TE UVS Wien 2005/04/12 03/P/46/3808/2004

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2005
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Schmied über die Berufung des Herrn Alexander K, vertreten durch Rechtsanwalts-KEG, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat I, vom 22.3.2004, Zl. S 195.482/S/03, betreffend zwei Übertretungen der StVO, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 6.11.2003 um 08.30 Uhr in Wien, P-straße, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-18 es nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen,

1.) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da er dem Zweitbeteiligten seine Identität nicht nachgewiesen habe und auch gegenüber dem eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten weder seine Identität bekannt gegeben habe noch den Sachverhalt mit diesem abgeklärt und festgestellt habe, weil er vorher den Unfallort eigenmächtig verlassen habe, und

2.) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu benachrichtigen, obwohl die beiden Beteiligten einander Namen und Anschrift nicht nachgewiesen haben.

Wegen dieser Übertretungen des § 4 Abs 1 lit c StVO und des § 4 Abs 5 StVO wurden über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO zwei Geldstrafen von jeweils 150,-- Euro verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 30 Euro vorgeschrieben.

Aufgrund der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde am 12.4.2005 eine öffentliche, mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführt, zu der neben dem anwaltlich vertretenen Beschuldigten auch sein Unfallgegner, Herr Michael H, der eingeschrittene Sicherheitswachebeamte, RvI T, sowie der vom Beschuldigten kontaktierte Polizeibeamte, Herr Major Alfred M, geladen wurden. Der Beschuldigte ließ sich in der Verhandlung durch seine Anwältin vertreten und ist persönlich nicht erschienen.

Vom Zeugen H wurde die gegenständliche Situation wie folgt geschildert:

?Ich kann mich an den gegenständlichen Verkehrsunfall noch ganz gut erinnern. Das ganze hat sich im Bereich vor dem Hotel S abgespielt. Die Fahrbahn war verengt und ich hatte, nachdem ich nach links auf die zweite Spur gefahren bin, eine leichte Kollision mit einem Pkw, bei der der Außenspiegel des Pkw abgerissen wurde. Ich bin dann stehen geblieben und der Lenker des Pkw hat sich bei mir furchtbar aufgeregt und wollte meine Papiere sehen. Ich hatte zwar den Zulassungsschein dabei, den Führerschein aber vergessen. Er hat sich weiterhin sehr aufgeregt und die Polizei angerufen. Damit war ich einverstanden. Dann ist ohnedies ein Polizist vorbeigekommen und wollte den Unfall aufnehmen. Der Pkw-Lenker hat sich noch immer aufgeregt und auch den Zustand meines Lieferwagens beanstandet. Er hat zum Polizisten gesagt, mein Fahrzeug sei ja nicht mehr verkehrstauglich. Als der Polizist gesagt hat, er könne diesbezüglich keine Mängel feststellen, hat er sich auch über den Polizisten aufgeregt und ist dann weggefahren, ohne dass ich irgendwelche Daten von ihm gehabt hätte. Soweit ich noch weiß, hat er auch dem Polizisten seine Daten nicht bekannt gegeben. Den Pkw-Lenker habe ich danach nicht mehr gesehen. An dem von mir gelenkten Fahrzeug ist kein Schaden entstanden. Ich habe dem Firmenchef von dem Unfall erzählt und am nächsten Tag hat der Pkw-Lenker ohnedies in der Firma angerufen. Was weiter geschehen ist, weiß ich nicht. Ob ich dem Pkw-Lenker meinen Namen gesagt habe, weiß ich nicht mehr genau, ich glaube aber schon. Die Fahrzeugdaten hat er sich aus dem Zulassungsschein abgeschrieben."

RvI T gab ? zeugenschaftlich einvernommen ? folgende Aussage zu Protokoll:

?Ich kann mich nur noch sehr grob an den gegenständlichen Vorfall erinnern. Ob ich damals zufällig zu dem Unfall gekommen bin, oder auf Grund einer Anforderung gezielt dort hin gegangen bin, weiß ich nicht mehr. Dies müsste aus der Anzeige ersichtlich sein. Nach Vorhalt der Anzeige kann ich sagen, dass ich von der Leitzentrale zum Unfallort beordert wurde. Dort angekommen habe ich beide unfallbeteiligten Fahrzeuge und deren Lenker angetroffen. Einer der Unfallbeteiligten war jedoch von Anfang an äußerst unhöflich und präpotent. Er hat nur geschimpft und ist dann weggefahren. Ich habe ihn zuvor nach den Fahrzeugpapieren gefragt, um die Identität klären zu können. Er hat sie mir jedoch nicht ausgehändigt. Soviel ich noch weiß, hat sich der Bw gegenüber den beiden Insassen des Lieferwagens ähnlich verhalten wie mir gegenüber. Ich glaube, der Lenker des Lieferwagens hatte keinen Führerschein. Das jemand für nichts und wieder nichts so ausrastet, wie der Lenker des Pkw im gegenständlichen Fall, ist mir in 20 Dienstjahren noch nicht untergekommen."

