Index
L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. Elisabeth Simma und Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwälte in 8011 Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Mai 2001, Zlen. 9-19-59/95-112 und 9-19-95/95-107, betreffend Entziehung von Pflegeheimbewilligungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2000 wurden der Beschwerdeführerin die mit den Bescheiden vom 19. Februar 1997 für den Betrieb der Pflegeheime "Villa L." erteilte Pflegeheimbewilligungen gemäß § 12 Abs. 5 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes, LGBl. Nr. 108/1994, mit Wirkung vom 30. Juni 2000 entzogen. Als Frist für die Auflösung des Pflegeheimbetriebes wurde der 30. September 2000 festgelegt. Die Aufnahme weiterer Bewohner innerhalb dieser Frist wurde untersagt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zur hg. Zl. 2000/11/0219 Beschwerde verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Mit hg. Beschluss vom 23. August 2000, Zl. AW 2000/11/0053, wurde der Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Mai 2001 wurden die oben genannten Pflegeheimbewilligungen gemäß § 12 Abs. 5 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes (neuerlich) mit sofortiger Wirkung entzogen. Als Frist für die Auflösung des Pflegeheimbetriebes wurde der 30. Juni 2001 festgelegt. Die Aufnahme weiterer Bewohner innerhalb dieser Frist wurde untersagt. In der Begründung stützt sich die belangte Behörde auf einen von einer Bewohnerin des Pflegeheimes berichteten Vorfall vom 22. April 2001.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
In der Berichterverfügung vom 22. Juni 2001, mit der das Vorverfahren eingeleitet wurde, wurde die belangte Behörde ersucht, auch zu der Frage Stellung zu nehmen, ob nicht der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig ist, weil er über eine Sache entscheidet, über die bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2000 rechtskräftig abgesprochen worden ist. Der vorliegende Bescheid entziehe dieselben Pflegeheimbewilligungen, die bereits mit Bescheid vom 3. Juli 2000 entzogen worden seien.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Zu der in der Berichterverfügung vom 22. Juni 2001 aufgeworfenen Frage vertritt die belangte Behörde in der Gegenschrift die Auffassung, infolge der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. August 2000 erfolgten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gehörten die mit Bescheid vom 3. Juli 2000 entzogenen Pflegeheimbewilligungen weiterhin dem Rechtsbestand an. Ein Verfahren nach § 30 VwGG wäre nicht sinnvoll gewesen, weil sich in Bezug auf die öffentlichen Interessen keine Änderung ergeben habe. Ein Verfahren gemäß § 14 Abs. 4 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes wäre ebenso wirkungslos geblieben. Deshalb sei die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Maßnahme die einzige Möglichkeit, im Sinne des § 12 Abs. 5 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes einer weiteren Gefährdung vorzubeugen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes dürfen Heime nur mit Bewilligung der Landesregierung betrieben werden.
Gemäß § 12 Abs. 5 leg. cit. ist die Bewilligung zu entziehen, wenn die Wahrung der Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner, insbesondere deren Pflege nicht gesichert ist oder daraus Gefahr für Leben und Gesundheit entsteht.
Gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. obliegt die Überwachung der Einhaltung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen den Bezirksverwaltungsbehörden.
Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Pflege der Heimbewohner nicht hinreichend gewährleistet ist, so hat gemäß § 14 Abs. 4 leg. cit. die Aufsichtsbehörde dies der Landesregierung unverzüglich anzuzeigen. Bei Gefahr im Verzug sind die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Heimbewohner von der Bezirksverwaltungsbehörde zu treffen.
§ 30 VwGG lautet wie folgt:
"Aufschiebende Wirkung
§ 30. (1) Den Beschwerden kommt eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Dasselbe gilt für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist.
(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn die Interessen Dritter berührt werden.
(3) Beschlüsse gemäß Abs. 2 sind allen Parteien zuzustellen. Im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat die Behörde den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Verfügungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben."
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde hat zur Folge, dass die Behörden verpflichtet sind, an den angefochtenen Bescheid vorläufig keine Wirkungen zu knüpfen (siehe dazu Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, (1983) 124 ff). Dies bedeutet aber nicht, dass der angefochtene Bescheid selbst beseitigt würde. Der rechtskräftige Bescheid gehört daher trotz der einer dagegen erhobenen Beschwerde zuerkannten aufschiebenden Wirkung weiterhin dem Rechtsbestand an.
Die Entziehung der Pflegeheimbewilligungen wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2000 rechtskräftig ausgesprochen. Dies schließt es - bis zur allfälligen Aufhebung dieses Bescheides - rechtens aus, neuerlich mit Bescheid die Entziehung der Pflegeheimbewilligungen zu verfügen. Der angefochtene Bescheid verstößt demnach gegen die Rechtskraft des Bescheides vom 3. Juli 2000 und ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet.
Wenn sich nach der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 23. August 2000) Vorfälle ereignet haben, die eine wesentliche Änderung der Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, in dem Sinn bewirkt haben, dass nunmehr zwingende öffentliche Interessen (im Hinblick auf die Notwendigkeit des Schutzes der Interessen der Heimbewohner, insbesondere ihrer Gesundheit) anzunehmen sind, steht für Fälle wie den vorliegenden - abgesehen von den von der Bezirksverwaltungsbehörde zu treffenden Maßnahmen gemäß § 14 Abs. 4 des Steiermärkischen Pflegeheimgesetzes - die Antragstellung gemäß § 30 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zur Verfügung.
Aus dem oben dargelegten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Ausführungen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingegangen zu werden brauchte.
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde, der mit hg. Beschluss vom 22. Juni 2001, Zl. AW 2001/11/0055, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, erübrigt sich ein Abspruch über den als Antrag gemäß § 30 Abs. 2 zweiter Satz VwGG anzusehenden Antrag der belangten Behörde vom 18. Juli 2001, die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.
Wien, am 23. Oktober 2001
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001110188.X00Im RIS seit
19.02.2002