Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. B. W. über die Berufung des Herrn A. M., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. O. H., XY, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 16.08.2004, Zl VK-8698-2003, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Zum Sachverhalt:
Mit der erstinstanzlichen Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 17.11.2003, Zl VK-8698-2003, wurde dem Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach dem § 18 Abs 4 StVO zur Last gelegt. Über den Berufungswerber wurde eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 218,00, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden, verhängt.
Die oben angeführte Strafverfügung wurde dem Berufungswerber nach zweimaligem Zustellversuch (18.11.2003 und 19.11.2003) sodann beim zuständigen Postamt hinterlegt, wobei der Beginn der Abholfrist der 20.11.2003 war.
Der Berufungswerber erhob sodann Einspruch; datiert mit 05.12.2003. Zur Post gegeben wurde der Einspruch sodann am 09.12.2003 und langte dieser am 10.12.2003 bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz ein.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 04.05.2004 wurde der Einspruch als verspätet zurückgewiesen und geht aus der Begründung des Bescheides zusammengefasst hervor, dass "die Einspruchsfrist gegen eine Strafverfügung gemäß § 49 VStG binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der Behörde, von der die Strafverfügung erlassen worden ist, eingebracht werden muss. Wie sich nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens ergeben hat, ist die Strafverfügung am 20.11.2003 durch Hinterlegung beim Postamt XY zugestellt worden, wohingegen der Beschuldigte verspätet, nämlich am 09.12.2003 (Poststempel), bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz das Rechtsmittel des Einspruches erhob. Die gesetzliche Frist wurde daher versäumt und war der Einspruch zurückzuweisen."
Dagegen erhob der Berufungswerber, vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter Dr. O. H., das Rechtsmittel der Berufung und gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte zum Antrag auf Wiedereinsetzung vor, dass "der Beschuldigte ein sogenanntes Einmann-Speditionsunternehmen betreiben würden und die meiste Zeit mit seinem Fahrzeug unterwegs sei, weshalb er nur zu Zeiten nach Gmünd kommen würde, bei welchen das Postamt bereits geschlossen sei. Auch verließe er Gmünd zu Zeiten, wenn das Postamt noch nicht offen habe. Es sei ihm daher nur möglich, amtliche Schriftstücke zu beheben, wenn er zufällig mit seinem Fahrzeug beruflich nicht unterwegs sei bzw früher nachhause kommen würde. Im gegenständlichen Fall sei es so, dass das amtliche Schriftstück erst am 09.12.2003 abgeholt werden konnte und sofort Einspruch erhoben worden sei.
Es sei daher die Versäumnis des Beschuldigten betreffend der Einspruchsfrist im Hinblick auf die Strafverfügung vom 17.11.2003 unabwendbar und vorhersehbar (hier gemeint wohl eher unvorhersehbar), zumal es für einen Einmann-Betrieb, welcher ständig darauf angewiesen sei, Ladungen für sein Fahrzeug zu erhalten, um seine Schulden bezahlen zu können, nicht möglich, seinen Betrieb so zu organisieren, dass von ihm amtliche Schriftstücke von der Post früher behoben hätten werden können. Es wäre für den Beschuldigten unmöglich, durch Aufnahme weiterer Fahrer zu gewährleisten, dass er zumindest einmal in der Woche zu Zeiten in Gmünd anwesend sei, die es ihm ermöglichen würden, während der Öffnungszeiten der Post amtliche Schriftstücke zu beheben. Dazu komme noch, dass in Niederösterreich die Post seit einiger Zeit den früher angebotenen Service für Berufstätige, am Samstag amtliche Schriftstücke zu beheben, eingestellt hätte, was dazu führen würde, dass von jemandem, der die ganze Woche unterwegs sei, ein amtliches Schriftstück zu den normalen Geschäftszeiten der Post nicht mehr behoben werden könne. Dies ist jedoch nicht dem Beschuldigten anzulasten, sondern liegt im Einflussbereich Dritter, sodass ein Ereignis von unabwendbaren und unvorhersehbarem Charakter vorliegen würde. Der Berufungswerber beantragte, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen."
Durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz wurde der gegenständliche Akt mit der Bitte um Entscheidung über die eingebrachte Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol vorgelegt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat mit Bescheid vom 19.07.2004, Zl uvs-2004/20/123-3, die Berufung als unbegründet abgewiesen und darin zusammengefasst ausgeführt, dass zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag die Erstbehörde zuständig ist. Unabhängig davon ist jedoch die Berufung zum derzeitigen Zeitpunkt als verspätet zu betrachten, da zur Folge der ordnungsgemäßen Zustellung mittels Hinterlegung die Strafverfügung mit 20.11.2003 als zugestellt zu gelten hat und ein rechtzeitiger Einspruch spätestens am 04.12.2003 zur Post gegeben hätte werden müssen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 16.08.2004, Zl VK-8698-2003, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG als unbegründet abgewiesen. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz als erkennende Behörde hat zusammengefasst erwogen wie folgt:
"Der Antrag wird im wesentlichen damit begründet, dass der Beschuldigte aufgrund eines sogenannten ,Einmann-Speditionsunternehmens?
in XY lediglich zu Zeiten anwesend
ist, zu welcher die Post bereits geschlossen ist.
