Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Mag. Dr. Tessar über die Berufung der Frau Heidrun B gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk, vom 31.5.2005, MBA 13/14- S/12736/04, wegen Übertretung des § 10 Abs 2 Wasserrechtsgesetz, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
"Sie haben, wie bei einer Überprüfung am 18.10.2004 festgestellt wurde, einen Schachtbrunnen auf der Liegenschaft in Wien, H-straße für die Grundwasserentnahme zur Bewässerung der Gartenfläche ohne die gemäß § 10 Abs 2 Wasserrechtsgesetz 1959 idgF erforderliche wasserrechtliche Bewilligung erhalten.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 10 Abs 2 Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215 in der geltenden Fassung
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von EUR 140,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag, gemäß § 137 Abs 2 Z 2 leg cit"
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung, in der die Berufungswerberin im Wesentlichen vorbringt, keine strafbare Handlung begangen zu haben. Erläuternd wird ausgeführt, dass eine Wasserentnahme aus dem Brunnen des eigenen Grundstückes nur in der Menge erfolgen würde, die keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedürfen würde. Sie würde mit dem Brunnenwasser nur sporadisch die Blumen gießen. Aus dem der Berufung beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich, dass am 4.1.2004 durch die Magistratsabteilung 45 eine Anzeige erfolgte. In dieser wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, einen Schachtbrunnen auf der Liegenschaft in Wien, H-straße für die Grundwasserentnahme zur Bewässerung der Gartenfläche zu nutzen, ohne die gemäß § 10 Abs 2 Wasserrechtsgesetz 1959 idgF erforderliche wasserrechtliche Bewilligung erhalten zu haben. Im Zuge eines Ortsaugenscheines durch die Gewässeraufsicht am 18.10.2004 sei auf der gegenständlichen Liegenschaft ein Brunnen vorgefunden worden, der noch die Pumpe und sämtliche Leitungen zur Grundwasserentnahme aufgewiesen habe. Laut Auskunft der Grundeigentümerin sei dieser aber nicht mehr in Betrieb und diene lediglich als Reserve. Bereits am 6.9.2002 sei dieser Brunnen vorgefunden worden, wobei der Brunnen damals für Bewässerungszwecke Verwendungen gefunden habe. Vor
Anschluss der Liegenschaft an die öffentliche Trinkwasserleitung im August 2001 sei mittels des gegenständlichen Brunnens der gesamte Wasserbedarf des Hauses (auch Trinkzwecke) gedeckt worden. Eine objektiv notwendige ? und daher bewilligungsfreie Grundwasserentnahme gemäß § 10 Abs 1 Wasserrechtsgesetz ? würde nicht vorliegen. Es würde somit für die Grundwasserentnahme zur Bewässerung der Gartenfläche ohne die gemäß § 10 Abs 2 WRG erforderliche wasserrechtliche Bewilligung ein Schachtbrunnen samt Ausrüstung erhalten. Mit Strafverfügung vom 26.11.2004 wurde der Berufungswerberin vorgeworfen, § 10 Abs 2 Wasserrechtsgesetz verletzt zu haben. Mit Schriftsatz vom 8.12.2004 erhob die Berufungswerberin fristgerecht Einspruch.
Die Magistratsabteilung 45 gab mit Schreiben vom 9.5.2005 eine Stellungnahme ab. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass die Berufungswerberin seit Jänner 2005 telefonisch über die notwendigen Schritte zur Erlangung einer wasserrechtlichen Bewilligung informiert werde. Ergänzend seien am 1.2.2005 ein Antragsformular für eine wasserrechtliche Bewilligung und ein Ausdruck des elektronischen Katasterplanes der Liegenschaft an sie übermittelt worden. Eine telefonische Anfrage am 9.5.2005 beim für wasserrechtliche Bewilligungen zuständigen Sachverständigen der Magistratsabteilung 45 und beim Protokoll der Magistratsabteilung 58 habe ergeben, dass seitens der Berufungswerberin bisher leider kein Antrag auf eine wasserrechtliche Bewilligung gestellt worden sei.
Aus dem von der Berufungswerberin im Berufungsverfahren vorgelegten und in weiterer Folge von der erkennenden Behörde beigeschafften Grundbuchsauszug betreffend die gegenständliche Liegenschaft ist ersichtlich, dass die Berufungswerberin sei dem 27.7.1994 Eigentümerin dieses Grundstücks ist.
DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT WIEN HAT
ERWOGEN:
Gemäß § 10 Abs 1 Wasserrechtsgesetz bedarf der Grundeigentümer zur Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf keiner Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht.
Gemäß Abs 2 leg cit ist in allen anderen Fällen zur Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich. Voraussetzung für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe ist das Vorliegen eines Verhaltens, welches als tatbildlich gesetzt zu qualifizieren ist.
Durch § 10 Abs 2 WRG wird im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 WRG eine Bewilligungspflicht für die Erschließung oder Benutzung des Grundwassers und zu den damit im Zusammenhang stehenden Eingriffen in den Grundwasserhaushalt sowie zur Errichtung oder Änderung der hiefür dienenden Anlagen normiert. Aus der Bestimmung des § 10 Abs 2 WRG ist allenfalls das Verbot der Errichtung eines Brunnens, keinesfalls aber das Verbot der Erhaltung eines Brunnens abzuleiten. Zudem stellt auch keine der in § 137 WRG angeführten Strafsanktionsnormen die Erhaltung eines Brunnens unter Strafe. Der im gegenständlichen Fall angelastete Sachverhalt der Erhaltung eines Brunnens allein stellt daher niemals die Verwirklichung eines Straftatbestandes dar.
Es war sohin das erstinstanzliche Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen.
Für die allfällige weitere behördliche Vorgehensweise sei bemerkt, dass aus dem beigeschafften Grundbuchsauszug hervorgeht, dass die Berufungswerberin Eigentümerin des gegenständlichen Grundstücks war (ist), und daher aufgrund des Umstandes, dass das Grundwasser gemäß § 1f WRG als absolutes Privatgewässer zu qualifizieren ist, Besitzerin des unter diesem Grund liegenden Grundwassers war (ist). Als solche ist sie berechtigt, innerhalb der in § 10 Abs 1 WRG normierten Grenzen das unter ihrem Grundstück liegende Grundwasser zu nutzen (vgl. VwGH 13.12.1906, Slg 4837; 4.7.1030, Slg. 16.257).
Der österreichische Wasserrechtsgesetzgeber unterwarf aber das Privateigentum am Grundwasser - im Gegensatz zur deutschen Rechtslage - nur den für dessen Nutzung im Interesse des Gemeinwohls erforderlichen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (vgl. OGH 3.10.1996, Zl. 1 Ob 2170/96s). Es ist daher davon auszugehen, dass nach der Intention des Gesetzgebers eine Grundwasserentnahme grundsätzlich nur dann unzulässig ist, wenn diese Grundwasserentnahme dem Gemeinwohlinteresse
widerspricht.
Die Grenze des Ausmaßes der zulässigen bewilligungsfreien
Grundwasserentnahme liegt gemäß § 10 Abs 1 WRG nun
einerseits darin, dass nur für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf Grundwasser entnommen werden kann. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann bei sonstiger Verletzung des durch Art 7 erster Satz B-VG verfassungsrechtlich garantierten Verbots unsachlicher gesetzlicher Differenzierungen (Gleichheitssatz) diese Bestimmung nicht (wie etwa vom OGH im Erkenntnis vom 3.10.1996, Zl. 1 Ob 2170/96s) dahingehend ausgelegt werden, dass nur in dem Falle, dass auf einem Grundstück in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Wohnstätte ein Betrieb (Wirtschaftszweig) betrieben wird, eine bewilligungsfreie Grundwasserentnahme zulässig ist. Für die Frage, ob eine Grundwasserentnahme dem Gemeinwohlinteresse entspricht oder nicht, kann es nämlich nicht darauf ankommen, ob am Grundstück ein auch tatsächlich bewohntes Wohngebäude liegt oder nicht. Das am Grundwasserhaushalt bestehende Gemeinwohlinteresse wird wenn, dann nur durch eine übermäßige Grundwasserentnahme oder eine in sonstiger Weise den Grundwasserhaushalt negativ beeinflussende Maßnahme verletzt. Eine Regelung, welche die Fälle einer weder übermäßigen noch den Grundwasserhaushalt negativ beeinflussenden Grundwasserentnahme, daher eine nicht das Gemeinwohlinteresse am Grundwasser tangierende Grundwasserentnahme, je nach dem Umstand, ob auf dem Grundstück ein bewohntes,
kleingewerbliches Betriebsgebäude liegt oder nicht, unterschiedlich regelt, müsste daher aus dem Blickwinkel des Schutzzweckes des § 10 WRG als unsachlich und daher als verfassungswidrig qualifiziert werden; hat doch die Art der Nutzung eines Grundstückes keinen Einfluss auf die Schutzbedürftigkeit des Grundwasserstroms bzw. auf die Privatgewässernutzungsrechte des Grundeigentümers.
