TE UVS Wien 2004/12/23 04/G/34/7567/2004

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.12.2004
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr. Osinger in der öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung vom 22.11.2004 aufgrund der Berufung von Frau Mag. Ines S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des MBA 13/14, vom 3.9.2004, MBA 13/14 - S 8517/04, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 3 2. Fall GewO 1994 entschieden wie folgt:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 168 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Die Berufungswerberin ist als verantwortliche gewerberechtliche Filialgeschäftsführerin wegen nicht genehmigter Änderung der Betriebsanlage B-Filiale in Wien, L-Straße im Zeitraum vom 8. bis 28.5.2004 durch Vornahme von Warenanlieferungen von der Be-gasse durch die Garage in den Lagerraum zur

gegenständlichen Betriebsanlage außerhalb der genehmigten Zeiten

von 6 Uhr bis 22 Uhr bestraft worden.

Der Spruch des Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben als gewerberechtliche Filialgeschäftsführerin der B-AG zu verantworten, dass diese Gesellschaft in der Betriebsanlage in Wien, L-Straße die mit rechtskräftigen Bescheid vom 03.02.1986, Zahl: MBA 13/14 ? BA 22715/3/85 und Folgebescheiden genehmigte Betriebsanlage, zuletzt geändert mit Bescheid vom 15.07.2002, MBA 13/14 ? BA 14/6685/02 in der Zeit vom 08.05.2004 bis 28.05.2004 insofern eine genehmigungspflichtige Änderung ohne die erforderliche Genehmigung gemäß § 81 GewO 1994 betrieben hat, als die Warenanlieferung von der Be-gasse durch die Garage in den Lagerraum außerhalb der genehmigten Zeiten von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr erfolgte, nämlich als

1) am 08.05.2004 um 04.19 Uhr ein Lieferfahrzeug (Kennzeichen: W 17) Ladetätigkeit vor der Garage verrichtete,

2) am 08.05.2004 um 00.08 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: W WO) Ladetätigkeit vor Garage verrichtete,

3) am 10.05.2004 um 04.37 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: W WO) Ladetätigkeit vor Garage verrichtete,

4) am 13.05.2004 von 22.10 Uhr bis 22.53 Uhr ein Lieferfahrzeug (Iveco, Kennzeichen: MD 6) Ladetätigkeit in der Garage verrichtete,

5) am 15.05.2004 um 04.43 Uhr ein Lieferfahrzeug (Tojota, Kennzeichen: W 17) Ladetätigkeit vor der Garage verrichtete,

6) 21.05.2004 um 3.00 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: MD 6) Ladetätigkeit in der Garage verrichtete,

7) 25.05.2004 um 3.00 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: W WO) Ladetätigkeit vor der Garage verrichtete,

8) 26.05.2004 um 3.06 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: W WO) Ladetätigkeit vor der Garage verrichtete,

9) 28.05.2004 um 4.01 Uhr ein Lieferfahrzeug (Mercedes, Kennzeichen: W WO) Ladetätigkeit vor der Garage verrichtete, obwohl durch diese Änderung der Betriebsanlage eine Lärmbelästigung von Nachbarn nicht auszuschließen war und auch tatsächlich Nachbarn durch Lärm bedingt durch die Ladetätigkeiten belästigt werden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 366 Abs 1 Z 3 2.Fall Gewerbeordnung, BGBl. Nr. 194/1994 (GewO 1994) in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 366 Abs 1 Einleitungssatz GewO 1994 i.d.g.F.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von EUR 840,--, falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen

§ 366 Abs 1 Gewerbeordnung 1994.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes

(VStG) zu zahlen:

EUR 84,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher EUR 924,--.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

