Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Christoph Lehne über die Berufung der Nachbarn
1.
E. S., XY;
2.
L. S., XY,
3.
E. M., XY;
gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 30.08.2004, Zl 3.1- 1604/04-A-24, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm den §§ 74 und 77 Gewerbeordnung 1994 (GewO) und § 67d, § 67e und § 67h AVG 1991 werden die Berufungen der Nachbarn E. S., L. S. und E. M., XY., als unbegründet abgewiesen.
Gebührenrechtlicher Hinweis:
Für die Berufung haben die drei Nachbarn E. S., L. S. und E. M. jeweils eine Berufungsgebühr in der Höhe von Euro 13,00 an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck auf deren Aufforderung hin binnen zwei Wochen zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der B. N. GmbH die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des B.es auf Gst. 2009/59, KG 81123 Neustift i.St.
Die Beschreibung dieser Anlage ist dem angefochtenen Bescheid in ausführlicher Weise zu entnehmen. Unter anderem wurde folgende emissionstechnische Auflage vorgeschrieben:
1. Bei besonderen meteorologischen Verhältnissen ist der Betreiber verpflichtet, auf Anordnung der Behörde den Betrieb der Kessel einzuschränken oder einzustellen bzw auf schadstoffärmere Brennstoffe umzustellen.
Der Immissionstechniker hat gleichzeitig Windmessungen durch eine hiezu befugte Stelle unter
der Auflage E 3 vorgeschrieben.
Die mündliche Verhandlung war mit Kundmachung vom 02.04.2003, Zl 3.1-1604/04-A-5, vom 15.04.2004 um 08.30 Uhr anberaumt worden. Sie enthielt eine Beschreibung der Anlage und den Hinweis auf die Präklusionsfolgen im Fall der Nichtäußerung nach § 42 Abs 1 AVG 1991 sowie den Hinweis auf notwendige Einwendungen nach § 74 Abs 2 Z 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994. Die mündliche Verhandlung war an der Amtstafel der Gemeinde Neustift vom 07.04.2004 bis 15.04.2004 angeschlagen. Neben den Berufungswerbern E. M. und L. S. war auch E. S., XY, zur mündlichen Verhandlung geladen worden.
E. S. ist bei dieser mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat keine Einwendungen schriftlicher Art erstattet.
Die Nachbarn L. S., K. S. und W. S. haben in der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO 1994 erstattet. Der Nachbar E. M. hat schriftliche Einwendungen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 1 und 2 GewO 1994 erstattet. Die Nachbarn L. S., W. S., V. M., und E. M. erhielten die Gelegenheit, zu allen Gutachten, die bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck im erstinstanzlichen Verfahren abgegeben wurden, nach Akteneinsichtnahme eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Davon wurde seitens keiner Partei Gebrauch gemacht. In der gleichlautenden Berufung führen alle
Nachbarn Folgendes aus:
?Gegen den im Betreff angeführten Bescheid erhebe ich binnen offener
Frist aus folgenden Gründen als Nachbar Berufung:
Wie bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15.04.2004 vorgebracht, wird durch das gegenständliche Vorhaben die Lebensqualität durch Lärm und Staub wesentlich beeinträchtigt und gehe ich weiters davon aus, dass es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen kommen wird, da ich in der direkten Windrichtung zu den Abgasen aus dem Schornstein liege.
Unverständlich und unspezifisch sind die emissionstechnischen Auflagen, die im Punkt 1 auf besondere meteorologische Verhältnisse verweisen, wonach der Betrieb der Kessel einzuschränken oder einzustellen bzw auf schadstoffärmere Brennstoffe umzustellen sei. Aus dieser Auflage kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, bei welchen konkreten Wetterverhältnissen diese einschränkenden Maßnahmen zum Tragen kommen.
Außerdem wird noch darauf hingewiesen, dass der Amtsarzt in seinem Gutachten nur die Gesundheitsbeeinträchtigung der Gefährdung der Nachbarn beurteilt, jedoch keine Ausführungen zu unzumutbaren Belästigungen trifft. Diese werden unzulässigerweise vom lärmtechnischen Sachverständigen berücksichtigt.?
