TE UVS Tirol 2005/04/14 2005/K6/0212-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2005
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch die Kammer 6, bestehend aus dem Kammervorsitzenden Dr. Alfred Stöbich sowie der Berichterstatterin Dr. Martina Strele und das weitere Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner, über die Berufung des Herrn A. K., O. b. S., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. E. G., Dr. S. H. und Dr. G. A., O. b. S., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 29.12.2004, Zahl VA-204-2004, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber Folgendes vorgeworfen:

 

?Sie haben den PKW mit dem Kennzeichen XY am 23.09.2004 um ca 06.00 Uhr in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organs der Straßenaufsicht geweigert, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie sich beim Lenken in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand befunden haben. Die Verweigerung erfolgte am 23.09.2004 um 11.13 Uhr fernmündlich gegenüber einem anrufenden Gendarmeriebeamten, der sich in Tristach, Lavanter Straße 87 befand.?

 

Dadurch habe der Berufungswerber gegen § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO verstoßen und wurde über ihn gemäß § 99 Abs 1 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 3.500,00 unter gleichzeitiger Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 42 Tagen verhängt. Weiters wurde ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. In dieser wird zunächst geltend gemacht, dass das Beweisverfahren keinerlei Hinweise darauf ergeben hätte, dass der Berufungswerber einen Verkehrsunfall verschuldet hätte. Es habe sich vielmehr um einen Verkehrsunfall aufgrund der gewöhnlichen Betriebgefahr beim Betrieb von Kraftfahrzeugen gehandelt. Es hätte auch keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass der Berufungswerber in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand sein Fahrzeug gelenkt hätte. Die Ausführungen der Erstbehörde, wonach bei einem Vorgehen nach einem Verkehrsunfall im Sinne des § 4 Abs 5 StVO per se der Verdacht einer Alkoholisierung bestünde, sei absurd. Die Erstbehörde verkenne insbesondere, dass auch bei einer Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle bei Verkehrsunfällen mit Sachschaden der entsprechende Wachkörper nicht einschreite, sofern nicht Bereitschaft zur Leistung der Gebühr im Sinne des § 4 Abs 5b StVO bestehe.

 

Welche Unfallspuren die Rückschlüsse auf einen alkoholtypischen Verkehrsunfall zulassen würden, habe die Behörde keineswegs ausgeführt und handle es sich hierbei um eine Scheinbegründung. Es fehle an Erhebungen dazu, welche Unfallhergänge alkoholtypisch seien bzw wie überhaupt der Unfall zu Stande gekommen sei. Wenn die Behörde ausführe, dass der Berufungswerber sich nicht dahingehend gerechtfertigt hätte, dass er nicht alkoholisiert gewesen wäre, so verkenne sie den verfahrensgegenständlichen Vorwurf, wonach eine Verweigerung im Sinn des § 5 Abs 2 StVO vorliege.

 

Ein Hinderungsgrund für die Aufforderung zum Alkotest stelle auch die lange Zeitspanne zwischen dem Lenken eines Kraftfahrzeuges und der fernmündlichen Aufforderung dar. Im gegenständlichen Fall sei zwischen dem vorgeworfenen Verkehrsunfall und dem angeblichen Telefonat eine Frist von mehr als 5 Stunden vergangen und sei mit keinem verwertbaren Ergebnis mehr zu rechnen gewesen. Durch die behauptete telefonische Anfrage sei eine Verpflichtung zur Abgabe des Alkotest im Sinne des § 5 Abs 2 StVO nicht ausgelöst worden. Die Aufforderung sei nämlich darauf ausgerichtet gewesen, dass der Berufungswerber seinen Aufenthaltsort bekannt gebe. Dazu treffe ihn allerdings keinerlei Verpflichtung.

