Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn P. K. U., D-K., vertreten durch Dr. B. H., Rechtsanwalt in I., XY-Straße, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 04.04.2005, Zl VK-1240-2004, wie folgt:
I. Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die Spruchpunkte 1, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 14, 17 und 18 behoben werden und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt wird. Die Spruchpunkte 4. und 16. werden ebenso behoben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des Spruchpunktes 4. gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG und hinsichtlich des Spruchpunktes 16. gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e VStG wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Spruchpunkte 7, 12 und 13 zusammengefasst werden und eine Gesamtgeldstrafe in der Höhe von Euro 80,00 verhängt wird.
III. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 8,00, neu festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß folgendes zur Last gelegt:
?Tatzeit: 18.03.2004 ? 19.45 Uhr
Tatort: B179, km 46,600
Fahrzeug: Sattelzugfahrzeug, XY
1. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.5 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, das die Ruhezeit von
21.16 ? 11.24 Uhr auf 2. Fahrer geschaltet wurde 17./18.03.2004
1.
Zu diesem Punkt wurde das Verfahren eingestellt!
3.
Zu diesem Punkt wurde das Verfahren ebenfalls eingestellt!
4.
Sie habe als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.5 t übersteigt folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden keine Unterbrechung der Lenkzeit von mindestens 45 Minuten eingelegt haben, obwohl eine solche einzulegen ist, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt. Am 17.03.04 nach einer Lenkzeit von 07:17 bis 21:13 keine Lenkpause.
5. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da der Zeitgruppenschalter nicht betätigt wurde; 17.03.2004
6. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da das Kontrollgerät unberechtigt geöffnet wurde; 17.03.2004
7. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das Schaublatt am 16.03.04 um 23:07 Uhr vor Ablauf des Arbeitstages entnommen haben.
8. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da das Kontrollgerät unberechtigt geöffnet wurde; 16.03.2004
9. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, das das Kontrollgerät von 17:47 ? 18:35 Uhr auf 2. Fahrer geschaltet wurde; 16.03.2004
10. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, das das Kontrollgerät von 21:46 ? 05:39 Uhr auf 2. Fahrer geschaltet wurde; 13.03.2004
11. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da der Zeitgruppenschalter nicht betätigt wurde; 12.03.2004
12. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das Schaublatt am 13.03.04 um 14:12 Uhr vor Ablauf des Arbeitstages entnommen haben.
13. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das Schaublatt am 12.03.04 um 21:42 Uhr vor Ablauf des Arbeitstages entnommen haben.
14. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da das Kontrollgerät unberechtigt geöffnet ( 19:34) wurde; 12.03.2004
15.
Zu diesen Punkt wird das Verfahren eingestellt!
16.
Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie am 12.03.04 im Kontrollgerät mehr als ein Schaublatt an eine Tag (im 24 Stundenzeitraum) verwendet haben. Es wurde ein 2. verwendet.
17. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da zw. 12:37 ? 14:14 sowie 17:40 ? 05:31 auf 2. Fahrer geschaltet wurde; 11.03.2004
18. Sie haben als Lenker des angeführten KFZ, welches zur Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr eingesetzt ist und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht einschlich Anhänger oder Sattelanhänger 3.4 t übersteigt, folgende Übertretungen begangen. Es wurde festgestellt, dass Sie das eingebaute Kontrollgerät nicht richtig verwendet haben, da der Zeitgruppenschalter nicht betätigt wurde; 11.03.2004?
Der Berufungswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
4.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 7 Abs 1 EG-VO 3820/85
5.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
6.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
7.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 2 EG-VO 3821/85
8.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
9.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
10.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
11.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
12.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 2 EG-VO 3821/85
13.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 2 EG-VO 3821/85
14.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
16.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 15 Abs 2 EG-VO 3821/85
17.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
18.
§ 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85
Daher wurde über ihn zu diesen Spruchpunkten gemäß § 134 Abs 1 KFG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 80 (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und zu Spruchpunkt 16.eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 110 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden), sohin insgesamt Euro 1230,00, verhängt. Des Weiteren wurde ihm gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG die Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt Euro 123,00, auferlegt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben, in welcher der rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber im Wesentlichen folgendes vorbrachte:
?... Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 29. April 2002 Zl 2000/03/0103, ausgesprochen, dass bei, in engem zeitlichen Konnex stehenden und ineinander greifenden Transporten, ein einheitlicher Gesamtplan zu Grunde liegt. Dies rechtfertigt die Annahme eines ?Gesamtkonzeptes? im Sinne eines (jeweils) fortgesetzten Deliktes (vgl etwa das hg Erkenntnis von 11. Dezember 1996, Zl 96/03/0247). Ausgehend davon dürfen die Tatbestände 1,9,10 und 17 (Schalten der Ruhezeit auf 2. Fahrer), die Tatbestände 5,11 und 18 (Nichtbetätigung der Zeitgruppenschalter), die Tatbestände 6, 8 und 14 (Öffnen des Kontrollgerätes) sowie die Tatbestände 7, 12 und 13 (Vorzeitige Entnahme des Schaublattes) nicht für jeden Tag gesondert gestraft werden (sieh dazu insbesondere VwGH vom 28.03.2003, Zl 2002/02/0140-5).
