Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Christoph Purtscher über die Berufung der A. S. KG, XY-Straße, R., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 14.4.2005, GZ 2.1 A-268/10, wie folgt:
Gemäß §§ 66 Abs 4, 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Die A. S. KG hat mit Eingabe vom 10.11.2004 bei der Bezirkshauptmannschaft Reutte um die Bewilligung zur Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch die Errichtung eines Lagerraumes für Pyrotechnikartikel der Klasse I und II im Kellergeschoß mit einer Gesamtbruttomasse von 100 kg, sowie durch die Lagerung von Pyrotechnikartikel im Verkaufsraum (40 kg) und in einem Vorratsraum (40 kg), angesucht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 14.04.2005, Zahl 2.1 A-268/10, wurde gemäß §§ 74 Abs 2 Z 1 und 81 Abs 1 GewO 1994 die gewerbebehördliche Genehmigung für die beantragte Änderung versagt. Begründend wurde ausgeführt, dass im Hinblick auf die Vorschrift des § 3 Abs 1 Z 9 Pyrotechnik-Lagerverordnung 2004 eine Bewilligung nicht erteilt werden habe können.
Gegen diesen Bescheid hat die Konsenswerberin fristgerecht Berufung erhoben und Folgendes ausgeführt:
?Im Bescheid 2.1 A-268/10 vom 14.4.2005 steht in der Begründung, dass bei einem Ortsaugenschein von den Sachverständigen festgestellt wurde, dass die beantragte Bewilligung zur Lagerung von 100 kg Gesamtbruttomasse pyrotechnischer Gegenstände im Untergeschoss (Lagerraum) sowie der Verkauf von 40 kg pyrotechnischer Gegenstände im Verkaufsmarkt auf Grund des Lagerverbotes von pyrotechnischen Gegenständen in Verkaufszentren mit einer Verkaufsfläche von über 2000 m2 nicht bewilligt werden kann (§ 3 Abs 1 lit 9 Pyrotechniklagerverordnung 2004).
§ 3 Abs 1 lit 9 der Pyrotechniklagerverordnung 2004 beschreibt jedoch ein Lagerverbot in Betriebsanlagen, bei denen mit großen Menschenansammlungen zu rechnen ist und die mehr als 2000 m2 Verkaufsfläche aufweisen.
Alleine das Vorhandensein einer Verkaufsfläche von über 2000 m2 ist daher noch kein Grund für das Versagen der Betriebsanlagengenehmigung.
Bei besagtem Ortsaugenschein wurde von den Sachverständigen nicht darauf eingegangen, ob in unserem Abholgrossmarkt ?mit grossen Menschenansammlungen zu rechnen ist? oder nicht. Die tatsächlichen Gegebenheiten wurden weder hinterfragt noch berücksichtigt. Die Entscheidung bezog sich lediglich auf die vorhandene Verkaufsfläche von 3000 m2.
Wir haben unter Zuhilfenahme unserer Warenwirtschaft die durchschnittliche Kundenfrequenz während der Öffnungszeiten ermittelt:
Datum, Anzahl der Belege, Stunden Öffnungszeit, Durchschnittliche Belege pro Stunde
20.12.2004, 562, 9,5, 59
21.12.2004, 652, 9,5, 69
22.12.2004, 709, 9,5, 75
23.12.2004, 789, 9,5, 83
24.12.2004, 356, 4, 89
27.12.2004, 397, 9,5, 42
28.12.2004, 381, 9,5, 40
29.12.2004, 437, 9,5, 46
30.12.2004, 608, 9,5, 64
31.12.2004, 387, 4, 97
Während der letzten zehn Verkaufstage im Jahr 2004 betrug die durchschnittliche Anzahl der Belege maximal 97, die minimale 40 Belege pro Stunde Öffnungszeit. Bei unserer Klientel handelt es sich fast ausschliesslich um Gewerbekunden (Hotellerie, Gastronomie, Pensionen und gewerbliche Großverbraucher). Da die Kunden ihre Besorgungen im Rahmen ihrer Arbeitszeit erledigen, sind sie selten in Begleitung bei ihrer Einkaufstätigkeit. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Belege sich kaum von der Anzahl der Personen, die unseren Abholmarkt besuchen, abweicht. Ein entscheidender Unterschied zu Endverbrauchermärkten. Um eine rasche Abwicklung an der Kassa zu ermöglichen, sind in dieser Zeit alle drei Warenerfassungsplätze, sowie zwei Kassierstellen in Betrieb und werden je nach Bedarf besetzt. Bei einer Verkaufsfläche von 3000 m2 kann es daher aus unserer Sicht nicht zu großen Menschenansammlungen kommen.