Gemäß § 71 AVG Abs 1 Z 1 AVG 1991 ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft. Auf Grund obiger Ausführungen vertritt die Behörde die Ansicht, dass im Sinne des § 71 Abs 1 Z 1 AVG 1991 keine Verhinderung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt und nicht von einem minderen Grad des Verschuldens gesprochen werden kann. Dem Beschuldigten war bekannt, dass bei der Post ein Rückschein hinterlegt war. Er hätte somit seine Tätigkeit entsprechend planen müssen, dass dieses Schriftstück fristgerecht abgeholt werden hätte können."
Es lag sohin kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor."
Daraufhin erhob der Berufungswerber fristgerecht Berufung und brachte in dieser vor:
"In der außen bezeichneten Rechtssache erhebt der Berufungswerber innerhalb offener Frist gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 16.8.2004, VK-8689-2003, folgende
BERUFUNG
an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Lande Tirol:
Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Als Berufungsgründe werden geltend gemacht Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtige rechtliche Beurteilung.
Zum Berufungsgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften:
Der Berufungswerber hat unter anderem angeboten, zum Beweis für die beantragte Wiedereinsetzung Frau H. M. als Zeugin einzuvernehmen. Diese Einvernahme ist in keiner Weise erfolgt und hat die Behörde ohne darauf Rücksicht zu nehmen entschieden. Die Behörde hat von Amts wegen alle Beweismittel zu prüfen, die zum Beweis einer Wiedereinsetzung angeboten werden. Darüber hinaus wurde diesbezüglich ein Antrag seitens des Vertreters des Beschuldigten gestellt, der in keiner Weise erledigt wurde. Damit wurde der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit durch die Behörde erster Instanz verletzt. Die Verletzung dieses Grundsatzes ist wesentlich, da die Einvernahme der Zeugin M. dazu beigetragen hätte, die vom Berufungswerber behauptete Wiedereinsetzung zu beweisen. Dieser Grundsatz wurde auch dadurch verletzt, dass es die Behörde erster Instanz unterlassen hat, Erhebungen über die Öffnungszeiten des Postamtes XY durchzuführen.
Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:
Die Behörde erster Instanz begründet ihren Bescheid in rechtlicher Hinsicht lediglich damit, dass dem Beschuldigten die Hinterlegung bekannt war. Dies wird erstmals seitens der Behörde behauptet und ist unrichtig. Der Beschuldigte hat erst am 9.12.2003 von der Hinterlegung erfahren, sich das Schriftstück abgeholt und sofort Einspruch erhoben.
Da der Beschuldigte, selbst wenn sie ihm bekannt gewesen wäre, das Schriftstück in Folge der Öffnungszeiten des Postamtes XY nicht hätte abholen können, trifft ihn keinerlei Verschulden an der Versäumung der Frist, insbesonders wenn man berücksichtigt, dass er erst am 9.12.2003 von der Hinterlegung erfahren hat.
Die Behauptung der Behörde erster Instanz, der Beschuldigte hätte sich seine Termine so einrichten können, dass er das Schriftstück abholen könne, überzeugt nicht. Zum einen hatte er bis 9.12.2003 keine Kenntnis von der Hinterlegung, zum anderen ist es selbst für den Fall, dass dem Beschuldigten die Hinterlegungsanzeige bekannt gewesen wäre, es einem Ein-Mann-Spediteur nicht möglich, bei Vorhandensein von Terminen zur Durchführung von Frachtbeförderungen diese Termine so einzuteilen, dass er sich ein Schriftstück in XY abholen kann. Die Termine werden bekannter Weise nicht vom Spediteur festgesetzt, sondern von seinen Kunden. Für den Beschuldigten bestünde demnach nur die Möglichkeit, wenn man der Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz folgt, dass er eben keinerlei Frachttermine mehr annimmt, um so seine Schriftstücke bei der Post abholen zu können. Dies ist in keiner Weise zumutbar und würde auch eine Verletzung von Grundrechten bedeuten.