Mit Berufung wird die Abhaltung einer öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung, die Behebung des Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Strafherabsetzung beantragt. Der angelastete Sachverhalt sei nicht ausreichend konkretisiert und werde vorerst bestritten. Doch selbst zutreffendenfalls sei das Verschulden der Beschuldigten gering und habe sie alles in ihrer Macht stehende unternommen, Verwaltungsübertretungen hintan zu halten, insbesondere die Mitarbeiter entsprechend geschult und laufend, zumeist täglich, kontrolliert. Auch sei die Strafe zu hoch bemessen. Die Beschuldigte habe keine einschlägigen Vormerkungen und hätten die Verwaltungsübertretungen auch keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen. Sie verdiene durchschnittlich 1.900,- Euro netto monatlich und habe kein Vermögen. Auf Grund ihres allfälligen geringen Verschuldens wäre von einer Strafe abzusehen gewesen. In der öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung vom 22.11.2004 hat der Vertreter der Berufungswerber gerügt, in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses sei die verfahrenseinleitende Faxnachricht mit einem Datum ?9.2.2004" angeführt, was im Hinblick auf die angelasteten, erst im Mai 2004 gelegenen Tatzeitpunkte unmöglich sei.

Bilden den Gegenstand einer Bestrafung wegen

genehmigungsloser Änderung einer Betriebsanlage (Delikt nach § 366 Abs 1 Z 3 2.Fall GewO 1994) unzulässige Nachtanlieferungen zu einer Supermarktfiliale im Mai 2004, handelt es sich bei dem diesbezüglich von der Behörde in der Begründung ihres Straferkenntnisses angeführten Anzeigedatum ?9.2.2004" um eine sofort erkennbare, unbeachtliche Unrichtigkeit. Zusätzlich wurde eingewendet, die Erstbehörde habe es unterlassen, die von einer Privatperson stammende Anzeige einer Untersuchung durch einen Amtssachverständigen zuzuführen. Das in der Anzeige einer Amts- oder auch Privatperson geschilderte Faktum von Nachtanlieferungen ist als solches einer nachträglichen Untersuchung durch Amtssachverständige weder bedürftig noch zugänglich.

Im Weiteren ist der Aufforderer Horst T als Zeuge vernommen worden und hat Folgendes angegeben:

?Ich wohne in der Be-gasse. Die B Filiale in der L-Straße wird über eine Garage beliefert, in die man am Ende der Be-gasse, einer Sackgasse, einfährt. Die Garageneinfahrt schließt die Sackgasse ab bzw. handelt es sich dabei um die Fortsetzung der Sackgasse. Ich wohne auf der linken Seite der Sackgasse, u. zwar im letzten Haus vor dem Ende der Sackgasse bzw. der Garageneinfahrt. Die Garageneinfahrt befindet sich direkt (etwas schräg) unterhalb meiner Wohnungsfenster, die im 2. Stock auf die Be-gasse hinuntergehen. Alle meine Fenster gehen zur Be-gasse, d.h. auch das Schlafzimmerfenster. Ich bin in Kenntnis der vom MBA verfügten Lieferbeschränkung zur ggst. B Filiale. Nach einem mir bekannten Bescheid darf über die Be-gasse nur tagsüber, d.h. von 6 bis 22 Uhr, angeliefert werden. Weil die Be-gasse eine Sackgasse ist, fahren dort eigentlich keine Lkw, ausgenommen die Lieferfahrzeuge für B. Wenn ich nach 22 Uhr einen Lkw höre, schaue ich aus dem Fenster u. schreibe mir das Kennzeichen auf. Ich schreibe nicht nur die Lkw auf, die in die Garage einfahren, sondern auch die kleineren Lieferfahrzeuge, die schon vor der Einfahrt auf der Straße stehen bleiben u. die Anlieferung zur B Filiale von der Straße aus durchführen. Die größeren FZ fahren aber in die Garage ein. Von den kleineren, auf der Straße stehenbleibenden Lieferfahrzeugen werden die Waren zum Teil nur mit der Hand über eine Anlieferungstüre (Gehtüre) neben dem Garagentor in die Filiale transportiert. Die größeren Lkw fahren in die Garage ein u. müssen die Fahrer das Garagentor (Rolltor) öffnen. Dazu benötigen sei einen Schlüssel. Den haben sie. Nur die A-Fahrzeuge, die knapp vor 6 Uhr kommen, wenn die Filiale offenbar schon besetzt ist, verfügen über keinen eigenen Schlüssel, sondern läuten die Filialangestellten heraus, die ihnen dann das Rolltor aufmachen. Das Rolltor führt zu einer Garage, in der auch Pkw stehen. Die ebenerdige Garage bildet eigentlich den rückwärtigen Abschluss der ebenerdigen B Filiale, die sich von der L-Straße rückwärts bis zur Be-gasse erstreckt. Dort stehen auch 10-15 Pkw, die mit dem Filialbetrieb nichts zu tun haben. Von der Garage kommt man nur zur B Filiale u. ist es völlig ausgeschlossen, dass die von mir aufgeschriebenen Lkw nicht zur B Filiale, sondern zu einem anderen Geschäft, anliefern. Die Lkw sind großteils eigene B Fahrzeuge. Daneben gibt es auch noch die A-Lieferfahrzeuge. Die oben von mir erwähnten zwei Firmen, die mit Klein Lkw anliefern, welche nicht in die Garage einfahren, sondern auf der Straße stehen bleiben, holen meiner Einschätzung nach irgendetwas aus der Filiale ab, was genau kann ich aber nicht sagen. Im Zeitraum vom 8.-28.5.2004 ist nur das B Fahrzeug MD 6 in die Garage eingefahren, die anderen Lieferfahrzeuge blieben auf der Straße vor der Lieferzufahrt stehen u. führten von dort die Anlieferung durch.

