zuzustellen. Dies bedeute, dass die Beschwerde nicht im Rahmen des zuvor beschriebenen Systems wie ein beliebiges Schreiben als Teil des für den Verwaltungsgerichtshof bestimmten Konvolutes ausgetragen werden hätte sollen, sondern dass unmittelbar nach Abfertigung durch die Kanzlei eine sofortige gesonderte Zustellung durch persönliche Abgabe der Beschwerde erfolgen hätte müssen. Dies sei eine in derartigen Fällen im Sinne der Kanzleiordnung bestehende Vorschrift, welche bis dato befolgt worden sei und noch nie zu Problemen geführt habe. Eine Kontrolle der kanzleimäßigen Behandlung von Erledigungen durch die Fachabteilungen beziehungsweise die Genehmigenden sei weder vorgesehen noch verwaltungstechnisch machbar. Erstmalig sei ein solcher Kanzleiauftrag durch die sonst zuverlässige Kanzlei übersehen worden und die Beschwerde ohne Hinweis auf die erforderliche Botenzustellung in der Abgangsstelle abgegeben worden. Es sei daher dem beschwerdeführenden Bundesminister kein Verschulden vorwerfbar.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0337).

Eine Partei, die sich nach Übergabe eines fristgebundenen Schriftstückes an einen Boten nicht weiter darum kümmert, ob das Schriftstück auch tatsächlich innerhalb der Einspruchsfrist zur Post gebracht wurde, muss sich vorwerfen lassen, dass sie auffallend sorglos gehandelt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1999, Zl. 99/02/0157). Ebenso muss sich der beschwerdeführende Bundesminister als Amtspartei vorwerfen lassen, wenn er (allenfalls ausgehend von der verfehlten Rechtsansicht, dass durch die Übergabe von Schriftstücken an die Kanzlei beziehungsweise durch deren Abfertigung bereits ein von der Anrechnung auf die Frist auszuscheidender Postenlauf begründet werde) jegliche weitere Kontrolle hinsichtlich der Zustellung der übergebenen Schriftstücke unterlässt. Vor allem im Hinblick auf die den zuständigen Organwaltern der beschwerdeführenden Partei bekannte Tatsache, dass die Übergabe der Beschwerde an die Kanzlei am letzten Tag der Frist erfolgte, wäre die Beurteilung des im Beschwerdefall zur Fristversäumung führenden Fehlers (irrtümliche Einordnung der Beschwerde zur gewöhnlichen Staatsämterabfertigung anstatt Übergabe an einen Boten) als minderer Grad des Versehens nicht gerechtfertigt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Kontrolle der Kanzleitätigkeit in solchen Fällen unzumutbare Anforderungen an die Behördenorganisation stellen würde.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war demnach nicht stattzugeben.

Auf Grund Kenntnisnahme des beschwerdeführenden Bundesministers vom nunmehr angefochtenen Bescheid mit 8. Juni 2001 endete die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof am 20. Juli 2001. Die am 23. Juli 2001 eingebrachte Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z 2 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2001

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001020160.X00

Im RIS seit

19.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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