Der amtsärztliche Sachverständige der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat zur Frage der Lärmbelästigung aufgrund des lärmtechnischen Befundes folgendes Gutachten erstattet:
?Fragestellung
Mit Schreiben vom 21.06.2004 erging das Ersuchen um Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens hinsichtlich der Zumutbarkeit des auftretenden Lärmpegels unter Berücksichtigung der schalltechnischen Gutachtens der IC Konsulenten Ziviltechniker GesmbH und des gewerbetechnischen Amtssachverständigen Dipl. Ing. R. M. im Bereich oben angeführter Adresse.
Sachverhalt
Wie aus den Unteralgen hervorgeht, stellte die B. Neustift GesmbH mit 11.02.2004 ein Ansuchen um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines B.es auf dem Grundstück 2009/59, KG 81123 Neustift im Stubaital.
Seitens der Nachbarn, S. L., S. K. und S. W. bestehen Einwände dass Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub entstehen könnten. Geplant ist ein ganzjähriger Betrieb 24 Stunden pro Tag. Aus der, laut Endausbaus geplanter jährlicher Brennstoffmenge ergibt sich eine ein bis zweimalige Anlieferung durch LKW bzw Traktoren pro Tag. Für die Brennstoffmanipulation am Werksgelände wird ein handelsüblicher Radlader zum Einsatz kommen, wobei für den Außenbereich eine Einwirkdauer von 100 Minuten pro Tag angegeben wird. Der Abtransport der Asche wird mit ca ein bis zwei Containertransporten pro Monat anzuschätzen sein. Diese fallen lärmtechnisch nicht ins Gewicht.
Der Innenpegel im Heizhaus wird im Projekt mit 85 dB angegeben. An der nördlichen und westlichen Gebäudefront liegen Zu und Abluftöffnungen, die mit entsprechenden Schalldämpfern versehen sind. Die Zuluftöffnung für die Entschwadung, ebenfalls an der nördlichen Fassade wird ebenfalls mit einem Schalldämpfer versehen. Für das an der Ostfassade befindliche Sektionaltor wird ein Schalldämmmaß von RW = 23 dB angegeben. Das Tor an der Westfassade wird mit dem gleichen Schalldämmmaß ausgeführt. Die Fenster werden isolierverglast, das Schalldämmmaß wird mit 30 dB angegeben. Beim Abgaskamin wird ein Schalldämpfer vorgesehen, die max. Schallleistung an der Mündungsöffnung beträgt L A,W,max 85 dB. Zum Betriebsverkehr ist zu sagen, dass dieser eine untergeordnete Rolle spielt. Er wurde jedoch im schalltechnischen Gutachten berücksichtigt.
Gutachten
Bei einem Lokalaugenschein am 07.07.2004 um ca 14.00 bei kaltem regnerischem Wetter ergibt sich, dass der nächstgelegene Anrainer zum geplanten B. in einer Entfernung von ca 150 Meter neben der Stubaitalstraße sich befindet. Es handelt sich um die so genannte Autenhöfe. Die übrige Wohnbebauung ist wesentlich weiter entfernt. Am 09. und 10.04.2004 erfolgte eine umfangreiche Lärmmessungen vom Dipl. Ing. S. vom Büro IC K. Z. GesmbH.
Der Messpunkt 1 liegt im Bereich der Stubaitalstraße XY (nächstliegender Nachbar). Dabei ergaben sich für den energieäquivalenten Dauerschallpegel untertags ein Wert von 66 dB bzw in der Nacht 33 dB. Für denselben Messpunkt ergibt sich aus der Emissionsprognose für die Tagstunden ein Beurteilungspegel L R von 52 dB bzw für die Nachstunden ein Beurteilungspegel L R von 30 dB. Aus dem lärmtechnischen Gutachten von Herrn Dipl. Ing. M. ergibt sich für die Tagstunden ein Beurteilungspegel von L , gleich 52 dB (A), beim nächstgelegenen Nachbarn XY, der um 14 dB unter dem vorherrschenden energieäquivalenten Dauerschallpegel der Umgebungsgeräusche von L A gleich 66dB liegt. Damit kommt es zur keiner merkbaren Anhebung des vorherrschenden Ist-Maßes durch den Betrieb des Biomassefernheizwerkes am Tag.
Für die Nachstunden ergibt der ermittelte Prognosewert für den Beurteilungspegel der Dauergeräusche des Fernheizwerkes von 30 dB und liegt somit 1 dB unter dem dort vorherrschenden Grundgeräuschpegel bzw dem Basispegel L 95= 31 dB. Nachdem sich das Störgeräusch in der Nacht nicht über den Grundgeräuschpegel erhebt, wird es für den Nachbarn nicht wahrnehmbar sein bzw durch den Grundgeräuschpegel kaschiert werden, auch wenn durch energetische Addition der beiden Pegel der Gesamtpegel um 2 dB über den Grundgeräuschpegel angehoben wird.
