Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Margit Pomaroli über die Berufung des Herrn S. K., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. A. H., 6020 Innsbruck, nach der am 9.6.2005 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 8.10.2004, Zl S-3104/03, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der gegenständlichen Berufung insoweit Folge gegeben, als hinsichtlich des Punktes 1) anstelle der Geldstrafe im Betrage von Euro 1.200,00, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen, eine Geldstrafe im Betrage von Euro 700,00, Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen, und hinsichtlich des Punktes 2) anstelle der Geldstrafe von Euro 1.200,00, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen, eine Geldstrafe im Betrage von Euro 700,00, Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen, verhängt wird.
Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG mit jeweils 10 Prozent, das sind je Euro 70,00, insgesamt somit Euro 140,00, neu festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber vorgeworfen wie folgt:
?Sie haben am 06.01.2003 gegen 18.15 Uhr in Völs auf der L 12 zwischen Km 2,052 und Km 1,109 den Pkw XY gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem mehrere Personen verletzt wurden, es als ursächlich Beteiligter an diesem Verkehrsunfall es unterlassen
1) sofort die nächste Gendarmeriedienststelle zu verständigen und
2) an der Sachverhaltsmitteilung mitzuwirken, da Sie sich zu Fuß von der Unfallsstelle entfernten und sich anschließend 20 Stunden lang verborgen hielten.?
Der Berufungswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1) § 4 Abs 2 StVO
zu 2) § 4 Abs 1 lit c StVO
Gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO wurde über den Berufungswerber zu Spruchpunkt 1) und 2) je eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.200,00 sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von je 12 Tagen verhängt.
Dagegen wurde rechtzeitig die Berufung eingebracht und in dieser ausgeführt, dass der Beschuldigte beim Anprall an die Windschutzscheibe des von ihm gelenkten BMWs gestoßen sei und dass der Sachverständige L. P., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, in seinem Gutachten vom 7.4.2003 zum Schluss gekommen war, dass zum Unfallszeitpunkt eine Zurechnungsfähigkeit des Berufungswerbers mit Sicherheit nicht gegeben war. Die Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie, Dr. H. R., sei zum Schluss gekommen, dass für die gutachterliche Beurteilung bei Zuständen nach dem Schädelhirntrauma der Versuch einer klinischen Schweregradeinschätzung unabdingbar sei. Es liegen widersprechende Gutachten vor und es werde daher die Einholung eines weiteren Gutachtens beantragt.
Aufgrund dieses Vorbringens wurde der Akt des Landesgerichtes Innsbruck 6 St 10/03a bzw. 33 Ur 5/03z eingeholt. In diesem befindet sich das Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. med. R. H.
In diesem Gutachten wird ausgeführt wie folgt:
?GUTACHTEN
Beim Beschuldigten, Herrn S. A. K., geb am XY, öst StAng, Bauunternehmer, wh XY, lassen sich zunächst mit Ausnahme eines anamnestisch anzunehmenden schädlichen Alkoholgebrauchs (F 10.1), welcher die Kriterien einer Abhängigkeitserkrankung nicht erfüllt, und einer aktuelle vorliegenden leichteren depressiven Reaktion (F. 43.21), keine maßgebenden psychischen Behinderungen, Geisteskrankheiten oder gleichwertigen Störungen von überdauerndem Charakter feststellen:
Die Intelligenz ist im Normbereich gelegen, sodass von keiner geistigen Behinderung bzw Schwachsinnigkeit im eigentlichen Sinne auszugehen ist. Symptome einer so genannten ?endogenen Geisteskrankheit", also einer Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenien oder der affektiven Psychosen, sind beim Beschuldigten nie in Erscheinung getreten. Auch hirnorganische Psychosen, dh psychische Störungen, die durch eine organische Erkrankung des Gehirns bzw eine körperliche Erkrankung, die das Gehirn sekundär in Mitleidenschaft ziehen würde, gekennzeichnet sind, lassen sich bei S. K. mit hinreichender Sicherheit exkludieren. Ein epileptisches Leiden oder eine sonstige Anfallserkrankung, die mit tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen einhergehen würde, liegt nicht vor. Ebenso wenig ist bei ihm eine sonstige psychische Erkrankung, die einer der vorgenannten Störungen gleichwertig wäre, gegeben.
Aus psychiatrischer Sicht gibt es auch keinerlei Hinweise, dass bei S. K. während des gefragten Zeitraumes, konkret vom 06.01.2003 gegen
18.15 Uhr bis 07.01.2003 gegen 14.00 Uhr, Störungen vorlagen, welche die Eingangsmerkmale des § 11 StGB einschließlich des. Die codierte Bezeichnung der Diagnosen bezieht sich auf die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10, Kapitel F) der Weltgesundheitsorganisation
§ 287 StGB erfüllen würden. Weder wies sein Gehirn damals durch Alkoholeinfluss und/oder das vorausgehende Unfallereignis eine so schwere Schädigung auf, als dass diese Grundlage einer vorübergehenden hirnorganischen Psychose (eines so genannten exogenen Reaktionstyps) hätte sein können noch war das von ihm getätigte Verhalten, welches auf Orientierung, planerisches Denken und ein hohes Maß an psychischer Präsenz schließen lässt, mit einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung bzw einem qualitativ oder quantitativ abnormen Rauschzustand vereinbar.
Die von S. K. angeführte Erinnerungslücke lässt sich medizinisch nicht begründen, rein theoretisch käme eine psychogen bedingte, totale Verdrängung in Frage, welche aber im Nachhinein aufgetreten wäre und bezüglich des psychischen Zustandes des Betroffenen während der Vorfallszeit keine Aussagekraft hätte.
Inwieweit die Angabe einer Erinnerungslücke ?prozesstaktische" Gründe haben könnte, wie dies im Antrag der Staatsanwältin (Seite 65) gefragt wird, ist keine von Seiten des psychiatrischen Gutachters zu beantwortende Frage.
I
Die medizinische Vorgeschichte des S. K. ist nicht auffallend: Er ist nach einer offensichtlich normal verlaufenden Schwangerschaft durch eine komplikationslose Geburt zur Welt gekommen, hat keine Geburtsschäden aufgewiesen und keine perinatalen Komplikationen erlitten, hat sich körperlich und psychisch ganz normal entwickelt und in der Kindheit keine Zeichen der Hyperaktivität, der Verhaltensstörungen oder eines Anfallleidens gezeigt. Zeit seines Lebens hat er nie Schädel-Hirn-Traumen oder sonstige, das zentrale Nervensystem in Mitleidenschaft ziehende Erkrankungen erlitten, vor allem sind bei ihm nie epileptische Anfälle oder vergleichbare Störungen aufgetreten. Symptome einer Geisteskrankheit im eigentlichen Sinn, also einer Schizophrenie oder einer manisch-depressiven Psychose, sind ebenso wenig manifest geworden wie so genannte organische Psychosyndrome bzw Zeichen eines Hirnabbauprozesses.
Nach eigenen Worten hat er mit illegalen Drogen überhaupt keine Erfahrung und nimmt keinerlei Medikamente, auch keine psychotropen Substanzen, allerdings sind mit Alkohol bereits früher Probleme aufgetreten: So ist ihm vor Jahren der Führerschein schon einmal wegen Fahrens in alkoholisiertem Zustand (angeblich 1,6 Promille) entzogen worden. Auch zum Zeitpunkt der Untersuchung weist er eine vegetativ geprägte Symptomatik (Händezittern, allgemeines Schwitzen) auf, die mit einem milden Abstinenzsyndrom kompatibel wäre. Herr K. bestreitet jedoch Kontrollverluste, exzessivere Berauschungen, abnorme Alkoholreaktionen und spiegelhaftes bzw tägliches Trinken. Aus gutachterlicher Sicht kann man jedenfalls sagen, dass S. K. nicht alkoholunerfahren ist, sondern auch die Wirkung größerer Konzentrationen kennt, dass er an keiner Alkoholpsychose leidet und eine Alkoholdemenz bei ihm nicht vorliegt. Die genannten Befunde deuten aber auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol hin bzw sprechen für eine solche Möglichkeit, ohne dass bereits Zeichen der Abhängigkeit vorliegen.
Man kann somit davon ausgehen, dass sich S. K. bis zum Unfall in einer recht guten körperlichen und psychischen Verfassung befunden hat, dies, ohne dass er unter einer Alkoholkrankheit und einem Toleranzknick leidet, dass er bei der Unglücksfahrt unter Alkohol gestanden ist, jedoch - wenn man seinen eigenen Angaben und denen der Zeugen folgt - unter einer Blutalkoholkonzentration stand, die für ihn nicht einzigartig oder außergewöhnlich war und das Auftreten einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung und einer Amnesie niemals erklären könnte.
II
S. K. behauptet nun, sich an sein Verhalten nach dem Unfall und an die Stunden danach bis zur Beendigung des Nachtschlafes nicht mehr erinnern zu können. Er führt also eine schwere, mehrstündige Amnesie an, welche nach den Gesetzen der medizinisch-naturwissenschaftlichen Kausalitätslehre einen krankheitswertigen Grund haben müsste. In Frage kämen ua eine schwere Alkoholintoxikation oder eine schwere Kopfverletzung bzw ein Zusammenwirken dieser beiden Faktoren. Nachdem die Alkoholkonzentration bei der Unglücksfahrt des S. K. nach seinen eigenen Angaben sehr niedrig war und er zuvor imstande gewesen ist, einen PKW zu lenken und nach dem Unfall ein für Orientiertheit und planvolles Vorgehen sprechendes Verhalten gezeigt hat, scheidet die hohe Alkoholkonzentration aus. Auch von einer schweren Hirnverletzung kann man in Anbetracht des komplikationslosen Verlaufs, des Fehlens von Herdsymptomen (normales EEG) in den nachfolgenden Untersuchungen und (indirekt) der nicht erfolgten Inanspruchnahme medizinischer Hilfe; nicht sprechen. Es sind somit zwischen den objektiven medizinischen Fakten und den subjektiven Angaben erhebliche Diskrepanzen gegeben, die sich mit rein krankheits- und störungsbezogenen medizinischen Überlegungen nicht erklären lassen, so dass andere, nicht in den Bereich der Begutachtung fallende Gründe, heranzuziehen sind.
Nach welcher Methode ist nun bei einer solchen Konstellation, wie sie im gegenständlichen Fall vorliegt bzw sich durch die Angaben des Beschuldigten ergibt, gutachterlich vorzugehen.
Zunächst ist festzustellen, ob auf der psychopathologischen Ebene ein Syndrom von krankhaftem Charakter fassbar ist, ob dieses die typische Symptomatik und Phänomenologie aufweist und ob dieses als Ausfluss einer etwaigen zugrundeliegenden Störung aufzufassen wäre (Schritt A). In einem weiteren Schritt ist dann zu analysieren, inwieweit eine medizinische Basisstörung eruierbar ist, die dieses Syndrom (bei welchem man in der juristischen Sprache vom ?ersten Stockwerk" in der Beurteilung des Diskretions- und Dispositionsvermögens sprechen würde) erklären könnte (Schritt B). Ein psychopathologisches Syndrom kann ja nicht ohne entsprechende Pathogenese (zB als Erinnerungslücke ohne jede medizinisch-neuropsychiatrische Grundstörung) manifest werden. Schließlich ist, sofern ein entsprechendes Syndrom gefunden wurde, zu prüfen, ob das vom Betroffenen während des Bestehens dieses Syndroms an den Tag gelegte Verhalten mit einer solchen Störung, die ja auch einen unterschiedlichen Schweregrad aufweisen kann, kompatibel ist oder nicht (Schritt C).