Die Kumulation im Sinne des § 22 VStG war daher nicht zulässig und verstößt gegen das in Artikel 4 des 7. ZPEMRK verankerten ?Doppelbestrafungsverbot?....
... Das Einlegen eines neuen Schaublattes innerhalb der täglichen Arbeitszeit nach der Entnahme des Schaublattes darf nicht zusätzlich zur Bestrafung wegen der vorzeitigen Entnahme dieses Schaublattes geahndet werden, weil sich der Lenker einer Übertretung des Art 15 Abs 2 erster Satz der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 schuldig gemacht hätte (vgl VwGH 21.04.1999, 98/03/0356).
Dem Berufungswerber wird zu Tatvorwurf 6, 8 und 14 zur Last gelegt, das Kontrollgerät unberechtigt geöffnet zu haben. Dies stelle eine Übertretung gemäß § 134 Abs 1 KFG iVm Art 13 EG-VO 3821/85 dar. Art 13 leg cit ist die, das Kapitel IV (Benutzungsvorschriften) einleitende Bestimmung. Sie sagt aus, dass der Unternehmer (= Arbeitgeber) und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren und die richtige Funktion des Kontrollgerätes sorgen....
... Art 13 leg cit hat demnach lediglich eine ankündigenden
Charakter, er stellt keinen (Verwaltung-) Straftatbestand dar (VwGH
vom 25.06.1996, 96/22/0062)....
... Im Sinne der höchstrichterlichen Rechtssprechung stellt das
behauptete Verhalten des Berufungswerbers keinen Straftatbestand
dar. Ein Strafausspruch der Behörde besteht somit nicht und ist das
Verfahren in diesem Punkt einzustellen!
... Die Übertretungen sollen am 18.03.2004 gesetzt worden sein.
Innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist wurde dem Berufungswerber nicht vorgehalten, gegen welche Verwaltungsvorschrift er durch sein Verhalten nun eigentlich verstoßen hat.
Mit 18.09.2004 ist Verfolgungsverjährung eingetreten. Zu Spruchpunkt 4 differierte der vom Sachverständigen festgestellte Sachverhalt um nicht weniger als 9 Stunden und 8 Minuten vom Vorwurf der belangten Behörde. Diese berechnet den tatrelevanten Zeitraum bis 21:13 Uhr, der Sachverständige jedoch bis 12:05 Uhr.... ... Für eine Übertretung nach dieser Bestimmung (Art 7 Abs 1 VO (EWG) Nr 3820/85) ist ein Beobachtungszeitraum von 5 Stunden und 15 Minuten relevant. Es kann daher kein Zusammenhang zwischen der, von der Behörde behaupteten Übertretung und der vom Sachverständigen festgestellten Übertretung hergestellt werden? da der Untersuchungszeitraum in einem extremen Ausmaß vom Vorwurf abweicht. Auch zu Spruchpunkt 4 ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da dem Berufungswerber der vom Sachverständigen festgestellte Sachverhalt nie zur Last gelegt wurde.
... Diese Verfahrensart verlangt von der Behörde somit, dass in beide Richtungen ermittelt wird, also nicht nur den Beschuldigten zu belasten, sondern auch ihn zu entlasten. Daher wäre es von der erkennenden Behörde notwendig gewesen, die vom Beschuldigten vorgebrachten konkreten Tatsachen und die dafür angebotenen Beweise zu bestätigen oder zu widerlegen, Die erkennende Behörde jedoch hat keinen einzigen diesbezüglichen Verfahrensschritt gesetzt, der zur Entlastung des Beschuldigten führen könnte. .... ?
Aus diesen Gründen wurde daher der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat hat wie folgt erwogen:
1. Zu den Spruchpunkten 1, 5, 6, 8, 9, 10 11, 14, 17, 18:
Gemäß Art 13 VO (EWG) 3821/85 sorgen der Unternehmer und die Fahrer für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gerätes.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Nach Abs 2 leg cit beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate.
Eine geeignete Verfolgungshandlung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ua nur dann vor, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. Das bedeutet, dass die Umschreibung der verfolgten Tat denselben Kriterien zu entsprechen hat, wie sie vom Verwaltungsgerichtshof für die Umschreibung der Tat in einem Straferkenntnis entwickelt wurden.
Gemäß § 44a Z 2 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet (ua) die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat der Beschuldigte ein subjektives Recht auf richtige und vollständige Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch des Straferkenntnisses; durch die (ausschließliche) Zitierung einer nicht die verletzte Vorschrift darstellenden Bestimmung ist nicht zulässig und belastet den Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl VwGH 2002/03/0282, 97/10/0156, ua).
Wie seitens des Berufungswerbers zutreffend ausgeführt wurde, hat Art 13 VO(EWG) 3821/85 lediglich einen ankündigenden Charakter und stellt keinen Verwaltungsstraftatbestand dar (VwGH 97/11/0025, 96/11/0113, 96/11/0062) und kann daher das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten nicht unter diese Norm subsumiert werden. Im Übrigen lassen die zur Last gelegten Tatvorwürfen wohl nur auf eine nicht ordnungsgemäße Verwendung bzw Bedienung des Gerätes schließen und nicht auf ein allfälliges nicht ordnungsgemäßes Funktionieren des Gerätes an sich.
Da die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten das ihm zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG näher konkretisieren und individualisieren muss, ist im Sinne des E VS 27.6.1984, 82/03/0218, VwSlg 11478 A/1984 zu folgern, dass auch eine Verfolgungshandlung einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich ist (VwGH 5.7.2000, 97/03/0081).
Nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Ein solcher Umstand ist die Verfolgungsverjährung.
Die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen wurden am 18.03.2004 begangen. Die Verjährungsfrist von sechs Monaten endete somit am 18.09.2005. Innerhalb dieser Frist wurde dem Berufungswerber gegenüber keine taugliche Verfolgungshandlung hinsichtlich der Gebzw Verbotsnorm der Übertretungen gesetzt, weshalb aufgrund der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung das Verfahren zu diesen Spruchpunkten einzustellen war.
2. Zu Spruchpunkt 4:
Gemäß Art 7 Abs 1 EG-VO 3820/85 ist nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen. In Spruchpunkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Berufungswerber folgendes zur Last gelegt:
? ... Es wurde festgestellt, dass Sie nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden keine Unterbrechung der Lenkzeit von mindestens 45 Minuten eingelegt haben, obwohl eine solche einzulegen ist, sofern der Fahrer keine Ruhezeit nimmt. Am 17.03.04 nach einer Lenkzeit von 07:17 bis 21:13 keine Lenkpause.?
Unabhängig davon, dass nach der gutachterlichen Auswertung der Schaublätter fest steht, dass der Berufungswerber am 17.03.2004 in der Zeit von 07:16 bis 12:05 Uhr keine ausreichende Lenkpause eingelegt hat, bildet das ihm zur Last gelegt Verhalten aus folgenden Gründen keine Verwaltungsübertretung:
Gesetz- bzw. verordnungswidrig handelt gemäß Art 7 Abs 1 EG-VO 3820/85 ein Lenker, der nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden keine Lenkpause von mindestens 45 Minuten einlegt (außer sein Verhalten entspricht Art 7 Abs 2 leg cit).
Dem Berufungswerber wurde zur Last gelegt, dass er am 17.03.2004 nach einer Lenkzeit von 07:17 bis 21:13 Uhr, also nach einer Zeitspanne von 13 Stunden und 56 Minuten, keine Lenkpause eingelegt habe. Dieser Tatvorwurf entspricht jedoch nicht dem Verordnungstext, da nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden eine Unterbrechung von 45 Minuten einzulegen ist und bildet der dem Berufungswerber in diesem Spruchpunkt zur Last gelegte Sachverhalt keine Verwaltungsübertretung. Im Übrigen hat der Berufungswerber nach dem zur Last gelegten und nach dem vom Sachverständigen festgestellten Zeitraum eine Lenkpause eingelegt. Er hat jedoch während des Zeitraumes von 07:16 bis 12:05 Uhr keine der gegenständlichen Norm entsprechenden Unterbrechungen gemacht. Eine diesbezügliche Berichtigung des Tatvorwurfes durch die Berufungsbehörde war auf Grund der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht möglich.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Um den Erfordernissen der zuletzt genannten Gesetzesstelle zu entsprechen, hat der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Anziehung aller Tatbestandsmerkmale möglich ist und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Dies bedeutet, dass der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein muss, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, andererseits die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH 08.05.1987, Slg 12.466/A). Der Spruch eines Straferkenntnisses muss also geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Da das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten nicht unter die zu Grunde gelegte Norm subsumierbar ist und dieses Verhalten keine Verwaltungsübertretung bildet, war dieser Spruchpunkt gemäß § 45 Abs 1 Z 1 unabhängig vom Vorbringen des Berufungswerbers einzustellen.
