TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/19 2001/02/0169

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Veröffentlicht am 19.10.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §69 Abs2;
FrG 1997 §72;
FrG 1997 §73 Abs4;
FrG 1997 §73;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des R K in Innsbruck, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Februar 2001, Zl. uvs-2001/11/009-3, betreffend Zurückweisung einer Schubhaftbeschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 10. November 2000 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein über den Beschwerdeführer die Schubhaft "zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit oder zur Sicherung der Abschiebung" (Spruchpunkt I). Gleichzeitig erließ sie (Spruchpunkt II) ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer sei am 8. November 2000 als Passagier eines Reisebusses von Palermo kommend über den Brenner nach Österreich ein- und in weiterer Folge nach Deutschland ausgereist, obwohl er sich nicht im Besitz des erforderlichen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels für Österreich oder für einen anderen "Schengenstaat" befunden habe. Bei einer Kontrolle der deutschen Polizei am 8. November 2000 gegen 09.00 Uhr im Bereich von Augsburg sei das Fehlen der entsprechenden Aufenthaltsberechtigung festgestellt und dem Beschwerdeführer die Weiterfahrt verweigert worden; er sei am "heutigen Tag" wieder nach Österreich zurückgeschoben worden. Eine Nachfrage bei den italienischen Behörden habe ergeben, dass er nicht im Besitze einer Aufenthaltsberechtigung für Italien sei. Zudem führe der Beschwerdeführer nur sehr geringe Barmittel mit sich, so dass er praktisch mittellos sei. Der Lebensunterhalt für einen längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet sei auf Grund mangelnder arbeits- und aufenthaltsrechtlicher Bewilligungen nicht gesichert. Zudem stehe dem Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung.

In seiner "Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 72 FrG" vom 31. Jänner 2001 (dort eingelangt am 1. Februar 2001) begehrte der Beschwerdeführer die Feststellung, dass seine Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Kufstein "ab dem 8.1.2001" rechtswidrig sei, da sie die gesetzliche Höchstdauer von zwei Monaten überschreite.

Er befinde sich seit 8. November 2001 in Schubhaft. Nach zwei Monaten sei er darüber informiert worden, dass er weiter in Schubhaft zu verbleiben habe, da "man" beabsichtige, ihn auf Grund des Dubliner Übereinkommens nach Italien zurückzuschieben, sobald man eine Zusage von Italien habe.

Seine Schubhaft sei rechtswidrig, weil sie die gesetzliche Höchstdauer von zwei Monaten überschreite. Ein durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Bescheid sei noch nicht erlassen worden, weshalb sich die Schubhaft als rechtswidrig erweise. Ab dem 8. Jänner 2001 dürfe die Schubhaft nur noch zur Sicherung der Abschiebung verhängt sein; der Abschiebung stehe aber entgegen, dass es an einem durchsetzbaren Ausweisungs- oder Aufenthaltsverbotbescheid mangle.

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wies mit Bescheid vom 6. Februar 2001 die erwähnte Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 72 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 1, 2 und 4 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) als unbegründet ab und stellte gemäß § 73 Abs. 4 leg. cit. fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlägen.