Wir bitten um eine neue Beurteilung der Situation unter Berücksichtigung der dargestellten Gegebenheiten.?
Die Berufungsbehörde hat wie folgt erwogen:
Gemäß § 67h Abs 1 AVG gilt in den Angelegenheiten des § 67a Abs 1 Z 1 AVG der § 66 AVG mit der Maßgabe, dass der Unabhängige Verwaltungssenat dann gemäß § 66 Abs 4 AVG in der Sache zu entscheiden hat, wenn die belangte Behörde dem nicht bei der Vorlage der Berufung unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.
Ein Ausschluss der Befugnis zur Sachentscheidung durch die Erstinstanz ist nicht erfolgt.
Nach § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194 idF BGBl I Nr 151/2004, als maßgebend anzusehen:
?§ 74
(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl Nr 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.
?
§ 81
(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.?
??
Weiters zu beachten sind nachstehende Vorschriften der Pyrotechnik-Lagerverordnung 2004 (Pyr-LV 2004), BGBl II Nr 2052/2004:
?§ 1
(1) Diese Verordnung gilt für genehmigungspflichtige und nach Maßgabe des § 20 für bereits genehmigte gewerbliche Betriebsanlagen, in denen pyrotechnische Gegenstände im Sinne des Pyrotechnikgesetzes 1974, BGBl Nr 282/1974, idgF, gelagert werden, mit Ausnahme von gewerblichen Betriebsanlagen, die der Erzeugung pyrotechnischer Gegenstände dienen, sowie nach Maßgabe des § 4 auch für nicht genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlagen, in denen pyrotechnische Gegenstände im Sinne des Pyrotechnikgesetzes 1974 gelagert werden.
(2) Eine Lagerung im Sinne dieser Verordnung liegt auch vor, wenn pyrotechnische Gegenstände kurzzeitig vorrätig gehalten, zur Schau gestellt oder zum Verkauf bereitgehalten werden.
?
§ 3
(1) Die Lagerung von pyrotechnischen Gegenständen ist verboten
1.
in Stiegenhäusern,
2.
in Stiegenhausvorräumen,
3.
in der Nähe von Ausgängen aus Stiegenhäusern,
4.
unterhalb von Stiegen,
5.
in der Nähe des einzigen Ausganges eines Aufenthaltsraumes, von Notausgängen und auf Fluchtwegen,
6. in Lagerräumen für brennbare Flüssigkeiten iSd Verordnung über brennbare Flüssigkeiten - VbF, BGBl Nr 240/1991, idgF, für brennbare oder ätzende Gase, für ätzende Flüssigkeiten, für sonstige ätzende Stoffe, für Druckgaspackungen iSd Druckgaspackungslagerungsverordnung 2002 - DGPLV 2002, BGBl II Nr 489/2002, oder für sonstige explosionsgefährliche, brandfördernde, hochentzündliche, leicht entzündliche, entzündliche oder ätzende Stoffe oder Zubereitungen iSd §§ 2 und 3 des Chemikaliengesetzes 1996 - ChemG 1996, BGBl I Nr 53/1997, idgF,
7. in Heizräumen und Brennstofflagerräumen, Triebwerksräumen, Technikräumen, Pufferräumen und Schleusen, Garagen, Lüftungs- und Klimazentralen,
8.
in Tankstellen einschließlich Servicebereiche und Shop und
9.
in Betriebsanlagen, bei denen mit großen Menschenansammlungen zu rechnen ist und die mehr als 2000 m2 Verkaufsfläche aufweisen; davon ausgenommen sind Betriebsanlagen, bei denen der Verkauf und die Lagerung von pyrotechnischen Gegenständen ausschließlich in Verkaufscontainern, Verkaufsständen oder Lagercontainern im Freien erfolgt.
