Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg erlässt durch das Einzelmitglied Mag. Thomas Thaller über die Berufung von Herrn Karl F, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 5.5.2004, Zahl 30606/369-4866-2003, folgendes Erkenntnis:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatvorwurf zu lauten hat:
?Sie haben als Lenker des Pkws mit dem Kennzeichen JO-? am 14.5.2003 gegen 17:00 Uhr auf der B 311 in Fahrtrichtung Lofer zwischen Strkm 77,850 und 78,200 einen Pkw und einen Lkw-Zug vor einer unübersichtlichen Kurve (Rechtskurve vor der Kleberbrücke) überholt, wodurch zwei entgegenkommende Fahrzeuge, welche zu Beginn des Überholvorganges auf Grund der unübersichtlichen Kurve nicht wahrgenommen werden konnten, abbremsen und bei Strkm 78,200 an den rechten Fahrbahnrand lenken mussten, um eine Kollision mit ihrem Fahrzeug zu vermeiden.?
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Beschuldigte außer dem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von
? 9 zu leisten.
Für die Durchführung der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 5.11.2004 in St. Martin bei Lofer (Lokalaugenschein) hat der Beschuldigte zusätzlich gemäß § 64 Abs 3 VStG iVm §§ 76, 77 AVG und § 1 Abs 1 Z 1 Landes- und Gemeindekommissionsgebührenverordnung 2002 Kommissionsgebühren in Höhe von ? 6 (1 Amtsorgan, 2 halbe Stunden) zu entrichten.
Begründung: Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, er habe als Fahrzeuglenker des Pkw M 1, JO-HF 1 (A) am 14.05.2003, 17:00 Uhr, in St. Martin/Lofer, Pinzgauer Straße, Str KM 78,200, auf einer unübersichtlichen Straßenstelle überholt. Nähere Angaben: 2 entgegenkommende Fahrzeuge haben abbremsen und an den rechten Fahrbahnrand lenken müssen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 16 Abs 2 lit b Straßenverkehrsordnung begangen und wurde hiefür über den Beschuldigten gemäß § 99 Abs 3 lit a leg cit eine Geldstrafe in der Höhe von ? 145, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht eine Berufung eingebracht. Er moniert darin, dass von der erstinstanzlichen Behörde seinen Beweisanträgen auf Einvernahme des Beschuldigten, des Meldungsleger sowie Durchführung eines Lokalaugenscheines nicht statt gegeben worden sei. Die Beweise hätten ergeben, dass weder eine unübersichtliche Straßenstelle vorgelegen sei, noch entgegenkommende Fahrzeuge abbremsen und ausweichen hätten müssen.
In der Sache fand am 5.11.2004 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung statt, bei der an Ort und Stelle ein Lokalaugenschein durchgeführt wurde. Weiters wurden der Beschuldigte und als Zeuge der meldungslegende Gendarmeriebeamte einvernommen.
Der Beschuldigte gab in seiner Einvernahme an, damals mit seinem Pkw (BMW mit 180 PS) schon eine Zeit lang hinter einem Lkw mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h nachgefahren zu sein. Im Bereich der Fahrbahnkuppe etwa bei Strkm 77,850 habe er Vollgas gegeben, auf 100 km/h beschleunigt und diesen Lkw dann überholt. Den Überholvorgang habe er etwa bei Strkm 78,150 noch vor der Rechtskurve beendet. Zu Beginn des Überholvorganges habe er keinen Gegenverkehr erkennen können. Beim Überholmanöver habe er mit seinem Pkw die Mittelleitlinie nur ganz leicht überquert. Gegenverkehr habe er erst wahrgenommen, als er sich mit seinem Fahrzeug bereits auf gleicher Höhe des Lkws befunden bzw. ihn schon fast passiert habe. Seiner Meinung nach seien die Fahrzeuge im Gegenverkehr ausreichend weit entfernt gewesen und habe er den Überholvorgang gefahrlos beenden können, ohne dass der Gegenverkehr abbremsen hätte müssen. Er habe beim Überholvorgang eine Geschwindigkeit von 100 km/h eingehalten.
