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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde, des am 20. Jänner 1968 geborenen JR, vertreten durch Mag. Alexander Wirth, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Neustadt 8/I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1998, Zl. 302.536/5-III/11/96, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer gab nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage am 22. August 1994 einen an die österreichische Botschaft in Tirana gerichteten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Post, der von dieser an das Amt der Vorarlberger Landesregierung weitergeleitet wurde und dort am 15. September 1994 einlangte. Auf dem Antragsformular ist der Antrag als "Erstantrag" bezeichnet, als Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers "Rest-Jugoslawien" bzw. "Mazedonische angesucht" angegeben. Als Aufenthaltszweck wurde u.a. Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit der Ehegattin geltend gemacht.
Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz gab dem Antrag mit Bescheid vom 18. März 1996 namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg gemäß §§ 1, 3 und 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) keine Folge.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 13. Mai 1998 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.
§ 10 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe seinen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit seiner Ehegattin begründet. Der Antrag sei auf Grund der "nunmehr geltenden Rechtslage" als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Im Falle des Beschwerdeführers liege "der derzeitige Sachverhalt so gelagert", dass nach den Sozialhilferichtsätzen des Bundeslandes Vorarlberg für eine 3-köpfige Familie ein Mindestbedarf von
S 13.170,-- zur Verfügung stehen müsse (Haushaltsvorstand:
S 4.800,--, Familienangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe
S 1.710,--, Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe
S 3.060,-- sowie die monatliche Mietzinsbelastung von S 3.600,--), um den Lebensunterhalt zu sichern. Da die Ehegattin des Beschwerdeführers jedoch lediglich über einen monatlichen Nettobezug von S 10.000,-- verfüge, wie aus der Lohnbestätigung des Gasthofes P. vom 1. Jänner 1998 zu entnehmen sei, müsse die Behörde von der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Abstand nehmen. Weiters werde betont, dass gerade bei Erstniederlassungsbewilligungen strenge Maßstabe bezüglich der geordneten Zuwanderung angelegt werden müssten und die Richtsätze nach der Sozialhilfeverordnung-Vorarlberg getrennt nach Haushaltsangehörigen mit und ohne Familienbeihilfeanspruch angeführt und bemessen würden. Daher sei die Familienbeihilfe in den unterschiedlichen Richtsätzen bereits berücksichtigt. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass sein Schwager seiner Ehegattin noch einen Betrag von S 41.000,-- aus einem Darlehen schuldig sei, ohne jedoch diese Behauptung mit entsprechenden Beweisen zu unterlegen. Auch werde auf die vorgelegte Sparbuchkopie und auf das Schreiben der Hypo-Bausparkasse vom 9. April 1996 verwiesen, welchen ein Guthaben von insgesamt S 174.000,-- zu entnehmen sei. Auch auf Grund dieses Betrages, welcher "sicherlich nicht geeignet" erscheine, den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers auf längere Dauer gesehen ständig zu sichern, hätten auch diese Nachweise nicht als längerzeitig tragfähig qualifiziert werden können und reichten derartige Belege, wie aus einem Sparbuch ersichtliche Einlagen und Abhebungen, keinesfalls aus, um den Lebensunterhalt als gesichert ansehen zu können. Bei Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK sei davon auszugehen, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele höher zu werten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal seine Unterhaltsmittel nicht als gesichert zu betrachten seien, er bislang in seinem Heimatstaat aufhältig sei und daher keinerlei soziale Integration in Österreich aufweise.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 29. November 1999, B 1455/98-7, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Da der Beschwerdeführer weder nach der Aktenlage noch nach seinem Vorbringen jemals über einen Aufenthaltstitel verfügte, wertete die belangte Behörde seinen bereits 1994 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in Anwendung der Übergangsbestimmung des § 112 FrG 1997 zu Recht als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung.
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte nach der Aktenlage am 24. Juni 1998) ist für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit die Rechtslage vor der mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 86/1998 erfolgten Novelle zum FrG 1997 maßgeblich. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen lauten (auszugsweise):
"§ 10.
...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2) insbesondere versagt werden, wenn
1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;
..."
§ 5 Abs. 1 der auf dem Sozialhilfegesetz (SHG) beruhenden Verordnung der Vorarlberger Landesregierung betreffend Arten, Form und Ausmaß der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 74/1991, in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 88/1997, lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Soweit die Hilfe zum ausreichenden Lebensunterhalt in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind unter Anrechnung der gemäß § 8 des Sozialhilfegesetzes einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zu gewähren zur Deckung
a) des Aufwandes im Sinne des § 1 lit. a monatliche Leistungen unter Zugrundelegung folgender Richtsätze:
für Alleinstehende mit oder ohne Haushalt
S 5.710,--
für Haushaltsvorstände
S 4.800,--
für Haushaltsangehörige, für die Anspruch
auf gesetzliche Familienbeihilfe besteht
S 1.710,--
für sonstige Haushaltsangehörige
S 3.060,--
..."