Eine verfassungskonforme Gesetzesinterpretation gebietet es daher, dass die Wendung ?notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf" nicht zum Ausdruck bringt, dass nur im Falle des Vorliegens eines kleingewerblichen bzw. bäuerlichen Betriebes, welcher am Wohnort des Betriebsinhabers betrieben wird, eine bewilligungslose Grundwasserentnahme zulässig sein soll. Vielmehr wird durch diese Wendung bloß eine ermittelbare Wasserentnahmemenge bezeichnet, bis zu welcher eine Verletzung des am Grundwasser bestehenden Gemeinwohlinteresses nicht anzunehmen und daher eine bewilligungsfreie Grundwasserentnahme stets zulässig ist. Es ist daher für die Frage des Bestehens eines bewilligungsfreien Grundwasserentnahmerechts irrelevant, ob auf dem gegenständlichen Grundstück gewohnt wird oder sich auf diesem ein gewerblicher Betrieb befindet; wird doch durch die Wendung ?Haus- und Wirtschaftsbetrieb" lediglich eine objektiv ermittelbare Höchstgrundwasserentnahmemenge normiert.
Diese Menge des notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarfs ist entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur nicht nach konkreten (häuslichen oder betrieblichen) Zweckmäßigkeiten, sondern objektiven Gesichtspunkten zu ermitteln. Demnach ist bewilligungsfrei nur eine Grundwasserentnahme im Umfang der Wassermenge, welche zur Deckung des für einen kleineren landwirtschaftlichen oder kleingewerblichen Betrieb charakteristischen Wasserbedarfs erforderlich ist, zulässig. (vgl. Raschauer B., Wasserrecht. Kommentar; Wien 1993, § 10 Anm. 1 und 2; Haager-Vanderhaag K., Das neue österreichische Wasserrecht, § 10 S 191; VwGH 9.2.1961, 2066/59; 27.10.1960, 1087/59).
Die zulässige Wasserentnahmemenge ist zusätzlich dahingehend begrenzt, als durch die Grundwasserentnahme nicht die Grundwasserverhältnisse der benachbarten, nicht im eigenen Eigentum stehenden Liegenschaften, relevant beeinträchtigt werden dürfen (vgl. Raschauer B., Wasserrecht. Kommentar; Wien 1993, § 10 Anm. 3). Der fachliche Hintergrund hiefür ist die Sicherstellung einer ausreichenden Grundwasserneubildung, sodass die Ermittlung dieser Wasserentnahmebegrenzung unter Beachtung des § 364 ABGB im Einzelfall zu erfolgen hat (vgl. Oberleitner F.; Wasserrechtsgesetz 1959. i.d.F. der WRG-Novelle 2003; Wien 2004; § 10, Anm. 3).
Abgesehen vom Falle einer Regelung i.S.d. § 10 Abs 4 WRG ist also nur im Falle der relevant nachteiligen Beeinflussung der Grundwasserverhältnisse unter den nicht im Eigentum des Brunnengrundstückseigentümers stehenden Nachbargrundstücken eine bewilligungslose Wasserentnahme im Ausmaß des für einen kleineren landwirtschaftlichen oder kleingewerblichen Betrieb charakteristischen Wasserbedarfs bewilligungspflichtig. Da eine Grundwasserentnahme bloß zum Zwecke der (nicht exorbitanten) Beregnung der Grundstücksgrünflächen keinesfalls das Ausmaß des Wasserbedarfs eines kleineren landwirtschaftlichen oder kleingewerblichen Betriebs zu erreichen vermag, bedarf die Berufungswerberin jedenfalls für eine Grundwasserentnahme im Ausmaß der Grundwasserentnahme zur Deckung des häuslichen Wasserbedarfs (wie z.B. für die Grünflächenberegnung) keiner wasserrechtlichen Bewilligung i.S.d. § 10 Abs 2 WRG.