Zu Schritt A:
Für ein psychopathologisches Syndrom, wie es von D. Athen (1986) im Hinblick auf akute Alkoholintoxikationen und ihre forensische Bedeutung beschrieben wurde, gibt es bei S. K. bezogen auf die fragliche Zeit keine Hinweise: Es lagen weder schwere Störungen des Bewusstseins und der Motorik noch Dämmerzustände, Störungen der Orientierung, delirante Syndrome, paranoid- halluzinatorische Störungen, manische oder gereizt-aggressive Syndrome, depressive Syndrome, pathologische Ängste und akute Suizidalität noch sexuelle Erregungen vor, ebenso wenig gibt es Hinweise auf einen komplizierten oder einen pathologischen Rausch, also einen durch beträchtlichen Alkoholeinfluss ausgelösten Zustand mit Desorientiertheit, Verwirrtheit, krankhafte Verstimmung oder sonstige psychotische Symptome.
Zu Schritt B:
Bei S. K, ist weiters festzustellen, dass die phänomenologische Schilderung der von ihm angeführten Erinnerungslücke kaum verwertbar ist. Wie die klassische Arbeit von W. R. (1999) nachgewiesen hat, können Erinnerungslücken Schutzbehauptungen, psychogene oder hirnorganische Reaktionen oder Verdrängungen im Nachhinein sein. Während die Frage, ob die Verantwortung des S. K. eine Schutzbehauptung darstellt, nicht in den Aufgabenbereich des Gutachters fällt und Verdrängungen im Nachhinein keine Auswirkungen auf die psychische Verfassung zur Tatzeit haben, ist zur psychogenen und organischen Amnesien wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Psychogene Amnesien setzen immer eine spezifische Vorgeschichte und eine spezielle Persönlichkeitsstruktur voraus. In der Regel wird durch ein Ereignis eine unbewusste Konfliktsituation angesprochen, welche dann zur Verdrängung des reinszenierenden Ereignisses führt.
Ein solcher psychodynamischer Mechanismus ist bei einer Situation, wie sie durch einen unerwartet auftretenden gewöhnlichen Verkehrsunfall hervorgerufen wird, nicht gegeben, eine entsprechende pathogenetische Konstellation ist bei S. K. bezüglich des Unfallereignisses vom 06.01.2003 nicht eruierbar: Es fehlen die entsprechende innere Vorgeschichte, die schwere Traumatisierung, die typisch neurotische Persönlichkeit und somit der erforderliche ?Unterbau".
2. Eine organische Amnesie würde eine schwere direkte oder indirekte Schädigung des zentralen Nervensystems, welche mit vorübergehender oder dauernder Funktionsbeeinträchtigung der Hirnzellen verbunden sein muss, voraussetzen. Ein solches Ereignis könnte eine Gehirnprellung, der Einfluss sehr hoher Alkoholkonzentrationen (ab etwa 2,8 Promille bei nicht Trinkunerfahrenen) oder die alleinige oder kombinatorische Wirkung sonstiger toxischer Substanzen sein. Eine so hohe Blutalkoholkonzentration ist bei S. K. für die Unglücksfahrt und die Zeit des Unfalls auszuschließen, da er ja nach eigenen Worten - subjektiv - nur eine geringe Menge Alkohol getrunken und sich nicht stärker berauscht gefühlt hat und da er ja - objektiv gesehen - in der Lage war, ein KFZ zu lenken.
S. K. ist beim Unfall auch im Bereich des Schädels verletzt worden, so dass die letzte Möglichkeit, nämlich jene eines postcommotionellen oder postcontusionellen Syndroms, zu erörtern ist. Nachdem ein Verwirrtheitszustand bzw eine stundenlang dauernde Amnesie eine schwerere Hirnverletzung voraussetzen würde, diese aber auch später noch fassbare Folgen hinterlassen müsste, solche Folgen beim Beschuldigten nicht mehr vorhanden waren, ist auch diese Möglichkeit zu exkludieren: S. K. hat unter keinen neurologischen Ausfällen gelitten und sich nicht in ärztliche Behandlung begeben und wurde auch in keine unfallchirurgische oder neurologische Abteilung eingeliefert, was im Falle einer so schweren Verletzung zwingend erforderlich geworden wäre, er hat im Nachhinein keine Herdsymptome geboten und war nach kurzer Zeit wieder völlig erholt.
