Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Franz Triendl über die Berufung der Frau B. G., geb XY, XY, vd Rechtsanwalt Dr. H. W., XY gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 13.01.2005, Zl S -13.481/04 wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 20 Prozent der verhängten Strafe, das sind Euro 30,00 zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachfolgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Sie haben am 17.03.2004 gegen 14.30 Uhr auf der Inntalautobahn A12 auf Höhe km 69,850 Höhe Auffahrt Hall West im Gemeindegebiet Ampass in Fahrtrichtung Innsbruck den Pkw XY gelenkt, obwohl sie sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befanden, in der sie ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermochte, da sie aufgrund eines Sekundenschlafes nach links von der Fahrbahn abkamen.
Die Beschuldigte habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 58 Abs 1 StVO. Über sie wurde eine Strafe in der Höhe von Euro 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt und ein anteiliger Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschuldigte rechtzeitig und zulässig Berufung und brachte darin vor wie folgt:
Das Straferkenntnis wird dem gesamten Inhalt nach angefochten. Die Strafbehörde ist auf Einwendungen im Einspruch nicht eingegangen. Voraussetzung für eine Bestrafung nach § 58 Abs 1 StVO ist, dass sich der Lenker eines Fahrzeuges nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, dass er ein Fahrzeug beherrschen und die Rechtsvorschriften befolgen kann.
Für den Lenker muss die Beeinträchtigung seiner Verfassung erkennbar sein und ihm im konkreten fall auch vorwerfbar sein. Dies wird dann zutreffen, wenn der Lenker eine lange Nachtfahrt unternimmt oder er nach wenig Schlaf, Einnahme von Medikamenten oder auch anderen Ursachen damit rechnen muss, dass seine Aufmerksamkeit im Straßenverkehr unzureichend sein könnte. Wenn ein Kraftfahrer um
14.30 Uhr mit seinem Fahrzeug unterwegs ist, ausreichend Schlaf hatte, keine Beeinträchtigung durch Medikamente vorliegt und auch sonst keine Anzeichen für Ermüdung vorhanden sind, wird man ihm den Sekundenschlag weder objektiv noch subjektiv vorwerfen können.
Die Beschuldigte erklärte, dass es für sie keine warnenden Anzeichen für eine Ermüdung gegeben hat und sie das Ereignis völlig überraschend getroffen hat. Wenn also keine äußeren Umstände einen Rückschluss auf eine Beeinträchtigung der Beschuldigten zulassen, kann man ihr auch keinen schuldhaften Vorwurf machen.
Ohne Beweisergebnis nimmt die Behörde Übermüdung an und begründet die Feststellung mit Lebenserfahrung. Diese Vorgangsweise ist unstatthaft.
Der Gatte der Beschuldigten hat zwar zum Zeitpunkt des Unfalles im Fahrzeug geschlafen, doch kann er bestätigen, dass seine Gattin gut ausgeschlafen, motiviert und frei von Medikamenten und sonstigen Beeinträchtigungen die Fahrt begonnen und auch nicht über Müdigkeit geklagt hat.
Es wird daher gestellt der
ANTRAG
der Berufung Folge zu geben.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt und Einvernahme der Berufungswerberin und des Zeugen R. G. (Ehegatte der Berufungswerberin) anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2005.
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender, entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:
Die Berufungswerberin verbrachte am 17.03.2004 mit ihrer Familie (Ehegatte R. G. sowie ihren beiden Kindern L. M. 4 Jahre und C. 6 Jahre) im Erlebnisbad XY in Wörgl einen Schwimmtag. Sie hielten sich ungefähr 3 Stunden im Bad auf. Auf der Heimfahrt von Wörgl nach Innsbruck, die Berufungswerberin lenkte das Fahrzeug, schlief ihr Ehegatte jedenfalls ca nach Auffahrt auf die Autobahn bei Wörgl bis ca Schwaz ein. Die Tochter L. M. schlief die gesamte Strecke, nur ihr Sohn war ständig wach. Im Fahrzeug war der CD Player eingeschalten. Es lief eine englischsprachige CD (Hörspiel Witchi die kleine Hexe). Auf Höhe Km 69,850 (Ausfahrt Hall West) der Inntalautobahn A12 gegen 14.30 Uhr kam die Berufungswerberin mit ihrem Fahrzeug infolge eines Sekundenschlafes links von der Fahrbahn ab, verriss, wieder erwacht, das Lenkrad nach rechts, worauf das Fahrzeug außer Kontrolle geriet und auf der rechten Fahrbahnseite gegen einen Fahrbahnteiler und gegen ein Hinweiszeichen prallte. Das Fahrzeug drehte sich um die eigene Achse und kam entgegen der Fahrtrichtung am ersten Fahrstreifen zum Stillstand.
Gemäß Mitteilung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 04.05.2004 wurde die Anzeige wegen Verdachts einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB gemäß § 90 Abs 1 StPO aus den Gründen des § 88 Abs 2 Z 1 StGB zurückgelegt.
Dieser Sachverhalt ist soweit unstrittig. Seitens der Berufungswerberin wird insbesondere die Tatsache des eingetretenen Sekundenschlafes nicht bestritten. Sie betont jedoch, dass dieser Sekundenschlaf für sie nicht vorherzusehen war. Er sei praktisch von einer auf die andere Sekunde eingetreten. Es habe keinerlei Anzeichen für eine Ermüdung gegeben.
