TE UVS Wien 2005/06/21 06/42/3941/2004

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2005
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Mag. Dr. Tessar über die Berufung der Frau Anna-Maria J, vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4. und 5. Bezirk, vom 21.4.2004, MBA 4/5-S/4443/04, wegen Übertretung des § 24 Abs 1 erster Satz des Schulpflichtgesetzes, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

?Sie haben als Erziehungsberechtigte ihrer Tochter Katharina J, geboren am 7.1.1991, entgegen Ihrer Verpflichtung durch Außerachtlassung der nötigen Beaufsichtigung nicht für den regelmäßigen Schulbesuch Ihres Kindes in der Allgemeinen Sonderschule in Wien, D-gasse, gesorgt, sodass die Schülerin dem Unterricht an dieser Schule an folgenden Tagen unentschuldigt fernblieb:

1)

von 11.12.2003 bis 19.12.2003

2)

von 7.1.2004 bis 29.1.2004

3)

von 9.2.2004 bis 24.3.2004

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 24 Abs 1 erster Satz des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

3 Geldstrafen zu je EUR 140,--, zusammen EUR 420,--, falls diese uneinbringlich sind, 3 Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Tag, zusammen 3 Tage, gemäß § 24 Abs 4 leg cit."

In der gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin vor, keine strafbare Handlung begangen zu haben. Erläuternd wurde u.a. ausgeführt, dass die Tochter der Berufungswerberin infolge einer verworrenen Familiensituation, die letztlich zur Scheidung der Kindeseltern geführt habe, psychisch schwer erkrankt und in medizinischer Behandlung sei. Die Berufungswerberin habe alles nur Mögliche und ihr Zumutbare unternommen, dass das Kind die Schule besucht. Das Kind habe sich aber ? zugegebenermaßen ? in der Vergangenheit vielfach geweigert, die Schule aufzusuchen. Das Kind habe offensichtlich in der Schule große Angst und Unsicherheitsgefühle. Letztlich sei das Kind, auch über gutes Zureden bzw. entsprechendes Einwirken seitens der Berufungswerberin, nicht dazu zu bewegen, die Schule zu besuchen. Die Berufungswerberin habe daraufhin bewirkt, dass das Kind in entsprechende medizinische Behandlung gekommen sei. Diesbezüglich habe es Kontakt mit Dr. S gegeben, welcher zugesagt habe, dass das Kind entsprechend betreut und beim nächsten ?Schub" in die im AKH eingerichtete Spezialschule für psychisch belastete Kinder aufgenommen werde. Die Bemühungen der Berufungswerberin würden bereits länger zurückreichen. Zunächst sei in dieser Schule kein Platz gewesen, nunmehr sei aber signalisiert worden, dass es bald eine Aufnahmemöglichkeit geben würde.

Aus dem der Berufung beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich, dass am 24.3.2004 durch die Allgemeine Sonderschule in Wien, D-gasse, eine Anzeige erfolgte. In dieser wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, entgegen ihrer Verpflichtung als Erziehungsberechtigte durch Außerachtlassung der nötigen Beaufsichtigung nicht für den regelmäßigen Schulbesuch ihres Kindes, Katharina J, in der Allgemeinen Sonderschule gesorgt zu haben, sodass die Schülerin dem Unterricht an den nachfolgenden Tagen unentschuldigt ferngeblieben sei, nämlich am 1.9.2003, vom 6.9.2003 bis zum 12.9.2003, vom 16.9.2003 bis zum 18.9.2003, vom 22.9.2003 bis zum 25.9.2003, vom 1.10.2003 bis zum 2.10.2003, vom 6.10.2003 bis zum 9.10.2003, vom 13.10.2003 bis zum 16.10.2003, vom 20.10.2003 bis zum 23.10.2003, vom 27.10.2003 bis zum 29.10.2003, vom 3.11.2003 bis zum 6.11.2003, vom 10.11.2003 bis zum 13.11.2003, vom 2.12.2003 bis zum 12.12.2003, vom 16.12.2003 bis zum 19.12.2003, vom 7.1.2004 bis zum 29.1.2004 und vom 9.2.2004 bis zum 24.3.2004.

Anlässlich der Niederschrift über die Vernehmung der Berufungswerberin vom 19.4.2004 gab diese vor der Erstbehörde im Wesentlichen zu Protokoll, dass es richtig sei, dass ihre Tochter derzeit weder die Allgemeine Sonderschule in Wien, D-gasse, noch die Schule im AKH Wien besuchen würde. Ihre Tochter sei krank und könne deshalb nicht am Unterricht teilnehmen. Eine ärztliche Bestätigung für die Erkrankung ihrer Tochter könne sie nicht vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 25.6.2004 brachte Frau Susanne L von der Allgemeinen Sonderschule in Wien, D-gasse, im Wesentlichen vor, dass sie seit dem 1.12.2003 Klassenvorstand der Tochter der Berufungswerberin sei. Katharina sei am 10.12.2003 erstmals wieder in die Schule gekommen und habe ihr im Beisein ihrer Mutter erzählt, dass sie nicht in die Schule gehen und lieber in einem Heim leben wolle. Danach sei sie nicht mehr erschienen. Seit 14.5.2004 würde wieder ein regelmäßiger Schulbesuch stattfinden und würde Katharina vom Vater zur Schule gebracht und wieder abgeholt werden.

In der Stellungnahme vom 15.7.2004 brachte die Berufungswerberin vor, dass die Klassenlehrerin ihrer Tochter selbst angegeben habe, dass ihre Tochter erzählt habe, nicht in die Schule gehen und sogar lieber im Heim leben zu wollen. Dies sei wohl auch ein deutlicher Hinweis auf die schwere psychische Erkrankung der mj. Katharina.

Mit Schriftsatz vom 11.8.2004 legte die Berufungswerberin eine klinische Bestätigung des Herrn Dr. S, Leiter der sozialpsychiatrischen Ambulanz der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, vom 29.4.2004 vor, mit welcher dieser bestätigte, dass die mj. Katharina J seit April 2003 wegen eines sozialphobischen Zustandsbildes in ambulanter Betreuung seiner Klinik stehe. Trotz intensiver Bemühungen und medikamentöser Stützung habe bis dato keine Besserung des Zustandes erreicht werden können. Die Patientin sei wegen ihrer Symptome nicht in der Lage, einen regulären Schulbesuch zu absolvieren.

Mit Schriftsatz vom 19.10.2004 legte die Berufungswerberin eine klinische Bestätigung des Herrn Dr. S, Leiter der sozialpsychiatrischen Ambulanz der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, vom 9.8.2004 vor, darin führte dieser ergänzend aus, dass auch ein Setting an der Interdisziplinären kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Tagesklinik gescheitert sei. Mit Wechsel in die Betreuung des Vaters habe jedoch gegen Ende des Schuljahres ein regelmäßiger Schulbesuch realisiert werden können, wobei für Herbst weitere Kontrollen vereinbart worden seien.

Seitens des erkennenden Senates wurde der Pflegschaftsakt betreffend die mj. Katharina J beigeschafft. Aus diesem ist ersichtlich, dass diese zwischen dem 2.12.2002 und 15.5.2004 nahezu durchgehend ihrer Schulpflicht nicht nachgekommen war. Weiters geht u.a. aus der darin erliegenden Stellungnahme der Magistratsabteilung 11 vom 21.6.2001 hervor, dass diese bereits im Frühjahr 2001 verhaltensauffällig war und damals schon über Wochen die Schulteilnahme verweigert habe. Schon damals war das Jugendamt eingeschaltet worden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, vom 25.1.2005, Zl. 4 P 16/05s-3, wurde das Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Berufungswerberin geprüft wurde, eingestellt.

Mit Schreiben vom 13.4.2004 legte die Magistratsabteilung 15 ein psychiatrisches Gutachten des Herrn Dr. B vom 4.4.2005, z.Zl. MA 15 ? VI/2 ? 00326/2005701, bezüglich einer Untersuchung der Berufungswerberin vor. Darin beurteilte Dr. B die Berufungswerberin dahingehend, dass die Untersuchung eine konstitutionelle leichtgradige Intelligenzminderung ergeben habe, darüber hinaus hätten sich anamnestisch und aktuell keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung gezeigt. Zur Erfassung der bestehenden Schulpflicht würde die intellektuelle Kapazität der Berufungswerberin aber ausreichen, sodass im Bezug auf den angefragten Zeitraum eine ausreichende Dispositions- und Diskretionsfähigkeit gegeben gewesen sei. Im Zusammenhang mit der Schulverweigerung seien bei der Tochter offensichtlich auch Angstzustände, Stimmungsschwankungen sowie diverse psychosomatische Beschwerden aufgetreten, weiters habe das Kind ausgeprägte Sozialängste und Rückzugstendenzen gezeigt. Mit Bezug auf die dazu vorliegenden Befunde habe damit neben einer Entwicklungsstörung auch eine soziale Phobie (Schulphobie) sowie eine Anpassungsstörung des Kindes angenommen werden können. Insgesamt habe damit bei der Tochter als Hintergrund der Schulverweigerung sicherlich eine ernsthaft und krankheitswertige psychiatrische Symptomatik bestanden.

Am 21.6.2005 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien statt, zu welcher die Berufungswerberin samt ihrem rechtsfreundlichen Vertreter als Partei, Herr Dr. Wolfgang B als Sachverständiger sowie Frau Maria Ju und Herr Piotr J als Zeugen erschienen sind.

Die Berufungswerberin gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Wesentlichen zu Protokoll, dass ihre Tochter, seit sie die Schule in der D-gasse besuchen würde, nicht gerne in die Schule gehen würde. Mit 14 Jahren habe sie das erste Mal gesagt, dass sie nicht in die Schule gehen wolle, jetzt sei sie 15 Jahre alt.

