TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/19 99/02/0030

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Veröffentlicht am 19.10.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ASchG 1994 §73 Abs1;
ASchG 1994 §79 Abs1;
ASchG 1994;
AuslBG §28 Abs1;
MSchG 1979 §4 Abs2 Z4;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs2;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des CW in Wien, vertreten durch Brandstetter, Politzer & Pitz, Partnerschaft KEG, Rechtsanwälte in Wien I, Herrengasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. Dezember 1998, Zl. UVS- 07/S/06/00106/97, betreffend Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der S. Gebäudereinigung GmbH mit Sitz in Graz und mit Sitz der Unternehmensleitung (= Tatort) in Wien zu verantworten, dass diese vom 1. Jänner 1996 bis zum 17. Februar 1997 in einer näher bezeichneten Betriebsstätte 1) entgegen § 73 Abs. 1 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, keine Sicherheitskräfte und 2) entgegen § 79 Abs. 1 ASchG keine Arbeitsmediziner bestellt habe.

Er habe dadurch ad 1) § 73 Abs. 1 in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Z 27 ASchG sowie ad 2) § 79 Abs. 1 in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Z 27 ASchG verletzt; über ihn wurden Geldstrafen von je S 20.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen von je 4 Tagen) gemäß § 130 Abs. 1 Einleitungssatz ASchG verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, dass sich die S. GmbH im Bereich der Gebäudereinigung betätige, ihr formeller Gesellschaftssitz sich laut Firmenbuch in Graz befinde, jedoch der faktische Firmensitz in Wien angesiedelt sei. In Klagenfurt, St. Pölten und Linz verfüge das Unternehmen zudem über Niederlassungen. Strittig sei allein, ob jedes noch so kleines Objekt für sich allein eine eigenständige Arbeitsstätte im Sinne der Legaldefinition des § 115 ASchG bilde - so die vom Beschwerdeführer in seiner Berufungsschrift vertretene Ansicht - oder, ob alle noch so kleinen Objekte der jeweiligen Niederlassung zuzurechnen seien, mit der sie organisatorisch verbunden seien - so der Tenor des erstinstanzlichen Bescheides. Für die jeweiligen Niederlassungen und den Sitz der Unternehmensleitung in Wien sei die Anzahl aller Arbeitnehmer der Gesellschaft nach Köpfen für die Ermittlung der Schlüsselzahlen im Sinne des § 115 ASchG heranzuziehen (gleichgültig ob Voll- oder Teilzeitarbeitskräfte, aber exklusive fallweiser Aushilfen). Die belangte Behörde schließe sich der Rechtsansicht der Erstbehörde "mit der inhaltlichen Gleichsetzung der Niederlassung Linz als Arbeitsstätte Linz" an. Diese Rechtsansicht könne sich auch auf Fachliteratur und eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg stützen. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0184, bezüglich eines Reinigungsunternehmens zu dessen Weigerung, die auswärtigen Arbeitsstellen der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer bekannt zu geben, ausgesprochen, dass auch solche auswärtigen Arbeitsstellen (Privatwohnungen und Geschäfte), die sich nicht im Eigentum des kontrollierten Betriebes befänden, in den Schutzbereich des Arbeitsinspektionsgesetzes fielen. Im Beschwerdefall seien daher die der Niederlassung Linz organisatorisch zugeordneten Objekte im Land Salzburg sowie der Fensterputz- und Bauendreinigungstrupp Linz der Arbeitsstätte Linz zuzurechnen gewesen. Dabei sei nicht nur auf die Einzelkriterien der Organisation, sondern auf das Gesamtbild der gegebenen Organisationsstruktur des Unternehmens im Zusammenhang mit dem Schutzbereich der Arbeitsstellen abzustellen gewesen. Aus der sehr umfangreichen Aufstellung der GmbH gehe hervor, dass im Jahresdurchschnitt 1996 164 und im hochgerechneten Jahresschnitt 1997 156 regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer der Betriebsstätte Linz zuzurechnen gewesen seien (Kopfzahl ohne Arbeitnehmer in Salzburg und ohne geringfügig Beschäftigte). Selbst wenn man der Rechtsansicht des Beschwerdeführers folge, wonach die von Linz aus mitbetreuten Arbeitnehmer in Salzburg eigenständig agierten und daher nicht der Niederlassung Linz zuzurechnen wären, sei daraus für den Beschwerdeführer rechtlich nichts gewonnen, weil "die Tatbestandsverwirklichung nach der Arbeitnehmerzahl dennoch eingetreten" sei.