3. Zu den Spruchpunkten 7, 12, 13:
Gemäß Art 15 Abs.2 VO (EWG) 3821/85 benutzen die Fahrer für jeden Tag, an dem sie lenken, ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Fahrzeug übernehmen, Schaublätter. Das Schaublatt wird erst nach der täglichen Arbeitszeit entnommen, es sei denn, eine Entnahme ist auf andere Weise zulässig. Kein Schaublatt darf über den Zeitraum, für den es bestimmt ist, hinaus verwendet werden.
Nach § 134 Abs 1 KFG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu Euro 2.180.00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer diesem Bundesgesetz, den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, dem Art 5 bis 9 der Verordnung EWG Nr 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl Nr L370 vom 31.12.1985, S1, sowie der Verordnung EWG Nr 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr, ABl L370 vom 31.12.1985, S8, geändert durch Verordnung EWG Nr 3527/90, ABl L535 vom 17.12.1990, S12, zuwider handelt.
Wie seitens des Berufungswerbers zutreffend ausgeführt wurde, ist nach der Rechtsprechung des VwGH zur verfahrensgegenständlichen Verordnung bei engen in zeitlichem Konnex stehenden und ineinander greifenden Transporten von einem einheitlichen Gesamtplan auszugehen. Dies rechtfertigt die Annahme eines Gesamtkonzeptes im Sinne eines fortgesetzten Deliktes (vgl VwGH 2000/03/0103; VwGH 2004/11/0028; ua).
Gemäß § 66 Abs 4 AVG, der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt ihre Anschauungen an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzten und demgemäß den Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. § 66 Abs 4 zweiter Satz AVG ist keine ?Kann-Bestimmung?. Vielmehr ist dieser Satz im Zusammenhang mit dem ersten Satz zu sehen und beinhaltet nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der Berufungsbehörde (vgl VwGH 96/11/0098).
Daher kam eine Aufhebung dieser Spruchpunkte sowie die dementsprechende Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu diesen Spruchpunkten aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Fest steht, dass der Berufungswerber am 16.03.2004, am 13.03.2004 und am 12.03.2004 das Schaublatt vor Ablauf des Arbeitstages aus dem Kontrollgerät entnommen hat. Dies wurde auch nicht bestritten.
Sohin hat der Berufungswerber die ihm in diesen Spruchpunkten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu vertreten. Es sind im Verfahren auch keine Umstände hervorgekommen oder vorgebracht worden, wonach dem Berufungswerber die Beachtung der vorstehenden Verhaltenspflichten nicht möglich gewesen wäre. Daher trifft den Berufungswerber jedenfalls der Vorwurf schuldhaften Verhaltens.
Nach § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Unrechtsgehalt der betreffenden Übertretung ist erheblich, bilden doch die ordnungsgemäße Handhabung der Schaublätter und des Kontrollgerätes die Voraussetzungen um die Einhaltung der Bestimmungen über die Lenkzeiten zu überprüfen und somit die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten und ist hinsichtlich des Verschuldens von Vorsatz auszugehen.
Im Zusammenhalt der für die Strafbemessung relevanten Aspekt ist die verhängte Geldstrafe in der Höhe von Euro 80,00 tat- und schuld angemessen, zumal sich diese im untersten Bereich des Strafrahmens befindet und ist diese auch mit allfälligen ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang zu bringen.
4. Zu Spruchpunkt 16:
Unter diesem Spruchpunkt wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 12.03.2004 im Kontrollgerät (im 24 Stunden Zeitraum) zwei Schaublätter verwendet. Unter Spruchpunkt 13. wurde ihm zur Last gelegt, dass er am 12.03.2004 das Schaublatt vor Ablauf des Arbeitstages entnommen und wurde diesbezüglich eine Strafe über ihn verhängt.
Das Einlegen eines neuen Schaublattes innerhalb der täglichen Arbeitszeit nach der Entnahme des Schaublattes darf nicht zusätzlich zur Bestrafung wegen der vorzeitigen Entnahme dieses Schaublattes geahndet werden, weil sich der Lenker einer Übertretung des Art 15 Abs 2 erster Satz der Verordnung (EWG) Nr 3821/85 schuldig gemacht hätte, wenn er nach der Entnahme des Schaublattes kein Schaublatt mehr benutzt hätte (vgl VwGH98/03/0356).
Im Licht dieser Rechtsprechung würde eine Bestrafung wegen der Verwendung des zweiten Schaublattes dem im Art 4 des 7. ZP der MRK verankerten Doppelbestrafungsverbot widersprechen, sodass das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen war.
Der Kostenspruch stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle. Sohin war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.