Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Obrist über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt *** in ***, vom 01 02 2005, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 17 01 2005, Zl GS-10-09-31-6-2005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber seine Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F und G (Führerschein ausgestellt durch die Bezirkshauptmannschaft Güssing am 20 09 1996, Nr ***) gemäß § 24 Abs 1 Z 1 in Verbindung mit § 7 Abs 3 Z 3 und § 25 Abs 1 und 3 Führerscheingesetz (FSG) auf die Dauer von drei Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen.
Der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung kommt aus folgendem Grund Erfolg zu:
Gemäß § 7 Abs 3 Z 3 FSG gilt als eine ? die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende - bestimmte Tatsache im Sinne des Abs 1, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.
Im Anlassfall erlangte die Bezirkshauptmannschaft Güssing durch Übermittlung einer Anzeige von der Bundespolizeidirektion Wien am 31 10 2003 Kenntnis davon, dass gegen den Berufungswerber ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung der StVO geführt wurde. Die Bezirkshauptmannschaft hat am 05 11 2003 ein Ermittlungsverfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung eingeleitet. Mit Schreiben vom 04 11 2004 teilte die Bundespolizeidirektion Wien mit, dass das Strafverfahren gegen den Berufungswerber abgeschlossen ist und übermittelte ein Straferkenntnis vom selben Tag. Demnach wurde dem Beschuldigten (also dem Berufungswerber dieses Verfahrens) zur Last gelegt, er habe am 05 09 2003 um 07 00 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle in Wien als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten PKW?s beim Überholen eines Radfahrers keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten, indem kein seitlicher Abstand mehr vorhanden gewesen sei, da ein anderer Verkehrsteilnehmer bereits an seinem Körper (Ellenbogen) gestreift worden sei und habe er sich mit dieser Fahrweise besonders rücksichtslos anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber verhalten. Wegen Übertretung des § 15 Abs 4 StVO in Verbindung mit § 99 Abs 2 lit c StVO wurde eine Geldstrafe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Stunden) verhängt. Dieses Straferkenntnis ist nach der Aktenlage rechtskräftig. Das nahm die Bezirkshauptmannschaft zum Anlass den jetzt angefochtenen Bescheid zu erlassen.
Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seiner Judikatur zum angezogenen § 7 Abs 3 Z 3 FSG auf die im Wesentlichen gleiche Bestimmung des § 66 Abs 2 lit f KFG 1967 idF der 17 KFG-Novelle (VwGH vom 27 05 1999, Zl 99/11/0035). Dazu hat er in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in Anbetracht der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs 2 lit c StVO 1960 die Kraftfahrbehörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs 2 lit f KFG 1967 auszugehen hat (siehe dazu die Erkenntnisse vom 21 Mai 1996, Zl 96/11/0102, vom 1 Oktober 1996, Zl 96/11/0208, und vom 26 Juni 1997, Zl 95/11/0147). Diese Rechtsprechung kommt in gleicher Weise zum Tragen, wenn das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs 3 Z 3 FSG zu beurteilen ist. Auch im Rahmen der Wertung hatte die Bezirkshauptmannschaft davon auszugehen, dass der Berufungswerber die seiner Bestrafung zugrunde liegende Übertretung begangen hat. Dazu gehören auch die Sachverhaltselemente, aus denen die Verwaltungsstrafbehörde die Erfüllung des Tatbestandes nach § 99 Abs 2 lit c StVO 1960 abgeleitet hat. Im vorliegenden Fall ist das die beim Überholen eines Radfahrers ohne seitlichen Abstand an den Tag gelegte Fahrweise.
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Gemäß § 7 Abs 4 FSG sind für die Wertung der in Abs 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Berufungswerber werde die Verkehrszuverlässigkeit erst drei Monate nach der (am 19 01 2005 erfolgten) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, somit erst mehr als neunzehn Monate nach Begehung der Übertretung vom 05 09 2003 wiedererlangen. Die dieser Auffassung zugrunde liegende Wertung gemäß § 7 Abs 4 FSG ist nicht nachvollziehbar. Zu Lasten des Berufungswerbers fällt im Rahmen der Wertung zwar die (im Hinblick auf die Bindungswirkung anzunehmende) besondere Rücksichtslosigkeit der von ihm begangenen Übertretung ins Gewicht; zu seinen Gunsten ist aber die Tatsache zu berücksichtigen, dass er keine Vorstrafen aufweist. Dazu kommt, dass der Berufungswerber nach der Tat bis zur Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, also länger als 16 Monate, weiterhin im Besitz seiner Lenkerberechtigung gewesen ist und sich in dieser Zeit nach der Aktenlage wohlverhalten hat. Auch wenn in dieser Zeit das Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt wurde und seit November 2003 das Entziehungsverfahren anhängig war und dem Wohlverhalten während der Anhängigkeit dieser Verfahren geringeres Gewicht zukommt als einem Wohlverhalten zu Zeiten, in denen dies nicht der Fall ist, führt das Wohlverhalten des Berufungswerbers in der genannten Zeit im Zusammenhalt mit der Tatsache, dass er vor und nach der Tat vom 05 09 2003 keine sonstigen Übertretungen begangen hat, zu dem Ergebnis, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Prognose, der Berufungswerber werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst am 19 04 2005 wiedererlangen, verfehlt und war der angefochtene Bescheid demnach aufzuheben.