Sie könne nicht angeben, ob ihre Tochter im Herbst, im Winter, im Frühjahr oder im Sommer zum ersten Mal gesagt habe, dass diese nicht zur Schule gehen wolle. Auf die Frage, ob es einen besonderen Vorfall gegeben habe, welcher sich ungefähr zu dem Zeitpunkt ereignet habe, als die Tochter zum ersten Mal mitgeteilt habe, dass sie nicht mehr zur Schule gehen wolle, brachte die Berufungswerberin vor, dass ihr ein besonderer Vorfall nicht erinnerlich sei. Damals habe ihr ihre Tochter gesagt, dass sie sich mit ihren Mitschülern nicht vertragen würde. Auf die Frage, ob ihr ihre Tochter mitgeteilt hatte, warum sie nicht mehr zur Schule gehen wolle, brachte die Berufungswerberin vor, dass ihre Tochter gesagt habe, dass es ihr nicht gefallen und sie es nicht mehr aushalten würde. Sie habe angegeben, dass sie es wegen der Mitschüler und später wegen der Lehrerin nicht aushalten würde. Als sich ihre Tochter erstmals beklagt habe, habe sie die Schule noch weiter besucht. Sie habe sich dann auch weiterhin beklagt, habe aber dennoch immer die Schule besucht. Die Berufungswerberin könne nicht mehr genau angeben, wielange die Tochter trotz Klagens trotzdem weiterhin die Schule besucht habe. Auf die Frage, ob es etwa eine Woche bzw. ein halbes Jahr gewesen sei, brachte die Berufungswerberin vor, dass es wohl eher ein halbes Jahr gewesen sei. Sie könne sich nicht daran erinnern, als ihre Tochter das erste Mal nicht zur Schule gegangen sei. Sie sei seit 1981 zu Hause. Damals habe sie ihr erstes Kind bekommen. Sie könne sich nicht daran erinnern, als ihre Tochter das erste Mal längere Zeit nicht zur Schule gegangen sei. Sie könne sich daran erinnern, dass ihre Tochter einmal längere Zeit nicht in die Schule gegangen sei. Damals habe sie auch die Lehrerin verständigt. Ungefähr ein paar Monate, möglicherweise auch sechs Monate, sei ihre Tochter nicht in die Schule gegangen. Auf die Frage, ob sie sich auf irgendwelche Vorfälle oder Sonstiges erinnern könne, als die Tochter längere Zeit nicht in der Schule gewesen sei, brachte die Berufungswerberin vor, dass ihre Scheidung am 30.1.2001 gewesen sei. Sie könne sich erinnern, dass sie zu Beginn der Abwesenheiten ihrer Tochter mit der Klassenlehrerin R gesprochen habe. Die Berufungswerberin habe nämlich öfter angerufen um mitzuteilen, dass ihre Tochter krankheitsbedingt nicht in die Schule gehen könne. Sie könne sich nicht erinnern, dass ihre Tochter in diesem Schuljahr jemals den Unterricht besucht habe, solange sie in der Klasse von Frau R gewesen sei. Ihre Tochter sei dann in eine andere Klasse gekommen, wo es eine andere Lehrerin gegeben habe. Mit dieser Lehrerin habe sie in der Schule gesprochen. Sie sei gemeinsam mit ihrer Tochter in der Schule gewesen und habe die Lehrerin gesagt, dass ihre Tochter in die Schule gehen müsse, da sie sonst in ein Heim kommen würde. Anfänglich habe ihre Tochter einem Heimaufenthalt zugestimmt, später habe sie aber gesagt, dass sie doch nicht in ein Heim gehen wolle. Damals sei sie ein paar Tage auch noch in der Schule gewesen. Danach habe sie aber wieder nicht in die Schule gehen wollen. Sie habe deshalb nicht in die Schule gehen wollen, da sie erfahren habe, dass sich ihre Eltern scheiden lassen würden. Auf den Hinweis des Widerspruches dahingehend, dass die Ehe zu diesem Zeitpunkt bereits drei Jahre geschieden gewesen sei, brachte die Berufungswerberin vor, dass die Tochter eben sehr verletzt gewesen sei. Daraufhin wurde die Berufungswerberin gefragt, wann sie aus der Wohnung des Mannes ausgezogen sei. Dazu gab die Berufungswerberin an, dass sie das Datum nicht wisse. Es müsse Februar oder März gleich nach der Scheidung gewesen sein. Als ihre Tochter nicht in die Schule gegangen sei, habe sie alleine mit ihr gewohnt. Auf Befragen, ob sie sich an einige Vorfälle knapp vor Weihnachten 2003 erinnern könne, als ihre Tochter wieder nicht zur Schule gegangen sei, gab die Berufungswerberin an, dass sie sich an nichts Derartiges erinnern könne. Ihre Tochter habe wieder zu ihrem Vater gewollt und habe sie ihn zu einer Unterredung gebeten. Die Tochter sei dann zu ihrem Vater gezogen, nämlich im Frühjahr 2004. Sie würden nunmehr in der F-straße wohnen. Der Vater habe die Tochter dann in der Früh immer in die Schule gebracht. Dies sei eine Zeit lang gewesen und dann sei sie alleine zur Schule gegangen. Solange ihre Tochter bei ihr gewohnt habe, sei diese nicht in die Schule gegangen. Glaublich ab dem zweiten Tag, als sie beim Vater gewohnt habe, habe sie wieder regelmäßig die Schule besucht. Ihre Tochter habe wieder zu ihrem Vater gewollt und habe sie ihn zu einer Unterredung gebeten. In diesem Gespräch habe die Tochter dem Vater gesagt, dass sie zu ihm ziehen wolle. Ihre Tochter habe alleine mit dem Vater sprechen wollen und habe dies auch getan. Der Vater habe ihr und ihrer Mutter dann mitgeteilt, dass die Tochter zu ihm ziehen wolle und dass sie nicht krank sei. Sie habe dem Umzug ihrer Tochter zugestimmt. Auf die Frage, ob sie sich an den Zeitraum zwischen dem Gespräch mit der Lehrerin L und dem Auszug der Tochter erinnern könne, oder an irgendwelche Vorfälle in dieser Zeit, gab die Berufungswerberin an, dass sie einige Gespräche mit Dr. S geführt habe. An weitere besondere Vorkommnisse könne sie sich nicht erinnern. Sie habe Dr. S gesagt, dass Katharina nicht die Schule besuchen könne, weil es ihr immer schwerer fallen würde. Er habe dann auch mit Katharina gesprochen.

Der Sachverständige, Dr. B, gab in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zur Fragestellung der Möglichkeiten und Leistungen involvierter Institutionen in einem derartigen Fall an, dass Handlungsweisen und Aufgabenstellungen des Jugendamtes nicht Inhalt seiner fachlichen Kompetenz seien und er diese deshalb nicht beurteilen könne. Zur Versorgungssituation der psychiatrischen Kliniken im AKH-Bereich (Erwachsenen- und Jugendpsychiatrie) könne er auch aus eigener Erfahrung mitteilen, dass diese Kliniken insbesondere in ihrem kleinen ambulanten Bereich stark überfordert seien und in der Regel keine intensiveren Langzeitbetreuungen, insbesondere mit zeitaufwändigem psychotherapeutischen Schwerpunkt, anbieten könnten. Der wesentliche Tätigkeitsbereich würde damit in der Akutversorgung und Vermittlung an geeignete weiterbetreuende Ärzte oder Einrichtungen liegen. Diese Vermittlung werde nach seiner Erfahrung sehr ernst genommen. Es werde Wert darauf gelegt, eine geeignete und qualifizierte extramurale Betreuung zu vermitteln. Grundsätzlich füge er hinzu, dass Betreuungen im medizinisch-psychiatrischen Bereich auf Freiwilligkeit basieren, sofern keine unmittelbare Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen würden. Bei Betreuung Unmündiger würde zusätzlich die Möglichkeit bestehen, das Jugendamt zu involvieren, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Zu den Behandlungsmöglichkeiten im konkreten Fall würden