 

Die Erstbehörde habe auch das Analogieverbot im Strafverfahren nicht beachtet. Die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe im Sinne des § 103 Abs 2 KFG sei verfassungsrechtlich geregelt. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe des Aufenthaltsortes sei aber bereits den einfachen Gesetzen fremd. Die Voraussetzungen zur Abgabe einer Atemluftprobe einerseits und die Verpflichtung zur Mitwirkung andererseits seien sehr exakt geregelt. Diesbezügliche Analogien seien nicht zulässig. Dem Berufungswerber sei zum Zeitpunkt des Anrufes auch nicht erkennbar gewesen, wer der Anrufer tatsächlich sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt ein von der Behörde ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht anwesend gewesen, welches den Berufungswerber hätte auffordern können, eine Atemluftprobe abzugeben. Bei Anwesenheit eines ermächtigten Organs hätte der Berufungswerber selbstverständlich eine Atemluftprobe abgegeben. Die Abgabe einer Atemluftprobe hätte selbst bei einer starken Alkoholisierung keinerlei Nachteile im Vergleich zu den Verweigerungsdelikten gehabt. Tatsächlich sei der Berufungswerber auch nicht alkoholisiert gewesen. Es werde auch bis zur Vorlage eines allfälligen Nachweises die Ermächtigung des einschreitenden Beamten im Sinn des § 5 Abs 2 StVO bestritten, zumal er ja offenkundig nicht ausreichend geschult sei. Der Berufungswerber habe daher keine Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs 2 StVO begangen.

Weitere Ausführungen betreffen die Strafhöhe.

 

Aufgrund dieser Berufung wurde am 7.4.2005 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Zu dieser ist der Berufungswerber nicht erschienen. Er ließ sich jedoch durch seinen Rechtsfreund vertreten. Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des Zeugen BI R. G., weiters durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt des Verwaltungsstrafverfahrens sowie des in den Akt betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung.

 

Das Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung (Aktenzahl uvs-2005/17/0213) wurde im Zuge der Berufungsverhandlung zu einer gemeinsamen Verhandlung verbunden.

 

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachfolgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 23.9.2004 um ca 06.00 Uhr lenkte der Berufungswerber einen PKW im Stadtgebiet von Lienz auf der Tristacher Straße Richtung Tristach. Kurz vor der Einmündung in die Lavanter Straße, L 318, kam der Berufungswerber nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte mit dem rechten Rad gegen die Bordsteinkante. Durch den Anprall auf der Bordsteinkante wurde die Vorderradaufhängung und ?bereifung der rechten Seite so stark beschädigt, dass der PKW nicht mehr lenkbar war. Der PKW schlitterte nach links über die Fahrbahn, durchstieß einen Holzzaun und kam schwer beschädigt im Feld des Landwirt H. H. zum Stillstand. Um ca 06.15 Uhr meldete der Berufungswerber den Sachschaden bei Frau A. H. In der Folge ließ er den PKW am Unfallsort zurück, wobei Führerschein, Zulassungsschein und Reisepass im Fahrzeug blieben. Den an einem Schlüsselbund befindlichen Fahrzeugschlüssel ließ der Berufungswerber im Zündschloss steckend zurück.

 

Um 10.50 Uhr, also ca 5 Stunden nach dem Unfall, passierte eine Patrouille des Gendarmeriepostens Lienz die Unfallstelle und nahm das verunfallte Fahrzeug wahr.

 

Die Gendarmeriebeamten G. und H. kontaktierten A. H. Diese erklärte, dass der Berufungswerber gegen 06.15 Uhr die Beschädigung gemeldet habe.

Zum Vorhandensein von Alkoholisierungsmerkmalen machte sie keine Angaben.

 

In weiterer Folge wurde der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des Unfallfahrzeuges ermittelt. Die Gendarmeriebeamten begaben sich zur Wohnanschrift des Berufungswerbers (XY-Straße in T.). Dort wurde der Vater des Berufungswerbers, nicht jedoch der Berufungswerber selbst, angetroffen. Der Vater des Berufungswerbers gab den Gendarmeriebeamten eine Handynummer als die Handynummer seines Sohnes bekannt. In der Folge wählte BI G. auf seinem Diensthandy die mitgeteilte Nummer. Nachdem der Berufungswerber das Gespräch entgegennahm, wurde er vom Gendarmeriebeamten G. auf den Unfall angesprochen und aufgefordert, seinen Standort zu nennen, damit ein Alkomattest durchgeführt werden könne. Der Berufungswerber erklärte in der Folge, dass er seinen Standort nicht bekannt geben würde und erklärte ausdrücklich, dass er keinen Alkotest machen würde. Der Berufungswerber wurde über die Folgen einer Verweigerung belehrt, wobei er erklärte, dass er diese Folgen in Kauf nehmen und seinen Aufenthaltsort nicht Preis geben würde.