??
Die gegenständliche Betriebsanlage ist entsprechend den Vorschriften des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 (TROG 2001) als ?Sonderfläche Einkaufszentrum des Betriebstyps IV mit einer höchstzulässigen Kundenfläche von 3.000 m2 und einer höchstzulässigen Gesamtnutzfläche von 8.500 m2? gewidmet. In Einkaufszentren des Betriebstyps IV werden Waren eines artverwandten Fachsortiments angeboten, die in einem mehr als geringfügigen Ausmaß nach ihrer Beschaffenheit bzw nach den Packungs- oder Gebindegrößen von Kunden nur unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges abtransportiert werden können (vgl die Anlage zu den §§ 8 und 49 TROG 2001). Beim gegenständlichen C und C Lebensmittelmarkt handelt es sich um ein geradezu typisches Einkaufszentrum des Betriebstyps IV. Dass ? im Sinne der Vorschrift des § 3 Abs 1 Z 9 Pyr-LV 2004 ? vorliegend eine Verkaufsfläche von mehr als 2.000 m2 gegeben ist, steht außer Streit. Die Berufungswerberin vermeint allerdings, dass in der gegenständlichen Betriebsanlage nicht mit ?großen Menschenansammlungen? zu rechnen ist. Zur Untermauerung dieses Vorbringens wurde die durchschnittliche stündliche Kundenfrequenz während der Öffnungszeiten ermittelt.
Die erkennende Behörde vertritt nun aber die Auffassung, dass in dieser Betriebsanlage sehr wohl mit ?großen Menschenansammlungen? gerechnet werden muss. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.10.1990, Zl 90/17/0317, die Auffassung vertreten, dass ein Verkaufsmarkt mit 600 m2 Verkaufsfläche auf jeden Fall unter den Begriff ?Bauten für größere Menschenansammlungen? fällt. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang, dass die gegenständliche Betriebsanlage das Fünffache dieser Verkaufsfläche aufweist und dass es sich dabei auch noch um ein Einkaufszentrum mit einem doch sehr umfassenden Warenangebot, inklusive Lebensmittel, handelt, so kann wohl kein ernsthafter Zweifel bestehen, dass unter diesen Voraussetzungen mit ?großen Menschenansammlungen? zu rechnen ist. Diese Ansicht wird weiters durch die ?Erläuternden Bemerkungen? zur Vorschrift des § 3 Abs 1 Z 9 Pyr-LV 2004 untermauert. Dort wird ausgeführt, ?dass es bei der Simulation eines Brandfalles in einem Lager für Pyrotechnikartikel der Klasse I und II zwar zu keiner heftigen Explosion der gesamten Lagermenge kam, allerdings zu einer raschen Brandausbreitung im Lagergut, gefolgt von starker Rauchentwicklung und verbunden mit Licht- und Knalleffekten. Dieser Umstand alleine würde jedoch genügen bei großen Menschenansammlungen in Brandnähe Panikreaktionen hervorzurufen, weshalb in § 4 des Entwurfes (nunmehr § 3) ein Lagerverbot für Betriebsanlagen mit großen Menschenansammlungen wie zB Einkaufszentren, Baumärkte, Warenhäuser, vorgesehen ist. Als Alternative dazu wird jedoch die Möglichkeit des Verkaufs dieser Pyrotechnikartikeln im Freien aus Verkaufscontainern oder Verkaufsständen eingeräumt.?
Der Gesetzgeber selbst ist also offenbar davon ausgegangen, dass bei Einkaufszentren (ab einer bestimmten Größe der Kundenfläche) auf jeden Fall mit ?großen Menschenansammlungen? zu rechnen ist. Damit ist aber den Ausführungen der Berufungswerberin zur durchschnittlichen Kundenfrequenz jegliche Grundlage entzogen.
Die Erstinstanz ist sohin beizupflichten, dass vorliegend das Lagerungsverbot des § 3 Abs 1 Z 9 Pyr-LV 2004 zum Tragen kommt. Damit erweist sich die Berufung im Ergebnis als nicht berechtigt, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.