Die belangte Behörde begründet die Versagung der vom Beschwerdeführer angestrebten Niederlassungsbewilligung damit, dass ihrer Auffassung nach der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 verwirklicht sei, weil der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1999, Zl. 99/19/0094, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargelegt hat, finden infolge der Gleichartigkeit des in Rede stehenden Versagungsgrundes die zu § 5 Abs. 1 AufG in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Rechtssätze auch für die Beurteilung, ob der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 vorliegt, Anwendung. Danach darf sich die Behörde bei Berechnung des Unterhaltsbedarfs einer Familie im Regelfall nur an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der jeweiligen Landesregierung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und der jeweiligen Zahl der unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen auch dann ausreichend ist, wenn daneben keine weiteren Mittel, also auch keine Familienbeihilfe zur Verfügung stehen. Es ist daher bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfes auch eines Kindes, für welches Familienbeihilfe bezogen wird, der höhere Ansatz für Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe in Anrechnung zu bringen. Andererseits aber ist die für ein solches Kind bezogene Familienbeihilfe den der Familie insgesamt zur Verfügung stehenden Unterhaltsmitteln hinzuzuzählen.
Demnach hätte sich die belangte Behörde bei Heranziehung der Sozialhilferichtsätze für das Jahr 1998 bei der Berechnung des Bedarfs der Familie des Beschwerdeführers mangels anderer Anhaltspunkte nur wie folgt orientieren dürfen:
Haushaltsvorstand
S 4.800,--
2 Familienangehörige ohne
Anspruch auf Familienbeihilfe
2 x S 3.060,--
S 6.120,--
Wohnkosten oder Mietkosten
S 3.600,--
S 14.520,--
Allerdings ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, zu Lasten des Beschwerdeführers den Unterhaltsbedarf desselben sowie seiner Familie, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Behörde konkret festzustellen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1998, Zlen. 96/19/0271 bis 0273, mwN.), zu korrigieren.
Nach dem bisher Gesagten hätte die belangte Behörde diesem so errechneten Unterhaltsbedarf die der Familie des Beschwerdeführers zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt. Zu diesen hätte auch die für das (nach der Aktenlage 1996 geborene Kind) zur Verfügung stehende Familienbeihilfe (gemäß § 8 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 14/1997 monatlich S 1.300,--) hinzugerechnet werden müssen. Im Übrigen wäre bei der Berechnung der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel, wie ebenfalls im bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1999 ausgeführt, festzustellen gewesen, ob der Ehegattin des Beschwerdeführer auch Sonderzahlungen zustehen.
Die belangte Behörde hat aber noch in einem anderen wesentlichen Punkt die maßgebliche Rechtslage verkannt. Sie räumt selbst ein, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren eine Sparbuchkopie und einen Kontoauszug der Hypo-Bausparkasse vorgelegt hatte, welche Guthaben von insgesamt S 174.000,-- aufwiesen. Dass der genannte Betrag im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehegattin nicht zugänglich sei, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Fällen auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 AufG wiederholt ausgesprochen hat, böte selbst ein jederzeit abhebbarer Betrag in der genannten Höhe für sich alleine - ohne nähere Feststellungen - keine Grundlage für Annahme, der Guthabensbetrag würde dem Beschwerdeführer bzw. seiner Ehegattin für die Dauer der angestrebten Aufenthaltsbewilligung nicht zur Verfügung stehen. Maßgeblich war ausschließlich, ob der Guthabensbetrag im Zeitpunkt der Bescheiderlassung und für den Zeitraum der angestrebten Bewilligung verfügbar sowie ob er so hoch war, dass daraus für die Dauer der angestrebten Bewilligung der Unterhalt bzw. diejenigen Teile desselben, für die keine anderen Quellen zur Verfügung stehen, bestritten werden konnten (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1998, Zl. 96/19/0918, und vom 27. Mai 1999, Zl. 97/19/1478). Diese Judikatur ist auf den Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 zu übertragen.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht wäre allerdings entgegen der Auffassung der belangten Behörde davon auszugehen, dass selbst bei der nach den oben dargelegten Grundsätzen sich ergebenden Unterschreitung des Richtsatzes durch die laufenden Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers bzw. seiner Ehegattin auf Grund der Höhe des von der belangten Behörde festgestellten Guthabensbetrages ein monatlicher Betrag zur Verfügung stünde, der zusammen mit den übrigen festgestellten Unterhaltsmitteln geeignet wäre, den Unterhalt des Beschwerdeführers für die Dauer einer Erstniederlassungsbewilligung, die gemäß § 19 Abs. 6 FrG 1997 höchstens ein Jahr beträgt, sowie auch darüber hinaus und somit bis auf weiteres als gesichert erscheinen zu lassen.
Da die belangte Behörde, ausgehend von einer in mehrfacher Hinsicht unrichtigen Rechtsansicht die nötigen Feststellungen zur Höhe des Unterhaltes des Beschwerdeführers, aber auch zur Verfügbarkeit des Bankguthabens (für den Beschwerdeführer bzw. dessen Ehegattin) unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Oktober 2001
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000190020.X00Im RIS seit
23.01.2002