medikamentöse Möglichkeiten bestehen, da eine depressive und sozialphobische Symptomatik grundsätzlich auch einer medikamentösen Behandlung zugänglich sei. Der Schwerpunkt der Therapie würde idealerweise aber sicherlich im psychotherapeutischen Bereich liegen, wobei einerseits familientherapeutische, systemische Maßnahmen und andererseits symptombezogene verhaltenstherapeutische Angebote bestehen würden. Bei nicht ausreichendem Erfolg derartiger Behandlungsmöglichkeiten würde letztlich im beschränkten Rahmen der Klinikkapazität auch noch die Möglichkeit einer stationären Aufnahme bestehen, wobei diese Behandlungsmöglichkeit allerdings den Nachteil mit sich bringen würde, dass die Therapie im Wesentlichen außerhalb des gewohnten psychosozialen Zusammenhaltes geschehen würde. Psychotherapeutische ambulante Behandlungen könnten seines Wissens von den Uni-Kliniken kaum angeboten werden und würden in der Regel in den niedergelassenen Bereich vermittelt werden, wobei im vorliegenden Fall auch Einrichtungen etwa der Erziehungshilfe oder der Familienberatung mit qualifiziertem Personal zur Verfügung stehen würden. Zum Verlauf der Betreuungsmaßnahmen im vorliegenden Fall könne er sich im Wesentlichen nur auf die im Akt aufliegenden Befunde stützen, da diesbezüglich verwertbare Angaben von Seiten der Berufungswerberin im Explorationsgespräch kaum zu erhalten gewesen seien. Demnach habe bereits vor dem April 2004 eine ambulante Betreuung durch die Klinik im AKH bestanden, wobei Ausmaßhäufigkeit und Zeitdauer dem Befund nicht entnommen werden können. Weiters sei ein einmaliger Kontakt zum neurologischen Krankenhaus Ro bekannt; auch dazu würden keine näheren Informationen vorliegen. Von Seiten des Jugendamtes sei in einem Schreiben vom April 2004 noch darauf hingewiesen worden, dass Interventionsversuche nicht ausreichend angenommen worden seien. Weitere Informationen würden ihm dazu nicht vorliegen. Zur Frage der Wechselwirkung zwischen den Betreuungseinrichtungen habe die Berufungswerberin mitgeteilt, dass der Kontakt vom unspezifischen A-Kinderspital zum spezialisierteren Ro bereits im Jahr 2001 vermittelt worden sei, damit lange Zeit vor dem gegenständlichen Zeitraum. Später sei dann noch einmal ein Kontakt zum A-Kinderspital erfolgt, da diesmals eine Betreuung an der Jungendpsychiatrischen Abteilung des AKH empfohlen worden sei. Die beiden Spitäler, nämlich Ro und AKH, würden über entsprechende Abteilungen zur Betreuung neuropsychiatrischer Patienten dieser Altersgruppe verfügen und seien damit im Wiener Raum die bevorzugten Anlaufstellen. Das A-Kinderspital sei ein Kinderspital, welches bei spezifisch psychiatrischer oder psychodynamischer Indikation eine entsprechende Weiterleitung entweder an den Ro, das AKH oder eine andere gleichwertige Stelle veranlassen würde. Er könne keine Angaben machen, ob das Krankenhaus Ro eine der Betreuung im AKH vergleichbare oder eine allenfalls darüber oder darunter liegende Betreuungspalette im ambulanten Bereich anbieten würde.

Der Sachverständige gab über Befragen des Vertreters der Berufungswerberin im Wesentlichen auf Befragen, welche Intensität der Behandlung der Berufungswerberin bzw. ihrer Tochter im AKH gewährt worden sei, an, dass im Regelfall lediglich eine medikamentöse und sonstige Erstbetreuung angeboten werde. Es sei in Ausnahmefällen möglich, wohl auch zum Zwecke von Wissenschaft und Lehre, Patienten besonders intensiv zu betreuen. Ein derartiger Hinweis habe sich aus den Akten nicht ergeben.

Die Berufungswerberin gab über Befragen des Sachverständigen an, dass sie vier Mal in ungefähr vier Monaten mit Katharina bei Dr. S gewesen sei. Dies sei zu einem Zeitpunkt gewesen, als Katharina noch nicht in die Schule gegangen sei. Der Erstkontakt mit Dr. S sei daher vor dem Umzug ihrer Tochter erfolgt. Zu dem Zeitpunkt, als ihre Tochter mit ihrem Mann im April 2004 gesprochen habe, habe es schon einige Gespräch mit Dr. S gegeben.

Der Sachverständige gab weiters über Befragen des Vertreters der Berufungswerberin an, dass er keine Angaben darüber machen könne, welche Maßnahmen konkret im AKH getroffen worden seien. Aus der klinischen Bestätigung würde hervorgehen, dass ein Medikament verordnet worden sei und intensive Bemühungen getroffen worden seien. Dies könne er nur zur Kenntnis nehmen, aber nichts dazu angeben. Auch zum Kurzbefund vom 9.8.2004 könne er nichts sagen, sondern diesen ebenso nur zur Kenntnis nehmen.

Frau Maria Ju gab zeugenschaftlich einvernommen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Wesentlichen zu Protokoll, dass Katharina ihre Enkeltochter sei. Seit etwa 1 ½ bis 2 Jahren wisse sie, dass Katharina nicht zur Schule gehen wolle. Zu diesem Zeitpunkt hätten ihre Tochter und Katharina bei ihr gewohnt. Seit der Scheidung würden die beiden bei ihr wohnen. Seit der Scheidung habe Katharina nicht mehr in die Schule gehen wollen, weil sie gewollt habe, dass ihre Eltern wieder zusammenkommen würden, was aber leider nicht gegangen sei. Katharina sei seit der Scheidung schwer krank. Sie seien damals nach der Scheidung schon mit ihr im AKH gewesen. Seit Katharina beim Vater leben würde, würde dieser nicht mehr mit ihr ins AKH gehen, weil er meinen würde, dass Katharina gesund sei. Katharina habe im AKH eine Therapie bekommen, weil sie von der Scheidung fertig gewesen sei. Katharina habe dort mit einem Arzt gesprochen und diesem gesagt, dass sie mit der Scheidung nicht fertig werden würde. Sie könne nicht mehr angeben, wie oft sie im AKH gewesen seien. Es könne stimmen, dass dies ungefähr vier Mal gewesen sei. Jedes Mal habe Katharina dem Arzt dasselbe gesagt. Er habe immer mit Katharina und deren Mutter gesprochen. Katharina habe aber dem Arzt fast nicht mehr zugehört, da sie wollte, dass die Eltern wieder zusammen kommen. Sie könne nicht mehr angeben, was Dr. S gesagt habe, oder ob dieser Vorschläge gemacht habe. Dr. S habe Medikamente verschrieben und habe Katharina diese auch bekommen. Seit Katharina beim Vater sei, nehme sie die Medikamente nicht mehr. Dr. S habe gesagt, dass Katharina in die Schule gehen müsse. Er habe gesagt, dass er ihr jemanden schicken würde, der sie in die Schule führen würde. Katharina sei damit auch einverstanden gewesen, es sei jedoch niemand gekommen, der Katharina abgeholt hätte. Dr. S habe Katharina immer zugesprochen. Dr. S habe gesagt, dass sie alle Schwierigkeiten bekommen würden, wenn Katharina nicht in die Schule gehen würde. Er habe gesagt, dass auch die Großmutter und Mutter schauen sollten, dass Katharina in die Schule geht, aber sie beide hätten es nicht geschafft. Katharina sei in der Früh schon aufgestanden und habe geweint.

