Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Eder über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn ***, Rechtsanwalt in Oberwart, vom 05 08 2004, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 26 07 2004, Zl 300-3449-2004, wegen Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Oberwart legte dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis zur Last, am 20 05 2004, um 10 30 Uhr im Gemeindegebiet von Jabing, auf der L 385, auf Höhe Streckenkilometer 2,92, in Fahrtrichtung Neuhaus, als Lenker des Motorrades mit dem Kennzeichen ***, die Fahrtgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepasst zu haben. Wegen Verletzung des § 20 Abs 1 StVO wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von 50 Euro (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Stunden) verhängt.
In der rechtzeitig eingebrachten Berufung bestritt der Berufungswerber, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Der erhebende Gendarmeriebeamte habe weder Feststellungen getroffen noch Vermutungen darüber aufgestellt, welche Geschwindigkeit der Beschuldigte eingehalten habe. Weiters gäbe es keine Feststellungen darüber, wie hoch die jeweilige Sichtweite beim Befahren des Straßenstückes gewesen sei und wie hoch die Grenzgeschwindigkeit gewesen wäre, die zulässigerweise von einem Motorradfahrer noch eingehalten hätte werden dürfen. Die Angaben des Zeugen *** hätten vorwiegend auf Vermutungen und nicht auf eigener Wahrnehmung beruht.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat erwogen:
§ 20 Abs 1 StVO lautet:
?(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, dass er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, dass er den übrigen Verkehr behindert.?
§ 99 Abs 3 lit a StVO lautet:
?(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist,
b) [?].?
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist.
Verfolgungshandlung ist zufolge § 32 Abs 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, u dgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Mit Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 03 10 1985, VwSlg NF Nr 11894/A, wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen wird, wenn
a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und
b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist, in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene (unverwechselbare) Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit, aber auch für die Umschreibung von anderen - nach dem Tatbestand der übertretenen Rechtsvorschrift maßgeblichen - Umständen genügt. Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen, zu messendes sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG vorliegt oder nicht (vgl. zum Ganzen das Erk des VwGH vom 23 04 1992, 91/09/0199 m w N). Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl auch VwGH-Erk vom 26 06 2003, 2002/09/0005).
Die bisher im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommenen Tatanlastungen werden diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Erfordernissen nicht gerecht. Sowohl in der Strafverfügung vom 14 06 2004 als auch im Straferkenntnis vom 26 07 2004 lautete der durch die Bezirkshauptmannschaft Oberwart erhobene Tatvorwurf lediglich, dass der Berufungswerber als Lenker eines näher konkretisierten Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepasst hätte.
Ein derartiger Tatvorwurf war jedoch weder geeignet, den Berufungswerber vor einer möglichen Doppelbestrafung zu schützen, noch ihn in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den gegen ihn erhobenen Vorwurf zu widerlegen. Im Gegensatz zur Judikatur zu § 20 Abs 2 StVO hat der Verwaltungsgerichtshof zu den Erfordernissen des Tatvorwurfes zu einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 1 StVO ausgesprochen, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein Fahrzeuglenker eine im Sinne des Abs 1 des § 20 StVO unzulässige Geschwindigkeit eingehalten hat, diese Geschwindigkeit auch ziffernmäßig festgestellt und in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen werden muss. Es genügt nicht, als erwiesen anzunehmen, der Lenker habe eine in Bezug auf die gegebenen Straßen und Sichtverhältnisse überhöhte Geschwindigkeit eingehalten (vgl Pürstl-Somereder, StVO, 11 Aufl, § 20, E 18 samt Judikaturhinweis; in diesem Sinne auch UVS Burgenland vom 06 06 2003, E 002/08/2003122).
Im vorliegenden Fall wurde dem Berufungswerber weder seine gefahrene Geschwindigkeit zur Last gelegt, noch jene Umstände näher konkretisiert, die die erstinstanzliche Behörde für gegeben erachtete, weshalb der Berufungswerber die sonst höchstzulässige Geschwindigkeit nicht hätte einhalten dürfen.
Derartige Vorhalte finden sich weder in der Strafverfügung vom 14 06 2004 noch im angefochtenen Straferkenntnis. Auch im Ladungsbescheid vom 30 06 2004 sind derartige Konkretisierungen nicht vorhanden.
Dem Berufungswerber wurde mit Schreiben vom 21 07 2004 ?Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme? eine Kopie der mit dem Zeugen *** am 21 07 2004 aufgenommenen Niederschrift übermittelt. Auch dieser ?Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme? ließ sich in Verbindung mit der in Kopie übermittelten Zeugenniederschrift eine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung des Tatvorwurfes nicht entnehmen.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass, selbst wenn die Bezirkshauptmannschaft Oberwart dem Berufungswerber eine vollständige Aktenkopie übermittelt hätte, eine derartige Konkretisierung der Tatanlastung im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen wäre, weil dem Akteninhalt zum einen keine vom Berufungswerber konkret gefahrene Geschwindigkeit zu entnehmen war und zum anderen aus dem Akteninhalt mehrere Umstände ersichtlich und somit denkmöglich gewesen wären, die die Bezirkshauptmannschaft Oberwart veranlasst haben könnten, bestimmte Verhältnisse im Sinne des § 20 Abs 1 StVO anzunehmen (unübersichtliche Kurve, Fahrbahnkuppe, ein in die Landstraße einmündender Waldweg, Zusammentreffen einiger oder aller dieser Umstände). Die Bezirkshauptmannschaft Oberwart wäre daher verhalten gewesen, in ihrer Tatanlastung den von ihr der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhalt derart als Tatvorwurf zu formulieren, dass dem Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Tat eindeutig bestimmt und entsprechend konkretisiert vorgeworfen worden wäre. Dies unterließ die erstinstanzliche Behörde jedoch.
Da innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist keine dem Gesetz entsprechende konkretisierte Tatanlastung erfolgte, war wegen Verfolgungsverjährung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das zugrunde liegende Strafverfahren einzustellen.
Dem Antrag des Berufungswerbers, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen, war nicht zu folgen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war. Die vorliegende Entscheidung war daher gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.