Ich stehe gegen 6.30 Uhr auf u. lege mich meist zwischen 22.00 u.

22.30 Uhr hin. Alle Liefertätigkeiten die zwischen 22.30 Uhr u. 6.30 Uhr stattfanden, konnte ich nur deswegen vermerken, weil mich die Lieferfahrzeuge aufgeweckt haben u. ich nach dem Aufwachen auf die Straße hinuntergeschaut u. die Kennzeichennummern aufgeschrieben habe. Es stimmt, dass ich da alle paar Tage aufgeweckt werde. Meine Anzeigen beruhen alle auf eigener Wahrnehmung. Wenn ich gefragt werde, ob auch andere Hausbewohner durch die B Anlieferung gestört werden: Ja, aber weil im Haus vor allem ältere Leute wohnen, die sich nicht die Mühe machen genau Buch zu führen, habe ich es im Haus faktisch übernommen, die Belästigungen der Behörde mitzuteilen bzw. anzuzeigen.

Es stört mich bei der Anlieferung vor allem der Warnton beim Reversieren der Lkw, aber bei den B Lkw eigentlich nicht, weil die den Warnton ausgeschaltet haben. Die betreffenden Lkw verfügen über eine Kamera, die den Heckbereich erfasst. Bei den B Lkw stört mich der Motorlärm u. die eigentliche Ladetätigkeit, auch wenn die in der Garage u. nicht auf der Straße stattfindet. Es werden die Kisten mit Flaschen laut auf den Boden gestellt, sodass man es in meiner Wohnung deutlich hört.

Wenn ich gefragt werde, ob sich die von mir geschilderte Lärmbelästigung in der Zwischenzeit gebessert hat: Nein. An der Gehtür neben dem Einfahrtstor hängt seit rund einem Jahr ein Anschlag des Fuhrparkleiters Herrn R, dass die Lieferfahrzeuge in die Garage einfahren müssen und nach dem Einfahren das Tor zu schließen haben. Diese Anweisung wird jedoch oft missachtet, weil die Lkw mitten im Lichtschranken für das Einfahrtstor stehen bzw. picken sie etwas auf den Sensor des Lichtschrankens, damit sich das Einfahrtstor nicht hinter ihnen schließt. Offenbar sind sie zu faul, das Einfahrtstor nach dem Laden zu öffnen. Die Schlüssel wurden den Lieferanten offenbar nicht abgenommen. Wenn ich oben von einem Schlüssel zum Einfahrtstor gesprochen haben, so meinte ich den Schlüssel zur Gehtüre, denn wenn man im Gebäude drinnen ist, kann man das Rolltor von innen öffnen. Von außen könnte man das Tor vielleicht über ein Funksignal öffnen, doch habe ich das nie beobachtet. Es stimmt, dass eine Anlieferung über das Einfahrtstor (durch Abnahme der Zugangsschlüssel) daher seitens B eigentlich nur verhindert werden kann, wenn bei der Anlieferung bereits Angestellte in der Filiale sind, die Lieferanten das Tor öffnen. Meiner Wahrnehmung nach sind Angestellte offenbar bereits nach 5 Uhr in der Filiale, auch wenn sie erst um 7.30 bzw. 8 Uhr öffnet.