Über Befragen des Vertreters der Berufungswerberin gab die Zeugin im Wesentlichen an, dass Katharina zum Zeitpunkt der Scheidung schon problematisch gewesen sei. Sie habe nicht in die Schule gehen wollen und habe ihre Eltern wieder

zusammenbringen wollen, was sie immer noch wollen würde. Sie könne nicht mehr genau angeben, wann und wielange Katharina nicht in die Schule gegangen sei. Wenn sie nicht in die Schule habe gehen wollen, sei sie insofern auffällig gewesen, als sie stets gesagt habe, dass sie die Eltern zusammenbringen wolle und deshalb nicht zur Schule gehen würde. Sie habe erst gar nicht vom Bett aufstehen wollen und hätten die Großmutter und Mutter alles Mögliche unternommen, damit Katharina in die Schule geht. Die Mutter haben Vorladungen von der Schule bekommen und eine Strafe bezahlt, mehr hätten sie (Großmutter und Mutter) nicht machen können. Es sei nicht richtig, dass sie Katharina nicht in die Schule bringen hätten wollen. Im gegenständlichen Zeitraum sei ihre Tochter auch in der Schule gewesen. Sie wisse nicht, wie oft ihre Tochter in der Schule gewesen sei, aber es sei öfters gewesen. Sie könne nicht mehr angeben, wielange Katharina insgesamt nicht in die Schule gegangen sei. Sie sei einmal mit ihrer Tochter beim Jugendamt gewesen. Damals sei sie aber nicht beim Gespräch zugegen gewesen. Sie könne nicht sagen, was damals gesprochen worden sei. Bevor sie bei Dr. S gewesen seien, seien sie im A-Kinderspital gewesen, etwa drei Mal. Dort sei Katharina von einer Ärztin untersucht worden. Sie könne nicht angeben, wann dies gewesen sei. Sie könne nicht angeben, ob und wann sie am Ro gewesen seien. Katharina sei auch in einer Spezialschule im AKH gewesen, aber nur ein oder zwei Mal. Danach habe sie nicht mehr gehen wollen. Sie könne nicht sagen, ob Katharina gesagt habe, warum diese dort nicht hingehen wolle.

Der Zeuge, Herr Piotr J, gab im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Wesentlichen zu Protokoll, dass seine Tochter schon vor der Scheidung nicht zur Schule gehen habe wollen. Er habe nach der Scheidung erfahren, dass sie nicht in die Schule gehen würde. Über Befragen, ob er wisse, ob die Mutter etwas unternommen habe, damit Katharina in die Schule gehen würde, gab der Zeuge an, dass diese wahrscheinlich nichts unternommen habe, da sonst Katharina in die Schule gegangen wäre. Eine Woche sei Katahrina bei ihm gewesen und habe er sie jeden Tag in die Schule gebracht und sei sie in dieser Zeit auch zur Schule gegangen. Dies sei drei Mal je eine Woche lang gewesen. Das erste Mal sei ungefähr ein Jahr, bevor seine Tochter zu ihm gezogen sei, gewesen. Das zweite und dritte Mal ungefähr jeweils ein bis zwei Monate danach. Jedes Mal, wenn sie bei ihm gewohnt habe, sei sie in die Schule gegangen. Immer wenn er sie dann wieder zur Mutter zurückbringen habe müssen, sei sie nicht mehr in die Schule gegangen. Er könne nicht angeben, warum Katharina nicht in die Schule gegangen sei. Wahrscheinlich habe sie keine Motivation gehabt. Jetzt sei sie motiviert und würde auch jeden Tag in die Schule gehen, seit sie bei ihm sei. Sie habe noch keinen einzigen Tag gefehlt. Er hätte einige Zeit seine Tochter zur Schule gebracht, als sie bei der Mutter gewohnt habe, sofern man ihn gefragt hätte. Er habe der Berufungswerberin gesagt, dass Katharina immer in die Schule gehen würde, wenn sie bei ihm sei. Die Berufungswerberin habe Katharina immer wieder zurückgefordert.

Über Befragen des Vertreters der Berufungswerberin gab der Zeuge im Wesentlichen an, dass Katharina lange Zeit gefehlt habe. Da die Berufungswerberin und die Großmutter Katharina in eine Irrenanstalt hätten schicken wollen, sei Katharina leicht erpressbar gewesen. Deshalb habe Katharina auch zu ihm wollen, weil sie Angst gehabt habe, dass die Mutter und Großmutter sie in die Irrenanstalt einsperren würden. Da habe sich Katharina entschieden, bei ihm zu leben und in die Schule zu gehen, bevor sie in die Irrenanstalt kommen würde.

Die Berufungswerberin brachte daraufhin vor, dass eine Ärztin im A gesagt habe, dass Katharina auf den Ro solle.

Der Zeuge brachte dazu weiters vor, dass seine Tochter ihm gesagt habe, dass sie in eine Irrenanstalt geschickt werden würde, wenn sie nicht in die Schule gehen würde. Katharina habe schon eine Zuweisung für das AKH in einer Abteilung für psychisch Kranke gehabt. Er habe dann mit einem Arzt im AKH gesprochen und habe dieser gesagt, dass die Einweisung gar nicht nötig wäre, es würde an Katharina liegen, wenn sie zur Schule gehen würde. Seitdem sei Katharina in die Schule gegangen. Seine Tochter würde keine Medikamente bekommen.

