TE UVS Tirol 2004/11/16 2004/23/162-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den stellvertretenden Vorsitzenden Mag. Albin Larcher über die Berufung von Frau S. P., XY, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 16.7.2004 zur Zahl 702-3d-1017-2003-FS wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung insofern Folge gegeben, dass die Befristung der von der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 16.7.2004 erteilten Lenkberechtigung für die Gruppe B ersatzlos gestrichen wird.

Text

Am 7.7.2003 stellte die Berufungswerberin bei der Bezirkshauptmannschaft Imst einen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung. Nach Absolvierung der vorgeschriebenen Ausbildung sowie einer positiv abgelegten theoretischen und praktischen Prüfung wurde der Antragstellerin am 16.7.2004 eine Lenkberechtigung für die Gruppe B erteilt. Diese Lenkberechtigung wurde auf die Dauer von 4 Jahren befristet. Diese Befristung wurde aufgrund einer Diabeteserkrankung der Antragstellerin ausgesprochen.

 

Mit Schreiben vom 23.7.2004 erhob die Antragstellerin gegen diesen Bescheid Berufung. Diese Berufung richtet sich lediglich gegen die Befristung des Führerscheines.

 

Dieser Berufung kommt Berechtigung zu.

 

Im erstinstanzlichen Akt findet sich ein fachärztliches Gutachten der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Innsbruck ? Klinische Abteilung für Allgemeine Pädiatrie. Aufgrund dieses Gutachtens ergibt es sich, dass die Antragstellerin, welche am 27.6.1987 geboren ist, seit April 1994 an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I erkrankt ist. Die Patientin wird mehrmals jährlich an der Diabetes-Ambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde Innsbruck kontrolliert. Ihre Blutzuckereinstellung ist mit Hb A 1C-Werten um 7,5Prozent sehr gut. Die Patientin ist geschult und erkennt Hypoglykämien rechtzeitig. Die Patientin ist auf eine Isulinpumpentherapie eingestellt, von Seiten des Diabetes bestehen keine Sekundärkomplikationen.

 

Von ärztlicher Seite bestehen keine Einwände für den Erhalt des Führerscheines. Wegen sehr guter Stoffwechselkontrolle kann aus ärztlicher Sicht eine unbegrenzte Ausstellung des Führerscheines verantwortet werden.

 

Aufgrund dieses vorliegenden Befundes der Klinik Innsbruck wurde von der Landessanitätsdirektion ein ergänzendes Gutachten eingeholt. In diesem Gutachten wird zusammengefasst folgendes vorgebracht:

 

Bei der Berufungswerberin liegt seit 10 Jahren eine Zuckerkrankheit vor. Die Patientin steht in regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen an der Universitätsklinik Innsbruck, wird mit Insulin therapiert und ist bezüglich ihrer Erkrankung geschult, sodass von ihr Hypoglykämien (Unterzuckerung) rechtzeitig erkannt werden können. Laut fachärztlicher Bestätigung ist ihre Blutzuckereinstellung sehr gut. Bei der eigenen Untersuchung fand sich ein altersgemäß unauffälliger Status, von ihrer Persönlichkeit hat die Berufungswerberin einen sehr verlässlichen Eindruck hinterlassen.

 

Durch die ausgeglichene Stoffwechsellage sind bei Frau P. die Voraussetzungen zum sicheren Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 daher gegeben.

 

Da jedoch vom Grundsatz her Diabetiker, welche mit Insulin behandelt werden, hypoglykämiegefährdet sind und im weiteren Verlauf der Erkrankung typische Komplikationen auftreten können, wie zB eine Verschlechterung des Sehvermögens durch Retinopathia diabetica ist nach amtsärztlichem Dafürhalten die Befristung der Lenkberechtigung auf fünf Jahre durchaus gerechtfertigt.

 

Mit dem mündlich erlassenen erstinstanzlichen Bescheid vom 16.7.2004 wurde gemäß § 24 Abs 1 Z 2 Führerscheingesetz aufgrund des ärztlichen Gutachtens (§ 8 Abs 3 FSG) die erteilte Lenkberechtigung bis zum 21.7.2008 befristet.

 

Die im gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des Führerscheingesetz - FSG - (BGBl I Nr 120/1997 idgF) lauten:

 

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),

2.

verkehrszuverlässig sind (§ 7),

3.

gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

 4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und

 5. den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.