 

Kurze Zeit später kam es in Anwesenheit der Gendarmeriebeamten zu einem Telefongespräch zwischen dem Vater des Berufungswerbers und dem Berufungswerber, wobei er auch dem Vater gegenüber nicht bereit war, seinen derzeitigen Aufenthaltsort bekannt zu geben. Wo sich der Berufungswerber zum Zeitpunkt des Telefonats tatsächlich aufgehalten hat, konnte auch im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht ermittelt werden.

 

Diese Feststellungen ergeben sich auf der Grundlage der glaubwürdigen Angaben des einvernommenen Zeugen BI G. in Verbindung mit der von ihm erstatteten Anzeige. Aufgrund des von diesem Zeugen glaubwürdig wiedergegebenen Gesprächsinhalts besteht für die Berufungsbehörde kein Zweifel, dass es sich bei jenem Gesprächsteilnehmer, mit dem BI G. das Telefonat führte, um den Berufungswerber gehandelt hat. Dafür spricht auch, dass BI G. angab, er habe den Berufungswerber, als dieser tags darauf auf den Gendarmerieposten gekommen sei, nochmals befragt. Der Berufungswerber habe daraufhin erklärt, dass er seinen Aufenthaltsort wegen eines Schocks nicht bekannt gegeben habe, ohne diesen Ort näher zu benennen.

 

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 5 Abs 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Nach § 5 Abs 4 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben.

 

Nach § 5 Abs 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt oder zum diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs 2

1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder

2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.

 

Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen.

 

Strittig ist im gegenständlichen Fall insbesondere die Frage, inwieweit die per Mobiltelefon vom Straßenaufsichtsorgan ausgesprochene Aufforderung, einen Alkotest durchzuführen, beim Berufungswerber die Verpflichtung nach sich zog, diesen Test tatsächlich durchzuführen. (Die zwischen dem Lenkzeitpunkt und der Aufforderung verstrichene Zeitdauer von ca 5 Stunden macht die Aufforderung per se nicht unzulässig.)

 

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Gesetz nicht vorschreibt, in welcher Form ein Begehren nach § 5 Abs 2 StVO zu ergehen hat, sofern nur die entsprechende Deutlichkeit des Begehrens gegeben ist. Der Umstand, dass das Begehren nicht unmittelbar (von Angesicht zu Angesicht mit ?Blickkontakt?) an die als Lenker verdächtigte Person gerichtet wird, vermag der Verbindlichkeit der Aufforderung keinen Abbruch zu tun (vgl VwGH vom 27.4.2000, Zahl 99/02/0292).

 

Im vorgenannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests über eine Haussprechanlage grundsätzlich zulässig ist. Ausgehend davon bestehen aus der Sicht der Berufungsbehörde keine Bedenken dahingehend, dass eine Aufforderung zum Alkomattest zulässigerweise auch per Handy ausgesprochen werden kann. Der dem zitierten VwGH-Erkenntnis zugrunde gelegene Fall unterscheidet sich jedoch vom gegenständlichen insofern wesentlich, als es vor der Aufforderung unter Verwendung der Haussprechanlage zu einer Anhaltung des Lenkers, einer anschließenden Kontrolle durch Polizeibeamte gekommen ist und sich dann der Kontrollierte unter Zurücklassung seines Führerscheines in seine Wohnung begeben hat.

 

Im gegenständlichen Fall kam es vor der Aufforderung zum Alkotest zu keiner persönlichen Kontaktaufnahme zwischen den Organen der Straßenaufsicht und dem Berufungswerber. Vielmehr lag zwischen dem Unfallszeitpunkt und der Aufforderung zum Alkotest ein Zeitraum von ca 5 Stunden und war der Aufenthaltsort des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der telefonischen Aufforderung, anders als im vorher erwähnten Fall, in welchem die Aufforderung unter Verwendung der Haussprechanlage ausgesprochen wurde, nicht bekannt. Eine derartige Konstellation wirft jedoch in mehrfacher Hinsicht Probleme auf.