Bezüglich des Einwands der angeblich eingetretenen Verfolgungsverjährung sei auf die vom Beschwerdeführer innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist eigenhändig übernommene Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6. Mai 1997, welche die vollständige Tatumschreibung enthalte, verwiesen.

Die Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung und des ASchG dienten primär dem Schutz der dort beschäftigten Arbeitnehmer. Adressat für Belange des Arbeitnehmerschutzes sei der Geschäftsführer. Somit sei die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 91/19/0239). Unter Zugrundelegung der genannten Fakten seien daher die Tatbestände der gegenständlichen Delikte erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Soweit der Beschwerdeführer Bedenken gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung der Begriffe "Arbeitsstätte" und "Arbeitsstelle" äußert, ist ihm das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1999, Zl. 98/02/0234, entgegenzuhalten, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Die Beschwerde vertritt weiters die Ansicht, dass sich der Beschwerdeführer in einem "entschuldbaren Rechtsirrtum" befunden habe. Im Verwaltungsstrafverfahren wurde hiezu vorgebracht, ein Verschulden des Beschwerdeführers sei deshalb nicht gegeben, weil seine Vorgangsweise auf eine Beratung seines Rechtsfreundes hinsichtlich des Arbeitsstättenbegriffes zurückzuführen sei.

Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Falle eines "Ungehorsamsdeliktes" tritt somit insofern eine Verlagerung der Beweislast ein, als die Behörde lediglich eine solche hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Unkenntnis eines Gesetzes kann nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Wer ein Gewerbe betreibt, ist verpflichtet, sich vor der Ausübung über die das Gewerbe betreffenden Vorschriften zu unterrichten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1994, Zl. 93/09/0176). Dabei ist auch eine irrige Gesetzesauslegung ein Rechtsirrtum, die den Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach seinem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, dass sie unverschuldet war und dass er das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte. Es besteht daher für den Arbeitgeber grundsätzlich die Verpflichtung, sich u.a. auch mit den gesetzlichen Vorschriften betreffend den Arbeitnehmerschutz laufend vertraut zu machen. Bestehen über den Inhalt der Verwaltungsvorschrift Zweifel, dann ist der Gewerbetreibende verpflichtet, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen; wenn er dies unterlässt, so vermag ihn die Unkenntnis dieser Vorschrift nicht von seiner Schuld zu befreien (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juli 1994, Zl. 94/09/0102). Auf die Auskunft seines Rechtsfreundes allein durfte sich der Beschwerdeführer jedenfalls nicht verlassen (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0281).

Der Beschwerdeführer führt ferner aus, er habe Verjährung eingewendet und dies auch ausführlich begründet. Es bleibe zwar unbestritten, dass in der Betriebsstätte Linz weder Sicherheitskräfte noch Arbeitsmediziner bestellt worden seien. Es gebe aber keine gesetzliche Bestimmung, Sicherheitskräfte oder Arbeitsmediziner in einer "Betriebsstätte" zu bestellen, solche seien immer nur für Arbeitsstätten zu bestellen. Die belangte Behörde habe aber weder eine Korrektur der Verfolgungshandlung noch des Spruches des angefochtenen Bescheides vorgenommen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0340, ebenfalls zu einer arbeitnehmerschutzrechtlichen Regelung ausgeführt hat, ist Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung der Sitz des Unternehmens, an dem das Organ im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG Verstöße gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen hätte verhindern müssen. Auch die Angabe des Ortes der gesetzwidrigen Beschäftigung hat als wesentliches Sachverhaltselement (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/18/0416) zur vollständigen Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzuscheinen. Diesem Erfordernis genügt die Nennung des Ortes (umschrieben durch: "in der Betriebsstätte in ...."), an dem die Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt wurden, in der als Verfolgungshandlung zu wertenden Aufforderung des Beschwerdeführers zur Rechtfertigung vom 6. Mai 1997, ohne dass damit auch bereits eine rechtliche Wertung des beanstandeten Sachverhaltselementes vorgenommen werden sollte.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass es Rechtsschutzüberlegungen nicht erforderlich machen, als Gegenstand einer Verfolgungshandlung (und auch des Spruches gemäß § 44a Z. 1 VStG) den Umstand zu fordern, die Bestellung von Sicherheitskräften bzw. Arbeitsmedizinern sei in Ansehung einer "Arbeitsstätte" erfolgt.

Da es der Beschwerdeführer in der Folge auch unterlässt, die Wesentlichkeit der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften darzustellen, erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet; sie war daher aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 2001

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999020030.X00

Im RIS seit

22.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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