Über Befragen des BwV:

Ein Lkw, dessen Nummerntafel ich von meiner Wohnung aus nicht ablesen kann, wird von mir nicht aufgeschrieben. Meine Fenster liegen so, dass ich vom Wohnungsinnern aus, ohne die Fenster öffnen zu müssen, die Nummerntafel der Liefer-Lkw, die schräg unterhalb auf der Straße fahren bzw. parken, ablesen kann. Vom 2. Stock kann ich die Nummerntafeln gut erkennen. Mein Wohnhaus ist 1972 erbaut worden. Ich habe in meiner Wohnung spezialisolierte Austauschkunstfenster, das seit 2 Jahren. Trotzdem höre ich die Anlieferungsgeräusche in der Wohnung deutlich. Wenn im Haus etwas zu tun ist, engagiere ich mich. Andere tun das vielleicht nicht. Ich war früher auch einmal Hausvertrauensmann. Ich habe sicher keine Vollmacht, Wohnungsmiteigentümer in dieser Angelegenheit zu vertreten, aber die sehen es einfach gern, wenn ich die Angelegenheit verfolge, weil es auch ihnen zu Gute kommt."

Im Anschluss an die Vernehmung des Zeugen T hat der Vertreter der Berufungswerberin die Kopie eines an die Erstbehörde gerichteten Antrags vom 30.1.2004 auf Genehmigung der Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage vorgelegt. Darin ist die Abänderung der Beschreibung der Betriebsanlage im Genehmigungsbescheid der Erstbehörde vom 3.12.1968, MBA 13/14-Ba 22715/3/85, dahingehend beantragt worden, dass die ?Warenanlieferung ausnahmslos in der Zeit von 6 Uhr bis 24 Uhr von der Be-gasse durch die Garage in den Lagerraum erfolgt". Das betreffende Änderungsgenehmigungsansuchen ist laut Vorbringen bis dato nicht genehmigt worden.

Ob dieser (danach offenkundig ursprünglich unbelegte) Genehmigungsantrag vom 30.1.2004 in der Zwischenzeit mit den erforderlichen Unterlagen (§ 353 GewO 1994) versehen worden ist, konnte nicht angegeben werden.

Daraufhin wurde der aus dem Spruch ersichtliche

Berufungsbescheid zunächst mündlich verkündet.

Es steht fest:

Bei der B-filiale in Wien, L-Straße handelt es sich um ein langgestrecktes, ebenerdiges Gebäude von der L-Straße bis zur Be-gasse. Die Be-gasse, eine Sackgasse, endet direkt vor dem Garagentor der Betriebsanlage, durch das man über eine Schleuse in den Lagerraum und von dort weiter in den an der Front L-Straße gelegenen Verkaufsraum gelangt. Die betreffende Filiale wurde mit Bescheid der Erstbehörde vom 3.2.1986, MBA 13/14 - BA 22715/3/85 genehmigt. In der dortigen (amtlichen) Beschreibung der Betriebsanlage findet sich folgende Passage: ?Die Warenanlieferung erfolgt in der Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr von der Be-gasse durch die Garage in den Lagerraum, in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr nur von der L-Straße her". Im zweiten Stock eines links der Garageneinfahrt gelegenen Gebäudes wohnt der Zeuge Horst T. Seine Wohnung hat Fenster nur zur Be-gasse. Er weiß vom Lieferverbot über die Be-gasse zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Er legt sich regelmäßig schon zwischen 22 Uhr und 22.30 Uhr nieder und steht gegen 6.30 Uhr auf. Er schreibt die Fahrzeugkennzeichen bei jenen nächtlichen Liefertätigkeiten auf, bei denen er - trotz geschlossener Fenster - geweckt wird. Von seiner Wohnung aus kann er die Nummerntafeln sowohl der großen LKW, die zur Anlieferung in die Garage einfahren, als auch der kleinen LKW, die über die daneben befindliche Gehtüre anliefern, ablesen. Die meisten Fahrer verfügen über Gehtürschlüssel, die auch zum Öffnen des Garagentors benötigt werden. Die aufnotierten Kennzeichen teilt er von Zeit von Zeit dem zuständigen Bezirksamt mit. Seit 26.3.2003 ist die Berufungswerberin Mag. Ines S gewerberechtliche Filialgeschäftsführerin der gegenständlichen Supermarktfiliale. Im Mai 2004 hing neben dem Rolltor zur Garage eine vom Fuhrparkleiter, Herr R, stammende Aufforderung, nach dem Einfahren das Tor zu schließen. Diese Anweisung wurde von den LKW-Fahrern jedoch meist missachtet, sei es, dass sie das Garagentor offen ließen und die Anlieferungstätigkeiten bei offenem Garagentor durchführten, sei es, dass sie von der Straße aus lieferten.