Als das Zustellgesetz seinerzeit erlassen wurde, war es Beschuldigten jederzeit möglich, auch samstags Schriftstücke zu beheben. Wenn die Post in Folge interner Umstrukturierungen den Kunden diese Möglichkeit nimmt, so liegt für den Beschuldigten sehr wohl ein unabwendbares Ereignis vor, das nicht in seiner Sphäre liegt und das er nicht beeinflussen kann. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, auf die geänderten tatsächlichen Bedingungen bei der Post zu reagieren und das Zustellgesetz dementsprechend zu reformieren. Auch dies kann dem Beschuldigten nicht angelastet werden.
Aus all diesen Gründen stellt daher der Beschuldigte an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Lande Tirol den Berufungsantrag,
den angefochtenen Bescheid entweder als nichtig zu beheben oder dahin gehend abzuändern, dass dem Beschuldigten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung bewilligt wird, oder die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wird."
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat in der gegenständlichen Angelegenheit erwogen wie folgt:
I.
Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, welche durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Der Berufungswerber bringt vor, dass er ein Ein-Mann-Speditionsunternehmen zu leiten hätte und daher nur zu Zeiten nach XY komme und sich in XY aufhalten würde, wenn das Postamt bereits geschlossen hätte. Es sei ihm daher nicht möglich, amtliche Schriftstücke zu beheben; er könne diese nur beheben, wenn er beruflich nicht unterwegs sei bzw früher nach Hause kommen würde. Im gegenständlichen Fall hätte der Berufungswerber das amtliche Schriftstück erst am 09.12.2003 abgeholt und sofort Einspruch erhoben.
Hierbei übersieht der Berufungswerber jedoch, dass er ein unvorhergesehenes unabwendbares Ereignis glaubhaft zu machen gehabt hätte, welches die Versäumung der Einbringung des Einspruches darlegt.
Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. Unvorhergesehen ist es hingegen, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (VwSlg 9024A, VwGH 10.10.1991, Zl 91/06/0162; 22.09.1992, Zl 92/04/0194).
Nachweislich wurde dem Berufungswerber die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 17.11.2003 mittels Hinterlegung am 20.11.2003 zugestellt.
Ob der Berufungswerber nunmehr ein Ein-Mann-Speditionsunternehmen betreibt und wann er amtliche Poststücke abholen kann und nicht, ist für die tatsächlich fristgerechte Erhebung und Einbringung des Einspruches unerheblich. Es liegt nicht nur in der Verantwortung des Berufungswerbers selbst, sondern ist es auch für einen reibungslosen Ablauf seines Geschäftsbetriebes notwendig und zweckmäßig, amtliche Schriftstücke umgehend und fristgerecht abholen zu können. Der Berufungswerber muss seinen Geschäftsbetrieb zweifelsfrei so organisieren, dass gerade amtliche Schriftstücke und sonstige beim Postamt hinterlegte Dokumente jedenfalls von ihm rechtzeitig abgeholt und fristgerecht bearbeitet werden können.
Es handelt sich daher weder um ein unvorhergesehenes noch um ein unabwendbares Ereignis, welches den Berufungswerber verhinderte, die Einbringung des Einspruches rechtzeitig durchzuführen.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch darauf hingewiesen, dass der Einspruch des Berufungswerbers mit 05.12.2003 datiert ist, wohingegen der Berufungswerber in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 19.05.2004 ausführt, dass er das amtliche Schriftstück erst am 09.12.2003 abholen konnte und der Einspruch sofort erhoben wurde. Die Verantwortung des Berufungswerbers stellt keinen schlüssigen und nachvollziehbaren Geschehnisablauf dar, weshalb es sich insgesamt um Schutzbehauptungen des Berufungswerbers handelt und auf die Einvernahme des Berufungswerbers verzichtet werden konnte.
In diesem Zusammenhang ist auch noch auszuführen, dass der Berufungswerber in seiner Berufung vom 02.09.2004 vorbringt, zum Beweis für den Wiedereinsetzungsantrag, Frau H. M., als Zeugin beantragt zu haben, was jedoch aus dem Antrag auf Wiedereinsetzung des Berufungswerbers nicht hervor geht und damit kein ordnungsgemäßer Beweisantrag gestellt wurde, weshalb auf die Einvernahme der Gattin des Berufungswerbers verzichtet werden konnte.
II.
Auch bedarf es bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 Abs 1 AVG einen minderen Grad des Versehens, welcher als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen ist. Ein minderer Grad des Versehens liegt vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 28.04.1994, Zl 94/16/0066). An einen Speditionsunternehmer und damit einen Geschäftsmann muss im Umgang mit den Behörden ein strenger Maßstab angesetzt werden und hätte der Berufungswerber daher die zweiwöchige Rechtsmittelfrist und unter jeden Umständen eintragen und damit beachten müssen.
Der Wiedereinsetzungsantrag war daher zu Recht abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.