Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Martina Strele über die Berufung des Herrn W. R., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. D. B., XY 6020 Innsbruck, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 03.12.2003, Zl B-1/5225/03, nach der am 04.05.2004 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wie folgt:
Gemäß § 52a VStG wird die anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 04.05.2004 verkündete mündliche Entscheidung, nach welcher die Berufung unter Spruchverbesserung zu beiden Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen und der Berufungswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet wurde, wie folgt abgeändert:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm den §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung zu Spruchpunkt 1. Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt
der Berufung zu Spruchpunkt 2. insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von Euro 293,00 auf Euro 72,00 (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) herabgesetzt wird.
Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG mit Euro 7,20 neu festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Spruch:
I.
Als erwiesen anqenommene Tat(en):
Tatzeit: 21.05.2003 um 05.10 Uhr
Tatort: Kontrollstelle Kundl, A 12, Str km. 24,3 Beförderungseinheit/Fahrzeug(e): Sattelkraftfahrzeug Kennzeichen:
XY/XY
Beförderte Güter: UN 1940 Thioglycolsäure 99 Prozent Klasse 8, VG II, 4 Fass 1.112 kg
UN 1940 Thioglycolsäure 99 Prozent Klasse 8, VG II, Kanister 1.350 kg
Festgestellte Mängel:
1. Die vorgeschriebene Verstauung war mangelhaft. Das heißt durch mangelhafte Beladung wurde die Achslast der zweiten Achse (Antriebsachse) mit einer zulässigen Achslast von 11.500 kg um 2.490 kg überschritten.
2. An der Frontseite der Sattelzugmaschine war keine dem ADR entsprechende orangefarbene Kennzeichnung ohne Zahl angebracht.
Sie haben damit als Lenker der oben angeführten Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert wurden, diese Beförderungeinheit entgegen § 13 Abs 2 GGBG gelenkt bzw in Betrieb genommen, weil Sie entgegen § 13 Abs 2 GGBG sich, obwohl dies zumutbar war, nicht davon überzeugten, dass die Beförderungeinheit, mit der gefährliche Güter befördert wurden, sowie die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen und die Aufschriften, Gefahrzettel, Großzettel (Placards), Tafeln und sonstigen Informationen über die gefährlichen Güter und über das Fahrzeug vorschriftsmäßig angebracht waren.”
Dadurch habe er sowohl zu Spruchpunkt 1. als auch zu Spruchpunkt 2. eine Verwaltungsübertretung nach § 27 Abs 2 Z 9 iVm § 13 Abs 2 Z 3 GGBG begangen,
weshalb über ihn nachfolgende Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) gemäß den angeführten Bestimmungen verhängt wurden:
Gemäß: 1.) § 13 Abs 2 GGBG, 2.) § 13 Abs 2 GGBG
Geldstrafe: Euro 72.00, Euro 293,00
Ersatzfreiheitsstrafe in Tagen: 1, 3
Ferner wurde der Berufungswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet.
In seiner fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass sich die Behörde mit seinen Argumenten und Beweisanträgen nicht auseinander gesetzt habe. Es liege Verfolgungsverjährung vor, da nicht alle Tatbestandsmerkmale vorgehalten worden seien. Der Schuldspruch des Straferkenntnisses entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot. Abschließend wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
Aufgrund dieser Berufung wurde am 01.03.2004 und 04.05.2004 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Der Berufungswerber ist zu diesen Verhandlungen trotz ausgewiesener Ladung nicht erschienen. Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme der Zeugen W. K. und M. D. im Rechtshilfeweg sowie durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt sowie in den Akt der Berufungsbehörde.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachfolgender Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Berufungswerber transportierte am 21.05.2003 um 05.10 Uhr in Kundl auf der Inntalautobahn A12 bei Strkm 24,3 in Fahrtrichtung Westen als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen XY und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen XY nachfolgende gefährliche Güter:
UN 1940 Thioglycolsäure 99 Prozent Klasse 8, VG II, 4 Fass 1.112 kg
UN 1940 Thioglycolsäure 99 Prozent Klasse 8, VG II, 18 Kanister
1.350 kg
Dieses Sattelkraftfahrzeug wurde auf der Inntalautobahn A12 im Bereich der Kontrollstelle Kundl am 21.05.2003 um 05.10 Uhr einer Lenker und Fahrzeugkontrolle unterzogen. Das Sattelkraftfahrzeug wurde auf der in Kundl befindlichen Brückenwaage verwogen und wurde dabei festgestellt, dass durch seine mangelhafte Beladung die zweite Achse (Antriebsachse) mit einer zulässigen Achslast von 11.500 kg um
2.490 kg überschritten wurde. Weiters wurde festgestellt, dass an der Frontseite der Sattelzugmaschine keine dem ADR entsprechende orangefarbene Kennzeichnung ohne Zahl angebracht gewesen ist.
Zu Spruchpunkt 1.:
Nachdem der Berufungswerber ua die Richtigkeit des Ergebnisses der Verwiegung bestritten hat, wurden diesbezüglich seitens der Berufungsbehörde ergänzende Ermittlungen angestellt. Dabei sowie nach Einsichtnahme in das im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt befindliche Wiegungsprotokoll hat sich ergeben, dass beim gegenständlichen Wiegevorgang die Brückenwaage nicht sachgemäß verwendet wurde, weil die Protokollierung des Messwertes mit einer ?20 kg-Teilung? erfolgt ist.
