Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. hristoph Purtscher über die Berufung der I. Gastronomie GmbH & Co KG mit dem Sitz in XY vertreten durch Dr. G. H., Rechtsanwalt in XY, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 13.05.2004, Zahl III-38/2002/RR/E, betreffend die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 (Pegelbegrenzeranlage), wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird der angefochtene Bescheid behoben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 22.10.1991, Zahl VI-12178/1990, wurde die Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Bar im Kellergeschoß des Anwesens XY unter Vorschreibung verschiedener Auflagen erteilt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes (als Gewerbebehörde II. Instanz) vom 09.05.2002, Zahl IIa-60.001/21-99, wurde gestützt auf § 79 GewO 1994 die Auflage unter Punkt 19. des ursprünglichen Bescheides durch verschiedene neue Auflagepunkte ersetzt; unter anderem wurde für die Musikanlage die Einstellung der Pegelbegrenzereinrichtung auf einen Schalldruckpegel von Lp 85 dB vorgeschrieben (Auflage 19 b).
Mit Schriftsatz vom 23.01.2002, beim Stadtmagistrat eingelangt am 31.01.2002, hat die I. Gastronomie GmbH & Co KG um die Erteilung der gewerbebehördlichen Bewilligung für die Änderung dieser Betriebsanlage angesucht. Über dieses Ansuchen wurde bisher nicht entschieden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 13.05.2004, Zahl III-38/2002/RR/E, wurde wiederum gestützt auf § 79 GewO 1994 für die Musikanlage verschiedene Auflagen vorgeschrieben; unter anderem die Einstellung der Pegelbegrenzereinrichtung auf einen Schalldruckpegel von Lp, A 84 dB (Auflage 2). Diesen Vorschreibungen vorausgegangen waren verschiedene Lärmmessungen und die Einholung eines medizinischen Gutachtens. Auf diese Ermittlungsergebnisse hat die Erstinstanz in ihrer Begründung Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung hat die I. Gastronomie GmbH & Co KG fristgerecht Berufung erhoben und die ersatzlose Behebung dieses Bescheides beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Konsenswerberin bereits am 12.03.2002 das Sachverständigengutachten des DI Q. vorgelegt habe, aus welchem sich eindeutig ergebe, dass die geforderten Auflagen bereits seit 12.03.2002 in geeigneter Form sichergestellt seien. An der Musikanlage seien seit diesem Zeitpunkt keine Änderungen mehr vorgenommen worden.
Auf Berufungsebene wurde am 09.12.2004 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2004, Zahl 19 S 134/04k, wurde über das Vermögen der I. Gastronomie GmbH & Co KG der Konkurs eröffnet.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Die im gegenständlichen Fall maßgebenden Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 GewO 1994, BGBl Nr 194, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 131/2004, lauten wie folgt:
?§ 74
(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
...
§ 77
(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. ...
...
§ 79
(1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
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§ 80
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(5) Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der Anlage wird die Wirksamkeit der Genehmigung nicht berührt."
Die im gegenständlichen Fall (weiters) maßgebenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 AVG, BGBl Nr 51, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 10/2004, lauten wie folgt:
"§ 66
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(4) Außer dem in Abs 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."
Die Berufungsbehörde hat in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden. Ausnahmen von dieser Regel bilden lediglich der Fall der Zurückweisung der Berufung und der Fall qualifizierter Mangelhaftigkeit des relevanten Sachverhaltes, in dem eine Behebung des Bescheides und Zurückweisung der Angelegenheit an die untere Behörde erfolgen kann (§ 66 Abs 2 AVG). Dass die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden hat, bedeutet, dass sie sich mit der vorliegenden Verwaltungssache in gleicher Weise wie die Behörde erster bzw unterer Instanz zu befassen hat; sie hat daher den maßgebenden Sachverhalt festzustellen und rechtlich zu beurteilen und allenfalls bestehendes Ermessen auszuüben; demgemäß kann sie den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern. Ändert sich der Sachverhalt nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, so ist der Entscheidung der Berufungsbehörde der im Zeitpunkt ihrer Erlassung bestehende Sachverhalt zugrunde zu legen. In bestimmten Fällen hat die Sachentscheidung der Berufungsbehörde auch in einer bloßen Kassation des angefochtenen Bescheides zu bestehen; dies dann, wenn nach der materiellrechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahrens unzulässig geworden ist und allein die Kassation eines solchen Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann (vgl W.M., Verwaltungsverfahrensrecht8, RZ 537 ff).
Wie bereits oben festgehalten, wurde über das Vermögen der I. Gastronomie GmbH & Co KG mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2004 das Konkursverfahren eröffnet. Gleichzeitig wurde Mag. D. B., Rechtsanwalt in XY, zum Masseverwalter bestellt. Vorausgeschickt sei dazu, dass das Fortbetriebsrecht nach § 41 Abs 1 Z 4 GewO 1994 nunmehr der "Konkursmasse" zukommt. Die Funktion des Geschäftsführers hinsichtlich des Fortbetriebsrechtes der Konkursmasse kommt wiederum ex lege dem Masseverwalter zu (§ 41 Abs 5 GewO 1994).