Somit geht der lärmtechnische Sachverständige von keiner unzumutbaren Lärmstörung vorausgesetzt dass alle Bestimmung bei der Bauausführung berücksichtigt wird aus.
Insgesamt geht der lärmtechnische Sachverständige auch davon aus, dass die getroffenen Annahmen auch durchwegs auf der sicheren Seite liegen und im Normalbetrieb normalerweise nicht erreicht werden.
Zusammenfassend wird folgendes festgestellt:
Aus amtsärztlicher Sicht bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit des auftretenden Lärmpegels sowohl untertags als auch in den Nachstunden, wobei jedoch Brennstoffanlieferungen nur wochentags in der Zeit zwischen 06.00 und 18.00 Uhr stattfinden sollten bzw Brennstoffmanipulationen nur in den Tagstunden vorgenommen werden. Somit kann aus amtsärztlicherseits eine Gesundheitsbeeinträchtigung oder gar Gefährdung der nächstgelegen Nachbarn nicht abgeleitet werden.?
Mit der Behandlung der Frage nach einer möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung hat der Amtsarzt somit auch zur ?Belästigung? aus medizinischer Hinsicht Stellung genommen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der Sachverständige für Emissionsbegutachtungen gefragt, ob sich seine Emissionsprognosen auch auf den Standort XY beziehen bzw welche Grenzwerte hier zugrunde gelegt würden.
Dieser hat ergänzend per E-Mail wie folgt Stellung genommen:
?Die Aussagen der im Genehmigungsverfahren eingebrachten gutachterlichen Stellungnahme beziehen sich auf humanhygienisch relevante Schadstoffe.
Aus der Stellungnahme geht hervor, dass bei Stickstoffdioxid (N02) und Feinstaub (PM 10) die zu erwartende Gesamtbelastung aus Vorbelastung und der zu erwartenden maximalen Zusatzbelastung gesichert unterhalb der gesetzlich festgelegten Grenzwerte gemäß Immissionsschutzgesetz (BGBI I 1997/115 idgF) liegt. Da Stickstoffdioxid großteils erst auf dem atmosphärischen Transportweg gebildet wird, ist die höchste Zusatzbelastung (bezogen auf den Jahresmittelwert) gemäß der Berechung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erst in einer Entfernung von 1600 Meter zum Werk zu erwarten.
Bei PM 10 liegt diese aufgrund der Kaminhöhe und der Auswurfgeschwindigkeit in einer Entfernung von ca 800 Meter. Da sich die Wohnhäuser der Berufungswerber in unmittelbarer Nähe (um die ca 200 Meter) zum Biomasseheizwerk befinden, sind dort die oben angeführten Kernaussagen als erhärtet anzusehen.
Ergänzende Aussagen zum Schutz der Pflanzen
In vorhin zitierten Immissionsschutzgesetz Luft sind zum Schutz der Ökosysteme und der Vegetation Jahresmittelgrenzwerte für Schwefeldioxid (20 µg/m3) und Stickstoffoxide (30µg/m3) festgeschrieben. Schwefeldioxid stellt aufgrund des generell niedrigen Belastungsniveaus (gemessene Jahresmittelwerte an der Messstelle Innsbruck/Zentrum ca 6 µg/m3, an den restlichen Messstellen des Tiroler Luftmessnetzes < 6 µg/m3) und der geringen Relevanz bei der Verfeuerung von Biomasse kein Problem dar. Aus der Immissionsabschätzung der ZAMG geht hervor, dass für Stickstoffoxide (NOx) mit einer maximalen Zusatzbelastung bezogen auf den Jahresmittelwert von 0,49 µg/m3 zu rechnen ist. Dieser Wert ergibt sich in einer Entfernung von 800 m.
Nach dem Immissionsschutzgesetz Luft müssen Standorte von vegetationsbezogenen Messungen derart ausgewählt werden, dass dadurch die Repräsentativität für große Flächen mit pflanzlichem Bewuchs gegeben ist.
