TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/22 97/19/1435

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Veröffentlicht am 22.10.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/1436 97/19/1437

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerden 1.) der am 1. Juni 1966 geborenen G L, 2.) des am 1. Jänner 1988 geborenen E L, und

3.) des am 14. Jänner 1990 geborenen M L, alle in Konya/Türkei, alle vertreten durch Dr. Martin Meusburger, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Bernardgasse 28, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 20. Juni 1997,

1.) Zl. 122.072/2-III/11/97 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), 2.) Zl. 122.072/3-III711/97 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), und 3.) Zl. 122.072/4-III/11/97), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragten jeweils am 16. Februar 1996 (Einlangen beim Landeshauptmann von Wien) im Wege der österreichischen Botschaft Ankara die erstmalige Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wobei als Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit dem Ehegatten (Erstbeschwerdeführerin) bzw. Vater (Zweit- und Drittbeschwerdeführer) geltend gemacht wurden. Als Nachweis für die "gesicherte Unterkunft in Österreich" ist ein Mietvertrag vom 18. Juli 1995 über eine näher bezeichnete Wohnung in Wien 17 angeschlossen, wobei die Größe der aus einem Zimmer, einem Kabinett sowie einer Küche bestehenden Wohnung mit 43,30 m2, die Höhe der monatlichen Miete mit S 710,-- sowie die monatlichen anteiligen Betriebskosten mit S 875,-- angegeben werden. In der Rubrik "in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" wird auf den Lohn des Ehegatten bzw. Vaters verwiesen. Laut einer dem Antrag beigelegten Lohnbestätigung eines näher bezeichneten Unternehmens vom 25. Oktober 1996 betrug der durchschnittliche Nettomonatslohn des Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer S 12.171,--.

Der Landeshauptmann von Wien wies diese Anträge mit gleich lautenden Bescheiden vom 18. Jänner 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG "mangels einer gesicherten Unterkunft für die Geltungsdauer der Bewilligung" ab. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Die belangte Behörde verfasste am 10. Juli 1997 einen Aktenvermerk über ein an diesem Tag geführtes Telefonat mit dem Lohnbüro der Firma S. (Arbeitgeber des Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer) sowie ein weiteres Telefonat mit dem "Arbeitsamt" Bau/Holz in Wien 22. Laut telefonischer Auskunft des Lohnbüros sei der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer seit 15. November 1996 nicht mehr bei diesem Unternehmen beschäftigt und sei - so die telefonische Auskunft des "Arbeitsamtes" Bau/Holz - vom 3. März 1997 bis 14. März 1997 bei einem näher bezeichneten Unternehmen kurzfristig beschäftigt gewesen. Derzeit sei er "nicht arbeitslos gemeldet, sprich er bezieht kein Arbeitslosengeld, noch ist er bei einer Firma gemeldet, sodass er über keine Beschäftigung verfügt".

Mit den angefochtenen gleich lautenden Bescheiden vom 20. Juni 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, auf Grund der Aktenlage gehe hervor, dass die Beschwerdeführer Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich aufhältigen Ehegatten bzw. Vater begehrten. Der Lebensunterhalt werde ausschließlich auf Grund dessen Einkommens bestritten. Nunmehr hätten jedoch Erhebungen seitens der belangten Behörde ergeben, dass der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer seit 25. November 1996 nicht mehr bei dem im Antrag auf Grund von Lohnbestätigungen angegebenen Unternehmen S. beschäftigt sei. Eine Nachfrage beim "Arbeitsamt" habe ergeben, dass er danach kurzfristig beim Unternehmen E. beschäftigt gewesen sei. Derzeit verfüge er jedoch weder über eine angemeldete aufrechte Beschäftigung noch beziehe er Mittel aus der Arbeitslosenversicherung. Da die Beschwerdeführer keine aktuellen Einkommensnachweise zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung vorgelegt hätten, seien sie somit ihrer Pflicht, am Verfahren entsprechend mitzuwirken, nicht ausreichend nachgekommen. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer bereits seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichthof bereits mehrfach erkannt, dass § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall der Beschwerdeführer ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, wenn keine ausreichenden Unterhaltsmittel vorlägen, die ihren Unterhalt in Österreich gewährleisteten. Es sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführer nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung des Sozialhilfeträgers auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden auf Grund des persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte jeweils am 25. Juni 1997) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage verfügten die Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Aufforderungen seitens der Behörde an den Antragsteller, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebenso wenig geboten wie die Durchführung diesbezüglicher amtswegiger Ermittlungen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 96/19/2042). Von den diesbezüglichen Angaben des Fremden kann die Behörde selbst dann ausgehen, wenn sie erstmals den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG heranzieht. Die belangte Behörde darf nun zwar im Hinblick auf die Verpflichtung des Fremden zur Glaubhaftmachung des Nichtvorliegens von Versagungsgründen auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den Unterhaltsmitteln ausgehen, die der Antragsteller in seinem Bewilligungsantrag und im Folgenden Verwaltungsverfahren von sich auch bekannt gegeben hatte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561); dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde nicht ihre eigenen Ermittlungen über die dem Fremden zur Verfügung stehenden Unterhaltesmittel anstellen und für den Fall, dass die Ergebnisse dieser Ermittlung Zweifel an der aktuellen Sicherung seines Einkommens hervorrufen, den Antragsteller auffordern kann, aktuelle Nachweise des zur Verfügung stehenden Einkommens vorzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1999, Zl. 97/19/1043 bis 1046).

