Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Franz Schett über die Berufung der Frau M. M., wohnhaft in XY, P., gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 09.12.2004, Zl VK-27499-2004, betreffend eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis insofern behoben und das Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 09.12.2004, Zl VK-27499-2004, wurde Frau M. M., P., nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
?Tatzeit: 16.09.2004 von 09.30 bis 09.45 Uhr
Tatort: Innsbruck, auf der Andreas Hofer Straße gegenüber HNr 11
Fahrzeug: Kombinationskraftwagen, XY
1. Sie haben auf einer Straßenstelle, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden kann, gehalten.
2. Sie haben im Bereich des Vorschriftszeichens ?Halten und Parken verboten? ausgenommen ?stark gehbehinderte Personen? gehalten, obwohl das Fahrzeug nicht mit einem Ausweis gemäß § 29 b Abs 4 StVO gekennzeichnet war.?
Dadurch habe die Beschuldigte gegen § 24 Abs 1 lit n StVO 1960 (Spruchpunkt 1.) und § 24 Abs 1 lit a leg cit (Spruchpunkt 2.) verstoßen. Über diese wurde daher jeweils gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 zu Punkt 1. eine Geldstrafe von Euro 20,00, Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden, und zu Punkt 2. eine Geldstrafe von Euro 50,00, Ersatzfreiheitsstrafe ebenfalls 12 Stunden, verhängt. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurden gemäß § 24 VStG mit 10 Prozent der verhängten Strafen, gesamt sohin Euro 7,00, festgelegt.
Dagegen hat Frau M. M. fristgerecht Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol erhoben und darin ausgeführt wie folgt:
?1. Im angegebenen Bereich vor Hausnr 11 in der Andreas Hoferstraße ist eine Ladezone und kein Behindertenparkplatz.
2. Ich habe für meine Arbeit als Hauskrankenpflegerin, der ich zum angegebenen Zeitpunkt nachging, eine gültige Berechtigung um mein Fahrzeug dort abzustellen, welche vom ausführenden Beamten offenbar übersehen wurde.
3. Für meine Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin ist ein hohes Maß an sozialem Engagement und persönlichem Einsatz gefordert. Oftmals finden meine Einsätze unter Zeitdruck statt und ist es gut möglich, dass ich mein Fahrzeug vorschriftswidrig auf die andere Straßenseite gefahren habe. Diesen Umstand möchte ich nicht abstreiten, halte aber meine Gründe 1. und 2. aufrecht.
Darum ersuche ich Sie um eine weitere Verminderung der Strafhöhe, die der Übertretung entspricht.
Ich arbeite als geringfügig Beschäftigte für den Verein Netzwerk Krebsvorsorge ? Nachsorge und habe daraus auch nur ein geringes Einkommen.?
In der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.02.2005 hat Frau M. M. die Berufung gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses zurückgezogen.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
A) Sachverhalt:
Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt sowie durch Einvernahme der Berufungswerberin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 16.02.2005.
Dabei hat sich der folgende entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben:
Der Kombinationskraftwagen der Marke Fiat mit dem amtlichen Kennzeichen XY war am 16.09.2004 zwischen 09.30 Uhr und 09.45 Uhr in Innsbruck, gegenüber dem Gebäude Andreas-Hofer-Straße Nr 11, geparkt. Das betreffende Fahrzeug wurde zuvor von Frau M. M., geb am XY, wohnhaft in XY, P., dort abgestellt. Für den betreffenden Bereich ist ein Halte- und Parkverbot verordnet und durch Verkehrszeichen entsprechend kundgemacht. Von diesem Verbot ausgenommen sind LKWs und Kombis, die eine Ladetätigkeit durchführen. Auch diese Ausnahme ist durch Zusatztafeln kundgemacht. Während des Parkens hat Frau M. ihre Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin ausgeübt, und zwar bei einer im Gebäude Andreas-Hofer-Straße 12, 6020 Innsbruck, wohnhaften Pflegebedürftigen. Im Nahbereich ihres Einsatzortes hat Frau Murauer keinen anderen Abstellplatz vorgefunden. Für das betreffende Kraftfahrzeug wurde durch die Abteilung Sozial- und Behindertenhilfe des Amtes der Tiroler Landesregierung eine Tafel mit der Aufschrift ?Mobile Hauskrankenpflege im Dienst? ausgestellt.
Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich, was den Tatort, die Tatzeit, das Kraftfahrzeug und die Tatsachen des Parkens innerhalb eines Halte- und Parkverbotsbereiches anlangt, aus der im erstinstanzlichen Akt einliegenden Anzeige des Meldungslegers RI M. P. sowie aus dessen ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 27.10.2004. Für die Berufungsbehörde hat keine Veranlassung bestanden, diese Angaben anzuzweifeln. Zunächst ist es dem Meldungsleger als Organ der Straßenaufsicht schon auf Grund seiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit zuzubilligen, dass er verwaltungsstrafrechtlich relevante Sachverhalte richtig und vollständig wahrzunehmen und wiederzugeben vermag. Außerdem wäre nicht nachvollziehbar, welche Umstände den Meldungsleger dazu veranlasst haben sollten, die ihm persönlich offenbar nicht bekannte Berufungswerberin in derart konkreter Weise fälschlich einer Verwaltungsübertretung zu bezichtigen, zumal er diesfalls mit erheblichen disziplinären und auch strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätte. Im Übrigen hat auch die Berufungswerberin selbst die Richtigkeit der vom Meldungsleger diesbezüglich gemachten Angaben nicht in Zweifel gezogen.
Aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Berufungswerberin bei ihrer Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung sowie der von dieser vorgelegten Unterlagen (Dienstplan) steht für die Berufungsbehörde weiters fest, dass diese im Tatzeitraum im Gebäude Andreas-Hofer-Straße 12, 6020 Innsbruck, ihrer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin nachgegangen ist. Ebenfalls hat die Berufungswerberin glaubwürdig dargetan, dass sie im Nahbereich ihres damaligen Einsatzortes keine andere Abstellmöglichkeit vorgefunden hat.
Dass für das betreffende Kraftfahrzeug von der zuständigen Behörde eine Tafel mit der Aufschrift ?Mobile Hauskrankenpflege im Dienst? ausgestellt worden ist, ergibt sich aus der im erstinstanzlichen Akt einliegenden Kopie dieses Dokumentes.
B) Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall sind nachstehende Bestimmungen beachtlich:
?1. Straßenverkehrsordnung 1960:
§ 24
(1) Das Halten und das Parken ist verboten:
a) im Bereich des Vorschriftszeichens ?Halten und Parken verboten? nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13b,
....
(5a) Personen, die im diplomierten ambulanten Pflegedienst zur Hauskrankenpflege eingesetzt sind, dürfen bei einer Fahrt zur Durchführung der Hauskrankenpflege das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug für die Dauer der Pflegeleistung auch auf einer Straßenstelle, auf der das Halten und Parken verboten ist, abstellen, wenn in der unmittelbaren Nähe des Aufenthaltes der Pflegeperson kein Platz frei ist, auf dem gehalten oder geparkt werden darf, und durch das Aufstellen des Fahrzeuges die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird. Während einer solchen Aufstellung ist das Fahrzeug mit einer Tafel, welche die Aufschrift ?Mobile Hauskrankenpflege im Dienst? und das Amtssiegel der Behörde, die diese Tätigkeit genehmigt hat, oder in deren Auftrag diese Tätigkeit durchgeführt wird, tragen muss, zu kennzeichnen. Außer in diesem Falle ist eine solche Kennzeichnung von Fahrzeugen verboten.
....
2. Verwaltungsstrafgesetz 1991:
§ 44a
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
....
§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
....
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
....?
C) Rechtliche Beurteilung:
Vorweg wird nochmals festgehalten, dass die Berufungswerberin in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.02.2004 ihre Berufung gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses zurückgezogen hat. Das Straferkenntnis ist daher in diesem Umfang in Rechtskraft erwachsen und war im Folgenden nur mehr über die Berufung gegen Spruchpunkt 2. des Strafbescheides abzusprechen.