Major M erstattete folgende Zeugenaussage:

?Ich kann mich noch erinnern, dass ich vom Bw telefonisch kontaktiert wurde und er sich über einen Unfall, bei dem ohnedies bereits durch einen Beamten eine Aufnahme erfolgen hätte sollen, beschwert hat. Eine formelle Beschwerde in Form einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder dergleichen, wurde nicht eingebracht. Der Bw hat mir telefonisch kurz geschildert, was geschehen ist, insbesondere dass er, nachdem er mit dem Verhalten des einschreitenden Beamten und den anderen Unfallbeteiligten nicht einverstanden war, weggefahren ist. Ich habe ihm gesagt, dass das keine gute Idee war und er, um ein Verfahren wegen Fahrerflucht (§ 4 Abs 1 lit c StVO) zu vermeiden, entweder auf das WZ G-gasse, dem auch der einschreitende SWB zugeteilt war, oder auf das nächstgelegene WZ gehen soll und dort seine Personalien sowie die Unfalldaten bekannt geben soll. Ich glaube schon, dass er meinen Rat befolgt hat und sich auf das WZ S-platz begeben hat. Ich glaube, dass ich das sogar persönlich nachgeprüft habe. Ich bin mir darüber ziemlich sicher. Es gab dort eine Eintragung."

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs 1 lit c StVO haben Lenker von Kraftfahrzeugen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.

Gemäß § 4 Abs 5 StVO haben diese Personen, sofern bei dem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- und Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub von dem Unfall zu verständigen, sofern sie nicht einander ihre Identität nachgewiesen haben.

Nach der höchstgerichtlichen Judikatur besteht die Mitwirkungspflicht auch bei bloßen Sachschäden, wenn von einem der Beteiligten ein Straßenaufsichtsorgan zur Unfallaufnahme angefordert wird. § 4 Abs 1 lit c und § 4 Abs 5 enthalten verschiedene und voneinander unabhängige Verpflichtungen, weshalb die Tatbestände einander nicht ausschließen (siehe VwGH vom 15.6.1972, Zl. 2351/71). Entfernt sich ein Unfallbeteiligter während oder schon vor der Unfallsaufnahme vom Unfallsort, ohne einen Namen mitzuteilen, so hat er unbeschadet der Übertretung anderer Vorschriften gegen die Mitwirkungspflicht (§ 4 Abs 1 lit c StVO) verstoßen (siehe VwGH vom 28.6.1976, 307/76). Von einem Verkehrsunfall, bei dem niemand verletzt worden und Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug entstanden ist, muss jedoch die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle überhaupt nicht verständigt werden. In einem solchen Fall besteht auch keine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung und daher etwa auch kein Verbot von Alkoholkonsum nach dem Unfall (VwGH vom 13.11.1967, Zl. 775/66).

Vor dem Hintergrund des als erwiesen festgestellten Sachverhalts und der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur hätte sich der Berufungswerber jedenfalls einer Übertretung sowohl des § 4 Abs 5 als auch des § 4 Abs 1 lit c StVO schuldig gemacht, wäre nicht nur sein eigenes, sondern auch das Fahrzeug des Unfallgegners beschädigt worden.

Da gegenständlich jedoch festgestellt werden konnte, dass ein Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug des Berufungswerbers entstanden ist und nur von ihm selbst, nicht jedoch vom Unfallgegner das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt worden war, wurde weder das Tatbild des § 4 Abs 5 StVO noch jenes des § 4 Abs 1 lit c StVO verwirklicht. Hinsichtlich der letztgenannten Rechtsvorschrift ist noch darauf hinzuweisen, dass der Berufungswerber durch Bekanntgabe seiner Identität am Wachzimmer S-platz unmittelbar nach Verlassen des Unfallortes dafür Sorge getragen hat, dass ihm allfällige Kosten für das von ihm ursprünglich verlangte, letztendlich

jedoch von ihm vereitelte Einschreiten eines Polizeibeamten hätten vorgeschrieben werden können. In Anbetracht des Umstandes, dass an der Aufklärung des gegenständlichen Verkehrsunfalls nur der Berufungswerber selbst als einziger Geschädigter ein rechtlich geschütztes Interesse haben konnte, wurde durch das ihm zur Last gelegte Verhalten keines der mit den §§ 4 Abs 5 und 4 Abs 1 lit c StVO geschützten rechtlichen Interessen beeinträchtigt. Daher hätte der Berufungswerber wegen Verletzung der zitierten Vorschriften des § 4 StVO verwaltungsstrafrechtlich nicht belangt werden dürfen.

Es war somit das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.

Unbeschadet dieses Verfahrensergebnisses sei der Berufungswerber darauf hingewiesen, dass sein als erwiesen festgestelltes Verhalten am Unfallort zwar nicht tatbildlich im Sinne

der ihm konkret angelasteten Übertretungen des § 4 StVO war, dagegen aber ? ganz abgesehen von der sozialen Inadäquanz seines Verhaltens ? andere strafrechtliche Folgen hätte nach sich ziehen können. So hätte der Berufungswerber wegen der Nichtbefolgung der an ihn von einem Organ der Straßenaufsicht gerichteten Aufforderung, den Führerschein und die Fahrzeugpapiere vorzuweisen, sowie allenfalls auch wegen seines aggressiven Verhalten, durch das die Amtshandlung eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes nachhaltig behindert wurde, verwaltungsstrafrechtlich belangt werden können. Da dies jedoch nicht binnen der gegenständlich mit sechs Monaten bemessenen Verfolgungsverjährungsfrist geschehen ist, kommt eine nachträgliche Verfolgung wegen derartiger Deliktsvorwürfe nicht mehr in Betracht und kann daher seitens der Berufungsbehörde lediglich an die Vernunft des Berufungswerbers appelliert werden, sich in Zukunft nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden beherrschter und sozial adäquater zu verhalten.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten