Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Alexander Hohenhorst über die Berufung von Herrn H. W., XY, S., Deutschland, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. B. H., XY-Straße, I., vom 25.10.2004 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 07.10.2004, VK-9670-2004, betreffend Übertretung nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm. §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 22,00, zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 12.05.2004 um 22.15 Uhr in Kundl, A 12 bei km 24,3 in Fahrtrichtung Innsbruck als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges mit den Kennzeichen XY/XY ein Kraftfahrzeug mit über 7,5 t höchstes zulässiges Gesamtgewicht entgegen den Bestimmungen des § 30 Abs 1 Z 4 Immissionsschutzgesetz-Luft iVm § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 27.05.2003, BGBl II Nr 278/2003, das ?Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge über 7,5 t höchstes zulässiges Gesamtgewicht an Werktagen zwischen 22.00 bis 05.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen zwischen 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr? auf der A 12 Inntalautobahn zwischen Strkm 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und Strkm 66,780 im Gemeindegebiet von Ampaß missachtet, obwohl die Fahrt nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung fiel und er nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung war. Der Beschuldigte habe dadurch gegen § 30 Abs 1 Z 4 IG-L iVm § 3 der zitierten Verordnung verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 30 Abs 1 Z 4 IG-L eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 110,00 (im Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die Beitragspflicht zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz wurde mit Euro 11,00 bestimmt.
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerechte und zulässige Berufung, in der Herr W. durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringt, dass er zunächst in Deutschland geladen hätte und es geplant gewesen wäre, das Fahrzeug vor Eintritt des Fahrverbotes am Firmensitz in Radfeld abzustellen. Dies wäre ihm problemlos möglich gewesen, wenn er nicht in Deutschland in einen Stau geraten wäre. Trotzdem wäre es ihm zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen, das Fahrzeug bis 22.00 Uhr bei der Firma ohne Verstoß gegen das Fahrverbot abzustellen. Auf der weiteren Fahrt sei es aber auf der A 12 zu erheblichen, nicht vorhersehbaren Verzögerungen gekommen. Er habe seine Fahrt dennoch weiter fortgesetzt, da er diese bei normalem Verkehrsaufkommen vor 22.00 Uhr noch beenden hätte können. Als er bemerkt habe, dass es bereits 22.00 Uhr vorbei war, habe er ohnehin die nächste Möglichkeit nutzen wollen, um das Fahrzeug abzustellen. Da er nicht genau um 22.00 Uhr sein Fahrzeug mitten auf der Autobahn einfach abstellen könne, sei er verpflichtet gewesen, die nächste Möglichkeit, das Fahrzeug sicher und ohne Verkehrsbehinderung abzustellen, zu nutzen. Sollte dies bis einige Minuten nach 22.00 Uhr gebraucht haben, so sei darin kein gravierendes Verschulden begründet. Auch seien die angelasteten Folgen der Übertretung ? wenn überhaupt gegeben ? unbedeutend, da die Immissionsbelastung um 22.15 Uhr gleich hoch sei wie um 22.00 Uhr, zumindest eine allfällige Differenz nicht messbar wäre. Jedenfalls sei aufgrund der konkreten Wettersituation zum Tatzeitpunkt anzunehmen, dass die Immissionsbelastung um 22.15 Uhr geringer war als um 22.00 Uhr. Somit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anwendung des § 21 Abs 1 VStG vorgelegen. Dies gelte auch aufgrund des Umstandes, dass nach der Anhaltung bei der Kontrollstelle Kundl ihm von den kontrollierenden Verkehrsaufsichtsorganen gestattet worden sei, die Fahrt bis zur nächsten Abfahrt fortzusetzen. Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei in so einem Fall ein
e Ermahnung auszusprechen. Es werde deshalb Bescheidbehebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt, in eventu Herabsetzung der Höhe der Geldstrafe.
Die Berufungsbehörde hat hiezu wie folgt erwogen:
Die zur Last gelegte Tathandlung wurde vom Rechtsmittelwerber nie in Abrede gestellt; er beruft sich jedoch darauf, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 VStG vorgelegen wären.
Ein Lenker darf mit seinem LKW nicht mehr knapp vor Beginn des Fahrverbotes in das Sanierungsgebiet einfahren, weil immer mit unvorhersehbaren Verzögerungen und damit einem nicht mehr rechtzeitigen Verlassen des Fahrverbotsbereiches gerechnet werden muss. Wenn noch so ins Sanierungsgebiet eingefahren wird, dass dieses nur bei normalem Verkehrsaufkommen noch rechtzeitig verlassen werden könnte, so nimmt der Fahrer es fahrlässigerweise in Kauf, das Fahrverbot zu verletzen. Auch ist es zu spät, erst nach 22.00 Uhr sich nach einer Abstellmöglichkeit umzusehen, eben weil das Fahrzeug nicht einfach mitten auf der Autobahn abgestellt werden kann. Wenn diese fundamentalen Grundsätze von einem LKW-Lenker nicht beachtet werden, kann jedenfalls nicht von einem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden.
Die beantragten Beweisaufnahmen zu den angeblichen Verkehrsverzögerungen auf der A 12 waren nicht aufzunehmen, weil es dafür eines konkreten Vorbringens hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Verzögerung bedurft hätte, um dieses zum Beweisthema zu machen. Aufgrund der so allgemeinen Formulierung geht die Berufungsbehörde davon aus, dass es sich dabei lediglich um eine Schutzbehauptung handelt.
Wenn ? wie vorgebracht ? die Immissionsbelastung um 22.15 Uhr gleich hoch wäre wie um 22.00 Uhr, dann hätte der Beginn des Fahrverbotes erst mit 22.15 Uhr oder später festgesetzt werden dürfen. Der Verordnung des Fahrverbotes gingen jedoch umfangreiche wissenschaftliche Studien voran, weshalb vom Vorliegen der schädlichen Auswirkungen jedenfalls ab 22.00 Uhr auszugehen ist. Dies wird auch durch den Umstand untermauert, dass eine Tendenz zur Ausdehnung der Zeiten des Fahrverbotes am Abend gegeben ist. Es ist deshalb nicht zutreffend, dass die Folgen der Übertretung unbedeutend wären. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 21 Abs 1 VStG liegen somit nicht vor.
Das diesbezüglich bezogene Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis ist mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar, weil dort dem Beschwerdeführer ?gestattet? wurde, gegen Bezahlung einer Strafe das Fahrverbot zu verletzen. Das unerlaubte Handeln wurde dort aber erst nach diesem Arrangement mit der Behörde begonnen.
Aufgrund der großen Umweltbelastung im Unterinntal durch den Schwerverkehr ist eine Einhaltung des Nachtfahrverbotes für die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung von großer Bedeutung; die nachteiligen Folgen einer derartigen Übertretung sind somit erheblich.
§ 30 Abs 1 Z 4 IG-L sieht für gegenständliche Übertretungen einen Strafrahmen bis zu Euro 2.180,00 vor. Dem Umstand, dass die Übertretung 15 Minuten nach Beginn des Fahrverbotes begangen wurde und das Sanierungsgebiet nur zu einem Teil durchfahren werden sollte, trug die Erstbehörde dadurch Rechnung, dass die Strafhöhe gegenüber der bekämpften Strafverfügung ungefähr halbiert wurde. Ein weiterer Spielraum für eine Minderung der Strafhöhe ist somit nicht mehr gegeben, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen war.