Im Spruchpunkt 2. des nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 09.12.2004, Zl VK-27499-2004, hat die Erstinstanz der Berufungswerberin angelastet, dass sie ihr Fahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens ?Halten und Parken verboten?, ausgenommen ?stark gehbehinderte Personen?, gehalten habe, wobei das Fahrzeug nicht mit einem Ausweis gemäß § 29b Abs 4 StVO gekennzeichnet gewesen sei. Tatsächlich sind vom betreffenden Halte- und Parkverbot ? wie erwähnt - LKWs und Kombis, die eine Ladetätigkeit ausüben, ausgenommen.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof zwar mehrfach ausgesprochen, dass die ein Verbot einschränkende Ausnahmeregelung von einer Verfolgungshandlung grundsätzlich nicht umfasst sein muss, anderes gilt nach Ansicht des Höchstgerichtes allerdings dann, wenn sich ein Beschuldigter darauf beruft, die betreffende Ausnahmeregelung würde für ihn gelten oder dieser Umstand nach der Aktenlage offenkundig ist. Wenn dies zutrifft, ist dem Beschuldigten das diesbezügliche Sachverhaltselement im Rahmen einer Verfolgungshandlung und auch im Schuldspruch eines Strafbescheides ausdrücklich und korrekt vorzuhalten (VwGH 24.09.1984, Zl 83/02/0549, ua). Die Nichtgeltung der betreffenden Ausnahmeregelung wird in diesem Fall also zu einem wesentlichen Sachverhaltselement.
Die Berufungswerberin hat nun bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, das betreffende Halte- und Parkverbot habe für sie nicht gegolten, da sie im Tatzeitraum ihre Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin nachgegangen sei. Sie hat damit im Ergebnis auf die Bestimmung in § 24 Abs 5a StVO 1960 Bezug genommen und die Anwendbarkeit dieser Ausnahmenorm behauptet. Damit hätte im Schuldspruch des Straferkenntnisses aber ausdrücklich angeführt werden müssen, dass dies nicht zutrifft, wobei die Ausnahmeregelung korrekt anzuführen gewesen wäre. Indem die Erstinstanz entgegen der Anzeige und der ergänzenden Stellungnahme des Meldungslegers von einem falschen Verordnungsinhalt ausgegangen ist und daher einen unrichtigen Tatvorwurf erhoben hat, indem der Berufungswerberin vorgeworfen wurde, sie habe das Fahrzeug nicht entsprechend § 29b Abs 4 StVO 1960 gekennzeichnet, erweist sich das vorliegenden Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 2. jedenfalls als rechtswidrig. Die Berufungswerberin hat die ihr angelastete Verwaltungsübertretung nicht gesetzt.
Eine Richtigstellung des Tatvorwurfes durch die Berufungsbehörde war nicht möglich.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG (diese Vorschrift findet zufolge des § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung) hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ?Sache? im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl VwGH v 24.06.1948 in Slg NF Nr 460/A, vom 23.06.1975 in Slg NF Nr 8855/A, und v 27.06.1975 in Slg NF Nr 8864/A), immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Demnach darf aber die Berufungsbehörde ohne Überschreitung ihrer Befugnis nur die Frage prüfen, ob der Beschuldigte die ihm von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Hingegen fehlt der Berufungsbehörde die Sachbefugnis zur Wahrnehmung einer dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen bzw von dieser nicht als erwiesen angenommenen Tat.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage würde daher, wenn der Berufungswerberin seitens der Berufungsbehörde entgegen dem Wortlaut des angefochtenen Straferkenntnisses (erstmals) im Berufungsbescheid vorgeworfen wird, dass sie nicht unter die Ausnahme in § 24 Abs 5a StVO 1960 gefallen ist, durch die Aufnahme dieses Sachverhaltselementes in den Schuldspruch nicht bloß eine (unter Wahrung der Identität der Tat) zulässige Modifizierung der Tatumschreibung, sondern eine unzulässige Auswechslung der Tat erfolgen (vgl zu den vorstehenden Ausführungen insbesondere VwGH v 23.10.1995, Zl 94/04/0080).
Nur der Vollständigkeit halber wird dabei angemerkt, dass ein solcher Tatvorwurf jedenfalls weitere Erhebungen, und zwar insbesondere die Einvernahme des Meldungslegers zur Frage, ob das betreffende Fahrzeug damals tatsächlich nicht mit der Tafel ?Mobile Hauskrankenpflege im Dienst? gekennzeichnet war, erfordern würde. In seiner schriftlichen Stellungnahme hat der Meldungsleger nämlich lediglich ausgeführt, dass die Berufungswerberin ?vermutlich? vergessen habe, ihr Fahrzeug entsprechend zu kennzeichnen.
Es war sohin der Berufung gegen Spruchpunkt 2., weil die Berufungswerberin ? wie zuvor ausgeführt - die ihr darin konkret angelastete Tat nicht begangen hat, Folge zu geben, das Straferkenntnis in diesem Umfang zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren insofern gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.