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des an sie gerichteten Beschwerdevorbringens und der Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein in der Gegenschrift sowie nach Anführung der ihrer Ansicht nach heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen aus, dass auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 10. November 2000 ein vollstreckbares Aufenthaltsverbot vorliege. Mit der Aufnahme des Beschwerdeführers als Asylwerber in das Dublin-Konsultationsverfahren gemäß § 5 AsylG 1997 sei eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG 1997 nicht erteilt worden. Die Abschiebung bzw. Ausweisung des Beschwerdeführers scheitere zur Zeit daran, dass wegen des noch nicht abgeschlossenen Konsultationsverfahrens mit Italien seine Übernahme durch die italienischen Behörden zur Zeit nicht gesichert sei. Die vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Kufstein, habe einen diesbezüglichen Antrag bereits am 13. November 2000 an das Bundesministerium für Inneres gestellt. Nach der Aktenlage verfüge der Beschwerdeführer nur über Barmittel in der Höhe von 200 Lire, so dass er nicht in der Lage sei, aus eigenen Mitteln seinen Lebensunterhalt in Freiheit zu bestreiten. Damit lägen auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 FrG nicht vor. Bei einer Entlassung des Beschwerdeführers aus der Schubhaft sei zu befürchten, dass er sich dem Zugriff der Behörde entziehen und damit das gegen ihn eingeleitete Verfahren nach dem Fremdengesetz (Aufenthaltsverbot) wesentlich erschweren bzw. vereiteln würde.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer am 19. Februar 2001 eine (weitere) Schubhaftbeschwerde mit dem Antrag ein, der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol wolle die am "15. November 2000" über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft insofern für rechtswidrig erklären, als dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft über den 15. Februar 2001 hinaus rechtswidrig sei. Der Beschwerdeführer sei am 15. November 2000 von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein in Schubhaft genommen worden; er befinde sich seit dem Zeitpunkt in Schubhaft. Der Beschwerdeführer habe auch einen Asylantrag gestellt, woraufhin das Dublin-Verfahren eingeleitet worden sei. Mit einer Verzögerung von knapp einem Monat habe das Dublin-Referat in Italien angefragt, ob dort die Übernahme akzeptiert werde; trotz zweier Urgenzen habe "Italien" noch nicht darauf reagiert. Es möge zutreffen, dass die Bezirkshauptmannschaft Kufstein "seinerzeit" auch ein Aufenthaltsverbot verhängt habe, "jedoch nicht aus kriminellem Anlass". Keinesfalls aber sei dieses Aufenthaltsverbot vollstreckbar, da der Beschwerdeführer durch § 21 AsylG nach wie vor geschützt werde. Solange über den Asylantrag nicht rechtskräftig entschieden worden sei, dürfe er nicht abgeschoben werden, er dürfe nur dann nach Italien gebracht werden, wenn Italien ausdrücklich zustimme. Der Beschwerdeführer könne zusichern, freiwillig nach Italien zu gehen, irgendwelche Anhaltspunkte, dass er dies nicht tun werde, lägen nicht vor.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft stehe mit dem zu erreichenden Ziel "außer Verhältnis". Seit Inkrafttreten des § 5 AsylG werde die Handlungsweise von "Italien" häufig und in aller Öffentlichkeit kritisiert: Dem Großteil jener Asylwerber, die sich bei den zuständigen italienischen Behörden meldeten und um Asyl ansuchten, würde ein Schriftstück vorgelegt, wonach sie sich verpflichten müssten, binnen 15 Tagen Italien zu verlassen; hierauf würden sie auf freien Fuß gesetzt werden. In "ganz wenigen Fällen" werde tatsächlich ein Asylverfahren auch eingeleitet, wobei es allerdings keine "Bundesbetreuung" gebe. Keinesfalls aber verhänge Italien eine Haft oder Schubhaft. Dies würde auch nicht dem italienischen Recht entsprechen, da in Italien der Aufenthalt eines Asylwerbers während seines Verfahrens rechtmäßig sei. Das Dublin-Verfahren bedeute also nichts anderes, als dass dem Beschwerdeführer genau dieses Verfahren, also entweder die Unterschrift oder das Asylverfahren in Italien in Aussicht gestellt werde. Dies sei Ziel und Zweck, dem die Schubhaft in Österreich dienen solle. Der Beschwerdeführer sei bereits mehr als drei Monate in Haft, wenn er noch weiter in Haft angehalten werde, "nur dafür, dass er dann in Italien unterschreibt", dann sei das aus dem Bundesgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit abzuleitende Verhältnismäßigkeitsprinzip gröblich verletzt. Das Dublin-Referat des Bundesasylamtes sei bemüht, die "Zeit" möglichst kurz zu halten, jedoch sei es "eine Erfahrungstatsache dieses Referates, dass eine Antwort von Italien zwischen drei und acht Monaten" dauere, "wenn überhaupt eine" komme.

Mit Bescheid vom 22. Februar 2001 wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde gemäß § 72 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz wegen entschiedener Sache zurück.