Dieser Sachverhalt ergibt sich, was die gewerberechtliche Funktion der Berufungswerberin betrifft, aus einem im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt befindlichen Ausdruck aus dem Wiener Gewerberegister, was die Genehmigung der gegenständlichen Betriebsanlage im Standort Wien, L-Straße mit erstbehördlichem Bescheid vom 3.2.1986, MBA 13/14 ? BA 22715/3/85 betrifft, aus einer im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt einliegenden Kopie des betreffenden Bescheides, was die einzelnen Liefertätigkeiten betrifft, aus der verfahrenseinleitenden ?Faxnachricht" des Nachbarn Horst T vom 2.6.2004 in Verbindung mit seiner glaubwürdigen Zeugenaussage vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. Irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit der in der Faxnachricht mitgeteilten Liefertätigkeiten wurden weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in der Berufungsverhandlung konkret geltend gemacht. Die Vernehmung des Zeugen Horst T, der einen sehr ruhigen, überlegten und gar nicht aggressiven Charakter machte, was angesichts der andauernden Belästigungen und Schlafunterbrechung durch die Liefertätigkeiten nachgerade ungewöhnlich ist, erbrachte ein durchaus glaubwürdiges Szenario. Bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung pflegen nächtliche Anlieferungen zu Supermarktfilialen über die ihrem Lagerraum nächstgelegene (hier: rückwärtige) Zufahrt zu erfolgen, ist doch das Lieferpersonal speziell in der Nacht geneigt, den kürzesten Arbeitsablauf zu wählen.

Nichts anderes hat sich im Verfahren aufgrund der Aussage des Zeugen Horst T ergeben. Auch der Vertreter der Berufungswerberin hat nichts Gegenteiliges behauptet.

Soweit der Zeuge Horst T bei seiner Vernehmung geschildert hat, mittels Klein-LKW zweier Firmen wäre etwas aus der Filiale abgeholt worden, schließt dies nicht aus, dass von ihnen zuvor andere Gegenstände angeliefert worden sind.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 366 Abs 1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 ? zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Gemäß § 74 Abs 2 Z 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen. Gemäß § 74 Abs 3 GewO 1994 besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen. Gemäß § 81 Abs 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

Bei den Lieferanten einer Betriebsanlage handelt es sich um Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 74 Abs 3 GewO 1994 (etwa VwGH vom 2.6.1999, 98/04/0099), deren Verhalten dem Betriebsgeschehen nicht bloß in der Betriebsanlage selbst, sondern auch noch in ihrem engen örtlichen Bereich (etwa VwGH vom 12.7.1994, 92/04/0067) zuzurechnen ist.

Hinsichtlich der Zurechnung von Liefertätigkeiten zu einer gewerblichen Betriebsanlage spielt es keine Rolle, ob die Lieferfahrzeuge in die Betriebsanlage einfahren oder die Belieferung von einer direkt vor der Garageneinfahrt der Anlage gelegenen öffentlichen Verkehrsfläche aus durchführen. Wird in der Beschreibung eines Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheids (Supermarktfiliale) zwar bloß eine ?Warenanlieferung" erwähnt, im Auflagenteil des betreffenden Bescheides jedoch ausdrücklich das ?Be- und Entladen" der Lieferfahrzeuge geregelt (Auflagenpunkt 61), umfasst der Begriff der ?Warenanlieferung" jedes mit einer Warenanlieferung auch nur mittelbar im Zusammenhang stehende Abholen von Waren (Gegenständen), wodurch für die Anlieferung von Neuware Platz geschaffen wird.