Der meldungslegende Gendarmeriebeamte gab in seiner Zeugeneinvernahme an, damals mit seinem Kollegen kurz vor der so genannten Kleberbrücke postiert gewesen zu sein. Sein Kollege habe in Fahrtrichtung Lofer Lasergeschwindigkeitsmessungen durchgeführt. Er selbst habe die Lasermessungen verfolgt, aber auch immer wieder in die entgegengesetzte Fahrtrichtung geblickt. Dabei habe er auch den Überholvorgang des aus Richtung Weißbach in Richtung Lofer fahrenden Beschuldigten beobachtet. Der Zeuge gab ebenfalls an, dass der Überholvorgang des Beschuldigten im Bereich der Fahrbahnkuppe etwa bei Strkm 77,850 begonnen worden sei und kurz vor Strkm 78,2 beendet worden sei. Entgegen den Angaben des Beschuldigten gab der Zeuge aber an, dass dieser nicht nur einen Lkw, sondern tatsächlich zuerst einen Pkw und dann einen Lkw-Zug überholt habe. Der Zeuge gab auch an, dass auf Grund des Überholvorganges zwei entgegenkommende, in Fahrtrichtung Weißbach fahrende Pkws stark abbremsen und bei Strkm 78,2 auf die Straßenbankette fahren haben müssen, um eine Kollision mit dem überholenden Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden. Der Zeuge bestätigte allerdings, dass die entgegenkommenden Fahrzeuge zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges durch den Beschuldigten für diesen auf Grund der unübersichtlichen Rechtskurve nicht wahrzunehmen waren. Zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholvorganges hätten sich diese Fahrzeuge noch vor der Kleberbrücke befunden und seien für den aus Richtung Weißbach kommenden Verkehr auf Grund des Kurvenverlaufes nicht einsehbar gewesen. Er sei dann sofort auf die Fahrbahn gegangen und habe dem Lenker des überholenden Fahrzeuges Anhaltesignale gegeben. Der Lenker habe sein Fahrzeug stark abgebremst und sei in der Kurve im Bereich der Kleberbrücke zum Stillstand gekommen. Der Beschuldigte habe dann sein Fahrzeug in einen Seitenweg zurückgeschoben und habe dort die Amtshandlung stattgefunden. Die überholten Kraftfahrzeuge bzw die Fahrzeuge des Gegenverkehrs habe er nicht angehalten.
Der Lokalaugenschein ergab, dass von der Fahrbahnkuppe ca. bei Strkm 77,850 (Beginn des Überholvorganges laut den übereinstimmenden Angaben des Beschuldigten und des Zeugen) bis zur Kurve vor der Kleberbrücke eine Sichtweite von ca. 400 m besteht. Der Überholvorgang wurde kurz vor Strkm 78,2, ca. 50 m vor der Kurve beendet.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg stellt hiezu gemäß § 51c VStG durch ein Einzelmitglied fest:
Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschuldigte lenkte zur vorgeworfenen Tatzeit auf der B 311 von Lofer kommend den im Spruch näher angeführten Pkw (BMW, 180 PS). Vor ihm fuhren ein Pkw und ein Lkw-Zug mit Hänger. Diese hielten eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h ein. Im Bereich der Fahrbahnkuppe bei Strkm 77,850, von welcher man eine Sichtweite bis zur unübersichtlichen Rechtskurve vor der Kleberbrücke über eine Distanz von ca. 400 m hat, begann der Beschuldigte den Überholvorgang und überholte in einem Zug den vor ihm fahrenden Pkw und in weiterer Folge den Lkw-Zug. Zum Zeitpunkt des Beginns des Überholvorganges befanden sich auf der entgegenkommenden Fahrbahn aus Richtung Lofer kommend zwei Fahrzeuge kurz vor der so genannten Kleberbrücke. Auf Grund der unübersichtlichen Rechtskurve vor der Kleberbrücke konnte der Beschuldigte diesen Gegenverkehr zu Beginn seines Überholvorganges nicht wahrnehmen. Der Beschuldigte führte bei seinem Überholvorgang einen Fahrstreifenwechsel auf die Gegenfahrbahn durch. Die entgegenkommenden Fahrzeuge konnte er erst in der Schlussphase seines Überholvorganges wahrnehmen, als er mit seinem Fahrzeug den Lkw-Zug schon fast passiert hatte. Der Beschuldigte hat den Überholvorgang kurz vor Strkm 78,2 durch Wiedereinordnen auf den rechten Fahrstreifen beendet. Die entgegenkommenden Fahrzeuge mussten durch das Überholmanöver des Beschuldigten ihre Fahrzeuge stark abbremsen und bei Strkm 78,2 an den rechten Fahrbahnrand bzw das Bankett lenken, um eine Kollision mit dem entgegenkommenden überholenden Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden. Die Fahrbahn der B311 weist im dortigen Bereich eine Gesamtbreite von ca. 11 m auf.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die durchgeführten Einvernahmen des Beschuldigten und des Zeugen, auf die Feststellungen anlässlich des Lokalaugenscheines und die Einsicht in die Straßendatenbank des Landes Salzburg. Hinsichtlich der Feststellungen über Beginn und Ende des Überholvorganges decken sich die Aussagen des Beschuldigten im Wesentlichen mit den Angaben des Meldungslegers. Die Berufungsbehörde geht aber davon aus, dass der Beschuldigte nicht nur einen Lkw, wie er selbst angab, sondern, wie der Beamte anführt, tatsächlich in einem Zug einen Pkw und einen Lkw-Zug überholt hat. Bei Berücksichtigung der Fahrzeugbreite eines Lkw-Zuges (2,50 m) und des erforderlichen Seitenabstandes zum überholenden Fahrzeug geht die Berufungsbehörde auf Grund der festgestellten Fahrbahnbreite davon aus, dass er mit seinem Fahrzeug dabei die Mittelleitlinie deutlich überragen und auf den Fahrstreifen der Gegenrichtung wechseln musste. Sie folgt daher auch den Angaben des Zeugen, dass zwei entgegenkommende Pkw stark abbremsen und auf das rechte Straßenbankett lenken mussten, um eine Kollision mit dem überholenden Fahrzeug des Beschuldigten zu vermeiden. Die Berufungsbehörde hat keine Gründe, die diesbezüglichen Wahrnehmungen des Gendarmeriebeamten, der von seinem Standort einen guten Sichtkontakt sowohl auf die Überholstrecke, als auch auf den Gegenverkehr hatte, in Zweifel zu ziehen. Die Angabe des Beschuldigten, dass er im Zeitpunkt des Beginnes seines Überholvorganges den Gegenverkehr nicht habe erkennen können, deckt sich mit der Aussage des Zeugen und auch mit den Feststellungen an Ort und Stelle, da auf Grund der unübersichtlichen Rechtskurve vor der Kleberbrücke eine Sicht auf den Gegenverkehr in diesem Bereich von der Fahrbahnkuppe bei Strkm 77,850 nicht gegeben war. Insofern kann die Berufungsbehörde auch die Angaben des Beschuldigten nicht widerlegen, wonach er die entgegenkommenden Fahrzeuge erst zu einem Zeitpunkt entdeckt hat, als er sich bereits in der Schlussphase des Überholvorganges befunden ha
t.