 

Eine Aufforderung zum Alkotest setzt nach Maßgabe des § 5 Abs 2 StVO voraus, dass ? sofern nicht ein Alkotest im unmittelbaren Anschluss an das Lenken an Ort und Stelle erfolgt ? die aufgeforderte Person verdächtig ist, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben. Eine Aufforderung mittels Mobiltelefon ohne vorhergehende persönliche Kontaktnahme erweist sich schon im Hinblick auf die Feststellung der Identität der Verdachtsperson als problematisch. Dazu kommt, dass diesfalls auch das Feststellen von Umständen, wonach sich die Verdachtsperson zum Zeitpunkt des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, erheblich erschwert ist. Personenbezogene Alkoholisierungssymptome, die lediglich visuell oder mit Hilfe des Geruchsinnes wahrgenommen werden können (wie zB gerötete Bindehäute, schwankender Gang, Alkoholgeruch), scheiden als Kriterien aus. Die Heranziehung der Sprache als Verdachtsmoment für eine Alkoholisierung erscheint vor dem Hintergrund unterschiedlicher Übertragungsqualitäten bei Telefonaten im Mobiltelefonnetz nur eingeschränkt möglich. Im gegenständlichen Fall wurde die Sprache des Berufungswerbers vom Gendarmeriebeamten als ?verändert? bezeichnet (er habe ?langsam gesprochen? und die Antworten seien ?mehr oder weniger verzögert? gewesen), wobei der Gendarmeriebeamte auch einräumte, mit dem Berufungswerber vorher noch nie einen Kontakt gehabt zu haben.

 

Das Bekanntsein des Standortes des Aufgeforderten erweist sich auch zur Beurteilung der Berechtigung des Straßenaufsichtsorganes zur Aufforderung und Durchführung des Alkotestes, aber auch zur Beurteilung der Verpflichtung des Aufgeforderten zur Durchführung desselben als erforderlich. Gemäß § 27 Abs 3 VStG sind nämlich Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bezüglich der Durchführung von Amtshandlungen grundsätzlich auf die Grenzen ihres Sprengels beschränkt und dürfen diese nur unter den in der genannten Bestimmung eng umschriebenen Voraussetzungen überschreiten. Darüber hinaus sind gemäß § 2 Abs 1 VStG, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine im Ausland begangene Verweigerung einer Aufforderung zum Alkotest bleibt daher nach inländischen Vorschriften straflos.

 

Eine Tat wird dort begangen, wo der Täter gehandelt hat oder handeln hätte sollen. Dies ist bezogen auf den gegenständlichen Fall jedoch ? anders als die Erstbehörde vermeint ? nicht jener Ort, wo sich der zum Alkotest auffordernde Gendarmeriebeamte zum Zeitpunkt der Durchführung des Telefonats mit dem Berufungswerber befand, sondern jener, wo sich der Berufungswerber während dieses Gesprächs aufhielt (vgl idZ VwGH vom 4.6.2004, Zahl 2004/02/0073, aber auch vom 25.2.2004, Zahl 2003/03/0284, wonach bei Übermittlung unerlaubter E-Mails nicht der Empfangsort als Tatort angesehen werden kann).

 

Aus der zu § 103 Abs 2 KFG ergangenen Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen, zumal es bei der Erfüllung der Lenkerauskunft nach der genannten Bestimmung auf eine bloße Mitteilung ankommt, während es bei der hier in Rede stehenden Verpflichtung um eine umfassende Mitwirkung zur Feststellung einer Alkoholbeeinträchtigung geht. Diese Mitwirkungsverpflichtung kann sich jedoch nur auf den Ort beziehen, wo sich der zum Alkotest Aufgeforderte befindet.