Zur gegenständlichen Problematik führte der VwGH in seinem Erkenntnis vom 25.03.1992, 92/02/0044 in einem vergleichbaren Fall aus wie folgt.
Die belangte Behörde nahm auf Grund der Verantwortung des Beschwerdeführers als erwiesen an, dass er während der Fahrt vor dem Verkehrsunfall eingenickt (eingeschlafen) ist. Anhaltspunkte dafür, dass dabei auch ein vorangegangener Alkoholkonsum des Beschwerdeführers eine Rolle gespielt hätte, bestehen nicht. Die Anwendung des § 58 Abs 1 StVO 1960 erfolgte unter diesem Aspekt zu Recht (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1985, Zl 85/18/0207).
Wenn ein Fahrzeuglenker während der Fahrt einschläft, steht damit auch fest, dass er sich beim Lenken des Fahrzeuges in einem im § 58 Abs 1 StVO 1960 genannten Zustand befunden hat. Eine zum Einschlafen gegen den Willen des Betreffenden führende Müdigkeit kommt nämlich nicht so schnell, dass der Betreffende nicht seine Fahrt unterbrechen kann, um dem Gesetz Genüge zu tun. Eine Übertretung nach § 58 Abs 1 StVO 1960 liegt auch dann vor, wenn die Müdigkeit erst während der Fahrt eingetreten ist bzw ein Ausmaß angenommen hat, das zum Einschlafen gegen den Willen des Betreffenden führen kann, und der Fahrer dessen ungeachtet seine Fahrt fortsetzte (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1988, Zl 88/11/0120).
Der VwGH bestätigt in diesem Erkenntnis die allgemeine Lebenserfahrung, dass ein sog. Sekundenschlaf nicht ohne jedes Vorzeichen eintritt, sondern vielmehr davon auszugehen ist, dass bereits zuvor jedenfalls ein gewisser Grad an Ermüdung gegeben ist. Dass ein dieser Annahme entgegenstehendes Krankheitsbild vorlag, stellte die Berufungswerberin selbst in Abrede.
Gegenständlich liegen auch einige Faktoren vor, die aus der einschlägigen Literatur dafür bekannt sind, Ursache für Sekundenschlaf zu sein: (monotone) Autobahnfahrten, mehrere schlafende Mitfahrer, einschläfernde, schon oft gehörte CD, mehrstündiger Aufenthalt in einem Erlebnisbad und nachmittägliche Unfallszeit (14.30 Uhr).
Die Berufungswerberin rechtfertigt Ihre Aussage, der Sekundenschlaf sei völlig unvorhersehbar eingetreten, ua damit, dass zwischen dem letzten Gespräch mit ihrem Sohn und dem Einschlafen nur Minuten, ja mitunter sogar nur Minutenbruchteile lagen, sie also lediglich kurz vor dem Unfall keine, die Aufmerksamkeit aufrechterhaltene, Unterhaltung gepflegt habe. Diese Aussage steht im Einklang mit der ihres Ehegatten, der angibt, vor dem Unfall beim Auto hinausgeschaut und sich mit seinem Sohn unterhalten zu haben.
Diese Aussagen bestätigen einerseits, dass die Berufungswerberin eben zumindest kurz vor dem Unfall kein das Einschlafen unterbindendes Gespräch geführt hat und ändern andererseits daran nichts, dass die Berufungswerberin selbst für den Fall, dass die Ermüdung erst in der allerletzten Phase vor dem Unfall eingetreten ist, rechtzeitig entsprechende Maßnahmen hätte setzen müssen, um einen drohenden Sekundenschlaf zu unterbinden.
Nach § 58 Abs 1 StVO 1960 darf unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs 1 ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.
Nach § 99 Abs 3 lit a begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Woche, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.
Die Beschuldigte hat sohin jedenfalls den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt.
Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im Falle eines Ungehorsamsdeliktes als welches sich auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung darstellt tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies ist der Berufungswerberin jedoch nicht gelungen. Somit liegt entgegen dem Vorbringen der Beschuldigten der Tatbestand der ihr zu Last gelegten Verwaltungsübertretung in objektiver und subjektiver Weise vor.
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach Abs 2 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens, Vermögens und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unrechtsgehalt der Tat ist erheblich, wurde dadurch doch das Schutzziel des § 58 Abs 1 StVO 1960, das Lenken von Fahrzeugen bei jedweder Art der Fahruntauglichkeit (unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs 1) zu unterbinden und die mit einem dieser Bestimmung zuwiderlaufenden Verhalten in Verbindung stehende Gefahr für die Verkehrssicherheit hintanzuhalten, unterlaufen. Es ist gegenständlich nur glücklichen Umständen zuzuschreiben, dass die Tat nicht schwerste Folgen nach sich gezogen hat. Mildern war die bisherige Unbescholtenheit zu werten.
Unter Bezugnahme auf die oben angeführten Strafzumessungsgründe konnte eine Strafe in der verhängten Höhe bei einem Strafrahmen von bis zu Euro 726,00 keinesfalls als überhöht angesehen werden. Diese Strafe ist schuld und tatangemessen und lässt sich auch mit der vorgebrachten ungünstigen Einkommens und Vermögenssituation vereinbaren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.