Gemäß § 16 Abs 2 lit b StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie (§ 55 Abs 2) geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.
Bei einem Überholvorgang mit Fahrstreifenwechsel auf die Gegenfahrbahn hat die für ein gefahrloses Überholen erforderliche Sichtweite über die eigentliche Überholstrecke (die Weglänge, welche vom Anfang bis zum Ende des Überholvorganges zurückgelegt wird) hinaus auch noch jene Strecke davor zu umfassen, welche von einem Gegenverkehr während des Überholzeitraumes durchfahren wird. Auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen geht die Berufungsbehörde davon aus, dass für den Beschuldigten im vorliegenden Fall die für ein gefahrloses Überholen erforderliche Überholsichtweite zu Beginn seines Überholvorganges nicht vorgelegen ist. Die gegebene Sichtweite von ca. 400 m reichte hier nur aus, um den Überholvorgang des Pkws und des Lkw-Zuges selbst noch vor der unübersichtlichen Kurve zu beenden, sie erstreckte sich somit nur auf die eigentliche Überholstrecke. Der davor befindliche Gegenverkehr war vom Beschuldigten zu Beginn des Überholvorganges auf Grund der unübersichtlichen Kurve nicht wahrzunehmen. Der Gegenverkehr konnte vom Beschuldigten nach seinen eigenen Angaben tatsächlich erst gegen Ende des Überholvorganges (als er den Lkw ?schon fast passiert habe?) wahrgenommen werden, also zu einem Zeitpunkt, als ein Abbruch nicht mehr möglich war. Dies hatte zur Konsequenz, dass es beinahe zu einer Kollision des den Überholvorgang beendenden Beschuldigtenfahrzeuges mit den entgegenkommenden vorher nicht wahrnehmbaren Fahrzeugen gekommen ist. Die Berufungsbehörde geht daher davon aus, dass der Beschuldigte an einer unübersichtlichen Straßenstelle (nämlich vor einer unübersichtlichen Kurve) im Sinne des § 16 Abs 2 lit b StVO einen Überholvorgang durchgeführt hat. Die Übertretung wird daher als erwiesen angenommen, wobei gemäß § 44a Z 1 VStG der Tatvorwurf zu präzisieren war. Dies konnte erfolgen, da sich die wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits aus der Anzeige ergeben, die dem Beschuldigten in einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung zur Kenntnis gebracht wurde.
Zur Strafbemessung ist festzuhalten:
Gemäß §19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 dieser Norm sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO ist für die vorliegende Übertretung ein Geldstrafrahmen bis zu ? 726 vorgesehen. Im vorliegenden Fall kam es durch den Überholvorgang des Beschuldigten vor einer unübersichtlichen Kurve zu einer tatsächlichen Gefährdung der Fahrzeuge im Gegenverkehr. Es ist somit von einem bereits beträchtlichen Unrechtsgehalt auszugehen.
Bei der subjektiven Strafbemessung sind keine besonderen Milderungsgründe hervorgekommen, während erschwerend mehrere auf gleicher schädlicher Neigung beruhende rechtskräftige Vormerkungen des Beschuldigten wegen Geschwindigkeitsübertretungen wiegen. Sein angegebenes Einkommen ist jedenfalls als durchschnittlich zu werten. Insgesamt erweist sich die mit ? 145 ohnedies noch im untersten Bereich des Strafrahmens verhängte Geldstrafe bei Berücksichtigung der angeführten Strafbemessungskriterien keinesfalls als unangemessen. In Anbetracht der vorliegenden tatsächlichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wäre sogar eine höhere Geldstrafe gerechtfertigt gewesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.