Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Martina Strele über die Berufung der Frau S. A., wohnhaft in XY, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 2.11.2004, Zahl 703-4-1033-2004-FSE, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 35 Abs 1 FSG wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit welchem die Befristung der Lenkberechtigung der Klasse B auf die Dauer von 60 Monaten ausgesprochen wurde, behoben und die Lenkberechtigung der Gruppe B unbefristet erteilt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufungswerberin die Lenkberechtigung, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 27.12.1999, Zahl 703-4-1033-2004-FS, Klasse B, auf die Dauer von 60 Monaten auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens befristet.
In ihrer fristgerecht dagegen erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin im Wesentlichen vor, dass sie seit 29.12.1993 die Lenkberechtigung der Klasse B besitze. Die Lenkberechtigung sei im Laufe der Jahre regelmäßig und durch verschiedene Amtsärzte lediglich auf Grund ihrer Sehschwäche für 5 Jahre befristet erteilt worden. Im Jahre 1999 habe sie bei der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck Frau Dr. S. vorgesprochen. Diese habe ihr damals versichert, dass diese Befristung die Letzte sein werde, da keine Veränderung bzw Verschlechterung des Sehvermögens eingetreten sei. In diesem Zusammenhang bemerke sie auch, dass sich ihre Sehstörung seit Geburt an nicht verändert habe. Im Sommer des Jahres 2004 habe sie sich nach einer Reihe von Voruntersuchungen einer Augenoperation bei Univ. Prof. Dr. M. Z. unterzogen. Die vielen Voruntersuchungen seien deswegen wichtig gewesen, weil eine Operation nicht für jede Person sinnvoll bzw zweckmäßig sei. Ihr Sehvermögen habe sich nach der chirurgischen Korrektur (Implantation einer Artisanlinse) derart verbessert, dass aus augenfachärztlicher Sicht eine Sehhilfe inzwischen nicht mehr erforderlich sei. Laut Sehtest im Gesundheitsreferat der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 18.10.2004 habe bei ihr eine Sehleistung ohne Korrektur von rechts 0,5 und links 1,0 bestanden. Dieser Sehtest habe den augenfachärztlichen Befund des Univ. Prof. Dr. M. Z. (rechts 0,80 und links 1,00) vom 9.7.2004 bestätigt. Von einer Verschlechterung der Sehleistung könne hier nicht ausgegangen werden. Der Amtsarzt Dr. A. F. habe die Visusverschlechterung damit begründet, dass ihre Sehleistung vor 5 Jahren mit Korrektur höher gewesen sei als die heute festgestellte ohne Korrektur. Für ihr heutiges Sehvermögen sei jedoch keine Sehhilfe vorgeschrieben bzw auch keine Befristung im Führerschein vorgesehen. Dennoch habe der Amtsarzt Dr. A. F. ein bedingt geeignetes Gutachten mit neuerlicher Befristung von 60 Monaten ausgestellt. Sie sei eine sehr unauffällige Verkehrsteilnehmerin. Durch ihre defe
nsive Fahrweise sei sie bis heute nie in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen. Weiters sei sie auch noch nie verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten. Sie sei Hausfrau und Mutter. Für die Erhaltung ihres Eigenheimes sei es notwendig, dass auch sie einer Arbeit nachgehe. Sie habe jahrlang für diese Operation gespArt Da sie nicht zusatzversichert sei und ihre finanziellen Mittel begrenzt seien sei ihr sogar die Möglichkeit einer Ratenzahlung angeboten worden, welche sie auch gewissenhaft einhalte. Die aus der Operation entstandene gehobene Lebensqualität und neue Unabhängigkeit wisse sie sehr zu schätzen. Ebenso bleibe ihr nunmehr der zweimal jährliche Brillenkauf erspart, welcher auf Grund ihrer Arbeit notwendig gewesen wäre. Auch der ständige Behördenweg und der damit verbundene finanzielle unzeitliche Aufwand hätte mit ihrer Investition in jedem Fall vermieden werden sollen. Es sei ihr auch bekannt, dass Personen mit korrigierter Sehschwäche selten ein befristeter Führerschein vorgeschrieben worden sei. Aus den oben genannten Gründen ersuche sie ihrem Ansuchen auf Erteilung einer unbefristeten Lenkberechtigung stattzugeben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat über die gegenständliche Berufung wie folgt erwogen:
Die Berufungswerberin hat sich am 7.6. und am 9.6.2004 auf Grund ihrer hochgradigen Fehlsichtigkeit an beiden Augen im Augenzentrum des Univ. Prof. Dr. M. Z. einer chirurgischen Korrektur ihrer Sehleistung durch Implantation einer Artisanlinse in beiden Augen unterzogen.