Über Befragen des Vertreters der Berufungswerberin brachte der Zeuge vor, dass Katharina nie zu ihm gesagt habe, dass sie nicht in die Schule gehen wolle. Sie sage das auch heute nicht. Katharina würde gerne in die Schule gehen. Er habe im AKH mit Herrn Dr. S gesprochen. Herr Dr. S habe gesagt, dass Katharina nur die Motivation und der Wille fehlen würde. Sie sei nicht krank. Dort hätten sie auch vereinbart, dass Katharina eine Woche zu ihm kommen würde. So habe alles angefangen.

Daraufhin erstattete der Sachverständige ein Ergänzungsgutachten, in welchem er im Wesentlichen ausführte, dass aus psychodynamischer Sicht in Bezug auf die Beziehungsstruktur von Mutter und Tochter gesagt werden könne, dass diese bei beträchtlichen äußeren Belastungen und beidseits geringer Bewältigungskapazität sicherlich eine deutlich pathologische gewesen sei, soweit nachvollziehbar im Sinne einer symbiotischen Struktur, die sicherlich auch für die Verhaltensauffälligkeiten und die Schulverweigerung der Tochter von erheblicher Bedeutung gewesen sei. Die Komplexität und die pathologische Qualität dieser Beziehungsstruktur sowie die Tatsache, dass diese Beziehungskonstellation sich auf die Tochter letztlich nachteilig auswirken müsse, seien der Berufungswerberin in Hinblick auf ihre eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten sicherlich im Wesentlichen zugänglich gewesen.

DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT WIEN HAT

ERWOGEN:

§ 1 Schulpflichtgesetz bestimmt, dass für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes besteht.

Gemäß § 9 Abs 2 Schulpflichtgesetz ist ein Fernbleiben von der Schule während der Schulzeit nur im Falle gerechtfertigter Verhinderung des Schülers zulässig.

Als Rechtfertigungsgründe für die Verhinderung gelten gemäß Abs 3 leg cit insbesondere:

1.

Erkrankung des Schülers,

2.

mit der Gefahr der Übertragung verbundenen Erkrankungen von Hausangehörigen des Schülers,

 3. Erkrankung der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie der Hilfe des Schülers bedürfen,

 4. außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers, in der Familie oder im Hauswesen des Schülers,

 5. Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist.

Gemäß § 24 Abs 1 erster Satz Schulpflichtgesetz sind die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten verpflichtet, für die Erfüllung

der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs 4 leg cit für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen.

Gemäß Abs 4 leg cit stellt die Nichterfüllung der in den Abs 1 bis 3 angeführten Pflichten eine Verwaltungsübertretung dar und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 220,--, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu

zwei Wochen zu bestrafen.

Voraussetzung für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe ist das Vorliegen eines Verhaltens, welches als tatbildlich und als schuldhaft gesetzt zu qualifizieren ist. Unter Zugrundelegung des im Verwaltungsstrafverfahren allgemein gültigen Rechtsgrundsatzes "in dubio pro reo" darf nur dann eine Bestrafung erfolgen, wenn mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststeht, dass das der Verurteilung zugrundeliegende strafbare Verhalten auch tatsächlich von der beschuldigten Person verwirklicht worden ist. Im vorliegenden Fall ist diese erforderliche Sicherheit jedenfalls als

nicht gegeben anzusehen.

Festgestellt wird, dass die mj. Katharina J jedenfalls in den Schuljahren 2002/2003 und 2003/2004 schulpflichtig gewesen war, und dass diese von einigen wenigen Tagen abgesehen zwischen dem 2.12.2002 und dem 15.5.2004 nicht ihrer Schulpflicht nachgekommen ist. Weiters ist es als erwiesen anzusehen (und im Übrigen auch nicht bestritten worden), dass die mj. Katharina J stets ihrer Schulpflicht nachgekommen war, wenn sie von ihrem Vater beaufsichtigt worden ist. So wohnte sie im obgenannten Zeitraum etwa drei Mal für die Dauer einer Woche bei ihrem Vater und ist sie während dieser Aufenthalte beim Vater ihrer Schulpflicht stets nachgekommen. Auch kommt sie ihrer Schulpflicht seit der Zuerkennung der Obsorge an den Vater und dem Einzug in die Wohnung des Vaters wieder regelmäßig und ohne Probleme nach, und das, obgleich sie seit dem Umzug zu ihrem Vater keine Medikamente mehr zu sich nimmt.

Es ist daher offenkundig, dass die mj. Katharina J während des gesamten Zeitraumes grundsätzlich schulfähig gewesen ist und wohl auch im gesamten Zeitraum (2.12.2002 bis 15.5.2004) die Schule besucht hätte, wenn sie bei ihrem Vater wohnen hätte dürfen (müssen). Somit muss es aber auch als evident angesehen werden, dass das engste Umfeld der mj. Katharina J, daher die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebende Mutter und die ebenfalls im gemeinsamen Haushalt lebende Gr0ßmutter, die Ursache für das fortlaufende Fernbleiben vom Schulunterricht waren. Trotzdem geht der erkennende Senat davon aus, dass die angelasteten Tatbildverwirklichungen, wobei offenbar dreimal die Setzung eines fortgesetzten Delikts vorgeworfen worden ist, nicht als erwiesen angesehen werden können:

Im gegenständlichen Fall liegt nämlich eine höchst ungewöhnliche Konstellation vor. Wie vom Amtssachverständigen festgestellt, muss die Beziehung der mj. Katharina J zu ihrer Mutter (zumindest im fraglichen Zeitraum) als schwer pathologisch eingestuft werden. Dieses pathologische innerfamiliäre Geflecht muss daher wohl auch als die Ursache der Verhaltensauffälligkeiten angesehen werden. Gleichzeitig hat der Amtssachverständige aber auch klar zum Ausdruck gebracht, dass die Berufungswerberin infolge ihrer Minderintelligenz nicht in der Lage gewesen ist, ihr pathologisches und für die Verhaltensauffälligkeiten ursächliches Verhalten als solches zu erkennen. Mangels vorwerfbaren Verschuldens wird daher allein aufgrund des Umstandes, dass die Berufungswerberin durch ihr pathologisches Verhalten faktisch den Schulbesuch ihrer Tochter unterbunden habe, der angelastete Tatbestand nicht verwirklicht.