Gemäß § 1 Abs 1 Konkursordnung (KO) wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört hat, oder das er während des Konkurses erlangt hat (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Die Konkurseröffnung beseitigt nicht die Rechtsfähigkeit des Gemeinschuldners; dieser bleibt vielmehr parteifähig und behält auch die Sachlegitimation und ist grundsätzlich prozessfähig. Lediglich hinsichtlich des durch die Konkurseröffnung seiner freien Verfügung entzogenen Vermögens (Konkursmasse) ist der Gemeinschuldner verfügungsunfähig und daher insoweit auch prozessunfähig. Der Masseverwalter als gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners mit Beschränkung auf die Konkursmasse hat insoweit auch den Gemeinschuldner im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde zu vertreten, wobei im Gegensatz zur Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 7 KO gilt, dass solche Verfahren, soweit nicht ausnahmsweise vor ihr Privatrechtsstreitigkeiten auszutragen sind, durch die Konkurseröffnung nicht beeinflusst werden (vgl VwGH 23.05.1996, Zl 96/07/0071).
Legitimiert zum Antrag auf Genehmigung oder Änderung einer bestehenden Betriebsanlage ist deren Inhaber (vgl das Erkenntnis des VwGH vom 19.10.1993, Zl 93/04/0055, und die dort zitierte Vorjudikatur). Tritt im Zuge des Verfahrens über einen Antrag auf Genehmigung bzw Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage eine Änderung in der Person des Inhabers der Betriebsanlage ein, so kann wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat der neue Inhaber in das noch nicht zu Ende geführte Genehmigungsverfahren durch ausdrückliche Erklärung eintreten. Unterbleibt jedoch eine ausdrückliche Eintrittserklärung des neuen Inhabers, so ist das Verfahren weiterhin mit dem ursprünglichen Antragsteller zu führen und dessen Ansuchen mit dem abschließenden Bescheid zu erledigen; dieser Bescheid kann in einem solchen Fall aber nur in der Abweisung des Ansuchens bestehen, weil im (hiefür maßgeblichen) Zeitpunkt der Erlassung des (letztinstanzlichen) Bescheides die Legitimation zur Antragstellung (nicht mehr) gegeben war (vgl VwGH 17.04.1998, Zl 96/04/0087).
Die Rechtsfigur der Innehabung (des Inhabers) einer Betriebsanlage entstammt dem Zivilrecht, weshalb von jenem Bedeutungsinhalt auszugehen ist, den die Privatrechtsordnung geprägt hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Inhaber", wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (§ 309 ABGB). Zum Unterschied vom Besitzer bedarf der Inhaber des so genannten Eigentümerwillens nicht. Solcher Art ist unter anderem auch der Bestandnehmer vom Inhaberbegriff eingeschlossen. Es kommt im Ergebnis darauf an, wer die Betriebsanlage "betreibt"; wesentlich ist dabei die Möglichkeit der Bestimmung des in der Betriebsanlage ausgeübten faktischen Geschehens (vgl das Erkenntnis des VwGH vom 21.11.2001, Zl 2000/04/0197).
Inhaber einer Betriebsanlage im Falle eines Konkurses ist daher nicht der Gemeinschuldner, sondern vielmehr die Konkursmasse bzw der Masseverwalter.
Andere oder zusätzliche Auflagen gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 können ausschließlich dem Inhaber einer Betriebsanlage vorgeschrieben werden (vgl zB VwGH 12.11.1996, Zl 94/04/0266). Die vorliegend bekämpfte Vorschreibung zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs 1 GewO 1994 ist von Amts wegen erfolgt, ein Antrag im Sinne des § 79a GewO 1994 (beispielsweise eines Nachbarn) liegt nicht vor. Mit der Einleitung des Konkursverfahrens gegen die bisherige Betreiberin der gegenständlichen Betriebsanlage ging ihre Inhabereigenschaft wie oben aufgezeigt auf den Masseverwalter über. Diese Änderung des Sachverhaltes ist von der Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Da die ursprüngliche Betreiberin und nunmehrige Gemeinschuldnerin demnach nicht mehr als Inhaberin der gegenständlichen Betriebsanlage anzusehen ist, können ihr auch nicht zusätzliche Auflagen gemäß § 79 Abs 1 GewO 1994 in diesem amtswegig eingeleiteten Verfahren vorgeschrieben werden.
Der angefochtene Bescheid war daher bereits aus diesem Grund zu beheben.
Der Vollständigkeit halber sei schließlich auch noch darauf hingewiesen, dass der schalltechnische Amtssachverständige im Rahmen der durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung zur Frage, ob die Herabsetzung des Schalldruckpegels von 85 dB auf 84 dB subjektiv überhaupt wahrnehmbar ist, Folgendes ausgeführt hat:
"Eingangs ist festzustellen, dass die in Frage stehenden Pegeldefinitionen sich auf den Abwerteten energieäquivalenten Dauerschallpegel beziehen. Dieser Pegelwert stellt einen energetischen Mittelungspegel über eine bestimmte Messdauer dar. Dazu ist festzustellen, dass das menschliche Gehör nicht in der Lage ist, Lautheitsunterscheidungen in energetischen Mittelwerten wahrzunehmen. Hinsichtlich der Bewertung von Pegelschwankungen im Bereich von 1 dB wird auf die Literatur hingewiesen, aus welcher hervorgeht, dass bei schwankenden gleich bleibenden Geräuschen, die diese Pegeldifferenzen aufweisen, das menschliche Gehör gerade noch in der Lage ist, bei wiederholten 1 dB-Sprüngen diese subjektiv wahrzunehmen. Hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit einer 1 dB-Reduktion bezogen auf den energieäquivalenten Dauerschallpegel ist die subjektive Wahrnehmbarkeit zu verneinen."
Diese Ausführungen des Amtssachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar und im Hinblick auf die mangelnde subjektive Wahrnehmbarkeit einer "1dB-Reduktion" wäre der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grund zu beheben gewesen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.