Die Sehleistung der Berufungswerberin wurde vor der Operation mit bester Korrektur rechts mit 0,63 und links mit 1,25 bestimmt. Nach der Operation betrug die Sehleistung rechts 0,8 und links 1,0, wobei eine Korrektur im Sinne eines zusätzlichen Sehbehelfes nicht mehr erforderlich gewesen ist. Aus augenfachärztlicher Sicht des Univ. Prof. Dr. M. Z. wurde deshalb auch empfohlen, die vorgeschriebene Verwendung von Sehbehelfen im Führerschein zu tilgen.
Aus der im Berufungsverfahren vorgelegten augenärztlichen Bestätigung vom 11.1.2005 ergibt sich, dass die Berufungswerberin in der Zeit vom 1991 bis 2002 bei Univ. med. Dr. S. K. S., Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, Kontaktlinseninstitut in Behandlung gewesen ist. Es habe eine höhere Hyperopie mit Astigmatismus sowie ein akkommodativer Strabismus covergens rechts bestanden. Die Dioptriewerte haben sich in all den Jahren kaum geändert, es habe eine leichte Amblyopie rechts bestanden. 15.11.2002:plus 6,5s minus 1,5c 180: 0,4
plus 6.0s minus 1,0c 175: 1,0
Mit Schreiben der Berufungsbehörde vom 1.2.2005 wurde der Amtsarzt Dr. F. K. von der Landessanitätsdirektion Tirol ersucht unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Berufungswerberin in ihrer Berufung in Verbindung mit der von ihr vorgelegten ärztlichen Bestätigungen (augenfachärztliche Bestätigung von Dr. S. K. S. vom 11.1.2005 und augenfachärztlichem Befund von Univ. Prof. Dr. M. Z. vom 9.7.2004 sowie der amtsärztlichen Stellungnahme des Dr. A. F. vom 22.10.2004) im erstinstanzlichen Verfahren eine gutachterliche Stellungnahme zur Frage der Eignung der Berufungswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B auf unbestimmte Dauer abzugeben. Weiters wurde Dr. K. gebeten zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit es möglich ist, dass sich die Fehlleistung der Berufungswerberin nach einer chirurgischen Korrektur (Implantation einer Artisanlinse) wieder verschlechtert.
In seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 17.2.2005 führte der Sachverständige zusammengefasst aus wie folgt:
Gutachterliche Stellungnahme:
Artisanlinsen gelten als sehr gut verträglich und werden in der Vorderkammer des Auges zwischen Hornhaut und Regenbogenhaut durch einen Klammermechanismus operativ verankert. Dieses Verfahren ist geeignet, auch eine höhergradige Fehlsichtigkeit zu korrigieren. Als Nebeneffekte können Blendeffekte nachts oder Lichtreflexempfindungen auftreten, welche von den meisten Patienten schon nach wenigen Monaten nicht oder kaum mehr empfunden werden. Die Artisanlinse hat keinen Einfluss auf die natürlicherweise entstehende Altersfehlsichtigkeit für die Nähe (Altersweitsichtigkeit), welche meistens im Alter von 40-50 Jahren beginnt. Dann kann das zusätzliche Tragen einer (Lese)Brille erforderlich werden. Damit besteht für Artisanlinsenträger dieselbe Entwicklung einer Altersfehlsichtigkeit wie für andere Personen auch.
Entsprechend der eigenen ergänzenden anamnestischen Befragung und körperlichen Untersuchung war zu erheben, dass S. A. die eingesetzten Linsen gut verträgt, subjektiv keinerlei Sehprobleme oder störende Nebeneffekte angibt und einen Visus von 0,8 rechts und 1,0 links ohne zusätzliche Korrektur aufweist. Es konnten somit keine relevanten Visusänderungen seit der operativen Korrektur der Fehlsichtigkeit im Juni 2004 gefunden werden. Hinweise auf ein fortschreitendes Augenleiden bestanden nicht.
Auf der Grundlage des vorliegenden augenfachärztlichen Befundes des Augenzentrums Prof. Z. vom 09.07.2004 und der eigenen ergänzenden Befundaufnahme ist bei der Berufungswerberin S. A. eine medizinisch relevante Verschlechterung der Sehleistung seit der Augenoperation nicht erweisbar und höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahren jedenfalls nicht in einem Ausmaß zu erwarten, als auch bei der übrigen Bevölkerung altersbedingt eintreten würde.
Gemäß dem jüngsten Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend § 8 Führerscheingesetz scheint deshalb eine weitere Befristung der Lenkberechtigung bei der Berufungswerberin rein medizinisch entbehrlich, wenngleich dieser in größeren Zeitabständen (dh jährlich) augenfachärztliche Kontrolluntersuchungen anzuraten sind, um die altersbedingte Fehlsichtigkeit, die sich natürlicherweise einstellen wird, gegebenenfalls zu korrigieren."
Dieses Gutachten des Dr. F. K. ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei und war daher der Berufung Folge zu geben und der Berufungswerberin die Lenkberechtigung der Klasse B unbefristet zu erteilen.
HINWEIS:
Für die Vergebührung des Berufungsantrages (samt Beilagen) sind Euro 13,00 zu entrichten. Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen nach Erhalt des Zahlscheines einzuzahlen.