Halten wir also fest, dass für die Erklärung eines solchen Syndroms, wie es von S. K. angegeben wurde, eine schwere Grundschädigung erforderlich wäre und dass die von ihm angegebene phänomenologische Schilderung nicht typisch für ein postcommotionelles bzw-contusionelles Syndrom ist und psychopathologisch nicht erklärbar ist.
Zu Schritt C:
Um aber letzte Zweifel an der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit bei S. K. zum Zeitpunkt des Unfalls und in den Stunden danach zu diskutieren, muss auf das zweite Stockwerk der forensisch-psychiatrischen Beurteilung von Einsichts- und Steuerungsvermögen zurückgegriffen werden. Dieses befasst sich mit der Frage, welche psychologischen Auswirkungen ein krankhafter Zustand hätte, welche Beeinträchtigungen des Wahrnehmens, Denkens, Urteilens und Handelns beim tatsächlichen Vorliegen einer gravierenden Basisstörung also gegeben wären.
Ein Zustand der Desorientiertheit und Verwirrtheit, um den es sich handeln müsste, würde dazu führen, dass der Betroffene nicht weiß wo er sich befindet, welcher zeitliche Rahmen vorliegt und wie eine Situation aufzufassen ist. Eine solche Person würde sich also nicht auskennen, würde durch die Gegend irren, würde unzusammenhängende Äußerungen von sich geben, liefe Gefahr, sich selbst zu gefährden und würde auf jede ihr begegnete Person einen verwirrten, ratlosen Eindruck machen. Keinesfalls wäre es mit einem solchen Zustand vereinbar, dass eine betroffene, Person mit einem Handy gezielte Anrufe tätigen, dem Angerufenen den Ort des Aufenthaltes mitteilen und ihn über das Vorgefallene unterrichten könnte.
Wenn nun in der Analyse des Verhaltens des S. K. beim Unfall vom 06.01.2003 von den genannten Punkten auszugehen ist, dass er sohin selbständig einen PKW auf einer kurvenreichen Straße gelenkt hat und dabei keine Blutalkoholkonzentration in der Höhe der kritischen Grenze von mindestens 2,8 Promille aufgewiesen hat, wenn er sich ferner nach dem Zusammenstoß nach dem Befinden seiner Freundin erkundigt hat, wenn er weiters unmittelbar nach dem Unfall imstande war, ein Handy zu bedienen, einen Bekannten anzurufen und diesen über seinen Aufenthaltsort und das Vorgefallene in den maßgebenden Zügen zu unterrichten, wenn er ferner eine Stunden dauernde Amnesie ohne jegliche Folgesymptome oder bleibende Schäden (mit Ausnahme der oberflächlichen Verletzungen) gehabt hätte, so ist jede dieser Konstellationen mit einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des § 11 StGB oder einer gleichwertigen Störung nicht vereinbar und somit die angegebene Amnesie wie auch das während dieser Zeit durchgeführte Verhalten mit medizinischen Störungen, Krankheiten oder Schädigungsmuster nicht zu erklären.
