Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 29.11.2004 auf Grund der Berufung von Herrn Karl G gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, MBA 19, vom 8.9.2004, MBA 19 - S 2788/04, betreffend zwei Verwaltungsübertretungen nach 367 Z 25 GewO 1994 entschieden wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Der Berufungswerber ist als Gewerbeberechtigter für die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart ?Espresso" im Standort Wien, B-straße wegen Nichteinhaltens von zwei Betriebsanlagenbescheidauflagen am 21.3.2004 mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 8.9.2004, MBA 19 ? S 2788/04 bestraft worden.
Das Straferkenntnis lautet:
?Sie haben es als Gewerbeberechtigter für das Gastgewerbe (§ 124 Z 8 GewO 1994) in der Betriebsart Espresso mit den Berechtigungen nach § 142 Abs 1 GewO 1994, Z 2 bis 4, zu verantworten, dass in der mit rechtskräftigem Bescheid vom 17.10.1985, Zl. MBA 19-Ba 16993/1/83, genehmigten Betriebsanlage im Standort Wien, B-straße, am 21.3.2004 von 23:00 bis 01:35 Uhr entgegen den Auflagen des rechtskräftigen Bescheides vom 20.6.2002, Zl. MBA 19-BA 2155/02, die im Bereich der Theke für die Darbietung von Hintergrundmusik zur Aufstellung gebrachte Musikanlage so betrieben wurde, dass die *) verwendete Musikanlage weder mechanisch noch elektronisch in ihrer Lautstärke begrenzt war, sodass die Einhaltung eines maximalen Schalldruckpegels in Gastraummitte von 65 dB, A-bew. gemessen als Lequ bzw. mit Spitzen bis maximal 70 dB nicht gewährleistet war (Punkt 2 des letztzit. Bescheides) und *) die verwendete Lautsprecherboxen weder schwingungsisoliert (körperschallgedämmt) aufgestellt noch aufgehängt waren (Punkt 3 des letztzit. Bescheides).
Dies führte am 21.3.2004 zu einer unzumutbaren Lärmstörung für eine konkrete Nachbarin.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 367 Z 25 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. 194/1994 in der geltenden Fassung in Verbindung mit Auflagenpunkten Nr. 2 und 3 des Bescheides vom 20.6.2002, Zl. MBA 19-BA 2155/02; i.Zm.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 315,--, falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen 6 Stunden
gemäß § 367 Einleitungssatz der GewO 1994 idgF.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes
(VStG) zu zahlen:
EUR 31,50 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 346,50. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Mit Berufung wird eingewendet, der Berufungswerber habe bereits bei der ersten Einvernahme darauf hingewiesen, im Tatzeitpunkt weder im Lokal aufhältig noch dafür verantwortlich gewesen zu sein. Die Gewerbeberechtigung der P-KEG sei zwar erst mit 6.4.2004 dokumentiert, doch sei das Gewerbe von Herrn J und dem Firmeninhaber Herrn Thomas P bereits am 7.1.2004 im Standort angemeldet worden. Der Vorfall vom 21.3.2004 betreffe daher Herrn Reinhard Peter J.
Zur öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 29.11.2004 sind weder der Berufungswerber noch der geladene Zeuge Reinhard J erschienen. Verlesen wurde der offenbar vom Berufungswerber persönlich bei der Erstbehörde (in Kopie) abgegebene, das ggst. Lokal ?S" in Wien, B-straße betreffende Pachtvertrag vom 30.12.2003 zwischen dem BW als Verpächter und der P-KEG als Pächter.
Nach dem letzten Absatz dieses Vertrages tritt das Übereinkommen am 7.1.2004 in Kraft. Dies deckt sich mit der Angabe des BW in seiner erstbehördlichen Beschuldigteneinvernahme vom 23.7.2004, wonach das Lokal seit 7.1.2004 nicht von ihm, sondern von Herrn Reinhard J betrieben worden ist.
Laut vorliegendem Firmenbuchauszug ist der genannte Herr J im Zeitraum vom 7.1.2004 bis 12.8.2004 persönlich haftender Gesellschafter der PV-KEG, seit 6.4.2004 P-KEG, gewesen. Das Vorbringen des Berufungswerbers deckt sich weiters mit der verfahrenseinleitenden Anzeige vom 22.3.2004, wonach im Tatzeitpunkt 21.3.2004 nicht der BW, sondern der genannte Herr Reinhard J im Lokal als dessen ?Besitzer" angetroffen worden ist. Das stimmt auch mit dem Schreiben der MA 36 vom 27.4.2004 betreffend eine Erhebung vom 26.4.2004 überein, wonach damals als Betriebsinhaber ebenfalls der genannte Herr J aufgetreten ist. Schließlich deutet in diese Richtung auch der erstbehördliche AV vom 21.4.2004, wonach das Gewerberecht der P-KEG zwar erst mit 5.4.2004 eingetragen worden ist, dies jedoch deshalb, weil der genannte Herr J vorher nicht Dienstnehmer der KEG gewesen sei. Dies stimmt mit der Angabe des BW in der Berufung überein, wonach das Gewerbe durch die P-KEG bereits am 7.1.2004 angemeldet worden ist.
Auf Grund dieses Verfahrensergebnisses ist der aus dem Spruch ersichtliche Berufungsbescheid zunächst mündlich verkündet worden.