Der Beschwerdeführer habe bereits mit seiner Eingabe vom 1. Februar 2001 die Feststellung begehrt, dass seine Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein ab dem 8. Jänner 2001 rechtswidrig sei, da sie die gesetzliche Höchstdauer von zwei Monaten überschreite. Diese Beschwerde sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 6. Februar 2001 als unbegründet abgewiesen worden. In dieser Entscheidung sei gemäß § 73 Abs. 4 FrG festgestellt worden, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung vorlägen. Da zwischen der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und der neuerlichen Schubhaftbeschwerde vom 19. Februar 2001 eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten sei, sei die (neuerliche) Beschwerde wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 11. Juni 2001, B 418/01-3, die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab. Die Beschwerde rüge die Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Die Beschwerde sei somit antragsgemäß im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Vor diesem erachtet sich der Beschwerdeführer in seiner - ergänzten - Beschwerde in seinem Recht auf inhaltliche Prüfung der Rechtmäßigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft durch die belangte Behörde und weiters in seinem Recht, nicht in Schubhaft angehalten zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde wäre zu einer inhaltlichen Überprüfung der an sie gerichteten Schubhaftbeschwerde verpflichtet gewesen, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 2001, B 515/00 u.a., ausgeführt habe. Hätte sich aber die belangte Behörde mit den inhaltlichen Voraussetzungen für die Schubhaft auseinandergesetzt, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass eine (weitere) Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen wäre. Der Beschwerdeführer macht vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat hierauf repliziert.

Der nunmehr für die Erledigung der Beschwerde zuständige

Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 72 Abs. 1 FrG hat, wer gemäß § 63 leg. cit. festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen.

Zur Entscheidung über die Beschwerde ist nach § 73 Abs. 1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Dauert die Anhaltung noch an, hat der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 73 Abs. 4 leg. cit. jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden. Die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides ist jedoch als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde vor der Festnahme deswegen auch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof angerufen hat.

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind "Anbringen von Beteiligten", die - abgesehen von den ausdrücklich zugelassenen Fällen (vgl. §§ 69, 71 AVG) - "die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheids begehren ... wegen entschiedener Sache zurückzuweisen". Bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage liegt demnach das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vor; nur eine wesentliche Änderung des Sachverhalts - nicht bloß von Nebenumständen - kann demnach zu einer neuerlichen Entscheidung führen, ebenso wie nur eine Änderung jener Rechtsvorschriften, die "tragend" für die frühere Entscheidung waren, das Hindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache beseitigen kann (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 463 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Verfassungsgerichtshof hat in dem vom Beschwerdeführer angesprochenen Erkenntnis vom 27. Februar 2001, B 515/00-10 und

B 687/00-7, zur Frage der Zurückweisung wegen entschiedener Sache im Schubhaftbeschwerdeverfahren durch den unabhängigen Verwaltungssenat im Erwägungsteil seines Erkenntnisses wie folgt ausgeführt:

"1. § 72 Fremdengesetz 1997 gibt dem Schubhäftling das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeinstanz mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Dem gemäß (iVm § 73 Abs. 4 FrG 1997) hat der Unabhängige Verwaltungssenat die Pflicht, die Frage der formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Anhaltung, somit das Vorliegen der Haftvoraussetzungen, im Zeitpunkt seiner Entscheidung nach jeder Richtung hin selbstständig zu untersuchen und jede unterlaufene Gesetzwidrigkeit aufzugreifen und festzustellen.

Dieser Verpflichtung kam die belangte Behörde nicht nach. Sie verweigerte dem Beschwerdeführer vielmehr - wie aus den maßgebenden Gründen ihrer Bescheide unmissverständlich hervorgeht -

die ihr kraft § 73 FrG 1997 aufgetragene umfassende Prüfung, ob hier alle gesetzlichen Schubhaftvoraussetzungen erfüllt seien, weil sie in Verkennung ihrer im Fremdenpolizeigesetz 1997 (Anm: gemeint wohl Fremdengesetz 1997) festgelegten Zuständigkeit der verfehlten Rechtsauffassung anhing, sie habe bereits mit Bescheid vom 29. November 1999 bzw. mit Bescheid vom 7. Februar 2000 und auch für die Zeit nach Erlassung dieser Bescheide das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der (fortdauernden) Haftanhaltung festgestellt, weshalb res judicata vorliege.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann auf Grund mehrmaliger Erhebung der Beschwerde eines Schubhäftlings gemäß § 72 FrG 1997 während seiner Anhaltung nur dann von "entschiedener Sache" ausgehen, wenn die Beschwerde sich auf einen Zeitraum bezieht, über den er bereits durch einen Bescheid gemäß § 73 FrG 1997 abgesprochen hat. Im vorliegenden Fall begründet der bekämpfte Bescheid vom 26. Jänner 2000 die Zurückweisung der Schubhaftbeschwerde mit der meritorischen Erledigung einer Schubhaftbeschwerde S J durch Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. November 1999. Der bekämpfte Bescheid vom 14. Februar 2000 stützt die Zurückweisung der Schubhaftbeschwerde vom 11. Februar 2000 auf seinen Bescheid vom 7. Februar 2000, in dem eine Beschwerde gemäß § 72 FrG 1997 des S J abgewiesen wurde. Die belangte Behörde setzte sich in den bekämpften Bescheiden somit auch nicht mit dem Vorbringen des S J betreffend das Vorliegen eines Heimreisezertifikates seit zumindest 20. Dezember 2000 und den Mangel eines Haftgrundes gemäß § 69 Abs. 4 FrG 1997 während der Zeiträume vom 30. November 1999 bis 26. Jänner 2000 und vom 7. Februar bis 14. Februar 2000 auseinander.

