Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung der Frau M. A., Innsbruck, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. L. B., XY-Straße, I., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 25.08.2004, Zl S-5392/04, betreffend eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 25.08.2004, Zl S-5392/04, wurde Frau M. A., Innsbruck, zur Last gelegt, sie habe als Lenkerin des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen XY am 15.01.2004 um 08.50 Uhr in I., XY, den durch Bodenmarkierungen und Hinweiszeichen gekennzeichneten Fahrstreifen für Omnibusse benützt. Dadurch habe die Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs 5 StVO 1960 begangen. Über diese wurde daher gemäß § 99 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe von Euro 60,00, Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 64 VStG mit 10 Prozent der verhängten Geldstrafe, ds Euro 6,00, bestimmt.
Dagegen hat Frau M. A., rechtsfreundlich vertreten durch Dr. L. B., Rechtsanwalt in I., fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin im Wesentlichen vorgebracht, dass die Tat entgegen dem Straferkenntnis und dem gesamten Vorverfahren nicht um 08.50 Uhr, sondern vielmehr exakt um 07.50 Uhr begangen worden sei. Zudem werde darauf hingewiesen, dass das Parken während der Nachtstunden bis 07.59 Uhr gesetzlich vorgesehen und erlaubt sei. Jedenfalls sei Verjährung der Tat eingetreten, da die gesetzlich vorgeschriebene 6-Monats-Frist zur Konkretisierung verstrichen sei und die Behörde den exakten Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung nicht festgestellt habe. Die Berufungswerberin hat daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Rechtsgrundlagen:
Die im gegenständlichen Fall maßgebliche Bestimmung der Straßenverkehrsordnung 1960 lautet wie folgt:
?§ 9
....
5) Sind auf der Fahrbahn Bodenmarkierungen für das Einordnen bestimmter Fahrzeugarten angebracht, so haben die Lenker der in Betracht kommenden Fahrzeugarten ihre Fahrzeuge nach diesen Bodenmarkierungen einzuordnen. Die Lenker anderer Fahrzeuge haben so gekennzeichnete Straßenteile freizuhalten.
....
Ebenfalls beachtlich ist nachfolgende Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991:
?§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
....?
B) Sachverhalt:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde der Anzeiger in einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung als Zeuge einvernommen. Weiters wurden über die seinerzeitige Arbeitgeberin der Berufungswerberin, die Fa B. AG, Erkundigungen insbesondere zur Frage eingeholt, welche Arbeitszeiten für Frau A. am 15.01.2004 verzeichnet worden sind. Schlussendlich wurde auch die Bezug habende Verordnung der Stadtgemeinde Innsbruck vom 25.11.1992, Zl VI-12575/1991-B/STV, beigeschafft.
Aufgrund dieser Erhebungen konnte nun allerdings die Richtigkeit des Tatvorwurfes nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Gewissheit bestätigt werden.
Wie sich aus der bezogenen Verordnung der Stadtgemeinde Innsbruck ergibt, trifft es zwar nicht zu, dass im Tatortbereich die Benützung des Fahrstreifens durch andere Fahrzeuge als Omnibusse bis 08.00 Uhr morgens gestattet ist, sondern ist dieser zwischen 07.00 Uhr und 19.00 Uhr ausschließlich Omnibussen vorbehalten, an der Richtigkeit des im Straferkenntnis angeführten Tatzeitpunktes ergeben sich allerdings Zweifel.
Bei seiner Einvernahme konnte der bei den Innsbrucker Verkehrsbetrieben beschäftige Anzeiger, Herr P. M., nämlich nicht ausschließen, dass ihm bei Anführung des Tatzeitpunktes allenfalls ein Schreibfehler unterlaufen ist und dieser tatsächlich auf 07.50 Uhr zu lauten hat. Herr M. hat in diesem Zusammenhang auch angemerkt, dass 07.50 Uhr als Tatzeitpunkt an sich logischer erscheine. Im Falle der verbotswidrigen Benützung der Busspur durch andere Fahrzeuge als Omnibusse werde nämlich nach 08.00 Uhr oder 08.30 Uhr grundsätzlich die Abschleppung veranlasst. Vorher nehme man davon Abstand, weil durch die Abschleppung während der Stoßzeit der Verkehr noch stärker behindert würde als durch ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug. Laut seinen Aufzeichnungen habe er gegenständlich keine Abschleppung beauftragt.
Die Erhebungen bei der Arbeitgeberin haben erbracht, dass die Berufungswerberin am Tattag in der B.-Filiale in der K. A., I., beschäftigt war. Der Filialleiter Herr R. A. hat gegenüber der Berufungsbehörde bestätigt, dass laut den Arbeitszeitenaufzeichnungen Frau A. am 15.01.2004 um 08.00 Uhr mit der Arbeit begonnen hat. Arbeitsbeginn für Frau A. wäre an sich bereits um 07.00 Uhr in der Früh gewesen, die Berufungswerberin habe an diesem Tag aber verschlafen. Der Filialleiter hat weiters erklärt, dass die Eintragungen zwar auch durch die Bediensteten vorgenommen werden, er diese aber überprüfe. Ebenfalls hat der Filialleiter bestätigt, dass für Frau A. die Möglichkeit bestanden hat, ihren PKW bei der B.-Filiale zu parken.
Im Zusammenhalt dieser Beweisergebnisse kann nun nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht ausgeschlossen werden, dass das betreffende Fahrzeug um 08.50 Uhr, also dem im Straferkenntnis angeführten Tatzeitpunkt, nicht mehr vor dem Haus XY, I., abgestellt war, sondern die Übertretung tatsächlich ? wie von der Berufungswerberin vorgebracht - um 07.50 Uhr begangen worden ist. Aufgrund der geringen Entfernung zwischen dem Tatort und der damaligen Arbeitsstelle der Berufungswerberin ist es nicht unmöglich, dass diese ? wie von ihr gegenüber der Berufungsbehörde telefonisch vorgebracht ? nach 07.50 Uhr das Fahrzeug zum Parkplatz beim B.-Markt überstellt hat. Wesentlich war aber, dass der Anzeiger selbst zugestanden hat, ihm sei bei der Wiedergabe des Tatzeitpunktes allenfalls ein Fehler unterlaufen.
C) Rechtliche Beurteilung:
Wie zuvor ausgeführt, war die Richtigkeit der im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Tatzeit nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Gewissheit erweisbar. Die Tatzeit stellt allerdings ein essentielles Element der in den Spruch eines Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG aufzunehmenden als erwiesen angenommenen Tat dar. Damit war aber entsprechend dem auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz ?in dubio pro reo? von einer Bestrafung abzusehen.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Berufungsbehörde auch eine Richtigstellung des Schuldspruches auf den von der Berufungswerberin zugestandenen Tatzeitpunkt (15.01.2004, 07.50 Uhr) verwehrt war. Sache des Berufungsverfahrens ist nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und liegt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor (vgl VwGH 02.10.1989, Zl 89/04/0073 uva). Dies hat insbesondere auch für die von der Erstbehörde spruchgemäß bezeichnete Tatzeit zu gelten.
Folgerichtig war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.