 

§ 5 (4) Die Lenkberechtigung ist zu erteilen, wenn das in den §§ 6 bis 11 angeführte Verfahren ergibt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen. Ist seit der Einbringung des Antrages auf Erteilung der angestrebten Lenkberechtigung mehr als ein Jahr verstrichen, so hat die Behörde neuerlich zu prüfen, ob der Antragsteller verkehrszuverlässig ist.

(5) Die Lenkberechtigung ist, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs 3 Z 2); Personen, die nach dem ärztlichen Gutachten ?beschränkt geeignet? sind, darf nur eine eingeschränkte Lenkberechtigung erteilt werden, die ausschließlich zum Lenken eines oder mehrerer, auf Grund der Beobachtungsfahrt bestimmter Ausgleichkraftfahrzeuge berechtigt (§ 9 Abs. 5).

 

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

?geeignet?, ?bedingt geeignet?, ?beschränkt geeignet? oder ?nicht geeignet?. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund   1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten ?geeignet? für diese Klassen zu lauten;

2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke  oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten ?bedingt geeignet? für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

3. zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z 24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten ?beschränkt geeignet? zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Mängel die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Mängel ausgeglichen werden können;

4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten ?nicht geeignet? für die entsprechenden Klassen zu lauten.

(4) Wenn das ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, so sind diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen.

 

Die im gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV (BGBl II Nr 322/1997 idgF)lauten:

 

§ 2 (3) Im Falle, dass das ärztliche Gutachten eine amtsärztliche Nachuntersuchung oder ärztliche Kontrolluntersuchungen oder die Verwendung von bestimmten Körperersatzstücken oder Behelfen vorschreibt, ist die Lenkberechtigung nur bis zu dem Zeitpunkt der nächsten amtsärztlichen Nachuntersuchung befristet, erforderlichenfalls unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen, oder unter der Auflage der Verwendung dieser Körperersatzstücke oder Behelfe zu erteilen. Die Befristung oder Auflage ist gemäß § 13 Abs 2 FSG in den Führerschein einzutragen. Werden ärztliche Kontrolluntersuchungen als Auflage vorgeschrieben, so ist der Befund oder das Gutachten in den vorgeschriebenen Zeitabständen gemeinsam mit dem Führerschein der Behörde vorzulegen.

 

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1.

die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2.

die nötige Körpergröße besitzt,

3.

ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.

aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs 1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

§ 11. (1) Zuckerkranken darf eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

(2) Zuckerkranken, die mit Insulin behandelt werden müssen, darf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nur in außergewöhnlichen, durch die Stellungnahme eines zuständigen Facharztes begründeten Fällen und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen erteilt oder belassen werden.

 

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs 3 Z 2 FSG ist dann gegeben, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maße für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (siehe dazu unter anderem VWGH vom 24. April 2001, Zl 2000/11/0337, mwN).

 

Ausführungen in diesem Sinne fehlen im amtsärztlichen Gutachten. Dass auf Grund der Zuckerkrankheit der Berufungswerberin eine die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließende oder einschränkende Verschlechterung befürchtet werden muss, wird nicht dargetan. Es besteht auch keine allgemeine Notorietät dahingehend, dass im Falle des insulinabhängigen Diabetes mellitus mit einer solchen Verschlechterung gerechnet werden muss. § 11 FSG-GV sieht in seinem Abs 2 bei Zuckerkranken, die mit Insulin behandelt werden müssen, nur in Beziehung auf eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 zwingend die amtsärztliche Nachuntersuchung vor. Die amtsärztliche Sachverständige hätte demnach Ausführungen dazu erstatten müssen, ob es nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft bei insulinabhängigem Diabetes mellitus selbst bei einer - im Falle des Beschwerdeführers vom behandelnden Arzt ausdrücklich bestätigten - guten Stoffwechsellage zu einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung - insbesondere bezüglich der beim Beschwerdeführer bestehenden Folgeschäden an der Netzhaut - kommen kann. Aus diesem Grund war der Berufung Folge zu geben und die ausgesprochene Befristung zu beheben.

Schlagworte
Zuckerkranken, Notwendigkeit, Nachuntersuchungen, Ausführungen, fehlen, im, amtsärztlichen, Gutachten
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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