Es war daher der Berufung zu Spruchpunkt 1. Folge zu geben, das Straferkenntnis in diesem Punkt zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
Zu Spruchpunkt 2.:
Der Berufungswerber ist seit Dezember 2002 als Kraftfahrer bei der Firma K. in Nürnberg, welche Firma Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Sattelkraftfahrzeuges ist, beschäftigt. Nach eigenen Angaben habe er am 19.05.2003 um ca 17.00 Uhr bei der Firma U. in Lübeck 15 Rollen Papier auf das gegenständliche Sattelkraftfahrzeug laden lassen. Anschließend sei er zu Firma D. nach XY gefahren und habe dort Gefahrengut geladen. Bei der Übernahme dieses Gefahrengutes habe er die Warntafel an der Frontseite der Sattelzugmaschine umgedreht, sodass diese den Transport nach vorne als Gefahrguttransport gekennzeichnet hat. Die Warntafel an der Rückseite des Sattelanhängers habe er aufgeklappt. Er sei dann als gekennzeichneter Gefahrenguttransport in Richtung Süddeutschland gefahren. Am 21.05.2003 sei er um ca 03.05 Uhr über die Grenze in Kiefersfelden bis nach Kundl zur Firma U. gefahren. Dort habe er aufgetankt und sei anschließend duschen gegangen. Als er kurz vor 05.00 Uhr wieder zu seinem Sattelkraftfahrzeug bekommen war, habe er bemerkt, dass die an der Stirnseite des Sattelzugfahrzeuges angebrachte Warntafel fehlte. Er könne sich nicht vorstellen, dass er diese verloren habe. Wahrscheinlich habe man sie ihm entfernt. Er habe nach Innsbruck fahren wollen und dort hätte er die Tafel ersetzt. Dann sei er betreten worden (Beweis: Niederschrift des Berufungswerbers vom 21.05.2003).
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 13 Abs 2 Z 3 GGBG darf der Lenker eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, nur in Betrieb nehmen oder Lenken, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass die Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, sowie die Ladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechend und die Aufschriften, Gefahrzettel, Großzettel (Placards), Tafeln und sonstigen Informationen über die gefährlichen Güter und über das Fahrzeug vorschriftsmäßig angebracht sind.
Gegen diese Bestimmung hat der Berufungswerber zweifelsfrei in objektiver Hinsicht zuwider gehandelt. Anlässlich der Betretung war an der Frontseite der vom Berufungswerber gelenkten Sattelzugmaschine keine dem ADR entsprechende orangefarbene Kennzeichnung ohne Zahl angebracht.
In subjektiver Hinsicht ist auszuführen, dass zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört. Es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs 1 VStG. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden in Form fahrlässigen Verhaltens des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der strengen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, dass er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lassen. Ansonsten wäre er selbst dann haftbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurden.
Der Berufungswerber führt in seiner Berufung wie auch in der Niederschrift vor der Autobahngendarmerie Kundl vom 21.05.2003 als auch in seiner Rechtfertigung vom 21.08.2003 aus, dass er nachdem er bemerkt gehabt habe, dass an der Stirnseite seines Sattelzugfahrzeuges die von ihm angebrachte Warntafel fehlte, er nach Innsbruck fahren wollte, um dort die Tafel zu ersetzen, jedoch dann betreten worden sei. Er sei daher ohne sein Verschulden daran gehindert worden, Verwaltungsvorschriften einzuhalten. Mit diesem Vorbringen ist es dem Berufungswerber jedoch nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Zufolge der vorher zitierten Rechtsvorschrift hat der Lenker dafür einzustehen, dass an der Beförderungseinheit die entsprechenden Tafeln angebracht sind, insbesondere hätte er nachdem er bemerkt hat, dass an der Stirnseite des Sattelzugfahrzeuges die Warntafel fehlte nicht ohne eine Warntafel weiter fahren dürfen. Der Berufungswerber hätte sich auf andere Weise eine neue Warntafel besorgen müssen.
Es ergibt sich somit, dass der Berufungswerber die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten hat.
Gemäß § 27 Abs 2 Z 9 GGBG begeht, wer als Lenker entgegen § 13 Abs 2 bis 4 eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, in Betrieb nimmt oder lenkt, Begleitpapiere oder Ausstattungsgegenstände nicht mitführt oder nicht auf Verlangen aushändigt, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von Euro 72,00 bis Euro 3.633,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen ist.
Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist gravierend, weil die Kennzeichnung des Lkws (orangefarbene Tafel) deshalb notwendig ist, damit die Behörde bei einem Unfall das Entsprechende veranlassen könnte.
Als Verschuldensgrad wird dem Berufungswerber Fahrlässigkeit vorgeworfen. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit gewertet, erschwerende Umstände lagen keine vor.
Unter Berücksichtigung, dass die einschlägige Strafbestimmung Geldstrafen in der Höhe von Euro 72,00 bis Euro 3.633,00 vorsieht sowie unter Berücksichtigung sämtlicher Strafzumessungskriterien ist die Berufungsbehörde der Ansicht, dass für die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung auch im Sinne der Spezialprävention eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 72,00 schuld und tatangemessen ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.