2. Soweit sich die belangte Behörde einem Abspruch über die Rechtmäßigkeit der Haft während der ihrer Entscheidung zu Grunde liegenden Zeiträume der Anhaltung entzog, verweigerte sie dem Beschwerdeführer jeweils eine Sachentscheidung und verletzte ihn dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art. 83 Abs. 2 B-VG (vgl. VfSlg. 11.958/1989, 13.037/1992). ..."

Der Verwaltungsgerichtshof geht - ebenso wie der Verfassungsgerichtshof in dem eben zitierten Erkenntnis - davon aus, dass der unabhängige Verwaltungssenat auf Grund mehrmaliger Erhebung der Beschwerde eines Schubhäftlings gemäß § 72 FrG während seiner Anhaltung jedenfalls dann eine "entschiedene Sache" annehmen darf, wenn die Beschwerde sich auf einen Zeitraum bezieht, über den er bereits durch einen Bescheid gemäß § 73 FrG abgesprochen hat. Dauert - wie im Beschwerdefall - die Anhaltung noch an, hat der unabhängige Verwaltungssenat im Sinne des § 73 Abs. 4 erster Satz FrG festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Änderten sich diese Voraussetzungen seit dem letzten Abspruch gemäß § 73 FrG nicht, so ist jedenfalls - wie dies § 68 Abs. 1 AVG (siehe dazu oben) vorsieht - vom Vorliegen einer "entschiedenen Sache" auszugehen und eine neuerliche Schubhaftbeschwerde zurückzuweisen.

Maßgebend für die Identität der Sache in diesem Sinne ist, wie dies der Verwaltungsgerichtshof zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1992 ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. August 1996, Zl. 94/02/0364), dass einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und andererseits sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Ob im Einzelfall eine derartige Änderung insbesondere in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eingetreten ist, wird von Fall zu Fall zu prüfen sein. Eine Änderung der maßgeblichen Umstände kann allerdings allein durch den Zeitablauf - abgesehen vom Überschreiten der zulässigen Dauer (vgl. § 69 Abs. 2 FrG) - nicht bewirkt werden; ein allein darauf gestütztes Begehren könnte bei anderer Rechtsansicht - im äußersten Fall - von Augenblick zu Augenblick wiederholt werden und die Entscheidungspflicht der Behörde auslösen. Dass dies ein Rechtsmissbrauch wäre, der dem Gesetz nicht entnommen werden kann, ist offensichtlich. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001.

Im Sinne der obigen Erwägungen ist demnach jeweils zu prüfen, ob weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Davon ist auch der Verfassungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis vom 27. Februar 2001 ausgegangen, erwähnt er doch, dass sich die belangte Behörde in den vor ihm bekämpften Bescheiden nicht mit dem Vorbringen betreffend das Vorliegen eines Heimreisezertifikates und dem Mangel eines Haftgrundes während näher genannter Zeiträume auseinandergesetzt habe. Im Beschwerdefall hingegen liegt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (und offenbar des Verfassungsgerichtshofes in seinem die Behandlung der Beschwerde ablehnenden Beschluss vom 11. Juni 2001, B 418/01-3) Identität der Sache vor; bei im Wesentlichen gleich gerichteten Antragsbegehren des Beschwerdeführers stützt dieser sein Vorbringen im Grunde nur darauf, dass "Italien" (noch) nicht im Rahmen des Dublin-Verfahrens geantwortet habe. Damit unterscheidet sich jedoch das Vorbringen in der Schubhaftbeschwerde, die die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid zurückwies, nicht wesentlich von demjenigen, das der mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 2001 abgewiesenen Schubhaftbeschwerde zu Grunde lag.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich somit, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 2001

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001020169.X00

Im RIS seit

25.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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