In Tirol befindet sich mit St. S. westlich von Innsbruck die einzige vegetationsbezogene Messstelle, die diese Kriterien erfüllt. Der gemessene Jahresmittelwert bei NOx liegt dort aufgrund der Messungen der letzten Jahre bei ca 3 µg/m3.
Auf Basis dieses Messwertes und der maximal prognostizierten Zusatzbelastung durch das Biomasseheizwerk liegt die Gesamtbelastung deutlich unterhalb des festgelegten Grenzwertes.?
Da zur Frage der Auswirkungen der Schadstoff-Immissionen auf die nächsten Nachbarn keine Aussage durch den erstinstanzlichen Amtssachverständigen getroffen wurde, wurde der Sachverständige der Landessanitätsdirektion hiezu ergänzend befragt. Er hat wie folgt Stellung genommen:
?Fragestellung
Mit Ersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4.10.2004, eingelangt am 6.10.2004, soll zur Frage der Auswirkungen der zusätzlichen Immissionen durch Luftschadstoffe aus medizinischer Sicht gutachterlich Stellung genommen werden. Auf die ergänzenden Ausführungen des Herr DI W. E., Abteilung Waldschutz, zu den Schadstoffimmissionen für die nächsten Nachbarn (bei den XY Höfen) wird hingewiesen. Weiters wird um ein kurzes Statement gebeten, ob die Aussagen des erstinstanzlichen medizinischen Gutachters über die Auswirkungen des Lärms geteilt werden.
Sachlage
Die B. Neustift GesmbH, XY., hat bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck um die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines B. es auf dem Grundstück 2009/59, KG 81123 Neustift im St.angesucht. Der erforderliche Gesamtenergiebedarf (Energieverkauf und Netzverluste) wird mit 2 Biomassekesseln und 1 Spitzenlastkessel (Ölkessel) erzeugt. Die 2 Biomassekessel (4 MW und 3 MW) werden wärmegeführt betrieben und erzeugen die erforderliche Energie für die Fernwärme. Der 8 MW Ölkessel erzeugt die Energie der verbleibenden Lastspitzen, welche nicht durch die Biomassekessel abgedeckt werden können und dient gleichzeitig als Ausfallsreserve.
Gemäß der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Immissionsschutz im Rahmen der Verhandlung vom 15.4.2004 ergibt sich durch den Betrieb der geplanten Fernwärmeversorgungsanlage und der dadurch möglichen Substitution von bestehenden Einzelfeuerungsanlagen für den Talabschnitt im Bereich der Gemeinde Neustift in Summe eine teilweise deutliche Verbesserung der Schadstoffbilanz bei Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), Feinstaub (PM10) sowie bei der Gruppe der Kohlenwasserstoffe (organisch C). Ein negative Emissionsbilanz in geringem Ausmaß liegt lediglich bei Stickoxiden vor. Diese Betrachtungsweise legt hauptsächlich eine Substitution von Ölfeuerungsanlagen zugrunde. Zusammenfassend kann für den Großraum Neustift durch den Betrieb des beantragten Fernheizwerkes auf Biomassebasis insgesamt mit einer Entlastung der Schadstoffsituation gerechnet werden. Zu den Immissionsauswirkungen durch den betrieb der Fernwärmeversorgungsanlage ergibt sich unter Berücksichtigung der meteorologischen Daten für die lufthygienisch problematischen Schadstoffe Stickstoffdioxid (N0 2) und Feinstaub (PM10) durch den Betriebe des Fernheizwerkes bei Volllast bei den nächsten Nachbarn folgende Zusatzbelastung:
N02-Kurzzeitmittelwert als Halbstundenwert: 3,7 µg/m3(Grenzwert IG-Luft: 200 µg/m3)
N02 Langzeitmittelwert als Jahreswert: 0,05 µg/m3(Grenzwert IG-Luft: 30 µg/m3)
PM10 Tagesmittelwert: 0,5 µg/m3(Grenzwert IG-Luft: 50 µg/m3)
PM 10 Jahresmittelwert: 0,02 µg/m3(Grenzwert IG-Luft: 40 µg/m3)
In Bezug auf den Grenzwert nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-Luft) weist die abgeschätzte Zusatzbelastung eine Größeordnung von geringer Relevanz auf. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass bei Stickstoffdioxid und Feinstaub eine Gesamtimmissionskonzentration aus Vorbelastung und Zusatzbelastung unterhalb der gesetzlich festgelegten Grenzwerte liegt. Unter Einhaltung der Projektvorgaben und der Nebenbestimmungen besteht aus Sicht des Immissionsschutzes kein Einwand gegen den Betrieb der Anlage.
