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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §14 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des HO in J, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 15. Oktober 1999, Zl. LGSTi/V/1212/3107 03 06 41-709/1999, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Schwaz am 23. Dezember 1998 einen Antrag auf Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Schwaz vom 6. September 1999 stellte diese fest, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 5 in Verbindung mit § 21 Abs. 10 AlVG ein Arbeitslosengeld in der Höhe von S 270,40 täglich zustehe. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer nur auf Grund der Entrichtung eines Sicherungsbeitrages gemäß § 5d des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994 (im Folgenden: AMPFG), für den Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 1998 einen Anspruch auf den Restbezug von 299 Tagen Arbeitslosengeld erworben habe. Gemäß § 21 Abs. 10 AlVG stehe ihm das Arbeitslosengeld in diesem Fall nur in der Höhe von einem Dreißigstel des Ausgleichszulagenrichtsatzes, somit in der Höhe von S 270,40, zu.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er brachte vor, seitens der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck sei ihm die Auskunft erteilt worden, dass im Falle der Entrichtung des Sicherungsbeitrages der Fortbezug auf den 1993 zuerkannten Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von S 414,50 gesichert werde. Die eingezogene Grenze des Ausgleichszulagenrichtsatzes komme in seinem Fall nicht zum Tragen, weil er bereits 1993 65 Tage lang Arbeitslosengeld bezogen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 1999 gab diese der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 6. September 1999 keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei auf Grund seiner Antragstellung am 3. Mai 1993 für den Zeitraum vom 1. Mai 1993 bis 4. Juli 1993 Arbeitslosengeld in der Höhe von S 459,70 täglich ausbezahlt worden. Mit 5. Juli 1993 sei der Arbeitslosengeldbezug des Beschwerdeführers infolge einer gemeldeten Arbeitsaufnahme wieder eingestellt worden. Vom 5. Juli 1993 bis 31. Dezember 1998 sei der Beschwerdeführer selbstständig als Handelsvertreter tätig gewesen. Eine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld habe er nicht erworben. Es bestehe jedoch noch ein Restanspruch für 299 Tage. Mit 31. Dezember 1998 habe der Beschwerdeführer sein Handelsagenturgewerbe ruhend gemeldet.
Auf Anfrage des Beschwerdeführers vom 6. November 1998 habe ihm die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 mitgeteilt, dass auf Grund seines Antrages im Zeitraum vor dem 1. Oktober 1998 für 27 Monate Sicherungsbeiträge in Höhe von S 13.500,-- (monatlich S 500,--) zu bezahlen seien. Dieser Nachzahlungsbetrag sei mit dem beiliegenden Zahlschein bis 18. Jänner 1999 einzuzahlen. Ab 1. Oktober 1998 seien für jeden Monat der selbstständigen Erwerbstätigkeit jeweils S 500,-- zu bezahlen. Der Beschwerdeführer habe in der Folge am 30. Dezember 1998 insgesamt S 15.000,-- für den Zeitraum von Juli 1996 bis Dezember 1998 einbezahlt.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Dezember 1998 sei als solcher auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes aufzufassen. Dieser könne gemäß § 19 Abs. 1 AlVG jedoch nur gewährt werden, wenn die Geltendmachung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom letzten Tag des Bezuges des Arbeitslosengeldes, erfolge. Diese Dreijahresfrist verlängere sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG, somit auch um solche, für die der Antragsteller Sicherungsbeiträge gezahlt habe. Der Beschwerdeführer habe bis 4. Juli 1993 Arbeitslosengeld bezogen. Die Fortbezugsfrist des § 19 Abs. 1 AlVG habe sich somit bis 4. Juli 1996 erstreckt. Da der Beschwerdeführer außerdem für insgesamt 914 Tage Sicherungsbeiträge bezahlt habe, habe sich die "Rahmenfrist für die Geltendmachung des Fortbezuges" auf den 4. Jänner 1999 erstreckt. Damit stehe ihm ein Anspruch auf Fortbezug des Restanspruches von 299 Tagen Arbeitslosengeld zu. Dieser Anspruch sei erst ab 1. Jänner 1999 entstanden, weil der Beschwerdeführer sein Gewerbe mit 31. Dezember 1998 ruhend gemeldet habe.
Gemäß § 21 Abs. 10 AlVG dürfe der tägliche Grundbetrag der Leistung, sofern der Leistungsanspruch nur auf Grund einer Rahmenfristerstreckung um Zeiträume bestehe, für die der Versicherte einen Sicherungsbeitrag entrichtet habe, mit keinem höheren Betrag als einem Dreißigstel des Ausgleichszulagenrichtsatzes festgesetzt werden. Da der Beschwerdeführer vorliegendenfalls den Fortbezug der Resttage aus dem Jahr 1993 nur auf Grund einer "zusätzlichen Rahmenfristerstreckung wegen Zahlung der Sicherungsbeiträge" erreicht habe, stehe ihm ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer seines Restbezuges lediglich bis zu dem in § 21 Abs. 10 AlVG umschriebenen Höchstmaß zu.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, in welcher er Normbedenken gegen § 21 Abs. 10 AlVG unter dem Gesichtspunkt des dem Gleichheitssatz innewohnenden Vertrauensschutzes geltend machte.
Mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1907/99-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beschwerde behaupte die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (in concreto: § 21 Abs. 10 AlVG). Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit und zu den Grenzen des Eingriffs in bereits erworbene Rechte lasse das Vorbringen der Beschwerde die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe: Über die Arbeitslosigkeit werde nicht je nach Rechtslage "disponiert", ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung werde nicht herbeigeführt und der Sicherungsbeitrag sei in Kenntnis der Rechtslage entrichtet worden.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Bezug des Arbeitslosengeldes in der gesetzlichen Höhe verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 14 Abs. 1 bis 3, § 15 Abs. 1 und 5, § 19 Abs. 1 und § 21 Abs. 10 AlVG in der zwischen Antragstellung am 23. Dezember 1998 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch Zustellung am 18. Oktober 1999 geltenden Fassung lauteten (auszugsweise):
"Anwartschaft
§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft erfüllt, wenn
1. der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor
Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war, wobei höchstens 16 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten nach § 35 Abs. 2 des Arbeitsmarktservicegesetzes, BGBl. Nr. 313/1994, herangezogen werden dürfen, und
2. ihm das Arbeitsmarktservice auch unter
weitestmöglichem Einsatz von Förderungsmaßnahmen keine zumutbare Beschäftigung vermitteln kann, wobei diesbezüglich der Regionalbeirat anzuhören ist.
(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, dass die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
...
§ 15. (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland
...
2. selbstständig erwerbstätig gewesen ist;
...
(5) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, für die der Arbeitslose einen Sicherungsbeitrag gemäß § 5d AMPFG entrichtet hat.
...
§ 19. (1) Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld
nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, ist der
Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige
Bezugsdauer zu gewähren,
a) wenn die Geltendmachung innerhalb eines Zeitraumes
von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges des
Arbeitslosengeldes, erfolgt und
b) wenn, abgesehen von der Anwartschaft, die
Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind.
Die Frist nach lit. a verlängert sich darüber hinaus um
Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5. ...
...
§ 21. ...
(10) Besteht der Leistungsanspruch nur auf Grund einer Rahmenfristerstreckung um Zeiträume, für die der Versicherte einen Sicherungsbeitrag entrichtet hat, so darf der tägliche Grundbetrag der Leistung mit keinem höheren Betrag als einem Dreißigstel des Ausgleichszulagenrichtsatzes (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG) festgesetzt werden."
§ 5d AMPFG in der im oben genannten Zeitraum geltenden
Fassung lautete:
"Sicherungsbeitrag
§ 5d. (1) Personen, die krankenversicherungspflichtig erwerbstätig sind und nicht der Versicherungspflicht nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 unterliegen sowie unselbstständig Beschäftigte im Ausland können sich zur Zahlung eines Sicherungsbeitrages verpflichten, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor dem Ende der letzten Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung insgesamt 156 Wochen im Inland
arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren. ... Die
Verpflichtung zur Zahlung eines Sicherungsbeitrages ist bei dem gemäß Abs. 4 zuständigen Sozialversicherungsträger binnen einem Jahr nach dem Ende der letzten Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung oder des letzten Leistungsbezuges aus der Arbeitslosenversicherung schriftlich zu erklären. Liegt das Ende dieser Frist vor dem 1. Jänner 1999, so ist die Verpflichtung zur Zahlung eines Sicherungsbeitrages spätestens bis 31. Dezember 1998 schriftlich zu erklären.
(2) Der Sicherungsbeitrag ist regelmäßig in der monatlichen Höhe von 500 S zu entrichten. ... Für die ersten drei Jahre nach dem Ende der letzten Pflichtversicherung in der Arbeitslosenversicherung ist kein Sicherungsbeitrag zu entrichten. Dasselbe gilt für die ersten drei Jahre nach dem Ende des letzten Leistungsbezuges, wenn dieses nach dem Ende der letzten Pflichtversicherung lag. Für vor dem 1. Mai 1996 liegende Zeiträume ist kein Sicherungsbeitrag zu entrichten. Für sonstige vor dem 1. Oktober 1998 liegende Zeiträume sind die zu entrichtenden Sicherungsbeiträge spätestens bis 31. Dezember 1998 nachzuzahlen. Nach vollständiger Bezahlung der zu entrichtenden Sicherungsbeiträge gilt der Sicherungsbeitrag auch für die davor liegenden Zeiträume der Erwerbstätigkeit als entrichtet."
Das Recht, durch die Entrichtung von Sicherungsbeiträgen die Erstreckung der Rahmenfristen des § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG sowie die Erstreckung der Fortbezugsfrist gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG zu bewirken, geht auf die Novelle BGBl. I Nr. 148/1998 zurück.
In den Materialien zu dieser Novelle, AB 1304 BlgNR 20. GP, 3, heißt es:
"Für Personen, die nach längerer arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung eine selbstständige Erwerbstätigkeit oder eine arbeitslosenversicherungsfreie unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, soll die Möglichkeit eröffnet werden, durch die Zahlung eines Sicherungsbeitrages die Zugehörigkeit zur Versicherungsgemeinschaft der Arbeitslosenversicherten zu wahren und dadurch im Falle der Arbeitslosigkeit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu haben.
Durch die Entrichtung eines Sicherungsbeitrages soll die Erstreckung der Rahmenfrist für die Erbringung der Anwartschaft sowie für die Beantragung des Fortbezuges von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bewirkt werden, wodurch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in gleicher Weise wie für arbeitslosenversicherungspflichtig Beschäftigte, jedoch maximal in der Höhe des jeweils geltenden Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende, bezogen werden können. ..."
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig ist die Frage, ob die in § 21 Abs. 10 AlVG normierte Höchstgrenze vorliegendenfalls zur Anwendung gelangt. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, § 21 Abs. 10 AlVG sei schon im Hinblick auf den zeitlichen Geltungsbereich dieser Norm nicht anzuwenden.
Diese Auffassung ist unzutreffend. § 21 Abs. 10 AlVG trat gemäß § 79 Abs. 46 AlVG mit 1. Oktober 1998 in Kraft. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind Ansprüche auf Arbeitslosengeld (hiezu gehört auch der hier geltend gemachte Anspruch auf Fortbezug desselben gemäß § 19 Abs. 1 AlVG) - sofern der Gesetzgeber nichts anderes anordnet - zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 98/08/0310). Vorliegendenfalls ist daher für die Festlegung der Höhe des Arbeitslosengeldes die Rechtslage zwischen der Antragstellung des Beschwerdeführers am 23. Dezember 1998 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 18. Oktober 1999 - wie sie oben dargestellt wurde - maßgeblich. In diesem Zeitraum stand § 21 Abs. 10 AlVG in Geltung.
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden, weil § 21 Abs. 10 AlVG der Sache nach auf den hier geltend gemachten Anspruch auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes aus folgenden Erwägungen nicht anzuwenden ist:
§ 21 Abs. 10 AlVG setzt nach seinem unzweideutigen Wortlaut voraus, dass der Leistungsanspruch nur auf Grund einer Rahmenfristerstreckung um Zeiträume, für die der Versicherte einen Sicherungsbeitrag entrichtet hat, besteht. Die Leistung eines Sicherungsbeitrages gemäß § 5d AMPFG zeitigt nun - abstrakt gesprochen - in Ansehung jener Zeiträume, für die seine Entrichtung erfolgt, zwei - grundsätzlich voneinander unabhängige -
Rechtsfolgen:
Zum einen bewirkt sie aus dem Grunde des § 15 Abs. 5 AlVG die Erstreckung der Rahmenfristen gemäß § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG, also jener vor Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes gelegenen Fristen, innerhalb derer zur Erlangung einer Anwartschaft bestimmte Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungen zurückzulegen sind.
Zum anderen bewirkt die Entrichtung des Sicherheitsbeitrages aber auch die Verlängerung der in § 19 Abs. 1 lit. a AlVG gesetzten Fortbezugsfrist. Dies wird durch die in § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG enthaltene Anordnung bewirkt, wonach sich die Frist nach lit. a leg. cit. darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 5 AlVG, also um solche, für die der Arbeitslose einen Sicherungsbeitrag gemäß § 5d AMPFG entrichtet hat, verlängert. Keinesfalls ist mit diesem Verweis aber angeordnet, dass die Verlängerung der Fortbezugsfrist nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG nur dann Platz greift, wenn die Entrichtung des Sicherungsbeitrages im jeweiligen Einzelfall gleichzeitig auch die Erstreckung einer Rahmenfrist im Verständnis des § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG bewirkt. Der Lauf einer Frist nach der letztgenannten Gesetzesbestimmung würde nämlich voraussetzen, dass der Arbeitslose (hier: im Anschluss an den zuletzt gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld wieder) eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hätte (was hier nicht der Fall ist). Erst eine solche Beschäftigungsaufnahme würde die für die Frage ihrer Berücksichtigung bei einer späteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes relevante jeweilige Rahmenfrist des § 14 AlVG in Gang setzen.
Es ist daher als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die in § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG vorgesehene Verlängerung der Fortbezugsfrist lediglich von der Entrichtung des Sicherungsbeitrages für die betreffenden Zeiträume, nicht aber davon abhängig ist, dass diese Entrichtung für eben diese Zeiträume auch die Erstreckung einer Rahmenfrist gemäß § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG aus dem Grunde des § 15 Abs. 5 AlVG bewirkt hätte.
§ 21 Abs. 10 AlVG gilt aber lediglich für Fälle, in denen der Leistungsanspruch auf Grund einer Rahmenfristerstreckung um Zeiträume, für die der Versicherte einen Sicherungsbeitrag entrichtet hat, besteht. Die Erstreckung der Fortbezugsfrist des § 19 Abs. 1 AlVG nach dem zweien Satz dieser Bestimmung ist aber nicht die Erstreckung einer "Rahmenfrist" im Verständnis des AlVG. Dies erklärt sich schon daraus, dass lediglich die Fristen des § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG im Gesetz ausdrücklich als Rahmenfristen bezeichnet werden (vgl. die Klammerausdrücke in § 14 Abs. 1 und 2 AlVG sowie die ausdrückliche Bezeichnung der in § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG genannten Fristen als Rahmenfristen in § 15 Abs. 1 leg. cit.). Demgegenüber wird die Frist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG in diesem Gesetz nicht als Rahmenfrist bezeichnet. Sie ist auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als solche anzusehen, setzt doch der Begriff "Rahmenfrist" (als Unterfall des allgemeinen Begriffes "Frist") voraus, dass durch eine solche ein Zeitrahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen bestimmte Anspruchsvoraussetzungen geschaffen werden müssen. Im Falle des § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG handelt es sich dabei um die innerhalb der Rahmenfrist zu absolvierenden Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung. Vergleichbare Umstände, die es nahe legen würden, die Fortbezugsfrist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG ungeachtet ihrer anderen Bezeichnung ebenfalls als "Rahmenfrist" zu qualifizieren, liegen nicht vor.
Aus dem Vorgesagten folgt, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes nicht auf Grund einer "Rahmenfristerstreckung" zusteht, sondern vielmehr auf Grund einer Erstreckung der Fortbezugsfrist des § 19 Abs. 1 zweiter Satz AlVG, die ihrerseits nicht von einer Rahmenfristerstreckung abhängig ist.
Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass aus den oben wiedergegebenen Materialien zu § 21 Abs. 10 AlVG ein gegenteiliger Wille des historischen Gesetzgebers zu entnehmen ist, wird doch dort auch die Frist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG - allerdings in Abweichung von der im Gesetz festgeschriebenen Terminologie und vom sprachlichen Sinn dieses Begriffes - als "Rahmenfrist" bezeichnet.
Zur Auslegung kann aber nur dann auf die Materialien zurückgegriffen werden, wenn der Wortlaut des Gesetzes unklar bleibt. Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Absicht des historischen Gesetzgebers ist weder das einzige noch das wichtigste Mittel zur Gesetzesauslegung. Stehen die Materialien in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2001, Zl. 98/06/0240, und vom 5. November 1999, Zl. 99/19/0171). Da - wie oben dargelegt - die Fortbezugsfrist des § 19 Abs. 1 lit. a AlVG weder dem Begriff der Rahmenfrist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch noch jenem nach der Systematik des AlVG zu unterstellen ist, bleiben die Materialien vorliegendenfalls für die Auslegung bedeutungslos.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Oktober 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001190005.X00Im RIS seit
12.02.2002Zuletzt aktualisiert am
17.06.2016