Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Eder über die Berufung der Frau ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch ihren Sachwalter Herrn ***, wohnhaft in ***, vom 26 01 2005 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 18 01 2005, Zl 300-11728-2002, wegen verspäteter Einbringung eines Einspruches gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 07 12 2004, Zl 300/11728/2004, zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge "Gemäß § 49 Abs 2 des Verwaltungsstrafgesetzes" durch die Wortfolge "Gemäß § 6 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes" ersetzt wird, nach der Wortfolge "Ihr Einspruch" die Wortfolge "vom 03 01 2005" eingefügt wird, die Wortfolge "Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 03 01 2005" durch die Wortfolge "Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 07 12 2004" ersetzt wird und die Wortfolge "wegen verspäteter Einbringung" entfällt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See den von *** als Sachwalter für Frau *** eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 03 01 2005, Zl 300-11728-2004, wegen verspäteter Einbringung, zurück.
In seiner rechtzeitig gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachte der Sachwalter *** vor, dass er sich auf Grund der Advent- und Weihnachtstage mit dem Einspruch verspätet habe. Diese Tage seien für ihn als Priester arbeitsintensiv. Es sei daher seine Zeit für die Familie *** beschränkt gewesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat erwogen:
Mit Schreiben vom 15 11 2004 erstattete der Gendarmerieposten Gattendorf Anzeige gegen Frau *** wegen Verdachts der Übertretung des Bgld Landes-Polizeistrafgesetzes. Auf Grund dieser Anzeige fertigte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See am 07 12 2004 eine Strafverfügung aus, die sie an Frau *** richtete, wobei die Zustellung zu eigenen Handen verfügt wurde. Frau *** wurde sowohl in der Strafverfügung als auch in der RSa-Postsendung als Empfängerin bezeichnet. Die RSa-Postsendung wurde am 14 12 2004 von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See der Österreichischen Post AG zur Beförderung übergeben. Als Zustelladresse wurde die Wohnadresse der Frau *** in ***, festgelegt.
Den Vermerken am Rückschein zufolge wurde die Postsendung zur Adresse Pfarramt, ***, weitergesendet. An dieser Adresse wurde die Postsendung von *** am 15 12 2004 als Sachwalter der Frau *** entgegengenommen.
Am 03 01 2005 brachte *** im Namen von *** als deren Sachwalter per E-Mail einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 07 12 2004 ein.
Herr *** wurde vom Bezirksgericht Neusiedl am See zur Aktenzahl *** als Sachwalter für Frau *** bestellt. Der diesbezügliche Beschluss ist seit 04 02 2004 rechtskräftig und umfasst auch die Vertretung vor Behörden.
Diese Feststellungen ergaben sich hinsichtlich des Verfahrensablaufes aus den unbedenklichen im erstinstanzlichen Strafakt erliegenden Urkunden. Die Feststellungen über die Sachwalterschaft beruhten auf der Bekanntgabe der entsprechenden Daten durch das Bezirksgericht Neusiedl am See. Die im erstinstanzlichen Akt erliegende Kopie der Bestellungsurkunde des BG Neusiedl am See, Zl ***, konnte nicht herangezogen werden, weil diese Herrn *** und nicht Frau *** betraf.
§ 2 Z 1, Z 4 und Z 5, § 7, § 9, § 13 Abs 1 Zustellgesetz, § 6 AVG lauten:
§ 2 Zustellgesetz (BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 10/2004):
Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
1. "Empfänger": die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll;
2.
[...];
4.
"Zustelladresse": eine Abgabestelle (Z 5) oder elektronische Zustelladresse (Z 6);
5. "Abgabestelle": die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;
6. [...]"
§ 7 Zustellgesetz (BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 10/2004):
"(1) Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
(2) Der Versuch der Zustellung an einer gemäß § 4 nicht vorgesehenen Adresse ist ein Zustellmangel im Sinne des Abs 1."
§ 9 Zustellgesetz (BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 10/2004):
"(1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person, Personengesellschaft des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.
(4) Haben mehrere Parteien oder Beteiligte einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Dokumentes an ihn die Zustellung an alle Parteien oder Beteiligte als bewirkt. Hat eine Partei oder hat ein Beteiligter mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.
(5) Wird ein Anbringen von mehreren Parteien oder Beteiligten gemeinsam eingebracht und kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt die an erster Stelle genannte Person als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter."
§ 13 Zustellgesetz (BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 10/2004):
"(1) Die Sendung ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers."
§ 6 AVG (BGBlNr 51/1991):
"(1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
(2) Durch Vereinbarung der Parteien kann die Zuständigkeit der Behörde weder begründet noch geändert werden."
Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See hat in der Strafverfügung vom 07 12 2004 Frau *** als Empfängerin der Strafverfügung bezeichnet. Auch auf dem Kuvert zur RSa-Postsendung wurde Frau *** als Empfängerin angeführt. Die Postsendung wurde jedoch Frau *** nie ausgehändigt, sondern an ihren Sachwalter *** weitergeleitet, der diese am 15 12 2004 übernahm.