Es verbleibt daher nur der Vorwurf, dass die Berufungswerberin nicht ausreichend Handlungen zur Beendigung des Fernbleibens vom Unterricht gesetzt hatte. Hinsichtlich dieses Vorwurfs muss, wie vom Amtssachverständigen ausführlich dargelegt, von einer für die Befolgung der gegenständlichen Verwaltungsnorm ausreichenden Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Mutter ausgegangen werden. Es ist daher bei Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens als erwiesen anzusehen, dass die Berufungswerberin erkannt hatte, dass ihre Tochter ihrer Schulpflicht nicht nachkommt und dass sie zur Gewährleistung der Einhaltung der Schulpflicht verpflichtet ist. Auch ist somit als erwiesen anzunehmen, dass sie in der Lage gewesen ist, Handlungen zur Beendigung der Schulabsenzen zu setzen. Derartige Handlungen hat die Berufungswerberin in einem offenkundig unzulänglichen Ausmaß auch gesetzt. Für einen gewissenhaften Elternteil muss es wohl evident sein, dass jedenfalls bei einer Absenz vom Schulunterricht infolge einer angenommenen Erkrankung des Kindes von über einem Monat aktiv Ärzte und das Jugendamt aufzusuchen sind und initiativ Wege zur Beendigung der Schulabsenz (z.B. durch eine initiative Forderung einer ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Betreuung und durch die nachfolgende entschiedene Kooperation mit den behandelnden Ärzten bzw. Psychotherapeuten) beschritten werden müssen. Ein derartiges Verhalten ist von der Berufungswerberin offenkundig nicht gesetzt worden. Vielmehr erscheint es, dass sie sich (überraschend) schnell mit der Erkrankung und Unheilbarkeit ihrer Tochter abgefunden hatte (was infolge der pathologischen innerfamiliären Kommunikationsmuster auch mehr als nahe liegend ist). Dazu kommt noch, dass die Tochter der Berufungswerberin nicht erst im Dezember 2002 verhaltensauffällig gewesen war, sondern jedenfalls schon im Februar 2001, zumal die mj. Katharina J damals Selbstmordabsichten geäußert hatte und durch das A-Kinderspital und durch das Krankenhaus Ro kurzfristig betreut worden ist (vgl. den im Pflegschaftsakt erliegenden Bericht des Jugendamts). Abgesehen von diesen kurzfristigen und offenkundig ohne Nachdruck gesetzten ärztlichen Interventionen sind im gesamten Verfahren nur einige wenige Besuche des A-Kinderspitals (bei Zugrundelegung der Angaben der Großmutter der mj. Katharina J etwa drei Besuche, wobei nicht klar ist, ob diese

Besuche erst nach dem 2.12.2002 erfolgt sind) und etwa vier Besuche in der kinderpsychiatrischen Ambulanz des AKH genannt worden. Im Übrigen wurde entsprechend der Angaben der Sonderschule D-gasse von der Berufungswerberin faktisch kein Kontakt zur Schule gehalten, bzw. ist von einer Nichtkooperation der Mutter mit der Schule auszugehen. In diesem Zusammenhang wurde von der Berufungswerberin lediglich ein Gespräch mit einer Klassenlehrerin im Dezember 2003 genannt, welchem offenkundig keine weiteren Gespräche gefolgt sind. Derart wenige Aktivitäten zur Erlangung von Hilfe von außen zur Problembewältigung sind für sich gesehen für jeden Durchschnittsbürger als deutlich zu wenig zu qualifizieren. Auch kann von jedem Elternteil erwartet werden, dass er aktiver und bestimmter bestrebt ist, die Wiederaufnahme des Schulbesuchs (wie auch die ?Heilung") des eigenen Kindes herbeizuführen. Da aber durch § 24 Abs 1 leg cit die Setzung aller objektiv möglichen und zumutbaren Mittel zur Gewährleistung der Erfüllung der Schulpflicht gefordert wird, müsste also auch angesichts dieser Sonderkonstellation von einer eindeutigen Erfüllung des angelasteten Tatbildes ausgegangen werden. Aufgrund der spezifischen Konstellationen des gegenständlichen Falles kann aber auch diese Annahme nicht mit der für ein Strafverfahren nötigen Gewissheit als erwiesen angesehen werden. Maßstab für die Frage der von einem Rechtsunterworfenen geforderten Kenntnis eines Tatbildmerkmales (hier: Setzung keiner ausreichenden Maßnahmen zur Wiederaufnahme des Schulbesuchs) ist nämlich der hypothetische Kenntnisstand eines durchschnittlichen, mit dem Recht verbundenen Rechtsadressaten (hier: Erziehungsberechtigter). Ob nun aber eine solche Maßfigur im konkreten Fall davon ausgehen musste, noch weitere Aktivitäten zur Wiederaufnahme des Schulbesuchs der Tochter setzen zu können, mag nach Ansicht des erkennenden Senates angesichts der (offenkundig nachlässigen) Hilfestellungen durch die staatlichen Institutionen wohl bezweifelt werden.

Trotz Kenntnis der schwerwiegenden Verhaltensauffälligkeiten der mj. Katharina J spätestens seit Februar 2001 hat das Jugendamt faktisch keine ernst zu nehmende Handlung gesetzt, um die Verhaltensauffälligkeiten der mj. Katharina J zu beenden. Das bloße Anbieten nicht näher konkretisierter Gespräche bzw. Therapien an die Mutter der mj. Katharina J muss für jeden geschulten Sozialarbeiter angesichts der offenkundigen persönlichen pathologischen Involvierung der Mutter der mj. Katharina J als sinnlos und pseudohaft erscheinen. In einem solchen Problemfall muss es jedem Sozialarbeiter auffallen, dass mit Nachdruck und Regelmäßigkeit in das bestehende Familiensystem interveniert werden muss, wenn man ohne Fremdunterbringung des Kindes eine positive Kindesentwicklung erreichen will. Wenn daher das Jugendamt derart untätig und desinteressiert reagiert, muss auch für einen durchschnittlichen Erziehungsberechtigten der Eindruck entstehen, dass es keine Aussicht auf Hilfe gibt.