Selbst wenn daher einige der vom Zeugen T geschilderten nächtlichen Vorfälle mit Klein-LKW ausschließlich der Abholung von Waren gedient hätten, hätte es sich dabei dennoch im Sinne des Genehmigungsbescheides um ?Warenanlieferungen"

gehandelt.

Der Zeuge T hat zwar nur für seine Person, jedoch im Hinblick auf den Einbau besonders schalldämmender Fenster in seiner Wohnung repräsentativ auch für andere Hausbewohner die Eignung der gegenständlichen Anlieferungsvorgänge glaubhaft gemacht, Nachbarn durch Lärm zu belästigen, woraus sich die Genehmigungspflicht der betreffenden Änderung der Anlage ergibt. Unstrittig wurde die Berufungswerberin mit erstbehördlichem Straferkenntnis vom 4.5.2004, MBA 13/14 ? S 3169/04 wegen der gleichen Anlieferungsvorgänge zur gegenständlichen Filiale im Zeitraum vom 18.10.2003 bis 6.2.2004, bereits einmal (mit Geldstrafe von 1.260,- Euro, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen) rechtskräftig bestraft. Dieses Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin rechtswirksam am 7.5.2004, d.h. vor dem Beginn des hier gegenständlichen Tatzeitraumes, zugestellt.

Die Berufungswerberin war somit im nachfolgenden, hier gegenständlichen Tatzeitraum sowohl in Kenntnis (zumindest der konkreten Möglichkeit) weiterer derartiger nächtlicher Anlieferungsvorgänge als auch ihrer Eignung, Nachbarn durch Lärm zu belästigen und somit auch einer dadurch bewirkten genehmigungspflichtigen Änderung der Betriebsanlage, zumal etwa auch ein diesbezügliches Änderungsansuchen (Ansuchen um Verlängerung der Anlieferungszeit über die Be-gasse bis 24 Uhr) offenbar bereits vor dem gegenständlichen Tatzeitraum - nach einem im gegenständlichen Verfahren vorgelegten, mit 30.1.2004 datierten Änderungsansuchen Ende Jänner, Anfang Feber 2004 - eingebracht worden ist.

Im Anwendungsbereich des § 9 VStG liegt vorsätzliche Tatbegehung dann vor, wenn der verwaltungsstrafrechtlich Verantwortliche eine entweder von ihm selbst oder von ihm zurechenbaren, regelmäßig beauftragten Dritten unmittelbar herbeigeführte Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet.

Ist eine gewerberechtliche Filialgeschäftsführerin zwar in Kenntnis der Unzulässigkeit von nächtlichen Anlieferungen, mit denen sie sich aber trotz in objektiver Hinsicht unzureichender Abhilfemaßnahmen (hier: bloßes Schild neben der Garageneinfahrt) in subjektiver Hinsicht (noch) nicht abgefunden zu haben scheint, fällt ihr Vorsatz nicht zur Last.

Eine gewerberechtliche Filialgeschäftsführerin, die bloß aufgrund eines angebrachten Hinweisschildes und ohne ausreichende Kontrollen auf eine - zur Vermeidung einer Lärmbelästigung von Nachbarn auch nur möglicherweise ausreichende - Vornahme von nächtlichen Liefertätigkeiten ausschließlich bei geschlossenem Garagentor (durchaus zu Unrecht) vertraut, zeigt ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit und verantwortet grobe Fahrlässigkeit. Sowohl der Unrechts- als auch der Schuldgehalt der gegenständlichen Übertretung waren daher erheblich, zumal durch insgesamt neun, über einen Zeitraum von fast einem Monat verteilte Einzeltathandlungen Nachbarn tatsächlich aus dem Schlaf gerissen wurden. Erschwerend wirken fünf im Tatzeitraum bereits rechtskräftige, einschlägige Vormerkungen (höchste Strafe bisher 455,- Euro).

Unter Berücksichtigung eines Erschwerungsgrunds, dem keine Milderungsgründe gegenüber stehen, sowie der als überdurchschnittlich einzuschätzenden finanziellen Verhältnisse der Berufungswerberin erscheint die Verhängung einer Strafe im Ausmaß von rund einem Viertel der Strafobergrenze nicht überhöht und war der Berufung somit keine Folge zu geben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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