Bezüglich der beigelegten Privatgutachten, welche im Antrag der Staatsanwaltschaft angesprochen werden, ist Folgendes festzustellen:
Das ?fachärztliche Gutachten" des Dr med L. P., FA für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapie, vom 07.04.2003 lässt wesentliche Elemente eines Gutachtens, so die Darstellung der Aktenlage, die ICD-10-Codierung, die Diskussion alternativer Möglichkeiten usw vermissen, so dass überhaupt nicht ersichtlich wird, ob und welche Aktenstücke dem Gutachter zur Verfügung gestanden sind. Eine Analyse auf phänomenologisch-syndromaler Ebene wird nicht vorgenommen, auf die Pathogenese nur am Rande eingegangen. Die in der abschließenden Zusammenfassung und gutachterlichen Beurteilung angeführten Behauptungen, wonach Herr K. ?eine schwere Gehirnerschütterung mit anterograder Amnesie für die Stunden nach dem Unfallereignis" erlitten habe, wird nicht begründet. Eine Behauptung, dass ?die Erinnerung .... tatsächlich nicht erinnerlich" ist, wird methodologisch nicht untermauert. Wenn von einem ?Dämmerzustand, der durch unkoordiniertes und ungerichtetes Fluchtverhalten geprägt ist" gesprochen wird, wird dies nicht dem gezielten Anrufen auf einem Handy, der offensichtlich gegebenen Orientierung usw gegenübergestellt. Gemeint ist offensichtlich ein ?geordneter Dämmerzustand", bei welchem es möglich wäre, dass in amnestischen Zustand gewohnte, einfache Handlungssequenzen getätigt werden. Wegen der ?eingeschliffenen" Durchführung fällt oft die gestörte psychische Verfassung, die fehlende Orientierung usw des Betroffenen einem Laien gar nicht auf. Beim Unfall des S. K. handelte es sich aber nicht um ein alltägliches Ereignis. Auch entspricht sein Verhalten danach keinesfalls einer kurzen Sequenz oder einem altvertrauten, eingeschliffenen Verhandlungsmuster. Schließlich diskutiert Dr P. die bei weitem häufigste Variante von angeführten Erinnerungslücken nach Unfällen, nämlich, dass diese eine nicht in den Bereich der Medizin oder forensischen Psychiatrie fallende - also krankhafte - Erklärung haben, sondern durch normal psychologische Motive begründet sind, überhaupt nicht.
Das neurologische Fachgutachten der Dr H. R. vom 27.06.2003, welches bezüglich einer ganz anderen Fragestellung angefordert wurde, lässt die im strafrechtlichen Gutachten gestellten Fragen bewusst offen, weist aber darauf hin, dass ?keine klinischen Befunde und keinerlei Zusatzuntersuchungen vorliegen"."
Dieses Gutachten ist schlüssig und in sich widerspruchsfrei und wird im Gegenstandsfalle diesem Gutachten auch gefolgt, wonach die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Berufungswerbers nach dem gegenständlichen Verkehrsunfall gegeben war.
Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol sowie in den Akt der Erstbehörde und wurde der Berufungswerber zum gegenständlichen Sachverhalt befragt.
Fest steht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, dass der Berufungswerber, nachdem er am 6.1.2003 auf der L 12 den PKW mit dem Kennzeichen XY gelenkt und dabei einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hatte, es unterlassen hat, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Unfall sofort zu verständigen und an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Nach § 4 Abs 2 StVO 1960 haben, sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.
Dadurch, dass der Berufungswerber vom gegenständlichen Unfall nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt hat, hat er die ihm zu Punkt 1) vorgeworfene Übertretung begangen.
Nach § 4 Abs 1 lit c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Im Gegenstandsfalle hat sich der Berufungswerber zu Fuß von der Unfallstelle entfernt und sich anschließend 20 Stunden lang verborgen gehalten und nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt.
Gemäß § 99 Abs 2 lit a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von Euro 36,00 bis Euro 2.180,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Durch das Unterlassen der Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall sowie das Unterlassen der Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung wird die Aufklärung von Unfallsursachen wesentlich erschwert. Der Unrechtsgehalt beider Übertretungen ist daher beträchtlich. Beim Verschulden ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen. Als mildernd wirkte sich aus, dass sich der Berufungswerber seit der gegenständlichen Tat wohl verhalten hat. Der Berufungswerber hat im Berufungsverfahren unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse dargetan, sodass auch mit den herabgesetzten Strafen im Gegenstandsfalle das Auslagen gefunden werden konnte.