Dasselbe gilt für die unnachvollziehbare Zurückhaltung (Untätigkeit) der medizinischen Ambulanzen. Man müsste wohl davon ausgehen, dass auch ein durchschnittlicher Psychiater die offenkundige pathologische symbiotische Verstrickung der Berufungswerberin mit ihrer Tochter bemerken muss. In solch einer Situation zu glauben, dass das Verschreiben von Medikamenten und das bloße Angebot von Untersuchungen und das Verweisen auf die Schulpflicht irgendeine systemische Relevanz haben könnte, kann wohl von keinem Psychiater ernsthaft vertreten werden. Eine derartige Annahme widerspräche jeder Erfahrung mit den systemischen Prozessen innerhalb symbiotischer Beziehungsmuster (vgl. die von einem Psychiater wohl zu beachtenden Erkenntnisse der systemischen Familientherapie). In solch einem Fall muss, allenfalls durch Einschaltung von anderen Betreuungsstellen, sicher gestellt werden, dass mit Nachdruck und Regelmäßigkeit systemisch adäquat auf das gegenständlich pathologische innerfamiliäre Subsystem eingewirkt wird, bzw. muss die Fremdunterbringung der mj. Katharina J betrieben werden. Aus dem gesamten Akt und dem Vorbringen der Zeugen bzw. der Berufungswerberin muss aber geschlossen werden, dass derartige Handlungen unterblieben sind. Das A-Kinderspital hat, wie es der medizinischen Spezialisierung entspricht, die mj. Katharina J an einschlägige kinderpsychiatrische Ambulanzen verwiesen. Angesichts der diesbezüglich glaubwürdigen Angaben der Großmutter der Berufungswerberin muss es sogar als erwiesen angesehen werden, dass durch die psychiatrische Ambulanz von einem unverbindlichen Angebot zur Teilnahme an einer Schulklasse abgesehen überhaupt kein (über die Verschreibung von Medikamenten hinausgehendes) Hilfsangebot gemacht worden ist. Das Krankenhaus Ro hat offensichtlich auch bloß Untersuchungen durchgeführt und keinerlei im gegenständlichen Fall gebotenen Handlungen gesetzt. Im Zeitraum von über einem Jahr kam es außerdem lediglich zu etwa vier ärztlichen Kontaktierungen, sodass auch angenommen werden muss, dass durch die Ambulanz des AKH keine nachdrückliche bzw. ernst gemeinte Hilfestellung erbracht worden ist. In solch einer Situation erscheint es nicht unnachvollziehbar, wenn ein durchschnittlicher Erziehungsberechtigter von einer unheilbaren, unbehandelbaren psychischen Erkrankung ausgeht, und dieser daher nichts unternimmt, um eine weitere Hilfe zur Beendigung der Verhaltensauffälligkeiten, wie etwa das Fernbleiben vom Schulunterricht, zu erlangen.

Ein ähnliches Bild muss auch angesichts des Verhaltens des Pflegschaftsgerichts erscheinen. Dieses hatte nämlich spätestens anlässlich der Tagsatzung vom 2.2.2001 Kenntnis von einer gravierenden Gefährdung der mj. Katharina J. In dieser Tagsatzung wurde seitens des Kindesvaters u.a. mitgeteilt, dass die mj. Katharina J Selbstmordgedanken hat und den Schulbesuch verweigert. Diese Angaben wurden in weiterer Folge auch vom Jugendamt bestätigt (vgl. die psychologische Stellungnahme vom 5.4.2001, in welcher die Obsorge des Vaters vorgeschlagen wurde, die ergänzende psychologische Stellungnahme vom 17.5.2001, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass die mj. Katharina J, welche die engste Nahebeziehung zum beim Vater wohnenden Bruder hat, doch eher bei der Mutter wohnen sollte, und das Schreiben vom 21.6.2001). In weiterer Folge verblieb die Obsorge bei der Mutter. Bis zum neuerlichen Obsorgeantrag des Vaters am 20.1.2004, in welchem wieder auch weiterhin bestehende Nichterfüllung der Schulpflicht unter Hinweis einer Niederschrift vor

dem Jugendamt mitgeteilt wurde, erfolgte seitens des Pflegschaftsgerichts keine Überprüfung der Situation der mj. Katharina J mehr. Der erkennende Senat verkennt nicht, dass es nicht primäre Aufgabe eines Pflegschaftsgerichts ist, bei einem derartigen Sachverhalt durch begleitende Maßnahmen sicher zu stellen, dass entsprechend des Kindeswohls das offenkundig psychisch schwer belastete Kind nicht mit seinen Problemen alleine gelassen wird, für einen durchschnittlichen Erziehungsberechtigten, welcher die Gesetzeslage nicht kennt, muss aber der Eindruck entstehen, dass die angesprochene Symptomatik (Suizidgedanken, Schulabsenz) keinen Handlungsbedarf auslöst.

Dem erkennenden Senat ist kein Hinweis zugegangen, dass die Berufungswerberin von anderer Seite informiert worden wäre, dass angesichts der Verhaltensauffälligkeiten ihrer Tochter über die von ihr (höchst selten) wahrgenommenen (ineffizienten) Betreuungsmaßnahmen hinaus die Verhaltensauffälligkeiten positiv beeinflussende Therapieangebote bestehen.

Es kann daher nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren gebotenen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Mutter bei Zugrundelegung des von einem durchschnittlichen Erziehungsberechtigten forderbaren Engagements Kenntnis von zielführenden Therapieangeboten haben konnte.

Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass die Berufungswerberin es ausreichend sehen konnte, ihre Tochter regelmäßig auf ihre Schulbesuchsverpflichtung hinzuweisen. Bei Zugrundelegung der Angaben des Vaters der mj. Katharina J ist zudem als erwiesen anzusehen, dass die Berufungswerberin durch persönliches Zureden die mj. Katharina J zum Schulbesuch bewegen wollte (vgl. die Angst der mj. Katharina J vor einer Abschiebung in die Psychiatrie).

Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass auch ein durchschnittlicher, mit den rechtlichen Werten verbundener Erziehungsberechtigter gemeint hätte, abgesehen von einem regelmäßigen Zureden auf die Tochter und der Wahrnehmung der gegenständlichen Arzttermine keine weiteren sinnvollen Möglichkeiten zu haben, um die Beendigung der Absenz vom Schulunterricht bewirken zu können.

Mangels Vorliegens der für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erforderlichen Gewissheit, ob die Berufungswerberin die im erstinstanzlichen Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen hat, war sohin das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren mangels ausreichender Taterweisung einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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