 

Dem Aufenthaltsort des zu einem Alkotest Aufgeforderten kommt auch im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit der Erfüllung dieser Verpflichtung entscheidende Bedeutung zu. Gemäß § 5 Abs 4 StVO dürfen Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs 2), zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes nur zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, gebracht werden. Damit kommt zum Ausdruck, dass eine Person, die im Verdacht steht, ein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, zur Feststellung des Alkoholisierungsgrades nicht jede Rechtseinschränkung dulden muss. Die sich aus § 5 Abs 2 StVO ergebende Mitwirkungsverpflichtung der verdächtigen Person geht zwar grundsätzlich sehr weit, sie ist jedoch nicht schrankenlos. Ob im Einzelfall die Durchführung des Alkotestes auch zumutbar ist, hängt auch von den örtlichen Verhältnissen ab. Ist jener Ort, an welchem die Verdachtsperson zum Handeln verpflichtet war, gänzlich unbekannt, so lässt sich auch die Frage der Zumutbarkeit nicht verlässlich beantworten.

 

Eine Aufforderung zur Durchführung eines Alkomattestes darf nur an jedem Ort erfolgen, an dem ein verdächtiger Fahrzeuglenker angetroffen wird (vgl idZ Dittrich-Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung I RZ 79 zu § 5). Von einem Antreffen kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn lediglich eine Kontaktnahme mittels Mobiltelefon erfolgt, wobei der Standort des Empfängers völlig unbekannt ist. Die Berufungsbehörde gelangt daher zur Rechtsansicht, dass sich eine Aufforderung zum Alkotest unter Verwendung eines Mobiltelefones jedenfalls dann als nicht zulässig erweist, wenn eine örtliche Nahebeziehung zwischen dem auffordernden Organ der Straßenaufsicht und dem aufgeforderten nicht feststellbar ist.

 

Unabhängig von der Frage, inwieweit eine Aufforderung zum Alkotest per Mobiltelefon bei Fehlen des Standortes des Aufgeforderten zulässig ist (und somit das angefochtene Straferkenntnis an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet), bestehen seitens der Berufungsbehörde auch Bedenken wegen eines Verstoßes gegen verfahrensrechtliche Vorschriften. Im Falle von Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs 1 lit b iVm § 5 Abs 2 StVO verlangt das Konkretisierungsgebot des § 44a Ziff 1 VStG, dass Zeit und Ort der Tathandlung der Verweigerung des Alkotests in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen werden (vgl VwGH vom 29.1.1992, Zahl 91/03/0254).

 

Selbst wenn man daher unter Heranziehung mehrerer im gegenständlichen Fall vorliegender Aspekte (von den Gendarmeriebeamten festgestellter möglicher Unfallablauf, Zurücklassen von Zündschlüssel und Dokumenten im Unfallfahrzeug, Nichtbekanntgabe des Aufenthaltsortes im Zuge des Telefonats und einer ?veränderten? Sprache) vom Vorliegen des Verdachtes, dass der Berufungswerber zum Unfallszeitpunkt in einem alkoholbeeinträchtigen Zustand gewesen sein könnte, ausgehen würde, mangelt es bezüglich der angelasteten Übertretung an einem zur Tatumschreibung erforderlichen Tatbestandselement, zumal der Aufenthaltsort des Berufungswerbers (bis zuletzt) nicht bekannt war. Dieser Spruchmangel ist für die Berufungsbehörde nicht mehr sanierbar, da einerseits der Aufenthalts mangels entsprechender Anhaltspunkte im Beweisverfahren nicht ermittelbar ist und andererseits bereits die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist abgelaufen ist.

 

Zusammengefasst kann daher die Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests per Telefon nicht grundsätzlich als unzulässig angesehen werden. Da jedoch im gegenständlichen Fall der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Berufungswerber keine visuelle Kontaktaufnahme vorangegangen ist und der Standort des Berufungswerbers zum Zeitpunkt des Telefonats (mehr als 5 Stunden nach dem Lenkzeitpunkt) auch nicht ansatzweise eingrenzbar war, ist die Erstbehörde zu Unrecht von einer Verweigerung der Überprüfung der Atemluft ausgegangen. Mangels Ermittelbarkeit des Standortes des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der telefonischen Aufforderung war auch eine Umschreibung der angelasteten Tat im Bezug auf den Tatort, wie sie in Entsprechung des Konkretisierungsgebotes des § 44a Ziff 1 VStG gefordert wird, nicht möglich, sodass der Berufung mangels Sanierbarkeit dieses Mangels auch aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg beschieden war.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Schlagworte
Aufforderung, zur, Durchführung, eines, Alkotestes, per, Telefon
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten