Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Margit Pomaroli über die Berufung des Herrn M. H., L., vertreten durch Frau Rechtsanwältin M. T. U., R., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 24.01.2005, Zahl VK-2527-2004, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG wird der Berufung hinsichtlich des Punktes 1) Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Hinsichtlich des Punktes 2) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens hinsichtlich des Punktes 2) mit 20 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 43,60, festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen wie folgt:
?Tatzeit: 08.09.2004 um 05.45 Uhr
Tatort: Freiland Berwanger-Namloser-Landesstraße L 21, km 3.310
Fahrzeug: Personenkraftwagen, XY
1. Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da Sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, Ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen. Sie haben den Unfallort verlassen.
2. Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl Sie auch dem Geschädigten Ihren Namen und Ihre Anschrift nicht nachgewiesen haben.
Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
1.
2.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über ihn folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro, falls diese uneinbringlich ist Ersatzfreiheitsstrafe von, Freiheitsstrafe, Gemäß
1.
220,00 60 Stunden § 99 Abs 2 lit a StVO
2.
218,00 60 Stunden § 99 Abs 3 lit b StVO?
Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, dass hinsichtlich des Punktes 1) das Straferkenntnis zur Gänze angefochten werde und hinsichtlich des Punktes 2) hinsichtlich der Strafhöhe. Zu Punkt 1) wurde ausgeführt, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 nur dann bestehe, wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Im Gegenstandsfall habe es nicht zu einer Aufnahme des Tatbestandes kommen müssen und habe deswegen der Berufungswerber die ihm zu Punkt 1) vorgeworfene Übertretung nach § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 nicht begangen.
Zu Punkt 2) wird ausgeführt, dass § 4 Abs 5 StVO dazu diene, den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern bzw dem Geschädigten die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten feststellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung auseinander zu setzen habe. Der Berufungswerber habe sich selbst gestellt, noch bevor der Geschädigte oder die Behörde vom Unfall Kenntnis erhalten habe. Es sei daher das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehaltes beim Berufungswerber erheblich zurückgeblieben und es sei die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG geboten.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt sowie in den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol und wurden im Verfahren die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers erhoben.
Fest steht, dass der Berufungswerber am 08.09.2004 als Lenker des PKWs mit dem Kennzeichen XY auf der Berwanger-Namloser-Landesstraße L 21, km 3.310, von Berwang in Richtung Bichlbach kommend unterwegs war und es zu einem Zusammenstoß mit einem Reh kam. In der Folge kam es nicht ohne unnötigen Aufschub zu einer Verständigung des zuständigen Jägers und auch nicht zur Verständigung des nächsten Gendarmeriepostens über den gegenständlichen Unfall, sondern erfolgte die Kontaktaufnahme erst am 08.09.2004 gegen 12.30 Uhr.
Nach § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im Gegenstandsfall wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe an der Sachverhaltsfeststellung dadurch nicht mitgewirkt, dass er die Unfallstelle verlassen habe.
Eine Mitwirkungsverpflichtung besteht nur dann, wenn es bei einem Verkehrsunfall überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies ist immer dann der Fall, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs 2 StVO 1960 besteht; darüber hinaus aber auch dann, wenn ein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. In diesen Fällen ist die amtliche Aufnahme des Tatbestandes an der Unfallstelle bzw die Notwendigkeit einer solchen von wesentlicher Bedeutung. Besteht eine derartige Notwendigkeit nicht und kommt es auch nicht zu einer amtlichen Tatbestandsaufnahme an der Unfallstelle, ist eine Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes durch Verbleiben an der Unfallstelle mitzuwirken, nicht gegeben. Im Gegenstandsfall hat es sich um einen Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden gehandelt und hatte damit nicht zur Aufnahme des Tatbestandes an Ort und Stelle zu kommen; eine solche Tatbestandsaufnahme wurde auch tatsächlich nicht durchgeführt und von niemandem verlangt, sodass für den Berufungswerber keine Verpflichtung zum Verbleiben an der Unfallstelle bestand.
Nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet. Nachdem das Verhalten des Berufungswerbers im gegenständlichen Fall keine Verwaltungsübertretung bildet, war der Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des Punktes 1) einzustellen.
Nach § 4 Abs 5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichen Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs 1 genannten Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Im gegenständlichen Fall ist, nachdem ein Reh verletzt wurde, von einem Unfall mit Sachschaden auszugehen. Der Unfall ereignete sich am 08.09.2004 gegen 05.45 Uhr und erfolgte eine Verständigung der Exekutive erst am 08.09.2004 um 12.30 Uhr. Die Formulierung ?ohne unnötigen Aufschub? ist einer exakten Bestimmbarkeit nicht zugänglich, kann jedoch nur so verstanden werden, dass die Meldung über den Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen und durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen zu erfolgen hat. Die Meldung erfolgte daher im Gegenstandsfalle nicht unverzüglich und hat der Berufungswerber dadurch die ihm zu Punkt 2) vorgeworfene Übertretung begangen.
Nach § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wenn in anderer als der in Abs 2 lit a bezeichneten Weise gegen die Bestimmung des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, wer einen bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch das nicht unverzügliche Melden eines Verkehrsunfalls wird die Aufklärung von Unfallsursachen erschwert, sodass der Unrechtsgehalt einer derartigen Übertretung nicht unbeträchtlich ist. Beim Verschulden ist von Fahrlässigkeit auszugehen. Der Milderungsgrund der bisherigen Straffreiheit fehlt beim Berufungswerber, erschwerend bei Bemessung der Strafe war nichts. Der Berufungswerber bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von Euro 1.174,06, hat keine Sorgepflichten und keine Ersparnisse und leistet monatlich Euro 200,00 Rückzahlungsraten für sein Fahrzeug. Im Hinblick auf den Strafrahmen von bis zu Euro 726,00 wurde die Strafe im unteren Bereich desselben bemessen und war auch im Hinblick auf das Fehlen von Milderungsgründen eine Herabsetzung derselben nicht mehr möglich.