Nach dem Verfahrensergebnis kann es als erwiesen angenommen werden:
Der Berufungswerber Karl G meldete im Standort Wien, B-straße per 18.1.2001 das Gastgewerbe in der Betriebsart Espresso (Registerzahl 101050/g/19) an. Mit erstbehördlichem Betriebsanlagenänderungsgenehmigungsbescheid vom 20.6.2002, MBA 19 ? BA 2155/02 wurde für seine Betriebsanlage die Darbietung von Hintergrundmusik durch eine haushaltsübliche Musikanlage im Bereich der Theke des straßenseitigen Gastraumes genehmigt. Für die geänderte Betriebsanlage wurde unter anderem vorgeschrieben, die Lautstärke der Musikanlage mechanisch oder elektronisch derart zu begrenzen, dass die maximale Lautstärke, jeweils gemessen in Gastraummitte, den energieäquivalenten Schalldruckpegel von 65 dBA bzw. Spitzen von maximal 70 dBA nicht überschreiten werde (Auflagenpunkt 2) bzw. dass die Lautsprecherboxen der Musikanlage körperschallgedämmt aufzustellen bzw. aufzuhängen sind (Auflagenpunkt 3 des genannten Bescheides).
Am 21.3.2004 ist das gegenständliche Lokal um 01.28 Uhr aufgrund der Beschwerde einer über dem Lokal wohnenden Nachbarin von Sicherheitswachebeamten betreten worden. Die Polizisten befragten zu dem von ihnen bereits vor dem Lokal wahrgenommenen, aus dem Lokal stammenden Musiklärm Herrn Reinhard J als ?Besitzer". Rund einen Monat später, am 26.4.2004 wurde das Lokal vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen auf Einhaltung der für die Betriebsanlage vorgeschriebenen Auflagen kontrolliert und wurde dabei festgestellt, dass bei der verwendeten Musikanlage keine Schallpegelbegrenzung vorhanden ist und die verwendeten Lautsprecherboxen weder schwingungsisoliert aufgestellt noch aufgehängt sind. Als ?Betriebsinhaber" wurde wiederum Herr Reinhard J angetroffen und im anschließenden Bericht erwähnt. Für den gegenständlichen Standort ist Herr Reinhard Peter J von der Erstbehörde per 6.4.2004 als gewerberechtlicher Geschäftsführer der P-KEG für die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Espressos zur Kenntnis genommen worden. Aus einem erstbehördlichen AV vom 21.4.2004 ergibt sich, dass seine Eintragung deswegen erst mit 6.4.2004 zur Kenntnis genommen werden konnte, weil er vorher nicht Dienstnehmer der KEG gewesen sei. Laut einem
vorliegenden Pachtvertrag vom 30.12.2003 zwischen dem Berufungswerber einerseits und Herrn Reinhard J und Herrn Thomas P für die ?P-KEG" andererseits war letztere als Pächterin ab 7.1.2004 über das gegenständliche Lokal verfügungsberechtigt.
Es wurde erwogen:
Gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis 2.180,- Euro zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs 1 oder § 84d Abs 7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Gemäß § 80 Abs 5 GewO 1994 wird durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage die Wirksamkeit der Genehmigung nicht berührt.
?Inhaber" ist, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (§ 309 ABGB). Zum Unterschied vom Besitzer bedarf der Inhaber des sogenannten Eigentümerwillens nicht. Solcherart ist unter anderem auch der Bestandnehmer vom Inhaberbegriff eingeschlossen. Gerade § 367 Z 25 GewO 1994 stellt auf beim Betrieb der Anlage einzuhaltende Auflagen ab. Es kommt somit darauf an, wer die Betriebsanlage ?betreibt". Wurde eine Betriebsanlage verpachtet, so ist der Verpächter praktisch nicht in der Lage die Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zu gewährleisten bzw. die nötigen Vorkehrungen hiezu zu treffen (VwGH vom 21.11.2001, 2000/04/0197).
Die gegenständlichen Bescheidauflagen wurden seinerzeit dem Berufungswerber als damaligem Betriebsinhaber vorgeschrieben. Er hat das gegenständliche Lokal zwischen der Auflagenvorschreibung und dem gegenständlichen Tatzeitpunkt verpachtet.
Nach dem Verfahrensergebnis deutet nichts darauf hin, dass das Lokal im Tatzeitpunkt von ihm betrieben wurde, sondern ist davon auszugehen, dass das Lokal von jener KEG betrieben wurde, die laut dem vorgelegten Pachtvertrag hiezu (zivilrechtlich) berechtigt und in der Lage gewesen ist.
Der bloße Umstand, dass die Pächterin eines Lokales für dessen Betrieb - anders als der Verpächter - nicht über das erforderliche Gastgewerberecht verfügt, bedeutet keineswegs, dass für den Betrieb der Betriebsanlage gewerberechtlich der Verpächter verantwortlich wäre.
Werden dem Pächter eines Lokals, der einen vom Erfolg der Tätigkeit unabhängigen Pachtzins zu bezahlen hat, die Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel und auch sonst weitgehende Entscheidungsfreiheit (Kundenauswahl, allfällige Umbauten und Renovierungen etc.) eingeräumt, vermag auch eine vom Verpächter im Innenverhältnis übernommene Verpflichtung, ?behördliche und bauliche Auflagen zu tragen und fristgerecht zu erfüllen" (vergleiche den vorgelegten Pachtvertrag vom 30.12.2003), nichts an der Qualifikation des Pächters als selbstständiger Unternehmer (befugt Gewerbetreibender oder unbefugt Gewerbeausübender) im Sinne des § 1 Abs 3 GewO 1994 und ?Inhaber der Betriebsanlage" im Sinne des § 80 Abs 5 GewO 1994 zu ändern.
Wegen der vorliegenden Übertretungen wäre somit nicht der Verpächter des Gewerbebetriebes und Gewerbeinhaber, sondern der Pächter und unbefugt Gewerbeausübende zu bestrafen gewesen. Für diese trug der Berufungswerber keine Verantwortung. Das Verfahren gegen ihn war somit einzustellen.