Gemäß § 9 Abs 1 Zustellgesetz, der nach der bisherigen - auch weiterhin mangels diesbezüglich relevanter gesetzlicher Änderungen - anwendbaren Judikatur auch auf Fälle einer gesetzlichen Vertretung anzuwenden ist (vgl die in Walter / Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I, 2 Aufl, § 9 ZustG, E 1, enthaltenen Judikaturhinweise), hätte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See als Empfänger der Postsendung den Sachwalter von Frau *** Herrn *** zu bezeichnen gehabt. Dies erfolgte jedoch nicht.
Nach der bis zur Novelle des Zustellgesetzes BGBl I Nr 10/2004 geltenden Rechtslage wäre die Heilung eines derartigen Zustellmangels möglich gewesen, weil nach der damaligen Bestimmung des § 9 Abs 1 ZustG die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen galt, in dem das Schriftstück dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist, auch wenn dieser nicht als Empfänger bezeichnet wurde. Gemäß der seit 01 03 2004 geltenden Rechtslage ist eine derartige Heilung jedoch im Zustellgesetz nicht mehr vorgesehen (vgl dazu auch Walter / Thienel, Verwaltungsverfahren, 16 Aufl, § 9 ZustG, Anm 10). Wenngleich in den Erl Bem zur RV hinsichtlich der Novellierung des ZustG (252 dB, XXII GP) angeführt wurde, dass § 9 (neu) der bisherigen Rechtslage entsprechen würde, so hat dies im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Jener Satz des bis 29 02 2004 geltenden § 9 Abs1 ZustG, nach dem die Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten als in dem Zeitpunkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist, bewirkt galt, auch wenn der Zustellungsbevollmächtigte nicht als Empfänger bezeichnet wurde, wurde in die Bestimmungen des ab 01 03 2004 geltenden § 9 ZustG nicht mehr aufgenommen.
Wird nun irrtümlich der Vertretene anstelle des Zustellbevollmächtigten, was auch für den gesetzlichen Vertreter gilt, als Empfänger bezeichnet, ist eine Zustellung an diesen nicht wirksam. Auch wenn das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten im Sinne des § 7 Abs 1 ZustG tatsächlich zukommt, führt dies nicht zur Heilung des Zustellmangels, weil die fehlerhafte Bezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung nicht heilen kann. Somit war es auch nicht möglich, dass eine Heilung des Zustellmangels nach § 7 Abs 1 ZustG eingetreten wäre.
Die an Frau *** gerichtete Strafverfügung war daher als nie zugestellt anzusehen, weil als Empfängerin Frau *** angeführt wurde, die Strafverfügung aber tatsächlich von Herrn *** übernommen wurde. Dass die Strafverfügung an Frau *** übergeben worden wäre, ist nicht aktenkundig oder sonst festgestellt. Aber selbst wenn Frau *** die Strafverfügung erhalten hätte, hätte diese Übergabe an sie ebenfalls keine Rechtswirkungen auslösen können, weil es infolge der Besachwalterung rechtlich nicht möglich gewesen wäre, ihr die Strafverfügung vom 07 12 2004 rechtsgültig zuzustellen, zumal die Sachwalterschaft auch die Vertretung vor Behörden umfasst.
Da somit die Strafverfügung vom 07 12 2004 nie rechtsgültig zugestellt wurde, war es auch nicht möglich, dagegen Einspruch zu erheben. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See hat daher im Ergebnis den Einspruch zu Recht zurückgewiesen, wobei allerdings der Zurückweisungsgrund verfehlt war. Der Einspruch war deswegen zurückzuweisen, weil die zugrunde liegende Strafverfügung rechtlich nie existent wurde und infolge dessen für die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See keine Zuständigkeit bestand, über den - gegen die nicht existente Strafverfügung eingebrachten - Einspruch inhaltlich abzusprechen; nicht aber, weil er verspätet eingebracht worden sei.
Gemäß § 51e Abs 1 VStG hat der Unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Von einer Berufungsverhandlung kann gemäß § 51e Abs 3 VStG abgesehen werden, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500,- Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Die Berufungswerberin hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt. Die erstinstanzliche Behörde hat auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.
Der verfahrensrelevante Sachverhalt stand unbestritten fest. Beim angefochtenen Bescheid handelte es sich um einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland durfte eine mündliche Verhandlung entfallen, weil unter Berücksichtigung der Angaben des Sachwalters der Berufungswerberin der entscheidungsrelevante Sachverhalt von vornherein unstrittig feststand. Es war nicht ersichtlich, inwieweit durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erwarten gewesen wäre. Eine Beschränkung der Verteidigungsrechte der Berufungswerberin durch den Entfall der mündlichen Verhandlung war nicht ersichtlich. Da
Artikel 6 EMRK dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen stand, durfte die Entscheidung ohne Durchführung einer solchen gefällt werden, zumal die Berufung aus formellen Gründen zwar abgewiesen wurde, jedoch die vorliegende Entscheidung inhaltlich auf Grund der getroffenen Feststellungen zugunsten der Berufungswerberin ausfiel.