Gemäß dem amtsärztlichen Gutachten vom 23.7.2004 wurde auf der Grundlage eines eigenen Lokalaugenscheins am 7.7.2004 und umfangreichen Lärmmessungen von DI S vom Büro IC Konsulenten Z. GesmbH vom 9. und 10.4. 2004 für die nächsten Nachbarn (XY Höfe) eine unzumutbare Lärmbelästigung ausgeschlossen. Aus amtärztlicher Sicht bestanden keine Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit des auftretenden Lärmpegels sowohl untertags als auch in den Nachtstunden, wobei jedoch Brennstoff Anlieferungen nur wochentags in der Zeit zwischen 06.00 und 18.00 Uhr stattfinden sollten bzw Brennstoffmanipulationen nur in den Tagesstunden vorgenommen werden. Somit kann aus amtärztlicher Sicht eine unzumutbare Belästigung, Gesundheitsbeeinträchtigung oder gar Gefährdung der nächsten Nachbarn nicht abgeleitet werden.
Gegen den Genehmigungsbescheid der Betriebsanlage vom 30.08.2004 haben die Nachbarn E. S., (XY), L. S.XY) und M. E. (XY) berufen und damit begründet, dass sie sich durch Lärm und Staubbelastungen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlen und dass sie in der direkten Windrichtung zu den Abgasen aus dem Schornstein liegen.
In der ergänzenden Stellungnahme des Amtssachverständigen für Immissionsschutz führt dieser an, dass zum Schutz der Ökosysteme und der Vegetation Jahresmittelgrenzwerte für Schwefeldioxid (20 µg/m3) und Stickstoffoxide (30 µg/m3) festgeschrieben sind. Schwefeldioxid stellt aufgrund des generell niedrigen Belastungsniveaus und der geringen Relevanz bei der Verfeuerung von Biomasse kein Problem dar. Aus der Immissionsabschätzung der ZAMG geht hervor, dass Stickstoffoxide (NOx) mit einer maximalen Zusatzbelastung bezogen auf den Jahresmittelwert von 0,49 µg/m3 zu rechnen ist. Dieser Wert ergibt sich in einer Entfernung von 800 m.
Nach dem Immissionsschutzgesetz müssen Luftmessensstandorte von vegetationsbezogenen Messungen derart ausgewählt werden, dass dadurch die Repräsentativität für große Flächen mit pflanzlichem Bewuchs gegeben ist. In Tirol befindet sich in St. S. westlich von Innsbruck die einzige vegetationsbezogene Messstelle, die diese Kriterien erfüllt. Der gemessene Jahresmittelwert bei NOx liegt dort aufgrund der Messungen der letzten Jahre bei ca 3 µg/m3 Auf Basis dieses Messwertes und der maximal prognostizierten Zusatzbelastung durch das Biomasseheizwerk liegt die Gesamtbelastung deutlich unterhalb des festgesetzten Grenzwertes.
Aus der Stellungnahme geht hervor, dass bei Stickstoffdioxid und Feinstaub die zu erwartende Gesamtbelastung aus Vorbelastung und der zu erwartenden maximalen Zusatzbelastung gesichert unterhalb der gesetzlich festgelegten Grenzwerte gemäß Immissionsschutzgesetz liegt. Da sich die Wohnhäuser der Berufungswerber in unmittelbarer Nähe (um die ca 200 Meter) zum B. befinden, sind dort die obigen Kernaussagen als erhärtet anzusehen.
Stellungnahme
Bei gegenständlicher Sachlage sind hinsichtlich der durch das Biomasseheizwerk Neustift zu erwartenden Luftschadstoffemissionen für die nächsten Nachbarn (bei den XY Höfen) auch entsprechend der ergänzenden Stellungnahme von Herrn Ing. E. keine Schadstoffimmissionen zu erwarten, die medizinisch im Sinne einer Gesundheitsgefährdung oder Belästigung einzustufen sind. Die festgelegten Grenzwerte gemäß Immissionsschutzgesetz werden bei antragsgemäßer Ausführung des Projektes und Einhaltung der Nebenbestimmungen nicht überschritten.
Die Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 23.7.2004 werden vollinhaltlich aufrecht erhalten.?