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihnen die angeblich eingeholte Auskunft des (richtig:) Arbeitsmarktservice zur Stellungnahme vorzulegen. Hätte die belangte Behörde dies getan, hätte sich herausgestellt, dass der Ehegatte bzw. Vater der Beschwerdeführer nur vorübergehend arbeitslos gewesen, mittlerweile jedoch wieder in einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt sei und ein Einkommen von ca. S 16.000,-- bis S 17.000,-- netto monatlich beziehe. Ein Einkommen in dieser Höhe sei durchaus ausreichend, einen - wenn auch bescheidenen - Lebensunterhalt der Beschwerdeführer zu sichern.

Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht. Nach den vorstehenden Ausführungen durfte die belangte Behörde, die sich - anders als die erstinstanzliche Behörde - nicht auf den Versagungsgrund der nicht gesicherten für Inländer ortsüblichen Unterkunft stützte, zwar eigene Ermittlungen über die den Beschwerdeführern zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel anstellen, doch war sie jedenfalls gehalten, ihnen zu den diesbezüglichen Ergebnissen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Da dies vorliegendenfalls unterblieben ist, unterliegt das Vorbringen der Beschwerdeführer, ihr Ehegatte bzw. Vater verfüge über ein monatliches Durchschnittseinkommen von S 16.000,-- bis S 17.000,-- nicht dem Neuerungsverbot.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Wahrung des Parteiengehörs zu einem anderen (für die Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis gekommen wäre:

Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid zwar den Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführer zahlenmäßig nicht fest, vertrat jedoch die Ansicht, dass "unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes" der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen müsste. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begegnet eine am Sozialhilferichtsatz für das jeweilige Bundesland orientierte Berechnung des Bedarfes an Unterhaltsmitteln aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte eines Beschwerdeführers keinen Bedenken (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561, mwN), dies allerdings nur dann, wenn die Berechnung anhand des Sozialhilferichtsatzes nachvollziehbar ist. Dabei hat die Behörde darzulegen, welchen monatlichen Betrag sie als dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Mittel einerseits und welchen monatlichen Betrag sie als richtsatzgemäße Gesamtunterstützung im Sinn des anzuwendenden Sozialhilferichtsatzes als maßgeblichen Sachverhalt andererseits dem Tatbestand des nichtgesicherten Unterhaltes subsumiert. Bei Annahme eines nicht durch den Richtsatz gedeckten Mehrbedarfes wäre dieser überdies konkret festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zlen. 96/19/0271 bis 0274).

Unter Zugrundelegung eines Einkommens des Ehegatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer in der in der Beschwerde dargelegten Höhe unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen und der Ansprüche auf Bezug von Familienbeihilfe für den Zweit - und Drittbeschwerdeführer (vgl. dazu neuerlich das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997) ist nicht auszuschließen, dass diesen Geldmittel in ausreichender Höhe zur Verfügung stünden, um davon ausgehen zu können, dass sie ihren (auf Grundlage des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien und der nach den im hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1998, Zl. 96/19/0529, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargestellten Berechnungsgrundsätze zu berechnenden) Unterhaltsbedarf für die Dauer der angestrebten Bewilligung bestreiten könnten.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997191435.X00

Im RIS seit

06.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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