Somit steht auf Basis zweier medizinischer Gutachten fest, dass keine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn durch Lärm zu erwarten ist und auch keine wesentliche Störung des Wohlbefindens. Weiters hat der Amtsarzt der Landessanitätsdirektion ausgeschlossen, dass eine Gesundheitsgefährdung durch die von den Nachbarn angesprochenen Immissionen in der Luft resultieren.
Diesen Aussagen der Gutachter wurde seitens der Nachbarn im Rahmen des Parteiengehörs in keinster Weise entgegen getreten. Hinzu kommt, dass der Nachbar E. M. infolge nicht rechtzeitiger Erhebungen von Einwendungen im Sinn des § 74 Abs 1 Z 1 und 2 GewO 1994 keine Parteistellung erlangt hat.
?§ 77
(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen.
(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
(3) Die Behörde hat Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Die für die zu genehmigende Anlage in Betracht kommenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß § 10 Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L), BGBl I Nr 115, sind anzuwenden. Die Einhaltung der in den Anlagen 1 und 2 zum IG-L oder in einer Verordnung gemäß § 3 Abs 3 IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte ist anzustreben.
(4) Die Betriebsanlage ist erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn die Abfälle (§ 2 Abfallwirtschaftsgesetz) nach dem Stand der Technik (§ 71a) vermieden oder verwertet oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausgenommen davon sind Betriebsanlagen, soweit deren Abfälle nach Art und Menge mit denen der privaten Haushalte vergleichbar sind.
(5) Für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des § 356e Abs 1 (Einkaufszentren), welche überwiegend dem Handel mit Konsumgütern des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs dienen, müssen auch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1.
der Standort muss für eine derartige Gesamtanlage gewidmet sein;
2.
Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmeter dürfen für einen Standort nur genehmigt werden, wenn das Projekt keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs im Einzugsbereich erwarten lässt.
(6) Verkaufsflächen im Sinne des Abs5 sind die Flächen aller Räume, die für Kunden allgemein zugänglich sind, ausgenommen Stiegenhäuser, Gänge, Hausflure, Sanitär und Sozial und Lagerräume, wobei die Verkaufsflächen in mehreren Bauten zusammenzuzählen sind, wenn die Bauten zueinander in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine funktionale Einheit bilden.
(7) Überwiegend dient eine Anlage dem Handel mit Konsumgütern des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs dann, wenn die Verkaufsfläche für Konsumgüter des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs 800 m² überschreitet.
(8) Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist dann zu erwarten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projekts zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs erschwert würde. Der Landeshauptmann hat in einer Verordnung hiefür die entsprechenden Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung anerkannter branchenbezogener Erfahrungswerte unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten, der Nahversorgungssituation und des Warensortiments nach Anhörung der für das jeweilige Bundesland zuständigen Wirtschaftskammer und der für das jeweilige Bundesland zuständigen Kammer für Arbeiter und Angestellte zu erlassen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat in einer Verordnung die Konsumgüter des kurzfristigen und des täglichen Bedarfs zu bezeichnen.
(9) Die Abs 5 und 8 gelten nicht für Projekte in einem Stadtkern oder Ortskerngebiet. Stadtkern oder Ortskerngebiet sind jene Ortsbereiche oder Flächen mit Ausrichtung auf das örtliche bzw überörtliche Verkehrsnetz, die eine überwiegend zusammenhängende Verbauung mit öffentlichen Bauten, Gebäuden, die der Hoheitsverwaltung und der Gerichtsbarkeit dienen, Gebäuden für Handels und Dienstleistungsbetriebe, Bauten des Tourismus, Versammlungs und Vergnügungsstätten, Wohngebäuden sowie Gebäuden, die der Religionsausübung gewidmet sind, aufweisen.?
Die Voraussetzungen für die Genehmigung der Betriebsanlage lagen aufgrund der abgegebenen Gutachten eindeutig vor. Diese Gutachten wurden nicht widerlegt.
Die Berufung aller Nachbarn musste daher abgewiesen werden.
Hinsichtlich der Kritik an der immissionstechnischen Auflage Punkt 1 wird festgehalten, dass unter den besonderen meteorologischen Verhältnissen ?Inversionslagen? und ?Kalmen? (Perioden der Windstille) zu verstehen sind. Dieses Verständnis der immissionstechnischen Auflage kann bei Techniker oder Medizinern vorausgesetzt werden, womit eine vollziehbare und vollstreckbare Auflage vorliegt.